"Der jüdische Friedhof der entseelten" nahe Hollabrunn

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Weit abgelegen des Ortes Hollabrunn, besuchte ich einen historischen Ort der Stille! Bemerkenswert sind die erhaltenen schmiedeeisernen Schilder der einzelnen Gräbergruppen – heute eine absolute Rarität auf jüdischen Friedhöfen! Zumindest sind mir solche noch nicht unter gekommen auf meinen Friedhofsbesuchen!

Die Israelitische Kultusgemeinde Hollabrunn umfasste den Bezirk Hollabrunn und bestand zwischen 1902 und 1938. Die ersten jüdischen Familien siedelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Hollabrunn an.
Die Errichtung des jüdischen Friedhofs in Hollabrunn erfolgte 1876. In den Jahren 1909 und 1926 wurde er erweitert. Die alte Zeremonienhalle wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Die dafür notwendigen Pläne wurden am 11. Mai 1919 bei der Stadt Hollabrunn eingereicht.
1880 wurde die erste Kultusgemeinde als „Israelitische Cultus-Genossenschaft“ auf der Basis des Vereinsrechts gegründet. Bestand hatte diese Genossenschaft bis 1892, dann wurde der Bezirk Oberhollabrunn in die IKG Horn eingegliedert.
Im Jahr 1899 wurde der „Bethausanschaffungsverein in Oberhollabrunn“ gegründet. Offensichtlich hatte man ein bestimmtes Haus im Sinn, denn laut Statuten war der Vereinszweck „...der Ankauf und die Erhaltung des Hauses Nummer 356 in der Spitalgasse ... zur Verrichtung des Gottesdienstes und sonstiger israelitischer Cultusangelegenheiten“. Der Kaufvertrag wurde am 14. Dezember 1899 abgeschlossen. Hauseigentümer blieb der „Bethausanschaffungsverein“ bis zu seiner Auflösung 1924, sein Vermögen ging an die Kultusgemeinde über.
913 wurde das Bethaus, in dem auch der Kantor wohnte, den Bedürfnissen entsprechend adaptiert. Eine Waschküche wurde errichtet, ebenso ein Raum für Schächtungen und ein Holzschuppen.
Als eigenständige Kultusgemeinde entstand die Hollabrunner Kultusgemeinde im Jahr 1902 durch den Zusammenschluss der Betvereine von Hollabrunn und Retz, wo nacheinander zwei Beträume bestanden, welche allerdings nur bis zum Ersten Weltkrieg benutzt wurden.
1904 wurde die Chewra Kadischa gegründet und im Februar 1932 der „Jüdische Geselligkeitsverein Hollabrunn“, dessen Veranstaltungen auch von Nichtjuden besucht wurden.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich und dem Anschluss an das 3. Reich wurden die jüdischen Einwohner demonstrativ und zum Gaudium des Großteils der Bewohner öffentlich misshandelt, drangsaliert und gedemütigt. Später trat zwar eine nach außen hin ruhigere Phase ein, doch die verschiedenen NS-Dienststellen schikanierten die jüdischen Einwohner weiterhin und raubten sie – gedeckt durch NS-Gesetze – „legal“ aus. Der nächste offene Gewaltausbruch gegen Juden und jüdische Geschäfte und Einrichtungen erfolgte in der Reichspogromnacht.
Nach dem Anschluss im Jahr 1938 wurde das Innere des Bethauses zerstört.
Die Kultgegenstände des Bethauses wurden nach Wien gebracht und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien übergeben. Die bei dieser Gelegenheit gleichfalls nach Wien gebrachten Matriken der Gemeinde wurden erst später an die IKG Wien weitergegeben.
Am 23. Oktober 1938 meldete die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn der Landeshauptmannschaft, dass mit Ausnahme einiger alter Menschen mit Sondergenehmigung keine Juden mehr im Bezirk Hollabrunn lebten.
Quelle: Israelitische Kultusgemeinde Hollabrunn (Wiki)

Ein Friedhof als Mahnmal:
Maria und Johann Ranzenhofer stehen vor dem Grab ihrer Vorfahren. Etliche Generationen ihrer Familie liegen am jüdischen Friedhof in Hollabrunn beerdigt. Während Maria Ranzenhofer einen Text ihrer Tochter über deren Ur-Großmutter vorliest, die im Konzentrationslager erschossen wurde, bricht ihre Stimme immer wieder, Tränen stehen in ihren Augen.
140 Menschen stehen rund um sie im Schatten der Ahornbäume und hören betroffen zu. Die meisten kommen aus der Gegend und wollen mehr über die jüdische Geschichte ihres Ortes erfahren. Der Friedhof ist der Ausgangspunkt dafür. Kulturvermittlerin Patrizia Mantler-Stockinger erzählt während einer Führung im Zuge des Viertelfestivals NÖ über die Geschichten der Gräber. "Die meisten haben ein Symbol oben am Grabstein – eine Blume, einen Davidstern, einen Levitenkrug oder Weintrauben. Darunter befinden sich hebräische und deutsche Inschriften", erklärt sie. Mit Kreide fährt sie über die Steine, um die verwitterten Inschriften besser erkennbar zu machen. Manche Steine sind wackelig oder gar umgefallen, um manche rankt sich Efeu. "Die meisten der 135 Gräber sind nach Osten, nach Jerusalem, ausgerichtet", fährt sie fort.
Während des Novemberpogroms wurde der Friedhof geschändet. Hollabrunn war der erste judenfreie Ort Österreichs in der NS-Zeit. "Das jüdische Leben hier hat 1938 abrupt geendet. Kurz nach dem Anschluss begannen Terrormaßnahmen, Boykotte und Zwangsverkäufe", sagt Alfred Fehringer, der ein Buch über die jüdische Geschichte Hollabrunns verfasst hat.

Die Rückkehr:
Die ersten Aufzeichnungen über jüdische Gemeinden im Wein- und Waldviertel gibt es aus dem Mittelalter, danach waren sie bis zur Revolution 1848 wieder gänzlich verschwunden. "Vor dem Zweiten Weltkrieg befanden sich die größten jüdischen Gemeinden in Niederösterreich und im Burgenland, nicht wie jetzt in Wien", erklärt Martin Eck von der Israelitischen Kultusgemeinde.
Begräbnisse fanden in Hollabrunn von 1876 bis 1978 statt. Danach geriet der Friedhof in Vergessenheit. Seit 1997 besteht nun das Übereinkommen, dass die Stadtgemeinde Hollabrunn als Friedhofsaufseher im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde fungiert. Eine solche Vereinbarung, dass sich die Gemeinde, um die Instandhaltung kümmert, gibt es mit den meisten in Niederösterreich.
Die wenigsten Juden sind nach dem Krieg nach Hollabrunn zurückgekehrt. Die Töchter der Ranzenhofers wollen es nun aber tun.
Quelle: Ein Friedhof als Mahnmal (Kurier.at/Chronik)

Nun, die ersten Aufnahmen der Stille!
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