FuMG-Stellung "Henne" befand sich auf der "Hinteralpe" (Schneealpe) und nicht auf der "Heukuppe"-Rax

josef

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#1
In einem Leserbrief in den öfh-Nachrichten 3/16 berichtete der Briefverfasser glaubwürdig (belegt z.B. durch geborgene Anlagenteile usw. …) über einen weiteren FuMG-Standort auf der „Hinteralpe“ im steirischen „Schneealpen-Massiv“. Darauf hin begann Renato Schirer (@zwölfaxinger), Verfasser einer mehrteiligen Artikelserie über „Luftraumüberwachung in den Donau- und Alpenreichsgauen“ auf die sich der Leserbriefschreiber bezog, zu recherchieren.

Auch ich verbrachte seit Ende September 2016 etliche Stunden mit diversen Sucharbeiten zu dieser Angelegenheit bzw. tauschte mit Renato die neuesten Ergebnisse darüber aus.

Somit liegen nun folgende neue Erkenntnisse vor, welche den bisher angenommenen und vielfach publizierten Standort „Heukuppe“ - Rax-Massiv für die FuMG-Stellung „Henne“ widerlegen:


„Jakobskogel“ (1737 m) und „Otto-Schutzhaus“ (1642 m) - FuMG-Stellung (3. Ordnung) Deckname „Rax“:

Standort FuMG-Gerät „Freya“ und Flugwache
knapp südlich des Gipfelkreuzes vom "Jakobskogel". Die Ruine eines massiven Gebäudes aus Natursteinen ist noch vorhanden, wobei nicht feststeht, ob das Bauwerk schon vor dem Krieg existierte? Mannschaftsquartiere befanden sich im „Otto-Schutzhaus“. Die FuMG-Stellung „Rax“ wurde in der 2. Jahreshälfte 1944 aufgegeben.

Mitte 1944 gab es das Projekt zur Einrichtung einer „Abhörstation für den Funkverkehr von Feindflugzeugen“ im Bereich Jakobskogel/Otto-Haus. Wegen der Belegung der Örtlichkeit bzw. Objekte durch die Flugmeldestellung entschied man sich zur Errichtung der Anlage am höchsten Punkt des Rax-Massives, der bereits in der Steiermark liegenden

„Heukuppe“ (2007 m) und „Karl-Ludwig Schutzhaus“ (1804 m):
Die Abhöranlagen (Horchempfänger) befanden sich in einer massiven Baracke auf der Heukuppe, die mit einer Telefonleitung mit dem tiefer liegenden Karl-Ludwig Schutzhaus verbunden waren, wo die Auswertung stattfand. Die Aufklärungsergebnisse wurden mittels einer Richtfunkverbindung zur Richtfunkrelaisstation „Sonnwendstein“ (1523 m) der RV-Strecke Wien-Graz (Schöckl)-Agram (Zagreb) eingespeist. Die Mannschaftsunterkunft befand sich ebenfalls im Karl-Ludwig-Schutzhaus.

Wie schon vorhin geschrieben, wurde die FuMG-Station „Rax“ in der 2. Jahreshälfte 1944 aufgegeben, genauere Gründe sind uns nicht bekannt. Entweder war es die extreme Witterung (bevorstehender Winter) oder, eher anzunehmen, Störpotentiale des nahen Radars am Jakobskogel auf die Abhöranlagen auf der Heukuppe…? Als Folge kam es zum Aufbau einer

FuMG-Stellung (3. Ordnung) auf der Hinteralpe (1442 m) mit Decknamen „Henne“:
Die über einen Fahrweg zu erreichende, am Westrand des Schneealpen-Massivs gelegene und 14 km Luftlinie von der Heukuppe im Rax-Massiv entfernte, Hinteralpe liegt NNW von Neuberg an der Mürz im Bezirk Mürzzuschlag. Die Mannschaftsunterkünfte der Stellung 3. Ordnung waren auf der benachbarten Hinteralm.

Soweit die derzeitige Faktenlage. Sollte sich noch etwas ändern bzw. neue Erkenntnisse auftauchen, wird natürlich berichtet. Möchte noch darauf hinweisen, dass in einer der nächsten Ausgaben der öfh-Nachrichten ein weiterer interessanter Beitrag von Renato Schirer über „Die Organisation der Funkaufklärung und ihr Beitrag zur Luftraumüberwachung in den Alpen- und Donaureichsgauen“ erscheinen wird. Weiters möchte ich mich bei Renato über die konstruktive und zielführende Zusammenarbeit recht herzlich bedanken!

