Ein Artikel in "ZEIT-ONLINE" widmet sich der Abschiebung farbiger Besatzungskinder aus Österreich in die USA:
Quelle: http://www.zeit.de/2010/52/A-Mischlingskinder
Ein verdrängtes Kapitel der Nachkriegsgeschichte: Wie farbige Besatzungskinder in die USA abgeschoben wurden.
Noch lebhaft in Erinnerung hat Trudy Jeremias die großen Augen der kleinen Knirpse. Nach mehr als 20 Stunden Flug kletterten sie in den frühen Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts am New Yorker Flughafen Idlewild (heute JFK Airport) aus den viermotorigen DC-6-Maschinen der Sabena und blickten staunend und verstört in eine ungewisse Zukunft. Die belgische Luftfahrtgesellschaft war damals die einzige Fluglinie, die unbegleitete Kinder über den Atlantik beförderte. Trudy Jeremias arbeitete beim Bodenpersonal. Sie selbst war 1938 im Alter von 13 Jahren vor den Nazis aus Wien geflohen und sprach daher Deutsch. Zu ihrem Job gehörte es nun, die entwurzelten Kinder aus Europa, manche waren erst vier, andere bereits sieben Jahre alt, in den USA in Empfang zu nehmen und durch die Grenzkontrollen zu ihren neuen Adoptiveltern zu begleiten. Es waren meist die Sprößlinge, die amerikanische Besatzungssoldaten dort zurückgelassen hatten, wo sie stationiert gewesen waren.
»Jeden Tag sind österreichische Kinder angekommen, manchmal eines, manchmal drei«, erinnert sich Trudy Jeremias. Wenn sie ein paar Worte hervorbrachten, dann in der Regel im alpenländischen Dialekt. Einer von ihnen war Peter. »Er kam in einem Tirolergewand an, und er hat auch so gesprochen. Peter war ein schwarzes Kind.«
Offensichtlich hatte man den Kindern vor der Abreise erzählt, sie würden zu ihren Müttern gebracht. »Viele sagten, ihre Mutti würde sie abholen«, erzählt die ehemalige Sabena-Hostess. »Als sie ihren Irrtum bemerkten, waren sie oft verzweifelt. Manchmal musste ich schreiende Kinder übergeben.« Etwa jenes österreichische Mädchen, das von einer afroamerikanischen Professorin aus dem tiefen Süden der USA erwartet wurde. »Die war sehr schwarz, und das Kind hat bei der Übergabe laut geschrien: ›Eine Negerin, eine Negerin!‹ Das Mädchen hatte keine Ahnung, dass es selber schwarz war. Sie hat sich so vor der Frau gefürchtet.«
Bis heute liegt dieses Kapitel der Nachkriegsgeschichte beinahe vollkommen im Dunkeln. Niemand weiß, wie viele Kinder, die gemischtfarbigen Beziehungen in Österreich entstammten, eine neue Heimat im Land ihrer Väter fanden. In einem Land, in dem in jenen Jahren in vielen Bundesstaaten noch ein rigides System der Rassentrennung praktiziert wurde, das Schwarzen massive Einschränkungen auferlegte: getrennte Schulen, nach Hautfarbe separierte Bereiche im öffentlichen Verkehr, in Bars, Restaurants und Kinos oder das Verbot gemischter Ehen.
Trudy Jeremias, heute eine 85-jährige Dame, ist eine der wenigen, die aus eigener Anschauung von dem vergessenen Schicksal dieser kleinen Österreicher berichten kann. Wer das System der Adoptionen organisierte, die Reisekosten finanzierte und wohin der weitere Lebensweg die Neuankömmlinge führte, darüber weiß sie allerdings nicht Bescheid. Die Biografien dieser kleinen Emigranten verlieren sich im großen Schmelztiegel USA. In ihrem Geburtsland wird ihre Lebensgeschichte ignoriert.
Heim ins Land der Väter
Die österreichische Geschichte ist weiß. Die Lebensläufe schwarzer Österreicher aus der Nachkriegszeit, in der Regel Besatzungskinder, kommen nur ausnahmsweise vor, wie etwa die Karriere des oberösterreichischen Fußballers und Torschützenkönigs Helmut Köglberger, geboren 1946 in Sierning bei Steyr, den die Sportberichterstatter gerne »Negerl« oder »Murli II« (zur Unterscheidung von dem brasilianischen Legionär Chico) nannten. Wie sehr Sozial- und Jugendämter die Mütter dazu drängten, ihren farbigen Nachwuchs zur Adoption freizugeben, ist völlig unerforscht.
