Bergkristall - St. Georgen a.d. Gusen, KZ Gusen I und II

#61
Die Bohrungen waren ergebnislos aber nun soll die Geschichte neu aufgearbeitet werden.

„Bezirkshauptmann: "Geschichtliche Aufarbeitung und Gesamtbeurteilung" - Bürgermeister will Forschungen vorantreiben - Filmemacher Sulzer plant zwei Dokus“
derstandard.at v. 3.10.2014

http://derstandard.at/2000006364118/Geruechte-um-Atomversuche-im-KZ-Gusen-Historiker-eingeschaltet
Da kommt beim Steuerzahler Freude auf, dass wir das alles finanzieren dürfen. Keinerlei Ergebnisse aber die Gelder fliesen mit kräftiger politischer Unterstützung weiter!
Mein Vorschlag wäre diese Aktivitäten aus der reichlich fliesenden Parteienförderung zu bestreiten.

LG Zwölfaxinger
 

josef

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#63
"Standard" - Artikel v. 17.10.2014

Für den Fall, dass der "Standard-Artikel " wieder verschwindet, hier der gesamte Text:
NS-Stollen: Licht auf die dunkle Seite des Bergkristalls

Bei der Suche um das NS-Rüstungsprojekt "Bergkristall" haben Forscher nun Belege für eine größere Anlage gefunden.

Linz – Andreas Sulzer ist die Aufregung deutlich anzusehen. Zwischen Rehbeuschel und Weißbier breitet der oberösterreichische Filmemacher am Tisch in der "Marktstub'n zu St. Georgen" seine jüngsten Recherche-Ergebnisse aus. Seit mehr als vier Jahren durchforstet Sulzer in mühsamer Kleinarbeit deutsche, russische und amerikanischen Archive. Mit einem Ziel: das Geheimnis um das einst größte NS-Bauwerk Österreichs zu lüften. Jetzt scheint der Filmemacher diesem Ziel einen entscheidenden Schritt nähergekommen zu sein.

Neues Atom-Gutachten
Bestätigt sieht Sulzer nämlich seine These, dass "Bergkristall" deutlich größer als die bislang bekannte Stollenanlage ist. Beweis dafür soll jetzt ein – in Zusammenarbeit mit einem Team rund um den Grazer Historiker Stefan Karner – entdecktes und bislang unter Verschluss gehaltenes Gutachten der "Studiengesellschaft für Atomenergie GmbH" aus dem Jahr 1968 sein. Gesucht wurde damals ein mögliches Endlager für radioaktives Material, die ehemaligen NS-Stollen schienen ideal.

Und tatsächlich offenbart die – dem Standard vorliegende – Expertise durchaus Erstaunliches: "... die Stollen sind in zwei übereinander liegenden Etagen angelegt" heißt es etwa in dem Gutachten. Bislang ist das Stollen-System in den offiziellen Unterlagen als eingeschossig kartiert. Die angebliche zweite Ebene ist in dem behördlichen Schreiben mit entsprechend großem Ausmaß festgehalten: 100.000 Kubikmeter Betonstollen (teilweise bis zu acht Meter hoch) und 200.000 Kubikmeter Sandstollen.

Zweite Stollenebene
Dem Gutachten sind auch zwei detaillierte Pläne der gesamten Stollenanlage beigefügt. Auch darauf ist sind deutlich zwei unterschiedliche Ebenen ersichtlich. Für Sulzer ist damit der Beweis erbracht, dass in St. Georgen noch einiges im Dunklen liegt: "Schon die geoelektrische Sondierung des Geländes hat gezeigt, dass Hohlräume vorhanden sind. Jetzt liegen konkrete Pläne vor und das Gutachten lässt den Schluss zu, dass die unbekannten Stollen 1968 auch begangen wurden."

Warum dann aber mehrere – zuletzt im Februar – von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) finanzierte Bohrungen allesamt ergebnislos verlaufen sind? Sulzer: "Man hat an den falschen Stellen gebohrt." Und St. Georgens Bürgermeister Erich Wahl setzt nach: "Es gibt den begründeten Verdacht, dass die BIG dazu neigt, Dinge klein zu reden."

Was man so vonseiten der BIG nicht stehen lassen will. "Selbstverständlich hat die BIG großes Interesse an der Aufklärung, ob weitere unterirdische Stollensysteme existieren. Wir sind allen Hinweisen nachgegangen. Das werden wir auch in Zukunft tun. Bis dato hat aber nichts einer kritischen Überprüfung standgehalten", betont Sprecher Ernst Eichinger im Gespräch mit dem Standard.

Beim Land Oberösterreich hat die jüngste Entwicklung rund um die "Bergkristall"-Stollen für entsprechende Unruhe gesorgt. Anders lässt sich sonst nicht erklären, warum umgehend eine Expertengremium – darunter Historiker Bernhard Perz, Stollenspezialisten, Geologen, Vertreter der BIG und des Landes – einberufen wurde. Bereits am 5. November findet der erste runde Tisch unter der Federführung von Bezirkshauptmann Werner Kreisl in der BH Perg statt.

Zur Sicherheit Beton

Unter dem Decknamen "B8 Bergkristall" mussten Häftlinge der beiden angrenzenden KZ-Lager Gusen I und Gusen II in nur 13 Monaten Bauzeit ein unterirdisches Flugzeugwerk für die Großserienproduktion von Messerschmitt-Me-262-Düsenjagdflugzeugen errichten. In dem KZ waren 71.000 Menschen interniert, mehr als die Hälfte kam zu Tode.

(Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 17.10.2014)
Text u. Foto: http://derstandard.at/2000006984765/NS-Stollen-Licht-auf-die-dunkle-Seite-des-Bergkristalls
 

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josef

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#64
...und noch ein Artikel aus "Die Presse"

Neue Heimat im KZ

Von Wolfgang Freitag (Die Presse)

Wie ein ganzes KZ verschwindet - und eine unterirdische NS-Fabrik wieder auftaucht. Zur ungeschriebenen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte der Konzentrationslager von Gusen bei Linz.

Wohnen mit Krematoriumsblick. Sie suchen ein neues Heim in der Nähe von Linz? Wie wäre es zum Beispiel damit: "Wohnanlage in Langenstein. 12 Wohneinheiten 93 bis 130 m2. Die Wohnanlage besteht aus 4 Häusern mit jeweils 3 Wohneinheiten. Die offene Raumgestaltung im Erdgeschoß schafft einen großzügigen, hellen Wohnraum. Natürlich sorgt im Bad ein Fenster für Helligkeit und gute Belüftung." Und vielleicht sorgt dieses Fenster auch gleich für einen Blick auf das Nachbargrundstück: direkt auf das Krematorium des Konzentrationslagers Gusen I, dorthin, wo der Doppelmuffelofen der Firma Topf & Söhne steht, der hier Anfang 1941 in Betrieb genommen wurde und durch dessen Schornstein in der Folge gut und gern 30.000 Menschen "flogen", wie das die KZ-Häftlinge selbst nannten. Trautes Heim, Glück allein, und nebenan die Reste einer der bestfunktionierenden Vernichtungsmaschinen der SS?