Anhänge (Eigene Fotos aus 2015,2016):
  1. Kartenübersicht mit den themenrelevanten Örtlichkeiten

  2. „Otto-Schutzhaus“, dahinter der Jakobskogel. Die Stellung „Rax“ befand sich am nicht einsehbaren Rückhang

  3. – 4. Ruine eines massiven Natursteinobjektes bei der ehem. Stellung „Rax“ (FuMG-Freya) und Flugwache
  1. Blick vom Rax-Hochplateau Richtung Süden zur „Heukuppe“

  2. Blick nach SO zum Semmeringgebiet mit Sonnwendstein (Bildmitte)

  3. Ausschnitt aus „Hoffmann, Geschichte der Ln-Truppe 1938-45“ Band II/Teil 1. – S. 505 – Erwähnung der FuMG-Stellung 3. Ordnung „Hinteralpe“
 

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josef

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#2
Gebäuderuine am Jakobskogel

Kennt jemand genaueres über diese Ruine?
In Unkenntnis über die militärische Nutzung während des WKII machte ich bei einer Wanderung 2015 vom Weg vom Otto-Haus zur Seehütte 2 Zoombilder der Ruine unterhalb des Gipfelkreuzes. Auch beim vorjährigen Besuch auf der Rax ignorierte ich das Gemäuer... Für die heurige Sommertour am Raxplateau wird natürlich eine Besichtigung eingeplant! Lt. Renato soll es auch noch weitere Fundamentreste im Gipfelbereich geben.

Interessant wäre, ob das Gebäude schon vor dem Krieg existierte oder erst für die Flugwache bzw. FuMG-Stellung "Rax" errichtet wurde? Das massive Natursteingemäuer hat eine Ähnlichkeit mit Objekten von RAD-Lagern. Da gab es auch für Verwaltungs- und Magazinbauten Gebäude, deren Untergeschoss aus Natursteinmauerwerk bestand. während das Obergeschoss in Holzbauweise ausgeführt war.

Bei der Internetsuche über die Ruine am Jakobskogel bin ich bisher nur auf Fotos und nichtssagende Texte gestoßen.
Ähnlich verhält es sich über Angaben zum Ottohaus während der Kriegszeit, siehe dazu Anhänge...


1. - 2. Nochmals das Steinmauerwerk der Gebäuderuine am Jakobskogel - Vermutung Reste Untergeschoss, Obergeschoss in Holzbauweise -> siehe Beispiele Fotos 3. - 5.
3. - 4. Vergleich Natursteinmauerwerk - Unter- (Keller-) Geschoss Verwaltungsgebäude/Lagerleitung RAD-Lager Oberbergern
5. Beispiel Untergeschoss Steinmauerwerk, Obergeschoss Holz - ehem. Wirtschaftsgebäude RAD-Lager Heinreichs bei Groß Gerungs
6. Textauszumit militärischen Hinweis Otto-Haus und Jakobskogel
7. Quelle für Screenshot Anhang 6.
8. - 10. Weiterer Hinweis auf Militärpräsenz im Otto-Haus in Artikel über eine Notlandung einer Ju52 auf der Rax.
Screenshots von Seiten 96-98 aus http://www.bergrettung-reichenau-rax.at/files/3_Teil_Einsätze.pdf

 

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#3
Gebäuderuine am Jakobskogel
Kennt jemand genaueres über diese Ruine?
Ich war schon öfters dort, aber Infos könnte ich von einem Freund aus Payerbach/Rax bekommen der quasi auf der Rax aufgewachsen ist bzw. sicher jemanden kennt, der jemanden kennt.. etc... Ich werde ihn beim nächsten Mal befragen. Man harre der Dinge. :)

P.S.: Ich hab mich auch schon öfters gefragt was das war.
 
#5

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#7
Aha...:)

Es gibt drei prominente Bücherschreiber der Gegend:

Gottfried Brandstätter
http://www.kral-verlag.at/kralverlag/index.php?option=com_content&view=article&id=183&Itemid=6
Tel: 0676 938 58 60 oder 02666 523 67

Robert Pap
http://www.zobodat.at/pdf/BerichteGeolBundesanstalt_67_0052.pdf

Friedrich Brettner
02662 43430

Habe jetzt meine noch vorhanden Bücher durchforstet, aber nichts gefunden.
Ist eigenartig, da ich ja von dieser Gegend komme und auch bei den Rax-Wanderungen war dies nie ein Thema.
Am besten, du kontaktiert sie direkt.
 