Eine Seltenheit waren diese Kinder allerdings nicht, allein in Salzburg entstammten, einem Bericht aus dem Jahr 1955 zufolge, 1899 uneheliche Kinder einer Liaison von Österreicherinnen mit GIs der U.S. Army, in der rund fünf Prozent afroamerikanische Soldaten bei den Besatzungstruppen dienten. »Was wir damals an Negerkindern gehabt haben – schrecklich«, erzählte einmal eine pensionierte Kinderkrankenschwester der Salzburger
Historikerin Ingrid Bauer, die über Geschlechtergeschichte in der Nachkriegszeit forscht. Drastisch schilderte die Zeitzeugin solch eine Geburt: »Ja, der Vater war ein Schwarzer. Und was für einer! Pahhh! Wie ein Orang-Utan hat er ausgeschaut. Ich habe mir vorstellen können, dass der jetzt von einem Baum herunterhüpft, ganz ein Wilder. Na, schrecklich! Er hat eine ganz platte Nase gehabt.«
Nach einem anfänglichen Fraternisierungsverbot war es den amerikanischen Soldaten gestattet, private Kontakte zur österreichischen Bevölkerung aufzunehmen. Aus Zeitzeugen-Interviews ist bekannt, dass sich gerade schwarze Soldaten großer Beliebtheit erfreuten, sie galten als gemütlicher als ihre weißen Kameraden. »Mit den Negern sind wir am besten ausgekommen«, erzählten die Zeitzeuginnen Ingrid Bauer immer wieder, als sie diese über ihre Beziehungen zu den Besatzungssoldaten befragte.
Dieses besondere Verhältnis zu Afroamerikanern in Uniform erklärt sich auch aus deren Stellung in der Armeehierarchie und in der amerikanischen Gesellschaft: Die Österreicher, die sich durch die Niederlage des Nationalsozialismus und die alliierte Besatzung gedemütigt fühlten, identifizierten sich leichter mit jenen Truppenteilen, die selbst das niedrigste Sozialprestige aufwiesen.
Diese positive Grundhaltung änderte sich jedoch schnell, sobald es um die Beziehung einer österreichischen Frau mit einem schwarzen Soldaten ging. Besonders hart bekamen das jene Frauen zu spüren, die mit den Besatzungssoldaten ein Verhältnis eingingen. Sie wurden in der Bevölkerung »Amischickse« oder »Dollarflitscherl« tituliert und im Fall eines dunkelhäutigen Galans abfällig »Schokoladenmädchen« genannt.
Schlimm wurde es, wenn die Geliebte eines US-Soldaten schwanger wurde. Ledige Mutterschaft wurde oft als Folge von Prostitution denunziert. Diese Frauen wurden rasch als charakterschwach oder, noch nationalsozialistisch geprägt, als asozial eingeschätzt. Die meisten Mütter fanden sich als Alleinerziehende wieder, da die Beziehungen mit den Soldaten, die meist bald wieder versetzt wurden, oft nur von kurzer Dauer waren. Müttern, die nach dem Verbleib der Väter ihrer Kinder suchten, verweigerte die US-Armee generell jede Informationen.
Die Armeezeitung Stars and Stripes warnte im April 1946 die »pregnant Fräuleins«, sie dürften sich keine Unterstützung von den Militärbehörden erwarten: »Ein ›Kraft-durch Freude‹-Mädchen, das von der verbotenen Frucht gekostet hat, muss die Konsequenzen selbst auf sich nehmen.« Diese Politik verfolgen die USA übrigens bis in die Gegenwart.
Im Unterschied zu Deutschland, wo nach Ende des Ersten Weltkrieges die Franzosen das Rheinland durch farbige Kolonialregimenter besetzt hielten und die Bevölkerung schon zu diesem Zeitpunkt mit dem in Berührung gekommen war, was die »schwarze Schmach« der Besatzungskinder genannt wurde, war dunkelhäutiger Nachwuchs für Österreich ein vollkommen neues Phänomen.
