Österreich will dem europäischen Luftraum-Verteidigungssystem „Sky Shield“ beitreten

josef

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#1
LUFTRAUMVERTEIDIGUNG
Österreich will „Sky Shield“ beitreten
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Österreich wird dem europäischen Luftraum-Verteidigungssystem „Sky Shield“ beitreten. Das kündigten Bundeskanzleramt und Verteidigungsministerium Samstagabend an. „Die Bedrohungslage hat sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine massiv verschärft“, begründete Bundeskanzler Karl Nehammer den Schritt. Die Neutralität sei durch das Projekt nicht gefährdet.
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„Wir müssen und werden Vorsorge treffen, um unser Land vor der Gefahr von Drohnen- oder Raketenangriffen zu schützen“, sagte Nehammer in einer Pressemitteilung. In der Luftraumüberwachung gehe das am besten gemeinsam im europäischen Verbund mit anderen Staaten.

„Für Österreich ist das in der Geschichte der Verteidigungspolitik ein Meilenstein“, unterstrich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. „Derzeit laufen die Verhandlungen, um diese Zusammenarbeit zu prüfen und zu klären, wie die Beteiligung Österreichs an diesem Projekt konkret aussehen kann.“

Schutzschirm für „Gefahrenabwehr“
„Es handelt sich um die Beteiligung an einem Schutzschirm, der zur Gefahrenabwehr dient“, so Nehammer und Tanner. Die Neutralität bleibe daher davon unberührt, betonten beide. „Die gemeinsame Umsetzung dieses Projekts ist organisatorisch und finanziell nur im europäischen Verbund möglich und sinnvoll, die Fähigkeit zur effektiven Luftraumverteidigung angesichts der neuen Gefahrenlage kann kein europäischer Staat alleine leisten.“

Erste Schritte für Freitag geplant
Am Freitag reist Verteidigungsministerin Tanner nach Bern, wo sie im Zuge eines trilateralen D-A-CH-Treffens mit ihren Amtskollegen aus Deutschland und der Schweiz, Boris Pistorius und Viola Amherd, zusammenkommen wird. Österreich hat dieses Treffen als möglichen Termin einer Unterzeichnung des Beitritts zur „European Sky Shield Initiative“ ins Auge gefasst, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf APA-Anfrage mitteilte.

Geplant sei nun, dass Tanner eine dafür notwendige Absichtserklärung in Anwesenheit von Pistorius unterzeichne. Details wolle man aber vor dem Treffen nicht verraten. Zu den Kosten einer Teilnahme gab es von Kanzleramt und Ministerium am Samstag zunächst keine Informationen. Tanner hatte bereits im Herbst Interesse an einer Teilnahme bekundet und bei einem Treffen mit Pistorius im März den wahrscheinlichen Beitritt für den Sommer avisiert.

Derzeit 17 europäische Staaten
Die „European Sky Shield Initiative“ (ESSI) ging vom EU- und NATO-Land Deutschland aus und ist eine Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine. Beteiligt sind seit Oktober zudem die NATO-Mitglieder Großbritannien, die Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Norwegen. Im Februar schlossen sich auch Dänemark und Schweden dem Projekt an. „Sky Shield“ soll vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen.

Paris macht bisher nicht mit
Nicht dabei sind derzeit Frankreich und Italien. Vor allem Paris präferiert ein rein europäisches System, das allerdings erst entwickelt werden muss. Erst jüngst drang der Zwist zwischen Paris und Berlin in dieser strategischen Angelegenheit wieder an die Öffentlichkeit. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stößt sich daran, dass für die ESSI auch Technologie aus Israel und den USA eingekauft werden soll. Unter anderem ist der Ankauf des israelischen Raketensystems Arrow 3 geplant.

Berlin betont nötigen Lückenschluss
Der deutsche Verteidigungsminister Pistorius hatte zuletzt versucht, den Streit herunterzuspielen. Aus seiner Sicht gibt es keinen grundsätzlichen Dissens. Auch Deutschland verfolge das Ziel einer europäischen Luftverteidigung und Rüstungsindustrie.