Nicht dass Katharina Huemer, bei Huemerbau für die Wohnanlage Langenstein zuständig, das - nun, sagen wir - ein wenig unübliche Umfeld ihres Projekts verschwiege: "Es ist halt eine ein bisserl geschichtsträchtige Gegend, Mauthausen, Gusen, das zieht sich so durch." Richtig, das zieht sich so durch hier, östlich von Linz, vom KZ Mauthausen, hoch droben über der Donau, über die Konzentrationslager Gusen I und II ein paar Kilometer weiter im Tal, in der Mauthausener Nachbargemeinde Langenstein, bis zu den Stollen des Nazi-Projekts "Bergkristall", einer der größten unterirdischen Rüstungsfabriken des Dritten Reichs, abermals ein paar Kilometer weiter, in der Langensteiner Nachbargemeinde Sankt Georgen an der Gusen. Doch während das KZ Mauthausen, weithin sichtbar, zur Gedenkstätte konserviert, seine Geschichte gleichsam demonstrativ vor sich her trägt, verbirgt sie sich in Langenstein und Sankt Georgen unter dicken Schichten von Nachkriegstransformierung: Gusen I und II sind unter schmucken Einfamilienhaussiedlungen verschwunden, "Bergkristall" liegt ohnehin praktischerweise halbwegs unsichtbar im Berg, und wäre da nicht das Krematorium samt anliegendem KZ-Besucherzentrum, dort nicht ein gesprengter Lüftungsturm des Stollensystems, so gut wie nichts ließe ahnen, was hier vor gar nicht so langer Zeit geschehen ist.

Wir haben ja genug gesehen unterm Krieg, wie sie das KZ gebaut haben in Gusen, haben lauter KZler gebaut, das Gusen-KZ. 13, 14 Jahre war ich, wir sind noch in die Schule gegangen, wie sie in Gusen schon verbrannt haben. Da haben wir's ja schon geschmeckt, wenn wir auf Sankt Georgen gegangen sind, in der Früh, in die Schule, wie es gestunken hat, wie es herausgeraucht hat, wir haben ja das alles gesehen als Kinder. (Eine Langensteinerin, Jahrgang 1929.)

Der schreckliche Zwilling. Kaum 14 Tage sind seit dem "Anschluss" vergangen, da kann Gauleiter August Eigruber schon im "Völkischen Beobachter" verkünden, die Oberösterreicher würden "als besondere Auszeichnung" ein "Konzentrationslager für die Volksverräter von ganz Österreich" bekommen. Die Wahl fällt auf den Raum Mauthausen: Hier sind die Steinbrüche zu finden, die man für die hochfliegenden NS-Baupläne dringend braucht. Die SS-eigene Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH, kurz DESt, pachtet, kauft, presst ab, enteignet die Steinbrüche in und um Mauthausen und Langenstein, im Wesentlichen der Stadt Wien und dem ortsansässigen Steinindustriellen Anton Poschacher gehörig, und betreibt sie weiter - mit den politisch, rassisch oder sonst wie nicht Genehmen, die ihr von Gestapo und SS zugetrieben werden. Das Konzept ist simpel: Arbeitskräfte gibt es solchermaßen vorderhand genug, um deren Wohlergehen man sich zudem überhaupt nicht grämen muss, ist doch ihr Überleben gar nicht vorgesehen. So wird man die, die man loswerden will, los und profitiert auch noch an ihnen. "Vernichtung durch Arbeit" mit tadelloser Rendite. - Der Errichtung des KZs Mauthausen folgt alsbald die eines zweiten Lagers auf dem Gemeindegebiet von Langenstein, nach einem nahen Bauernweiler Gusen genannt, das am 25. Mai 1940 eröffnet wird. "Das KZ Gusen bildete mit dem KZ Mauthausen eine Art Doppellager", erläutert der Wiener Zeitgeschichtler Bertrand Perz in seinem kürzlich erschienenen Band über die Nachkriegsgeschichte der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Und: Der Bau der unterirdischen Fabrikanlagen in Sankt Georgen und die dafür vorgenommenen Erweiterungen des Lagers um Gusen II hätten ab 1944 dazu geführt, "dass sich im Lager Gusen lange Zeit mehr Häftlinge aufhielten als im Hauptlager Mauthausen selbst und Gusen auch eine höhere Zahl an Toten aufwies. Circa 60.000 Häftlinge verblieben für längere Zeit in den Gusener Lagern, mindestens 35.000 kamen dort zu Tode." Wenig erstaunlich, dass die Lager von Gusen als "schrecklicher Zwilling" des Lagers Mauthausen in die Erinnerung mancher KZ-Überlebender eingegangen sind.

So ähnlich die Geschichte der "Zwillinge" während des Krieges, so verschieden das, was nach der Befreiung durch die US-Armee am 5. Mai 1945 folgt: Schon im Juni 1947 übergibt die sowjetische Besatzungsmacht das KZ Mauthausen an die junge Republik, und die verpflichtet sich, "die Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen als Denkmal zur Erinnerung an die Opfer in ihre Obhut zu nehmen und zu erhalten"; Gusen I und die angrenzenden Steinbrüche dagegen werden bis 1955 als "Sowjetische Granitwerke" weiterbetrieben, die Baracken von Gusen II unmittelbar nach Kriegsende niedergebrannt, um die drohende Ausbreitung von Seuchen zu unterbinden.

Der Sand wiederum, den die KZ-Häftlinge aus einem namenlosen Hügel südwestlich von St. Georgen gewühlt haben, um "Bergkristall" zu installieren, bleibt nur kurz, zu einem gewaltigen Berg gehäuft, unweit des Stolleneingangs liegen: Dann schlägt ein findiger Kriegsheimkehrer aus seinem Verkauf Nachkriegskapital. Und die Republik hat auch noch was davon: Wer wiederaufbauen will, braucht schließlich Sand, und so soll ein Gutteil des "Bergkristall"-Aushubs in den Bau des Donaukraftwerks Jochenstein geflossen sein. KZ-Arbeit mit Wiederaufbau-Mehrwert.

Seit 1947 hat somit heimische NS-Gedenkkultur nur mehr einen Namen: Mauthausen. Und weil einschlägige Bedürfnisse und Notwendigkeiten auf solche Weise tauglich an einem Ort entsorgt sind, kann man alles andere getrost der Nachkriegswirklichkeit übergeben: Das Lagersystem Mauthausen/Gusen schrumpft in der öffentlichen Wahrnehmung zum einsamen Punkt auf einem Berg, das meiste andere verschwindet spätestens nach 1955 unter Einfamilienhäusern, Thujenhecken, Gartenzwergen. Doch irgendwann und irgendwie holt die Geschichte jeden ein, der sich aus ihr wegstehlen will. Wir haben den Grund um fünf Schilling für den Quadratmeter gekauft, das war doch kein Geld nicht. Wir waren alle nicht von da, wir haben erst mit der Zeit mitgekriegt, was da los war. Aber da war es schon zu spät. Da haben wir schon alle Haus gebaut, wie wir so manches gefunden haben, Knochen, ein Essbesteck und so, aber man hat das nicht so tragisch genommen. Die Fundstücke hat man weggeschmissen, wir haben da mitten in der Wiese einen tiefen Brunnen gehabt, da ist das Zeug alles hineingegangen, Erde drauf, das ist da ganz tief unten. (Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1931)

Im Stillschweigen. Man hätte es wissen können. Spätestens 1956. Spätestens 1956 hätte man wissen können, dass sich das Gedenken an mehr als 35.000 Gusener KZ-Tote nicht in Wirtschaftswunder-Luft auflösen würde. 1956 richtet die Gastwirtin Stefanie Fulsche an die Finanzlandesdirektion Oberösterreich das Ansuchen "um käufliche Erwerbung des Grundstückes 1551/1" in Langenstein. Auf diesem Grundstück freilich ragt nicht nur der letzte Rest des Gusener Krematoriums, besagter Doppelmuffelofen der Firma Topf & Söhne, in den Himmel, über die Jahre haben sich dem Ofen zwei bis dahin offiziell unbekannte Standobjekte beigesellt: zwei tonnenschwere Gedenksteine, der eine mit polnischer, der andere mit französischer Inschrift. Grundeigentümer Bund, einem Verkauf an Frau Fulsche - Krematoriumsofen hin oder her - nicht abgeneigt, sieht sich durch die beiden Steine zu investigativen Initiativen genötigt: Wer hat sie wohl wann dort aufgestellt? Und warum?