Den Kindern aus Beziehungen mit afroamerikanischen Soldaten wurde die Integrationsfähigkeit in eine weiße österreichische Gesellschaft abgesprochen. Während vor allem Kleinkinder mit schwarzer Hautfarbe oft noch im positiven Sinne als exotisch empfunden wurden, war die Bezeichnung »Mischling« eindeutig negativ geprägt. Stigmatisierende und rassistische Untertöne waren auch Sozial- und Jugendämtern in diesem Zusammenhang nicht fremd. Generell wurde die Hautfarbe als Problem erachtet und soziale Defizite gerne als logische Folgen der Andersartigkeit dargestellt.
Auch die Besatzungsmacht selbst trug nicht zur Verbesserung der Situation dieser Kinder bei. Die USA, die sich als moralisch verlässliche Supermacht positionieren wollte, finanzierte mit Marshallplangeldern ein Filmprogramm, das der deutsche Kulturwissenschaftler Frank Mehring treffend als »Propaganda für Demokratie« bezeichnete. Ziel war die kulturelle und ideologische Aufrüstung des ehemaligen Kriegsgegners durch Dokumentar- und Spielfilme. Finanziert vom United States Information Service drehte der österreichische Schauspieler und Regisseur Georg Tressler 1954 im Rahmen dieses Programms das Doku-Drama Wie die Jungen Sungen. Darin porträtierte er den Alltagsbetrieb an der internationalen Schule in Wien und zeigte die Gemeinsamkeit von Kindern in multinationaler und multiethnischer Vielfalt, die friedlich und amikal ihre Schul- und Freizeit miteinander verbrachten. Dadurch sollte ein Beitrag zum Aufbau einer neuen, postrassistischen europäischen Identität geleistet werden.
Bei den Auftraggebern stieß das Ergebnis jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Tresslers Film verletzte die damalige political correctness der US-Politik. Mit Rücksicht auf die vor allem in den Südstaaten geltende Rassentrennung erschien der Film den amerikanischen Geldgebern als viel zu kühnes Statement. Die Darstellungen von Kindern unterschiedlicher Hautfarbe war allzu harmonisch ausgefallen. In den Kinos konnte schließlich nur eine zensurierte Version gezeigt werden, die um die freundschaftlichen Szenen zwischen einem schwarzen Buben und einem weißen Mädchen bereinigt worden war.
Der Autor arbeitet gemeinsam mit anderen Historikern daran, ein Projekt zu etablieren, durch das die seinerzeit in den USA adoptierten Besatzungskinder ausgeforscht und ihre Biografien dokumentiert werden sollen.
Noch lebhaft in Erinnerung hat Trudy Jeremias die großen Augen der kleinen Knirpse. Nach mehr als 20 Stunden Flug kletterten sie in den frühen Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts am New Yorker Flughafen Idlewild (heute JFK Airport) aus den viermotorigen DC-6-Maschinen der Sabena und blickten staunend und verstört in eine ungewisse Zukunft. Die belgische Luftfahrtgesellschaft war damals die einzige Fluglinie, die unbegleitete Kinder über den Atlantik beförderte. Trudy Jeremias arbeitete beim Bodenpersonal. Sie selbst war 1938 im Alter von 13 Jahren vor den Nazis aus Wien geflohen und sprach daher Deutsch. Zu ihrem Job gehörte es nun, die entwurzelten Kinder aus Europa, manche waren erst vier, andere bereits sieben Jahre alt, in den USA in Empfang zu nehmen und durch die Grenzkontrollen zu ihren neuen Adoptiveltern zu begleiten. Es waren meist die Sprößlinge, die amerikanische Besatzungssoldaten dort zurückgelassen hatten, wo sie stationiert gewesen waren.