„Die andere Frage ist, was passiert bis dahin“, sagte er. „Also die Auffassung von Macron scheint die zu sein, wir sind nicht so in Eile, dass wir jetzt auf Brückentechnologien setzen müssen, sondern wir können warten, bis das fertig ist, was wir in Europa entwickeln. Davon sind wir und etliche andere nicht überzeugt.“ Beim nun wegen der Krawalle in Frankreich verschobenen Staatsbesuch Macrons in Deutschland wäre „Sky Shield“ ein zentrales Thema gewesen.
Derzeit ist die Raketenabwehr in Europa im Wesentlichen auf einen Angriff aus dem Iran ausgelegt, nicht aber etwa aus Russland. Die Lücken für diese Distanzen sollen mit ESSI geschlossen werden.

Soll Bedrohung frühzeitig erkennen und abwehren
Mit „Sky Shield“ werde ein satellitengestützter Schutzschirm über die teilnehmenden Länder gelegt, der Drohnen und Raketen frühzeitig erkennen und abwehren kann, hieß es in der Pressemitteilung von Bundeskanzleramt und Verteidigungsministerium.

Die gestiegene Bedrohungslage äußere sich in drei Faktoren, gegen die „Sky Shield“ den notwendigen Schutz bieten soll: Angriffe durch Drohnen oder Bedrohung durch fehlgeleitete Drohnen, Bedrohung durch militärische Flugzeuge im europäischen Luftraum sowie Bedrohung durch ballistische oder atomare Raketen im europäischen Luftraum.
01.07.2023, guti, ORF.at/Agenturen

Link:
ESSI (Wikipedia)

Luftraumverteidigung: Österreich will „Sky Shield“ beitreten
 

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#2
RAKETENABWEHRSYSTEM
Schießt Sky Shield die Neutralität ab?
Österreich will als 18. Staat am geplanten europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield teilnehmen. Auch die Schweiz denkt trotz Neutralität laut über einen Beitritt nach
Als Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Wochenende verkündete, Österreich werde sich am geplanten europäischen Raketenabwehrsystem Sky Shield beteiligen, war die Aufmerksamkeit beträchtlich. Wenig überraschend, denn: Das kleine Land will plötzlich gemeinsam mit anderen europäischen Ländern Waffensysteme einkaufen – und das trotz der Neutralität? Ja, geht das denn überhaupt?


Ein Element des Raketenabwehrsystems Iron Dome, für das Israel rund 200 Millionen Dollar ausgegeben hat
.imago images/UPI Photo

In der Antwort sind sich Fachleute weitgehend einig: Ja, das geht. Denn die European Sky Shield Initiative ist ein Luftabwehrsystem, das grundsätzlich der Verteidigung des eigenen Territoriums dient. Und das darf ein neutraler Staat. Europäische Staaten kooperieren bei der Anschaffung, statt um deutlich höhere Kosten jeder für sich nationale Luftabwehrsysteme auszubauen. Eine Beistandsklausel oder ein Bündnisfall wie in den Nato-Verträgen ist nicht geplant.

Sky Shield soll der Abwehr von Drohnen- und Raketenangriffen dienen, ähnlich dem israelischen System Iron Dome. Auf die inzwischen wieder debattierte Frage der Eurofighter-Nachfolge in Österreich hätte die Implementierung des Systems keine Auswirkung. Für etwaige in den heimischen Luftraum eindringende Flugzeuge sind auch weiterhin primär die Abfangjäger zuständig.

Deutsche Initiative
Österreich wäre das 18. Land, das sich der im vergangenen Herbst von Deutschland ersonnenen Initiative anschließt. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte ein solches Luft- und Raketenabwehrsystem bereits im August 2022 während seiner Europarede in der tschechischen Hauptstadt Prag angeregt. Großbritannien, die Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Norwegen, allesamt Nato-Mitglieder, schlossen sich der Berliner Initiative im darauffolgenden Oktober an, Nato-Mitglied Dänemark sowie Nato-Aspirant Schweden zogen im Februar 2023 nach.

Großer Abwesender im Konzert der Nato- und EU-Staaten ist – neben Spanien, Italien und Polen – Frankreich. Im Kern geht es um rüstungspolitisches Abwägen: Während Deutschland vor allem auf das weitreichende israelische System Arrow 3 sowie das im Nahbereich wirkende Flugabwehrsystem Iris-T aus deutscher Produktion setzt, lehnt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Ankauf von Arrow 3 sowie des zuletzt auch in der Ukraine bewährten US-Luftabwehrsystems Patriot ab – mit Verweis auf die rüstungsindustrielle Autarkie Europas, die es ihm zufolge nun zu stärken gelte.