Als heimtückische Gedenksteinsetzer werden alsbald die französische KZ-Opfer-Gemeinschaft "Amicale de Mauthausen" und die polnische Gesandtschaft in Wien ausgemacht, ein gesetzlich geschütztes Kriegsdenkmal vermag der Bund in den beiden Steinen dennoch nicht zu erkennen, und als der Langensteiner Bürgermeister auch noch ersucht, Krematoriumsofen samt Steinen doch gleich nach Mauthausen zu verlegen, weil man den neuen Siedlern auf den KZ-Grundstücken einen so schaurigen Anblick ersparen will, scheint das Geschick der ungeliebten Objekte besiegelt.

Der oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreter Ludwig Bernaschek weiß auch schon, wie die Beseitigung der Relikte am einfühlsamsten abzuhandeln wäre: "im Stillschweigen", wie er in einem Schreiben vom Oktober 1958 Innenminister Helmer empfiehlt. Der wäre einem solchen Vorgehen auch nicht abgeneigt, aber leider, leider . . . "Leider lässt sich das praktisch nicht durchführen. In der Angelegenheit haben sich schon vor längerer Zeit französische und polnische Regierungsstellen nachdrücklich eingeschaltet. Es ist daher nicht möglich, eine Beseitigung oder Verlegung von Gedenkzeichen durchzuführen, ohne dass mit den erwähnten Stellen versucht wurde, eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen."

Das Ergebnis eines Prozesses, der noch weitere sieben Jahre dauern sollte, lässt sich heute in Gusen besichtigen: Die Mailänder Architektengruppe BBPR entwirft Anfang der Sechziger eine Gedenkstätte, das "Memorial Gusen", in das Krematoriumsofen und Gedenksteine an Ort und Stelle integriert werden. Und ein Langensteiner Bürgermeister findet bis zuletzt, in völliger Verkehrung der Frage, ob denn ein Siedlungsbau auf einem KZ-Gelände akzeptabel sei, der geplante Baukörper sei "mitten in der Siedlung Gusen fehl am Platz".

Das Muster hat System: Von den Anfängen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Jahr 1947 bis zum heutigen Tage gibt es kaum eine amtliche Initiative in Sachen hiesiger KZ-Gedenkkultur, die nicht von außen, meist von Opferverbänden, der Republik aufgenötigt worden wäre. Und regelmäßig sind es auch jene, die dafür bezahlen: So wurden die Kosten für das "Memorial Gusen", für Errichtung und Grundstückserwerb, komplett von ausländischen Opferorganisationen aufgebracht, und auch 40 Jahre später wäre die Errichtung des neuen Besucherzentrums neben dem Memorial ohne maßgebliche finanzielle Unterstützung aus dem Ausland, namentlich aus Polen, undenkbar gewesen.

Und nicht nur dass wir uns unsere Gedenkverpflichtung von anderen bezahlen lassen: Im Falle des Memorials besaß die hiesige Finanzverwaltung gar die Raffinesse, von der grundstückserwerbenden "Amicale de Mauthausen" Grunderwerbssteuer einzufordern. Warum nur einfach nichts bezahlen, wenn wir an unserer NS-Vergangenheit sogar verdienen können.

Wir sind oft vorbeigegangen am Krematorium, wer sich hingehen hat getraut, der war halt der Starke, so eine Art Mutprobe war das. Ich weiß nicht, wie es andere empfunden haben, aber ich hab' einen Bogen rundherum gemacht. Es gibt welche, die würden das am liebsten einebnen, zuschütten, etwas hinbauen, und gebts endlich eine Ruhe. Das ist vor allem meine Generation. Es will keiner mehr damit konfrontiert werden; auf der anderen Seite, ich denk' mir halt, wenn wir das wegtun, dann denkt überhaupt niemand mehr an das, wo er eigentlich wohnt. (Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1966)

Hände zwischen den Zähnen. Obere Gartenstraße, Untere Gartenstraße, Parkstraße, Lerchenstraße, Ringstraße, Spielplatzstraße: So harmlos kommen sie heute daher, die Orte, an denen zwischen 1940 und 1945 systematisch geschunden und ausgebeutet, gefoltert und gemordet wurde. Und was nicht vorsätzliche Tat erledigte, geschah durch Unterlassung: Mangelernährung und hygienische Zustände jenseits jeder Vorstellungskraft zogen die Ausbreitung von Seuchen nach sich. Weder in Gusen I noch in Gusen II hatte man eine Gaskammer nötig, um sich die Bezeichnung "Mordlager" zu verdienen; und wenn eine größere Anzahl Infizierter vielleicht doch einmal nicht schnell genug verreckte, dann konnte man noch immer eine einfache Baracke rundum abdichten, die Häftlinge hineintreiben, Zyklon B in den Raum werfen, um die Sache nicht unangemessen in die Länge zu ziehen. Das Ergebnis in der Zeugenaussage eines Gusener Lagerschreibers: "Die Gefangenen waren im Gesicht blau, fast schwarz, mit verzerrtem Mund, einige hatten geballte Hände zwischen den Zähnen, andere hatten Stücke von Decken im Mund, andere wiederum waren in einer brüderlichen verabschiedenden Umarmung verblieben."

Mitte der Fünfziger, als die beiden Lagergelände allmählich besiedelt werden, ist davon keine Rede mehr. Sicher, da sind noch die einen oder anderen Relikte zu sehen, nicht nur das Krematorium, auch die Lagermauer von Gusen I samt Wachtürmen ist einigermaßen intakt, die "Bordellbaracke", in der sich der SS genehme Häftlinge an Leidensgenossinnen aus dem Frauen-KZ Ravensbrück bedienen durften, zwei gemauerte Häftlingsblocks, zwei Baracken der SS, der riesige Schotterbrecher im alsbald wieder dem Reich des Anton Poschacher einverleibten Steinbruch - und nicht zuletzt der Eingang des KZs Gusen I, das sogenannte "Jourhaus", also die Kommandantur der Anlage, Zentrum der Lagerführung und -verwaltung, Folterkeller inklusive.

Wer hier baut, stellt nicht viele Fragen: So gut wie alle sind sie Zuzügler, meist aus dem nördlichen Mühlviertel, die in und um Linz Beschäftigung gefunden haben, als Arbeiter aus der Einschicht finanziell nicht gerade wohlgebettet; aber hier, hier sehen sie dank günstigster Grundstückspreise ihre Chance, den Traum von den sonst völlig außer Reichweite liegenden eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Der Gemeinde Langenstein ist auch gedient: Schließlich bringt der Grundstücksverkauf wenigstens ein bisschen Geld in die sonst eher dürftig bestückte Gemeindekassa. Somit haben alle was davon, dass sich KZ-Elend Parzelle für Parzelle in Einfamilienhaus-Seligkeit transformiert. Die Granitsteine aus Wachtürmen und Lagermauern taugen auch zum Eigenheimfundament, und wer denn hinter diesen Mauern vordem warum gefangen saß und wie es ihm da erging, wer will das schon so ganz genau wissen. Man hat dann schon studiert, da sind ja immer die Leute gekommen, im Mai, die KZler, zum Jahrestag der Befreiung, und haben geschaut und geredet, man fragt halt dann doch, was war da los. Das haben wir ja gewusst, dass da ein KZ war, das haben wir ja schon gewusst, wie wir den Grund gekauft haben, aber wir haben wenig Ahnung gehabt, was sich in so einem KZ abgespielt hat. Sonst hätte sich vielleicht mancher geschreckt. (Eine Gusener Siedlerin, Jahrgang 1929)

Folterkammer mit Balustrade. Nicht nur Mauern und Türme, auch die sonstige KZ-Verlassenschaft findet Verwertung: Die SS-Baracken werden zu Arbeiterwohnungen für Poschacher-Beschäftigte; das KZ-Bordell wandelt sich zum adretten Zweifamilienhaus. Die beiden gemauerten Häftlingsblocks entdeckt Anfang der Sechziger ein gewisser Friedrich Danner für sich - und für seine Champignonfarm. Und in das Jourhaus zieht alsbald der "Kunststofferzeugungsbetrieb" eines Karl Klug ein: Die Gemeinde verkauft ihm das Objekt, keine zwei Monate nachdem sie es ihrerseits vom Bund "zur Errichtung eines Kindergartens mit öffentlichem Spielplatz" erworben hat. Als Klug geschäftlich scheitert, kauft Friedrich Danner auch das Jourhaus. Und so fahren alsbald Champignon-LKWs ein und aus, wo gar nicht so lang davor Zigtausende KZ-Häftlinge ins Verderben gingen.