»Jeden Tag sind österreichische Kinder angekommen, manchmal eines, manchmal drei«, erinnert sich Trudy Jeremias. Wenn sie ein paar Worte hervorbrachten, dann in der Regel im alpenländischen Dialekt. Einer von ihnen war Peter. »Er kam in einem Tirolergewand an, und er hat auch so gesprochen. Peter war ein schwarzes Kind.«
Offensichtlich hatte man den Kindern vor der Abreise erzählt, sie würden zu ihren Müttern gebracht. »Viele sagten, ihre Mutti würde sie abholen«, erzählt die ehemalige Sabena-Hostess. »Als sie ihren Irrtum bemerkten, waren sie oft verzweifelt. Manchmal musste ich schreiende Kinder übergeben.« Etwa jenes österreichische Mädchen, das von einer afroamerikanischen Professorin aus dem tiefen Süden der USA erwartet wurde. »Die war sehr schwarz, und das Kind hat bei der Übergabe laut geschrien: ›Eine Negerin, eine Negerin!‹ Das Mädchen hatte keine Ahnung, dass es selber schwarz war. Sie hat sich so vor der Frau gefürchtet.«
Bis heute liegt dieses Kapitel der Nachkriegsgeschichte beinahe vollkommen im Dunkeln. Niemand weiß, wie viele Kinder, die gemischtfarbigen Beziehungen in Österreich entstammten, eine neue Heimat im Land ihrer Väter fanden. In einem Land, in dem in jenen Jahren in vielen Bundesstaaten noch ein rigides System der Rassentrennung praktiziert wurde, das Schwarzen massive Einschränkungen auferlegte: getrennte Schulen, nach Hautfarbe separierte Bereiche im öffentlichen Verkehr, in Bars, Restaurants und Kinos oder das Verbot gemischter Ehen.
Trudy Jeremias, heute eine 85-jährige Dame, ist eine der wenigen, die aus eigener Anschauung von dem vergessenen Schicksal dieser kleinen Österreicher berichten kann. Wer das System der Adoptionen organisierte, die Reisekosten finanzierte und wohin der weitere Lebensweg die Neuankömmlinge führte, darüber weiß sie allerdings nicht Bescheid. Die Biografien dieser kleinen Emigranten verlieren sich im großen Schmelztiegel USA. In ihrem Geburtsland wird ihre Lebensgeschichte ignoriert.
Heim ins Land der Väter
Die österreichische Geschichte ist weiß. Die Lebensläufe schwarzer Österreicher aus der Nachkriegszeit, in der Regel Besatzungskinder, kommen nur ausnahmsweise vor, wie etwa die Karriere des oberösterreichischen Fußballers und Torschützenkönigs Helmut Köglberger, geboren 1946 in Sierning bei Steyr, den die Sportberichterstatter gerne »Negerl« oder »Murli II« (zur Unterscheidung von dem brasilianischen Legionär Chico) nannten. Wie sehr Sozial- und Jugendämter die Mütter dazu drängten, ihren farbigen Nachwuchs zur Adoption freizugeben, ist völlig unerforscht.
Eine Seltenheit waren diese Kinder allerdings nicht, allein in Salzburg entstammten, einem Bericht aus dem Jahr 1955 zufolge, 1899 uneheliche Kinder einer Liaison von Österreicherinnen mit GIs der U.S. Army, in der rund fünf Prozent afroamerikanische Soldaten bei den Besatzungstruppen dienten. »Was wir damals an Negerkindern gehabt haben – schrecklich«, erzählte einmal eine pensionierte Kinderkrankenschwester der Salzburger
Historikerin Ingrid Bauer, die über Geschlechtergeschichte in der Nachkriegszeit forscht. Drastisch schilderte die Zeitzeugin solch eine Geburt: »Ja, der Vater war ein Schwarzer. Und was für einer! Pahhh! Wie ein Orang-Utan hat er ausgeschaut. Ich habe mir vorstellen können, dass der jetzt von einem Baum herunterhüpft, ganz ein Wilder. Na, schrecklich! Er hat eine ganz platte Nase gehabt.«
Nach einem anfänglichen Fraternisierungsverbot war es den amerikanischen Soldaten gestattet, private Kontakte zur österreichischen Bevölkerung aufzunehmen. Aus Zeitzeugen-Interviews ist bekannt, dass sich gerade schwarze Soldaten großer Beliebtheit erfreuten, sie galten als gemütlicher als ihre weißen Kameraden. »Mit den Negern sind wir am besten ausgekommen«, erzählten die Zeitzeuginnen Ingrid Bauer immer wieder, als sie diese über ihre Beziehungen zu den Besatzungssoldaten befragte.
Dieses besondere Verhältnis zu Afroamerikanern in Uniform erklärt sich auch aus deren Stellung in der Armeehierarchie und in der amerikanischen Gesellschaft: Die Österreicher, die sich durch die Niederlage des Nationalsozialismus und die alliierte Besatzung gedemütigt fühlten, identifizierten sich leichter mit jenen Truppenteilen, die selbst das niedrigste Sozialprestige aufwiesen.