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in der Debatte auch die oppositionelle Union hinter sich weiß, mahnt hingegen zur Eile: Man könne nicht warten, bis Europa eigenständig genügend Raketenabwehrsysteme produziert, sondern müsse sich nun auf "Brückentechnologien" konzentrieren – eben Patriot und Arrow 3.

Die neutrale Schweiz, die weder EU noch Nato angehört, denkt dem Vernehmen nach ebenfalls laut über einen Beitritt zur European Sky Shield Initiative nach. Verteidigungsministerin Viola Amherd lotet bei Treffen mit ihren österreichischen und deutschen Konterparts regelmäßig aus, ob und wann das sonst so auf Eigenständigkeit bedachte Bern mitmischen könnte. Erst im Vorjahr hatte das Verteidigungsministerium den Ankauf von US-Patriot-Systemen sowie neuer, hochmoderner F-35A-Kampfjets aus amerikanischer Produktion angekündigt.

Erneute Debatte um Neutralität
Die Debatte über die österreichische Neutralität ist damit einmal mehr entfacht. Seither ist die Regierungsspitze bemüht zu betonen, dass das Projekt die Neutralität nicht gefährde. Es handle sich bloß um eine "Zusammenarbeit von mehreren Staaten" und nicht um ein Militärbündnis, sagte etwa Außenminister Alexander Schallenberg.

Rückenwind bekommt die Regierung von Experten: Es handle sich schlichtweg um eine Schutzmaßnahme, das sei kein Problem für die Neutralität, betont Völkerrechtsexperte Franz Cede. Ähnlich sieht das auch der Militärexperte Franz-Stefan Gady. Primär sei Sky Shield eine Art Einkaufsplattform: Als Kollektiv mehrerer europäischer Länder trete man an die Verteidigungsindustrie heran, um Infrastruktur zu einem guten Preis zu bekommen, erklärte er auf Ö1.
(Florian Niederndorfer, Max Stepan, Martin Tschiderer, 3.7.2023)

WISSEN
Wie Sky Shield funktionieren soll

Das Ziel der European Sky Shield Initiative ist ein satellitengeschützter Schutzschirm über dem europäischen Luftraum, der frühestens 2025 in Betrieb gehen könnte. Abgewehrt werden sollen damit aber in erster Linie nicht Kampfjets, sondern Raketen und Drohnen. Angriffe mit diesen Waffen schätzen Fachleute seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine als tendenziell wahrscheinlicher ein.

Österreich, dessen Wehretats seither erhöht wurden, will sich daher am Einkauf entsprechender Systeme beteiligen. Am Freitag reist Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nach Bern, wo sie Österreichs Beitritt zu Sky Shield bereits unterzeichnen könnte.

Was genau Österreich für welchen Zweck anschaffen würde, ist aber noch Gegenstand von Planungen. "Und da stehen wir noch ganz am Anfang", sagt Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der heimischen Luftstreitkräfte, im Gespräch mit dem STANDARD. Noch in mehreren Bereichen gibt es dabei offene Fragen:

Reichweite
Grundsätzlich gibt es Raketen- und Drohnenabwehrsysteme mit sehr unterschiedlichen Reichweiten. Von kurzen und mittleren spricht man bei horizontalen Reichweiten von 15 bis 50 Kilometern – und einer Flughöhe von maximal 25 Kilometern. Zu den großen Reichweiten zählen alle Distanzen über 50 Kilometer. Für Österreich sind aktuell vor allem Abwehrsysteme für die kurze und mittlere Reichweite im Gespräch. Als mögliche Systeme stehen drei zur Debatte: Die Iris-T-SLM als europäische Lösung, die US-Patriot-Raketen und Israels Arrow 3.