Mitte der Achtziger kommt das Champignongeschäft in die Krise, das Unternehmen Danners steht vor dem Konkurs. Danners drei Kinder beschließen, mit privaten Mitteln Immobilien aus dem Unternehmen herauszukaufen, um den finanziellen Kollaps zu vermeiden. Gerhard Danners Wahl fällt auf das Jourhaus, Warum? "Viel mehr war halt nicht da." Anfang der Neunziger beginnt er, das Gebäude für sich als Wohnhaus zu adaptieren. Der Zustand zu diesem Zeitpunkt: "Abbruchreif. Aber jeder hat zu mir gesagt: Das ist ein schönes Haus, die Steine und das alles. So hab' ich das Ganze renoviert. Wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukommt, hätte ich es anders gemacht."

Was auf ihn zukam, ist aus heutiger Sicht nicht schwer vorherzusagen: Nicht allein dass es KZ-Überlebende bei dem Gedanken grauste, es könne sich einer in jenem Gebäude, das wie nichts anderes den Terror der SS repräsentierte, gemütlich einrichten, auch viele andere, die etwa im Rahmen zeithistorischer Exkursionen hier vorbeikamen, musste diese Idee zumindest befremden. Wie konnte man in denselben Mauern heile Familienwelt spielen, die etwa für den KZ-Überlebenden Jerzy Wandel bis heute unauslöschlich eine "Schreckensvision" sind?

Doch weder Republik noch Denkmalschutz schien es in den Neunzigern sonderlich zu beschäftigen, dass hier einer ein zentrales Denkmal heimischer Nazi-Architektur mit vorgesetzten Lauben samt Balustraden zur putzigen Landvilla verniedlichte. Und warum sollte ein kleiner Unternehmer aus dem kleinen Langenstein, mittlerweile ins Kunststoffrecycling-Geschäft gewechselt, über mehr historisches Verantwortungsgefühl verfügen als die Republik?

Seltsam genug, dass auch die beruflich zwangsläufig mit Vergangenheit Befassten dem Thema Konzentrationslager lange Nachkriegsjahrzehnte hindurch keine Beachtung schenkten. "Die Geschichtswissenschaft hat mit Konzentrationslagern überhaupt nichts anfangen können", erinnert sich Bertrand Perz. Erst Anfang der Achtziger ändert sich das Bild: Hermann Langbein, Auschwitz-Überlebender, regt am Wiener Institut für Zeitgeschichte die Auseinandersetzung mit dem Lagersystem Mauthausen an, namentlich mit den Mauthausen zugehörigen Lagern Ebensee, Melk und Gusen. Zufälligerweise stehen drei angehende Historiker vor der Dissertation, und so teilen sich Florian Freund, Bertrand Perz und Werner Eichbauer die Arbeit. Freund übernimmt Ebensee, Perz übernimmt Melk und Eichbauer Gusen. Bertrand Perz: "Aus biografischen Gründen ist ausgerechnet die Gusen-Arbeit von Eichbauer nie zu einem Ende gekommen, das ist reiner Zufall." Die Folge: Bis zum heutigen Tag gibt es von österreichischer Seite keine Monografie zu Gusen. Und hätte nicht ein junger Ortsansässiger, Rudolf A. Haunschmied, Ende der Achtzigerjahre seine ehemalige Hauptschullehrerin Martha Gammer mit seinem Interesse für die KZs von Gusen angesteckt, es gäbe bis heute vermutlich keinerlei Gusen-Expertise im Land. Kommenden März wird immerhin die Arbeit des polnischen Gusen-Überlebenden Stanislaw Dobosiewicz in deutscher Sprache erscheinen: mehr als 60 Jahre nach Kriegsende, gut 30 Jahre nach ihrer Erstauflage in Polen.

Was sich in all diesen Fällen offenbart, ist längst kein individuelles, es ist ein gesamtgesellschaftliches Versagen. Und wenn wir Nachgeborenen heute mit dem Finger auf das entstellte Jourhaus zeigen und rufen:
"Wie kann man nur!", dann sollten wir uns im Klaren sein: Wir zeigen auf uns selber.

Von der Geschichte der Gegend habe ich, als ich da hergekommen bin, nichts gewusst. Wenn man in den Fünfzigerjahren in die Schule gegangen ist, da hat man gelernt, was Maria Theresia gemacht hat, Rudolf der Große. Wir haben wissen müssen, wie die Perchterln im Mühlviertel heißen, das war ganz wichtig, und welche politischen Bezirke es gegeben hat, aber vom Ersten und vom Zweiten Weltkrieg überhaupt nichts. Das hab' ich erst hier mitgekriegt, was da passiert ist. (Ein Sankt Georgener, Jahrgang 1946)

Klein-Lassing an der Gusen. Dass mancher Staat das eine oder andere Erbstück einer ungeliebten Vergangenheit gerne vergessen möchte, soll vorkommen. Dass einer freilich solches Erbe erst einmal gar nicht antritt, wird eher selten sein. Erst 1998 stand fest, dass der Bund das Eigentum an dem Projekt "Bergkristall" akzeptieren muss: rund siebeneinhalb Kilometer Stollen mit Röhrenhöhen und -breiten zwischen vier und sechseinhalb Metern. Und 2001 war er sie auch gleich wieder los: Mit Schulen, Wohnhäusern, Amtsgebäuden und 279 weiteren sogenannten "Luftschutzstollen" wechselten sie per 1. Jänner 2001 ins Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG.

Womit aber haben wir es bei "Bergkristall" konkret zu tun? Um "Luftschutz" in gewisser Weise schon, aber nicht primär für Menschen, sondern für die Produktionsstraßen der Firma Messerschmitt: "Bergkristall" sollte der Rüstung dienen - der Herstellung des ersten einsatzfähigen Düsenjägers der Welt, bekannt unter dem Kürzel Me 262. Nach Kriegsende haben zuerst die US-Truppen das Sagen in den Stollen: Das Me-262-Know-how ist hochbegehrt. Was noch übrig ist, holen Monate später die sowjetischen Besatzer aus dem Berg, und sie sind es auch, die 1947 die Stollen zu sprengen versuchen - mit spärlichem Erfolg. Der angestrebte Kollaps des Systems bleibt aus, dafür erweisen sich die Beschädigungen an etlichen Stollenkreuzungen ein halbes Jahrhundert später als brisante Hinterlassenschaft.

Bis dahin hat ein Ortsansässiger, Rudolf Pötsch, nicht nur den Sand, der beim Stollenbau von KZ-Häftlingen aus dem Berg gefördert wurde, gewinnbringend verkauft, nein, da der Grund über dem Stolleneingang sein Eigen ist, verlegt er sich auch dort aufs Sandgeschäft, gräbt Sand ab und vermarktet ihn. Daneben lukriert er aus der Vermietung der herrenlosen Stollen ein Zubrot: Die Champignons des Friedrich Danner gedeihen in "Bergkristall"-Luft prächtig.