#8
Ich habe mit Gottfried Brandstätter telefoniert, welcher sofort die folgenden Informationen gab:

Das Objekt am Jakobskogel wurde in WKII als Fliegerabwehr gebaut. Allerdings war es nicht sinnvoll, da die Kanonen nur bis ca. 3.000m Höhe schießen konnten, die Flieger aber bei ca. 5.000m - 10.000m Höhe einflogen.
Dieses Gebäude wurde dann, wie von Josef oben beschrieben, als Richtfunkstelle benutzt. Es waren Dolmetscher im Otto Haus einquartiert.
Später wurden dann diese Aktivitäten vom Jakobskogel auf die Heukuppe der Rax verlegt, da dort die Abhörung besser war aufgrund der höheren Lage und die Feindflieger früher geortet werden konnten. Die Bedienmannschaft war im Karl Ludwig Haus untergebracht.
Verantwortlicher für die gesamten Aktivitäten war der Frankfurter Heinz Marx, welcher zuletzt auf den Sonnwendstein versetzt wurde.

Lt. Auskunft von Hrn. Brandstätter waren auf der Hinteralm keine diesbezüglichen Aktivitäten.

Eine Beschreibung dazu gibt es auch in seinem Rax-Buch, allerdings erst in der 2. Auflage (Seite 146). Ich habe die erste Auflage und habe deshalb nichts gefunden.

Jedenfalls besten Dank an Hrn. Brandstätter für die telefonische Auskunft.

Noch ein Detail, welches ich gefunden habe (Artikel 24):
 

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josef

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#9
Hallo Struwwi:

Besten Dank für Deinen Einsatz und den erklärenden Anhang!

Abhörstation Heukuppe usw. inklusive RV-Einbindung am Sonnwendstein passen!


Hinteralm auf der Schneealpe:
Lt. Auskunft von Hrn. Brandstätter waren auf der Hinteralm keine diesbezüglichen Aktivitäten
Dagegen sprechen die glaubwürdigen Mitteilungen des Leserbriefschreibers inkl. Foto des dort auf der Schneealpe aufgefundenen Schrottmaterials in den öfh-Nachrichten 3/16 und der Eintrag in der "Bibel der Ln-Truppe" von Hoffmann -> siehe Anhang 7 Beitrag #1 des Threads!

Vielleicht kennt Hr. Brandstätter wegen des späten Zeitpunktes des Stellungsbezuges relativ knapp vor Kriegsende nicht die Gegebenheiten von der Hinteralm? Ich will aber nicht stur behaupten, dass es die "Henne" auf der Hinteralm gab, auch Hoffmann könnte sich geirrt haben...

Hoffmann gibt als Quellen für seine im Anhang angeführten Darstellungen der "Kriegsgliederung und Offiziersstellenbesetzung Luftnachrichtentruppe" folgende Dokumente an:
1. Kriegsgliederung: Lfl.-Kdo. Reich, Höh.-Nafü 1, Br.B. Nr. 102784/45 v. 12.02.45
2. Offiziersstellenbesetzung: Gen.-Kdo. I. Jagdkorps,IIa/3, Br.B. Nr. 46/45 v. 31.01.45
(Anlage 17, Bd.II, Teil 1, Seite 467)


Irgendwann wird auch Licht ins Dunkel kommen...:cool:

lg
josef

Screenshot RV-Verbindungsskizze lt. Anhang Beitrag #8:
 

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#10
Die Gebäuderuine am Jakobskogel würde ich als Flugwache identifizieren (großes Panoramafenster), welches bereits vor der FuMG-Stellung errichtet wurde.
Herr Marx war Angehöriger des RV-Zuges der Luftflotte Reich, der die RV-Strecke nach Zagreb, mit dem Abzweiger Sonnwendstein - Karl Ludwig Haus, betrieb, dieser ist daher weder der FuMG-Stellung "Rax" noch der Abhörstation auf der Heukuppe zuzuordnen.
Aktivitäten der Flakartillerie auf der Rax gehören in das Buch "Sagen aus Österreich".
LG Renato
 
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