Geografische Platzierung
Die Sky-Shield-Abwehr ist grundsätzlich nicht dazu gedacht, die gesamte Fläche Österreichs lückenlos zu schützen. Vielmehr soll einerseits die Bevölkerung in Ballungsräumen und Wohngebieten geschützt werden; andererseits die kritische Infrastruktur – von Kraftwerken über den Flughafen Wien-Schwechat bis zur in der Nähe liegenden OMV-Raffinerie.

Unbewohnte Flächen müssten von der Reichweite der Systeme nicht abgedeckt sein – oder wie es Kommandant Promberger formuliert: "Den Großglockner brauchen wir nicht beschützen." Angeschafft werden dürften vor allem mobile Systeme, die bei Bedarf an verschiedene Plätze verschoben werden können. Etwa bei einer etwaigen Konferenz von Staats- und Regierungschefs in Wien.
(tschi)

Schießt Sky Shield die Neutralität ab?
 

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#3
Wie funktioniert Sky Shield?

Das Sky Shield soll vor Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen schützen.
Österreich soll Teil der europäischen Luftabwehr-Initiative Sky Shield werden. Die Teilnehmer der Initiative wollen gemeinsam Waffensysteme zur Luftabwehr beschaffen und einander mit Systemen und Munition unterstützen. Das European Sky Shield soll frühestens 2025 in Betrieb gehen.

Was ist Sky Shield?
Die European Sky Shield Initiative (ESSI) ist ein geplantes Projekt zum Aufbau eines europäischen Luftverteidigungssystems. Ins Rollen gebracht wurde die Initiative im August 2022 durch den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Auslöser war die steigende Bedrohung durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Teilnehmende Staaten sind Deutschland, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn.

Nicht verwechselt werden darf das europäische Sky Shield mit dem Störsender "Sky Shield", mit dem etwa die deutschen Eurofighter des Typs ECR (Electronic Combat Role) ausgerüstet werden sollen. Der Sender des israelischen Rüstungsunternehmens Rafael ist darauf ausgerichtet, gegnerische Luftabwehr zu unterdrücken (die futurezone hat berichtet).

Welche Bedrohungen soll Sky Shield abfangen?
Mit Sky Shield sollen ballistische Raketen, Marschflugkörper und Drohnen abgewehrt werden. Als große Bedrohung zählen etwa Hyperschallraketen, die mit mehr als 6.174 km/h (Mach 5, 5-fache Schallgeschwindigkeit) unterwegs sind. Dazu zählt auch die russische Rakete Kinzhal Kh-47, die von der Luft aus gestartet wird und eine Geschwindigkeit von etwa 12.000 km/h (Mach 10) erreichen. Ihre Reichweite soll bei bis zu 2.000 Kilometern liegen.

➤ Mehr lesen: Russische Kamikaze-Drohne ist "unmöglich abzufangen"

Was ist der Unterschied zwischen Hyperschallraketen und ballistischen Raketen?
Anders als ballistische Raketen bewegen sich Hyperschallraketen (Hypersonic Cruise Missiles) in einer geringeren Flughöhe und werden so von Radarsystemen später erkannt. Außerdem erreichen sie ihr Ziel deutlich schneller. Durch ihre hohe Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit sind sie nur sehr schwer abzuwehren. Zudem können die Raketen mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden.

Eine zukünftigte weitere Bedrohung sind sogenannte Hypersonic Glider. Diese fliegen in etwa 100 Kilometern Höhe mit Hyperschallgeschwindigkeit Richtung Ziel. Zudem sollen sie automatisch Ausweichmanöver und Kurswechsel durchführen, um nicht von Abwehrsystemen neutralisiert werden zu können. Auch diese Hypersonic Glider sollen mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden.


© GAO

Warum reichen bisherige Abwehrsysteme nicht aus?
Das Herzstück der österreichischen Luftraumüberwachung ist die sogenannte "Goldhaube", die aus mehreren Radarstationen besteht. Die Leistung dieses Radars geht über die österreichischen Landesgrenzen hinaus und reicht im Norden bis Berlin, im Osten bis nach Budapest, im Süden bis nach San Marino und im Westen bis nach Bern. Dadurch kann die Goldhaube auch als Frühwarnsystem bei möglichen Angriffen dienen (die futurezone hat berichtet).