1971 erwirbt Pötsch weiteren Grund über "Bergkristall": Der Acker mit der Grundstücksnummer 291 sollte sich doch, ortsnah und in attraktiver Hanglage, in absehbarer Zeit und mit entsprechendem Profit als Bauland ausweisen lassen. Der Bürgermeister als Baubehörde ist da bekanntermaßen selten ein Problem. Und auch die Sache mit den Stollen drunter wird sich klären. 1984 gibt Pötsch ein entsprechendes Gutachten in Auftrag, das - erstaunlich genug - das erwünschte Ergebnis bringt. 1986 schenkt Pötsch den Baugrund in spe seinen beiden Töchtern. 1994 folgt der Bauplatzbescheid. "Ich hätt' dort nicht gebaut, ich sag' es Ihnen, wie es ist", bekennt Rudolf Honeder, 1994 Unterzeichner des Bescheids und bis heute Bürgermeister von Sankt Georgen. Doch habe es nebst Gutachten vor allem "eine Zusage gegeben vom Vorvorbürgermeister", das entsprechende Grundstück würde dereinst Bauland werden. Na dann.

Zügig werden nun die Parzellen über den Stollen verkauft, die Käufer werden auch gar nicht im Unklaren gelassen, worüber sie hier, auf der nun "Hasenfeld" benannten Flur, ihre Häuser errichten werden. Was sie hingegen nicht erfahren: wie schnell selbst 40 Meter Überdeckung über den Stollen unter den geologischen Bedingungen dieses Hügels in nichts zerrieseln können. Die Rache der Vergangenheit nimmt ihren Lauf - und trifft in diesem Fall die Falschen.

Als die BIG 2001 "Bergkristall" übernimmt, leitet sie umgehend eine Befundung des Systems in die Wege, steht freilich vor verschlossener Stollentür: Rudolf Pötsch behauptet einerseits, rechtmäßiger Eigentümer der Stollen zu sein - und ist andererseits tatsächlich rechtmäßiger Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der einzige Stollenzugang befindet. Das juristische Scharmützel, das sich daraufhin zwischen Pötsch und BIG entspinnt, schiebt die dringend erforderliche Sanierung der Stollen über Monate hinaus. Erst ein Einsturz im Mai 2002 und die Erkenntnis, welche Kosten auf einen Stolleneigentümer in der allernächsten Zukunft zukommen würden, verhindern, dass Schlimmeres passiert: Pötsch gibt der BIG den Weg frei, die Rettung der Siedlung auf den vormals Pötschschen Gründen kann endlich beginnen, der Einbruch eines Hauses in die Stollen darunter verhindert werden. "Wir sind in den Stollen unter unserem Haus gewesen, und da haben wir erst gesehen, was los ist", erzählt ein Betroffener. "Diese unbeschreiblichen Verbrüche, wir haben sehr gute Lampen gehabt, du leuchtest hinauf, und du siehst keine Decke." Kommentar des BIG-Gutachters, Leopold Weber: "Für diesen Grund hätte es nie einen Bauplatzbescheid geben dürfen."

In mehreren Bauphasen wurden mittlerweile die dringendsten Arbeiten erledigt, die Stollen unter den Häusern komplett mit Beton verfüllt. Kosten für die BIG: bisher acht Millionen Euro. Netto. Dass die Häuser auf dem "Hasenfeld" mit diesem Mitteleinsatz ursächlich zusammenhängen, glaubt Pötsch bis heute nicht: "Wegen denen haben sie es nicht gemacht. Wegen denen direkt nicht." Aber er sagt ja auch, es "gehört fast alles den Juden". Und: "Der Hitler wollte den Krieg gar nicht anfangen." In manchen Köpfen hat das Deutsche Reich bis heute nicht kapituliert.

Früher, da sind hie und da ältere Herrschaften aus Italien und Frankreich hierher gepilgert, da haben wir uns recht nett unterhalten mit manchen, die da gefangen waren. Das hab' ich eingesehen. Aber dass jetzt die Enkelkinder busweise hergeführt werden, da beim Gestrüpp und beim Zaun anstehen und auf diesen komischen Betonstein schauen, das hat meiner Meinung nach überhaupt nichts mit geschichtlicher Aufarbeitung zu tun. (Ein Sankt Georgener, Jahrgang 1961)

Der ROI der Erinnerung. Wenn Ökonomen bestimmen müssten, wer wo wie zu gedenken habe, dann würde das ungefähr so klingen: "Ich bin der Meinung, man muss Erinnerung zentralisieren. Ich finde, es muss gscheit in Mauthausen sein, denn dort haben die Investitionen den besten ROI, Return on Investment, ich meine jetzt im Sinne von Bildung der Besucher, das Museum soll ja einen Take Home Value haben, und da ist es am besten, wenn es zentral an einer Stelle ist." So zumindest sieht Anton Helbich-Poschacher die Dinge, Enkel des Anton Poschacher und dessen Nachnachfolger an der Spitze des granitenen Familienimperiums.

Auch wenn's Helbich-Poschacher vielleicht nicht glauben mag: Gedenken folgt nicht immer und ausschließlich dem Prinzip, es müsse bei minimalem Input maximaler Output erreichbar sein. Und so wird er vermutlich überrascht sein, wenn er in den nächsten Tagen Nachricht aus dem Bundesdenkmalamt erhält: dass nämlich der DESt- Schotterbrecher und die beiden SS-Baracken auf seinem Unternehmensboden unter Denkmalschutz gestellt werden. Gemeinsam mit allen anderen nennenswerten baulichen Relikten des KZs Gusen I. "Die Kriterien für den Denkmalbegriff sind klar definiert", erläutert Österreichs Generalkonservatorin, Eva-Maria Höhle. "Ein Objekt muss von Menschenhand geschaffen und es muss von geschichtlicher, künstlerischer und/oder kultureller Bedeutung sein." Im Zusammenhang mit Objekten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs rücke das Kriterium der geschichtlichen Bedeutung in den Vordergrund. Doch weil in der Allgemeinheit mit dem Begriff Denkmal vor allem künstlerisch Wertvolles verbunden wird, sind, wenn's um Denkmalschutz für Nazi-Bauten geht, Konflikte unvermeidlich. Das weiß auch Höhle: "Bei den Bauten der NS-Zeit war es immer so, dass mit Unterschutzstellungen ein hohes Maß an Emotionalität verbunden war." Nur: "Wenn der Staat den Auftrag des Gedenkens ernst nimmt und Mauthausen nicht nur als eine Alibistätte, und zwar als Alibi gegenüber den anderen Orten dieser Art sieht, dann muss er sich dazu bekennen. Und muss die notwendigen Konsequenzen ziehen."

Er tut es spät, der Staat. Zu spät vielleicht. Immer öfter kollidiert das beständig wachsende und legitime öffentliche Interesse an der Vergangenheit von Gusen mit den mittlerweile auch schon jahrzehntealten Rechten privater Eigentümer. Wer soll Gerhard Danner wofür schelten, wenn er Fremden den Zugang auf sein Betriebsgelände verwehrt, auch wenn man von dort - und nur von dort - die Situation des Appellplatzes von Gusen I am besten fassen kann? Wer soll Huemerbau auf welcher Grundlage verwehren, das letzte freie Grundstück vor dem Gusener Krematorium via Wohnanlage zu verwerten, auch wenn dadurch die bislang freie Sicht auf das KZ-Memorial verbaut wird?