Diese positive Grundhaltung änderte sich jedoch schnell, sobald es um die Beziehung einer österreichischen Frau mit einem schwarzen Soldaten ging. Besonders hart bekamen das jene Frauen zu spüren, die mit den Besatzungssoldaten ein Verhältnis eingingen. Sie wurden in der Bevölkerung »Amischickse« oder »Dollarflitscherl« tituliert und im Fall eines dunkelhäutigen Galans abfällig »Schokoladenmädchen« genannt.
Schlimm wurde es, wenn die Geliebte eines US-Soldaten schwanger wurde. Ledige Mutterschaft wurde oft als Folge von Prostitution denunziert. Diese Frauen wurden rasch als charakterschwach oder, noch nationalsozialistisch geprägt, als asozial eingeschätzt. Die meisten Mütter fanden sich als Alleinerziehende wieder, da die Beziehungen mit den Soldaten, die meist bald wieder versetzt wurden, oft nur von kurzer Dauer waren. Müttern, die nach dem Verbleib der Väter ihrer Kinder suchten, verweigerte die US-Armee generell jede Informationen.
Die Armeezeitung Stars and Stripes warnte im April 1946 die »pregnant Fräuleins«, sie dürften sich keine Unterstützung von den Militärbehörden erwarten: »Ein ›Kraft-durch Freude‹-Mädchen, das von der verbotenen Frucht gekostet hat, muss die Konsequenzen selbst auf sich nehmen.« Diese Politik verfolgen die USA übrigens bis in die Gegenwart.
Im Unterschied zu Deutschland, wo nach Ende des Ersten Weltkrieges die Franzosen das Rheinland durch farbige Kolonialregimenter besetzt hielten und die Bevölkerung schon zu diesem Zeitpunkt mit dem in Berührung gekommen war, was die »schwarze Schmach« der Besatzungskinder genannt wurde, war dunkelhäutiger Nachwuchs für Österreich ein vollkommen neues Phänomen.
Den Kindern aus Beziehungen mit afroamerikanischen Soldaten wurde die Integrationsfähigkeit in eine weiße österreichische Gesellschaft abgesprochen. Während vor allem Kleinkinder mit schwarzer Hautfarbe oft noch im positiven Sinne als exotisch empfunden wurden, war die Bezeichnung »Mischling« eindeutig negativ geprägt. Stigmatisierende und rassistische Untertöne waren auch Sozial- und Jugendämtern in diesem Zusammenhang nicht fremd. Generell wurde die Hautfarbe als Problem erachtet und soziale Defizite gerne als logische Folgen der Andersartigkeit dargestellt.
Auch die Besatzungsmacht selbst trug nicht zur Verbesserung der Situation dieser Kinder bei. Die USA, die sich als moralisch verlässliche Supermacht positionieren wollte, finanzierte mit Marshallplangeldern ein Filmprogramm, das der deutsche Kulturwissenschaftler Frank Mehring treffend als »Propaganda für Demokratie« bezeichnete. Ziel war die kulturelle und ideologische Aufrüstung des ehemaligen Kriegsgegners durch Dokumentar- und Spielfilme. Finanziert vom United States Information Service drehte der österreichische Schauspieler und Regisseur Georg Tressler 1954 im Rahmen dieses Programms das Doku-Drama Wie die Jungen Sungen. Darin porträtierte er den Alltagsbetrieb an der internationalen Schule in Wien und zeigte die Gemeinsamkeit von Kindern in multinationaler und multiethnischer Vielfalt, die friedlich und amikal ihre Schul- und Freizeit miteinander verbrachten. Dadurch sollte ein Beitrag zum Aufbau einer neuen, postrassistischen europäischen Identität geleistet werden.
Bei den Auftraggebern stieß das Ergebnis jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung. Tresslers Film verletzte die damalige political correctness der US-Politik. Mit Rücksicht auf die vor allem in den Südstaaten geltende Rassentrennung erschien der Film den amerikanischen Geldgebern als viel zu kühnes Statement. Die Darstellungen von Kindern unterschiedlicher Hautfarbe war allzu harmonisch ausgefallen. In den Kinos konnte schließlich nur eine zensurierte Version gezeigt werden, die um die freundschaftlichen Szenen zwischen einem schwarzen Buben und einem weißen Mädchen bereinigt worden war.
Der Autor arbeitet gemeinsam mit anderen Historikern daran, ein Projekt zu etablieren, durch das die seinerzeit in den USA adoptierten Besatzungskinder ausgeforscht und ihre Biografien dokumentiert werden sollen.