Ähnliche Warnsysteme stehen auch anderen Ländern zur Verfügung. "Im Rahmen der Air Situation Data Exchange tauschen wir bereits seit Jahren Daten mit Deutschland und der Schweiz aus", sagt Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte des Bundesheeres, zur futurezone. In Zukunft werde man diese Kooperationen wohl noch weiter ausweiten.

Bei der bodengebundenen Luftabwehr ist Österreich allerdings sehr limitiert. Dringt ein feindliches Objekt in den österreichischen Luftraum ein, stehen momentan nur 35-mm-Kanonen (Oerlikon) und "Mistral"-Kurzstreckenraketen zur Verfügung. Diese Raketen haben eine Reichweite von bis zu 6 Kilometer und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu Mach 2,7.

Um die Luftabwehr zu verstärken, investiert das Bundesheer in ein MRAD, einer Medium-Range Air Defense mit einer Reichweite von etwa 40 Kilometer. Welches System beschafft werden soll, ist unklar.



Welche Abwehrraketen wird Sky Shield verwenden?
Das steht noch nicht fest. Im Gespräch steht etwa das israelische System Arrow 3, das US-amerikanische MIM-104 Patriot System und das europäische IRIS-T SLM. Ziel ist, feindliche Objekte in 3 "Abfangschichten", also Reichweiten, neutralisieren zu können:

  • Kurze Reichweite: bis 15 Kilometer weit, bis zu 6 Kilometer Höhe
  • Mittlere Reichweite: 15 bis 50 Kilometer Reichweite und bis zu maximal 25 Kilometer Höhe
  • Große Reichweite: mehr als 50 Kilometer Reichweite und bis zu 35 Kilometer Höhe
Die größte Reichweite hat die Arrow-3-Rakete. Die Lenkwaffe soll Gefahren auf Distanzen von bis zu 2.400 Kilometer und in einer Höhe von bis zu 100 Kilometer bekämpfen können. Dabei sollen feindliche Raketen primär durch einen direkten Treffer ausgeschaltet werden. Dank eines Splittersprengkopfs mit Näherungssensor reicht aber auch ein knapper Vorbeiflug aus, um ein Ziel zu zerstören.

Das US-amerikanische MIM-104 Patriot System erreicht je nach eingesetztem Lenkflugkörper eine Reichweite von bis zu 160 Kilometer. Gegen ballistische Raketen wird eine maximale Reichweite von 60 Kilometer angegeben. Patriot-Raketen erreichen eine Maximalgeschwindigkeit von Mach 4,1 und wurden in der Ukraine bereits erfolgreich gegen die Hyperschallrakete Kinzhal Kh-47 eingesetzt (die futurezone hat berichtet).

Das deutsche Luftabwehrsystem IRIS-T SLM zählt zur sogenannten MRAD mit einer Reichweite von 40 Kilometern (20 Kilometer Höhe). Das System besteht dabei aus Radar-Modulen, Launchern mit bis zu 8 "IRIS-T SL"-Raketen und einem Operationsmodul, über das das System gesteuert werden kann. Wie auch bei den anderen beiden Luftabwehrsystemen können alle Komponenten mobil eingesetzt werden und passen auf standardisierte Containerrahmen.

An welchen Standorten die mobilen Systeme eingesetzt werden, ist von Einsatz zu Einsatz unterschiedlich, erklärt Promberger. "Wichtig ist, dass es sich um marktverfügbare Systeme handelt", streicht der Promberger hervor. Je zeitnaher das Projekt nämlich umgesetzt werden, desto besser könne auf die Gefahrenlage reagiert werden. Einen Start von Sky Shield im Jahr 2025 hält der Experte für realistisch.

Wie werden die Ziele geortet?
Bei Sky Shield um einen "satellitengestützten Schutzschirm", der Bedrohungen "frühzeitig erkennen und abwehren kann". Laut Promberger dienen die Satellitendaten allerdings nur als Ergänzung zu Radarstationen am Boden. Bereits jetzt helfen Satelliten dabei, ein sogenanntes "Recognized Space Picture" zu erstellen. Darin werden nicht nur Flugobjekte im Weltall erkannt und klassifiziert, sondern auch das Weltraumwetter vorhergesagt. Sogenannte Sonnenstürme können nämlich nicht nur GPS-Navigationssysteme auf der Erde empfindlich stören, sondern in schweren Fällen auch für Funk- oder Stromausfälle sorgen. Darauf müssen sich Luftabwehrsysteme anpassen können.