Dazu kommt noch das gespannte Verhältnis zwischen Einwohnern und Besuchern des KZ-Geländes. "In Gusen gibt es eine doppelte Irritation", weiß Bertrand Perz. "Es kommen Leute hin und sind irritiert, dass da Leute wohnen. Und die Leute, die da wohnen, sind irritiert, dass das jemand irritierend findet." Aber: "Mit dieser Irritation müssen sie leben lernen, die kann man nicht einfach mit Abwehr behandeln. Und dafür kann man Bewusstsein schaffen, dafür sind öffentliche Debatten mit der Bevölkerung notwendig." Es gebe aber auch ein Missverständnis aufzuklären "bei denen, die dorthin kommen und sagen, wie kann man da wohnen: weil wir ständig in unserem Leben Gewalt an Orten, die irgendwann stattgefunden hat, ausblenden. Ich denke keine Sekunde daran, dass ich im alten AKH hier arbeite - und was die Geschichte dieses Zimmers ist."

Immerhin: Manches scheint in Bewegung gekommen zu sein, nicht nur in Sachen Denkmalschutz. Hans Peter Jeschke bemüht sich nachdrücklich, mit seinem Projekt "Erinnerungslandschaft Mauthausen/
Gusen" die wahre historische Dimension der Topografie des Terrors östlich von Linz in den Blick zu rücken. Der junge Sankt Georgener Künstler Christoph Mayer wird kommenden Mai seinen "Audioweg Gusen" vorstellen können, der zur Führung durch das KZ-Gelände den Soundtrack aus Stimmen von Opfern, Tätern und heutigen Anwohnern liefert. Und im gedenkmäßig zuständigen Innenministerium scheint man sich gar zu einem Ankauf des vor Verbauung stehenden Grundstücks vor dem Memorial durchgerungen zu haben, Verhandlungen sind jedenfalls im Gang.

Zu hoffen bleibt, dass auch in Erfüllung geht, was sich Martha Gammer und mit ihr viele der von ihr betreuten KZ-Überlebenden wünschen: dass der Zugang zu den Stollen von "Bergkristall" wieder möglich wird. Da ist derzeit noch Rudolf Pötsch vor; und auch die BIG winkt ab. Doch die Zeit drängt: Wir Nachgeborenen können warten - die KZ-Überlebenden nicht.



KZ-Forschung & Gedächtniskultur: Neuerscheinungen

Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 4: Flossenbürg, Mauthausen, Ravensbrück (648 S., Ln., € 59,90; C. H. Beck Verlag, München).

Thomas Albrich, Winfried R. Garscha, Martin F. Polaschek (Hrsg.): Holocaust und Kriegsverbrechen vor Gericht - Der Fall Österreich (364 S., geb., € 29,90; Studienverlag, Innsbruck).

Baris Alakus, Katharina Kniefacz, Robert Vorberg (Hrsg.): Sex-Zwangsarbeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern (214 S., geb., € 17,80; Mandelbaum Verlag, Wien).

Bertrand Perz: Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen 1945 bis zur Gegenwart (348 S., geb., € 37,90; Studienverlag, Innsbruck).

Peter Gstettner: Mauthausen und andere Orte - Narben, Wunden, Erinnerungen (Schulheft 01/06, 146 S., brosch. € 25; Studienverlag, Innsbruck).

Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit - Erinnerungskultur und Geschichtspolitik (320 S., brosch., € 19,90; C. H. Beck Verlag, München).

Willi Mernyi, Florian Wenninger (Hrsg.): Die Befreiung des KZ Mauthausen - Berichte und Dokumente (182 S., brosch., € 21; ÖGB Verlag, Wien).
http://diepresse.com/home/diverse/zeichen/57155/Neue-Heimat-im-KZ
 

Stoffi

Well-Known Member
#65
Foto-Strecke

Im November hatte ich die Möglichkeit mit zwei KZ überlebenden Mauthausen und Gusen zu besuchen, anbei ein paar Fotos die gut zu dem Artikel passen ...

0003: Model vom Lager Gusen
0008: KZ Gusen Memorial
0010: Das Verwaltungsgebäude vom KZ- jetzt Wohnhaus
0011: Eichenlaub als Deko
0013: Die zwei KZ überlebenden
0014: Der Schießklub: Wurde gegründet weil das SS-Erschießungskommando so schlecht traf bei den Exekutionen
 

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Stoffi

Well-Known Member
#66
0016: Das Gebäude dient dem heutigen Schützenklub als Vereinslokal
0023: Der Weg zu Bergkristall, der Berg war eigentlich auch hier noch weiter (bis zum rechten Bildrand) aber auch hier wurde noch schotter abgebaut
0040: Krematorium Gusen
0044: Gedenken ..
0061: Krematorium Gusen
0063: Das Gusen Memorial von aussen
 

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josef

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#68
Nun streiten die Historiker...

Historikerstreit um NS-Stollen in St. Georgen

Mögliche neue Erkenntnisse zum NS-Rüstungsprojekt "Bergkristall" entzweien die Wissenschaft: Bertrand Perz kritisiert involvierte Kollegen scharf und spricht von "Histotainment" auf Kosten der Opfer

Linz/Wien – Ist die Stollenanlage des einstigen NS-Rüstungsprojekts "Bergkristall" in St. Georgen an der Gusen größer als bisher bekannt? Forschten dort Hitlers Physiker an einer Atombombe? Fragen, an denen sich aktuell die Historiker-Geister scheiden.

Der Filmemacher Andreas Sulzer will in einem Gutachten der "Studiengesellschaft für Atomenergie GmbH" aus dem Jahr 1968 konkrete Beweise für eine zweite Stollenebene gefunden haben - DER STANDARD berichtete. Wissenschaftliche Beratung liefert dazu der renommierte Grazer Historiker Stefan Karner, der durch die Prüfung aller neuen Unterlagen "Licht in die Sache" bringen will und rät, "unbedingt" vor Ort Grabungen und Bohrungen durchzuführen. Mit dabei ist auch der Berliner Historiker Rainer Karlsch, Autor des Buches "Hitlers Bombe".

Fachlicher Gegenwind kommt aber aus der Bundeshauptstadt: Bei Bertrand Perz, anerkannter Historiker und stellvertretender Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Uni Wien, lösen die jüngsten Spekulationen statt Begeisterung "großes Erstaunen und noch größere Irritation" aus. Perz: "Für mich als Historiker, der sich viele Jahre mit den unterirdischen Anlagen in Österreich beschäftigt hat, die mit KZ-Häftlingen errichtet wurden, ist es erstaunlich, wie es einem Filmemacher wie Herrn Sulzer gelingt, der aus meiner Sicht vollkommen obskuren Idee einer Atomforschung der Nationalsozialisten in St. Georgen Bedeutung zu verleihen." Auch der jetzt präsentierte "endgültige Beweis" sei bei näherer Betrachtung keiner.

Perz: "Der Herr Sulzer legt ja periodisch neue Erkenntnisse vor, die sich dann in Luft auflösen. Ähnlich verhält es sich mit dem jüngsten Gutachten aus dem Jahr 1968. Das ist extrem vage gehalten und als seriöse Beschreibung der Stollenanlage unbrauchbar. Die unvollständigen Planskizzen legen nahe, dass der Gutachter gar nicht in der Stollenanlage war oder nur einen kleinen Teil betreten hat. Wir verfügen ja über präzise Pläne durch die Aktivitäten der BIG vor Ort, die sich mit den Originalplänen decken."

Bekannte Geschichte
Mit den Kollegen geht Perz hart ins Gericht: "Wenn Historiker dann sagen, man müsse Licht in die Sache bringen und Grabungen durchführen, dann dient das nur der Logik einer weit verbreiteten Sensationshistorie von Nazi-Geheimnissen und nicht einer seriösen Forschung. Und letztlich dem Histotainment des Herrn Sulzer."

Perz: "Bitte, es gibt kein Geheimnis." Die Geschichte rund um ‚Bergkristall‘ stehe in ihren Grundzügen seit langem fest: "Der Rahmen, die Eckdaten dieser Anlage und was dort vorgefallen ist, ist bekannt. Vor allem ist es ein schrecklicher Ort mit tausenden Toten." Einziger Zweck sei der Bau einer unterirdischen Anlage zur Flugzeugproduktion gewesen.

Perz: "Das belegen alle historischen Quellen, die ich zur Stollenanlage seit den 1980er Jahren gesehen habe, und das waren nicht wenige." Vorhandene Dokumente würden jetzt ignoriert werden. "Mich stört aber vielmehr, dass die Opfer, die Überlebenden des KZs, nicht ernstgenommen werden. Es gibt keine einzige Aussage ehemaliger Häftlinge, dass dort irgendetwas in Richtung Atomforschung passiert ist."

Spannend wird damit ein für heute, Mittwoch, von Filmemacher Sulzer angesetzter Info-Abend in St. Georgen – mit den Historikern Karner und Karlsch.

(Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 22.10.2014)
http://derstandard.at/2000007118889/Historiker-Streit-um-NS-Stollen
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
Mitarbeiter
#69
Endlich kommt einmal ein namhafter Experte aus der Deckung. :bravo:


Eine ähnliche Reaktion fehlt mir jetzt noch zur Kammler-USA-Geschichte der Herren Dr. Karlsch und Sulzer.

Herr Karlsch hatte im ZDF seine Theorie (meine Meinung) als Fakt (meine Empfindung) dargestellt und vollmundig neue Beweis-Dokumente versprochen ...
Wo bleiben die eigentlich ? Ist vielleicht der Kopierer kaputt? ;)
 

josef

Administrator
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#70
...Herr Karlsch hatte im ZDF seine Theorie (meine Meinung) als Fakt (meine Empfindung) dargestellt und vollmundig neue Beweis-Dokumente versprochen ...
Wo bleiben die eigentlich ? Ist vielleicht der Kopierer kaputt? ;)
„ZDF-History“ wird auch über künftige Recherchen zum Fall Kammler berichten. In der neuen Ausgabe der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ werden die neuen Quellenfunde zum Thema präsentiert und eingeordnet.
Vielleicht hatte man noch keine Zeit, die Kopien "einzuordnen"? :D

Spannend wird damit ein für heute, Mittwoch, von Filmemacher Sulzer angesetzter Info-Abend in St. Georgen – mit den Historikern Karner und Karlsch.
(Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 22.10.2014)
Bin schon gespannt, ob darüber in irgendwelchen Medien berichtet wird?

lg
josef
 

kallepirna

Well-Known Member
#71
Ob man einfach mal so behaupten kann alle Dokumente gesehen zu haben, egal wer und was man ist wage ich zu bezweifeln. Meiner Meinung nach wird zu vielen Sachen von ganz oben der Deckel drauf gehalten. Warum auch immer, gerade in Sachen WWII wäre ich da sehr vorsichtig. Und was man freiwillig zeigt das schadet keinen, da passt man schon auf. Da kaum noch Zeitzeugen zu finden sind, ist der Zweck dann erreicht. Nur mal so Gedanken von mir, sie müssen nicht stimmen bitte nicht Übel nehmen. Mfg.kallepirna
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
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#72
Ob man einfach mal so behaupten kann alle Dokumente gesehen zu haben, egal wer und was man ist wage ich zu bezweifeln. Meiner Meinung nach wird zu vielen Sachen von ganz oben der Deckel drauf gehalten. Warum auch immer, gerade in Sachen WWII wäre ich da sehr vorsichtig. Und was man freiwillig zeigt das schadet keinen, da passt man schon auf. Da kaum noch Zeitzeugen zu finden sind, ist der Zweck dann erreicht. Nur mal so Gedanken von mir, sie müssen nicht stimmen bitte nicht Übel nehmen. Mfg.kallepirna
Nachweisen kann man so eine "Deckelung" nicht, da hast Du recht.

Aber inzwischen sind 70 Jahre ins Land gegangen und die dazugehörigen Unterlagen durch was-weiß-ich wie viele Zuständigkeiten.
Das überblickt KEINER mehr ... und deshalb können auch Sachen auftauchen, die eigentlich nicht auftauchen sollten.
 
#74
NS-Stollen: Experten nehmen den "Bergkristall" unter die Lupe
Markus Rohrhofer
4. November 2014, 17:33
Erstmals tagt die Kommission des Landes Oberösterreich und prüft neue Erkenntnisse über das NS-Rüstungsprojekt

Linz – Die Diskussion, ob die Stollenanlage des einstigen NS-Rüstungsprojekts "Bergkristall" in St. Georgen an der Gusen tatsächlich größer als bisher bekannt ist, erreicht heute, Mittwoch, einen weiteren, vorläufigen Höhepunkt. In der Bezirkshauptmannschaft Perg trifft am frühen Nachmittag erstmals die vom Land Oberösterreich initiierte Expertenrunde am Runden Tisch zusammen.

Barbara Glück, Leiterin der Abteilung für KZ-Gedenkstätten und Kriegsgräberfürsorge im Innenministerium, Vertreter des Bundesdenkmalamtes, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), der Wiener Historiker Bertrand Perz, der Bürgermeister von St. Georgen, Erich Wahl, sowie der Perger Bezirkshauptmann Werner Kreisl werden über die jüngsten Entwicklungen und mögliche Folgeschritte eingehend beraten.
Historische Fotos

Grund für den Bezirks-Aufmarsch der Fachleute sind die Recherchen des oberösterreichischen Filmemachers Andreas Sulzer. Dieser will unter anderem in einem Gutachten der "Studiengesellschaft für Atomenergie GmbH" aus dem Jahr 1968 konkrete Beweise für weitere Stollenebenen gefunden haben – der Standard berichtete. Vorlegen möchte Sulzer morgen aber auch historisches Fotomaterial, auf denen "klar und deutlich mehrere untereinander liegende Stolleneingänge zu erkennen sind." Doch bereits im Vorfeld hat sich rund um die möglichen neuen Erkenntnisse zum NS-Rüstungsprojekt "Bergkristall" ein heftiger Historikerstreit entbrannt. Für Bertrand Perz, stellvertretender Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Uni Wien, ist bereits jetzt klar: "Es gibt kein Geheimnis. Die Geschichte rund um ‚Bergkristall‘ steht in ihren Grundzügen seit langem fest: Der Rahmen, die Eckdaten dieser Anlage und was dort vorgefallen ist, ist bekannt."

Der renommierte Grazer Historiker Stefan Karner – der zur Elefantenrunde in Perg zwar nicht geladen, von Filmemacher Sulzer aber zum teilnehmenden Experten seines Teams nominiert wurde – sieht hingegen eindeutigen Aufklärungsbedarf und rät, alle neuen Indizien "auf den Tisch zu legen" und entsprechend genau zu prüfen.

Ein Weg, den offensichtlich auch die heute für die Stollen zuständige BIG gehen möchte. "Wir erwarten uns von dem Termin, dass dort alle derzeit bekannten Unterlagen auf den Tisch gelegt werden. Danach prüft die Expertenrunde die Relevanz der Dokumente. Uns ist eine sachliche Aufarbeitung der Materie quasi ‚sine ira et studio‘ wichtig", betont BIG-Sprecher Ernst Eichinger. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 5.11.2014)
Quelle: http://derstandard.at/2000007706302/NS-Stollen-Experten-nehmen-den-Bergkristall-unter-die-Lupe
 
#75
Allein die Gebühren für die Dienstreisen und Nächtigungen hätte ich gerne zur Kompensation der gefühlten Inflation!

Ich wünsche allen Beteiligten Gute Reise und angenehmen Aufenthalt.
LG
Zwölfaxinger
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
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#76
http://www.meinbezirk.at/grein/chronik/kz-komplex-gusen-die-vergangenheit-belastet-d1126688.html hat geschrieben:
KZ-Komplex Gusen: Die Vergangenheit belastet


St. Georgens Bevölkerung wurde über den Stand der Forschungen zum KZ-Komplex Gusen informiert.