Mehr lesen: SpaceX kündigt Starshield für das Militär an

Das deutsche Rüstungsunternehmen Hensoldt verkündete im Dezember 2022 außerdem, vor dem Hintergrund der Sky Shield Initiative, 30 TRML-4D-Radare für das IRIS-T SLM-System zu bauen. Das System soll laut Hersteller auch tieffliegende Marschflugkörper erkennen können. Eine Ortung von bis zu 1.500 Zielen auf Entfernungen bis zu 250 Kilometer sei möglich.

Wie viel kostet die Sky-Shield-Initiative?
Der Beitrag der einzelnen Länder unterscheidet sich. Österreich wird ersten Schätzungen zufolge knapp 2 Milliarden Euro in die Initiative investieren müssen.
03.07.2023, Marcel Strobl
Wie funktioniert Sky Shield?
 
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#4
LUFTABWEHR
Österreich kauft im Rahmen von Sky Shield Luftabwehrsystem mit Berlin
Acht Stück des Systems Iris-T sollen beschafft werden. Auch die Ausbildung soll im Rahmen der deutschen Armee erfolgen
Wien – Im Rahmen des europäischen Luftverteidigungssystems Sky Shield plant Österreich eine gemeinsame Beschaffung und Ausbildung mit Deutschland. Dies teilte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Dienstag vor Journalisten in Wien mit. Konkret sei der Kauf des deutschen Mittelstrecken-Luftabwehrsystems Iris-T geplant, sagte Tanner. In den nächsten Wochen soll dazu ein "Memorandum of Understanding" mit Berlin akkordiert werden.

Tanner trat gemeinsam mit Luftwaffenchef Gerfried Promberger auf. Dieser hatte kürzlich an einem Treffen der Luftwaffenchefs der Partnerstaaten der European Sky Shield Initiative (ESSI) in Deutschland teilgenommen, bei dem der deutsche Rüstungskonzern Diehl sein System Iris-T präsentiert hatte. Tanner und Promberger erwarten sich von der gemeinsamen Beschaffung geringere Kosten für Ankauf und Ausbildung. Diese solle im Rahmen der deutschen Armee erfolgen, die derzeit eine Art europäische Akademie für die ESSI-Partnerstaaten aufbaue.


Das Luftabwehrsystem Iris-T (Symbolbild).I
MAGO/Political-Moments

Flexibles System
Promberger hob vor Journalisten auch den militärischen Wert des Systems hervor, das aktuell etwa von der Ukraine mit "hoher Abschussrate" gegen russische Raketen eingesetzt werde. "Das System ist akkurat, marktverfügbar und 'combat proven' (kampferprobt, Anmerkung)", betonte der Brigadier. Es sei auch äußerst flexibel und könne innerhalb weniger Minuten ab- und aufgebaut werden.

Konkret plant Österreich die Beschaffung von vier Kurzstreckensystemen mit einer Reichweite von bis zu 15 Kilometern und vier Mittelstreckensysteme mit einer Reichweite bis zu 50 Kilometern, so Promberger. Die Systeme haben jeweils drei Werfer. Wo sie genau stationiert würden, hänge von der Bedrohungslage ab. Die Lieferung des ersten Systems soll bereits ein Jahr nach der Unterzeichnung des Beschaffungsvertrags erfolgen.

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Promberger und Tanner bestätigten auf Nachfrage, dass die Verhandlungen mit dem Rüstungskonzern von der deutschen Regierung geführt werden. Formell werde Österreich die benötigten Systeme von Deutschland abkaufen. Tanner hob in diesem Zusammenhang die Transparenz des Vorganges hervor. Einfluss von Lobbyisten sei nun nicht mehr möglich, sagte sie in Anspielung auf den skandalumwitterten Eurofighter-Beschaffungsvorgang.

Ausführliche Information des Nationalrats
Bedeckt hielten sich Tanner und Promberger zu den Kosten. Dies hänge von den Verhandlungen ab, sagten sie auf APA-Nachfrage. Die Verteidigungsministerin verwies diesbezüglich auf den Aufbauplan für die bodengestützte Luftabwehr, der einen Umfang von zwei Milliarden Euro habe. Nicht alles davon werde aber in das System Iris-T fließen. Tanner sicherte zugleich eine ausführliche Information des Nationalrats zu, konkret im Rahmen der zuständigen Ausschüsse.

Als "ambitioniert", aber gerade auch im Lichte der jüngsten Entwicklungen "machbar" bezeichnete Tanner das von ihrem deutschen Kollegen Boris Pistorius genannte Ziel, dass Sky Shield schon 2026 in Betrieb sein soll. Das MoU soll von der deutschen Seite "in den nächsten Wochen" übermittelt und dann von Experten im Verteidigungsministerium geprüft werden, so Tanner. Sie ließ durchblicken, dass es schon rund um das nächste Treffen der Sky-Shield-Luftwaffenchefs im November unterzeichnet werden könnte. Estland und Lettland hätten am vergangenen Montag bereits ein entsprechendes MoU unterfertigt, Slowenien solle folgen. Schweden und Ägypten hätten Iris-T bereits im Einsatz.

Neutralitätsbedenken "an den Haaren herbeigezogen"
Als "an den Haaren herbeigezogen" kritisierte Tanner vermeintliche neutralitätsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit Sky Shield. Es gebe nämlich keine Verfassungs- oder Völkerrechtsexperten, die diesbezüglich einen Zusammenhang sähen. Schon vor der im Juli (gemeinsam mit der Schweiz) mit Deutschland unterzeichneten Absichtserklärung sei dies geprüft worden. Auch sei es "nicht das erste Mal, dass wir gemeinsame Beschaffungen (mit anderen Ländern, Anm.) durchführen", betonte sie.

–Die FPÖ unterstrich unterdessen ihre Skepsis gegenüber Sky Shield. "Wenn Österreich schon am Weg Richtung Nato ist und Sky Shield ein weiterer Baustein auf diesem Weg ist, sollte die Bevölkerung zumindest die Möglichkeit bekommen, in einer Volksabstimmung darüber abzustimmen", betonte der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Kainz am Dienstag – noch vor Tanners Ankündigung – in einer Aussendung.
(APA, red, 12.9.2023)
Österreich kauft im Rahmen von Sky Shield Luftabwehrsystem mit Berlin
 

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#5
LUFTABWEHR
Österreich kauft auch Langstreckenraketen für Sky Shield
Um bis zu vier Milliarden Euro will Verteidigungsministerin Tanner einen Paradigmenwechsel in der Verteidigungspolitik vollziehen – und auch Luftabwehrraketen mit 200 Kilometer Reichweite kaufen

Das deutsche IRIS-T-SL-System (im Bild) zur Abwehr auf der Kurz- und Mittelstrecke hatte die Republik schon seit dem Sommer auf dem Plan. Jetzt will die Regierung auch in die lange Distanz investieren.
IMAGO/Political-Moments

Im Sommer hat Österreich die Absichtserklärung zur Beteiligung am europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield unterzeichnet. Anvisiert wurde damals die Anschaffung von Kurz- und Mittelstreckenraketen, wobei man sich auch eine Ausweitung dieser Beschaffungspläne offenhielt. Seit heute ist klar: Österreich wird – erstmals in der Geschichte der Republik – auch Langstrecken-Luftabwehrraketen kaufen. Die Grundlage dafür lieferte ein Ministerratsbeschluss am Mittwoch.

Das sei ein großer Fortschritt für Österreich, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer beim gemeinsamen Pressefoyer mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nach dem Ministerrat. In die ersten beiden Phasen nach der Entscheidung für Sky Shield sei die Beschaffung von Kurz- und Mittelstreckenraketen gefallen, sagte der Kanzler. Die Planungsarbeiten dafür seien bereits eingeleitet worden.

In der dritten Phase sollen ab 2027 auch Langstreckensysteme mit einer Reichweite bis zu 200 Kilometer gekauft werden. Das sei ein Durchbruch und "Meilenstein" für Österreichs Sicherheit. Man könne damit eine Lücke in der Verteidigung schließen und auch etwa ballistische Raketen oder Drohnen aus Russland abwehren. Welche Systeme für die Langstrecke beschafft werden, ist noch offen. Wahrscheinliche Optionen sind die US-Flugabwehrrakete Patriot und das in einer israelisch-US-amerikanischen Kombination entwickelte System Arrow 3.