ST. GEORGEN AN DER GUSEN. Was ist in unterirdischen Nazi-Stollen unterhalb von St. Georgen während des Zweiten Weltkriegs passiert? Der Linzer Filmemacher Andreas Sulzer hat in offiziellen Archiven brisante Dokumente gefunden. Eine Historikerkommission, eingesetzt vom Land, will brennende Fragen klären: Welche Stollen gab es neben "Bergkristall"? Wurden Raketen hergestellt? Wurde versucht, Uran zu produzieren? Wo sind die zehntausenden Menschen, von denen es keinen Nachweis über deren Verbleib gibt? Warum wurden an Hans Kammler (zuständig für SS-Geheimprojekte, ab 1943 in Gusen) 100 Eisenbahnwaggons zugestellt und was war der Inhalt? Warum gab es in Gusen so viele Chemiker? Die Historiker sind vorsichtig. Stefan Karner von der Uni Graz: "Wir betreiben innere Quellenkritik und historische Auswertung. Dann reden wir weiter." Der Berliner Historiker Rainer Karlsch sagt aber: "Es verdichten sich die Anzeichen, dass alle möglichen Rüstungsproduktionen aus dem Osten hierher verlagert wurden und möglicherweise Raketen erzeugt wurden. Die Dokumente geben Ansatzpunkte. Es gibt erheblichen Forschungsbedarf. In Gusen wurde systematisch Camouflage betrieben." Die Bevölkerung ist verunsichert. Der Wunsch nach Aufklärung groß. "Panikmache ist falsch, aber es muss alles daran gesetzt werden, das Gefahrenpotenzial abzuschätzen", so Karlsch.
Das größte akute Gefahrenpotential ist aus meiner Sicht das Gelaber eines gewissen Wissenschaftlers, der zum wiederholten Male Thesen als Quasi-Fakten präsentiert und in der Öffentlichkeit breit tritt, bevor er etwas davon belegen kann.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#77
Ergebnis der Besprechung am 5.11. in der BH Perg

Internationale Kommission soll Licht in NS-Stollen bringen

Grazer Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung startet Überprüfung angeblich neuer Erkenntnisse rund um das Projekt "Bergkristall"

Linz – Eine Antwort auf die umstrittene Frage, ob die Stollenanlage des einstigen NS-Rüstungsprojekts "Bergkristall" in St. Georgen an der Gusen tatsächlich größer als bisher bekannt ist, wird nun auf höchster wissenschaftlicher Ebene gesucht. Das renommierte Grazer Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung wird sich der heiklen Sache nun annehmen und die angeblichen neuen Fakten rund um das unterirdische NS-Rüstungsprojekt eine strengen wissenschaftlichen Überprüfung unterziehen.

"Wir werden eine international besetzte Kommission einsetzen, die im kommenden halben Jahr die Geschichte von 'Bergkristall' neu aufrollt - vor allem unter Berücksichtigung der neuen Indizien. Es braucht jetzt eine fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung", erläutert der Historiker Stefan Karner, Leiter des Ludwig Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgen-Forschung, im Gespräch mit dem Standard.

Hintergrund für die Bewegung am Wissenschaftssektor sind die Recherchen des oberösterreichischen Filmemachers Andreas Sulzer. Dieser will unter anderem in einem Gutachten der "Studiengesellschaft für Atomenergie GmbH" aus dem Jahr 1968 konkrete Beweise für weitere Stollenebenen gefunden haben – DER STANDARD berichtete. Sulzer untermauert diese These auch mit historischen Fotos, die etwa mehrere übereinander liegende Stolleneingänge zeigen.

Expertenrunde zum Thema
Wenig beeindruckt zeigte sich davon aber eine hochkarätig besetzte Expertenrunde, die am Mittwochnachmittag in der Bezirkshauptmannschaft Perg zur "causa prima" tagte. Fast fünf Stunden berieten unter anderem Barbara Glück, Leiterin der Abteilung für KZ-Gedenkstätten und Kriegsgräberfürsorge im Innenministerium, Vertreter des Bundesdenkmalamtes, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), der Wiener Historiker Bertrand Perz, die Bürgermeister von St. Georgen und Luftenberg und der Perger Bezirkshauptmann Werner Kreisl über die jüngsten Entwicklungen und mögliche Folgeschritte. Sulzer selbst war für eine Stunde eingeladen, seine Erkenntnisse zu präsentieren.

"Herr Sulzer hat heute im Rahmen einer Power Point Präsentation seine Annahmen vorgestellt, Die Expertenrunde konnte daraus unmittelbar keine neuen Erkenntnisse gewinnen, die über ihren bisherigen Wissenstand hinausgehen", bilanzierte Bezirkshauptmann Kreisl nach der Elefantenrunde im Standard-Gespräch. Vor allem zeigte sich Kreisl von Filmemacher Sulzer enttäuscht: "Er ist der Einladung, seine Unterlagen den Experten zur Verfügung zu stellen, leider nicht nachgekommen."

Keine Einladung
Was Sulzer auch nicht bestreitet, aber: "Einziger Zweck war offensichtlich, dass ich meine jahrelangen Recherche-Ergebnisse bei der Kommission abliefere und mich wieder verabschiede. Auf meinen Vorschlag, dass bei der Prüfung der Unterlagen ich oder zumindest ein Vertreter meines Teams dabei sein sollte, ist man nicht eingegangen." Vonseiten der Expertenrunde wurde Sulzer aber dennoch noch einmal eingeladen, seine Unterlagen "innerhalb der nächsten Woche" vorzulegen.

Spannend war am Mittwoch übrigens auch der Umgang mit Medien: Während klar war, dass die Sitzung der Experten nicht öffentlich sein wird, rechnete wohl keiner der anwesenden Journalisten damit, gänzlich der Bezirkshauptmannschaft Perg verwiesen zu werden. Bezirkshauptmann Kreisl sperrte mit der Begründung "am Mittwochnachmittag sind keine Amtsstunden" kurzerhand "hausfremde" Personen vor die BH-Türe. Und den Teilnehmern am Runden Tisch wurde ein Gespräch mit Journalisten quasi behördlich untersagt: Kommentieren durfte die Runde nämlich nur der Herr Bezirkshauptmann persönlich.
(Markus Rohrhofer, derStandard.at, 6.11.2014)
http://derstandard.at/2000007778493/Internationale-Kommission-soll-Licht-in-NS-Stollen-bringen
 
#78
Da wird wieder eine Mücke zum Mamut gemacht.
Ich hoffe die Beteiligten arbeiten alle ehrenamtlich? (Sarkasmus!) Denn sonst zahlt wieder der Steuerzahler diesen Schwachsinn. :motzen:

lg

Cerberus9
 
U

urlie

Nicht mehr aktiv
#79
Also ich muss mal an dieser Stelle kurz sagen das ich selber schon das Bild mit den verschiedenen Stollenebene gesehen habe.
Und sollte es wirklich noch alle Stollenebenen so geben dann ist dieses ein nicht außer acht zulassendes Sicherheitsrisiko!

Von sonstigen Vermutungen mal abgesehen!

Mehr will ich mal jetzt nicht an dieser Stelle schreiben!

Lg Michael
 
#80
Ich war vor ca. 16 Jahren mehrmals in der Anlage, einmal sogar mit einen Trupp Höhlenretter aus Wien und wir haben die Anlage auf das genaueste untersucht. Vor allem bei den Sprengstellen war nirgends ein Durchbruch im Boden zu sehen, der auf einen darunterliegenden Stollen hinweisen würde. Also ich glaube nicht an die zweite Stollenanlage.

LG
Flughund
 
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