Abschuss der Neutralität?
Entscheidend sei, dass Sky Shield ein europäisches Projekt, getragen von der Bundesrepublik Deutschland, ist, sagte Nehammer – und nicht etwa eine Initiative der Nato. Die Neutralität Österreichs sei nicht gefährdet, weil die Verantwortung für den Einsatz der Raketen beim jeweiligen Nationalstaat bleibe. Dieser entscheide stets autonom, wann die Abwehrsysteme verwendet würden.

Muss im Sinne der europäischen Partner aber etwa eine Rakete über Österreich abgeschossen werden, die eigentlich ein anderes EU-Land zum Ziel hat? Diese Frage stelle sich so gar nicht, argumentierte der Kanzler. Denn abgewehrt würde eine über Österreich lokalisierte Rakete allein schon aufgrund der Verletzung des heimischen Luftraums.

Vizekanzler Kogler sprach von mehr Freiheit durch Unabhängigkeit über die Beteiligung an Sky Shield. Man wolle die heimische Sicherheit angesichts der veränderten Bedrohungslage stärken. Die militärische Neutralität Österreichs sei durch das Luftverteidigungssystem ebenso wenig bedroht wie durch die klare Haltung der Bundesregierung gegenüber den Aggressionen Russlands. Weil man Sky Shield gemeinsam mit 18 europäischen Ländern umsetze – kooperiert werde sowohl bei der Anschaffung als auch der Ausbildung – fahre man wirksamer, effizienter und sparsamer als bei etwaigen Alleingängen.

Kostenspektrum zwischen zwei und vier Milliarden
Laut Verteidigungsministerin Tanner bedeute die Anschaffung, dass Österreich eine umfassende Verteidigungsfähigkeit erlangen und diese um ein Vielfaches erhöhen werde. Der am Mittwoch im Ministerrat erfolgte Beschluss ebne nun den Weg, die Langstreckenraketen zu kaufen. Nächstes Ziel sei eine gemeinsame Beschaffung mit Deutschland. Dabei gehe es einerseits um niedrigere Kosten, andererseits aber auch um eine Beschleunigung des Beschaffungsprozesses. Wer gemeinsam kaufe, könne auch schneller kaufen.

Die Entscheidung zum Einsatz der Raketen liege weiter souverän bei Österreich, betonte auch Tanner. "Die Lufthoheit muss gewahrt werden." Man werde sehr genau darauf achten, dass alle verfassungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Zu den möglichen Kosten blieben die Regierungsvertreter am Mittwoch noch unbestimmt. Das Spektrum für die Großbeschaffung würde aber zwischen 2,3 und vier Milliarden Euro liegen, heißt es aus Tanners Kabinett dem STANDARD gegenüber. Für die Kurz- und Mittelstreckenraketen wurden bereits rund zwei Milliarden Euro veranschlagt. Heißt: Insgesamt könnte Österreichs Beteiligung an Sky Shield rund sechs Milliarden Euro kosten. Der Ministerratsbeschluss vom Mittwoch sei die Voraussetzung dafür, um mit Deutschland überhaupt verhandeln zu können.

Korruptionsgefahr bei Rüstungsgeschäften
Ein entscheidender Vorteil der direkten Verhandlungen mit der deutschen Bundesregierung sei auch, dass kein Unternehmen "zwischengeschaltet" sei. Damit würden der Faktor Lobbying und so auch die Gefahr von Korruption minimiert, argumentiert man im Ministerium. Denn bei der Anschaffung der Eurofighter hatte die Republik bekanntlich direkt mit Rüstungshersteller EADS, heute Airbus, verhandelt. Das Resultat: Skandale um Lobbyisten, Verdacht auf Schmiergeldzahlungen von bis zu 100 Millionen Euro und drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse.

Ziel der European Sky Shield Initiative ist ein satellitengestützter Schutzschirm über dem europäischen Luftraum. Im Grunde soll er ähnlich funktionieren wie Israels Iron Dome, der seit der Terrorattacke der Hamas und den unzähligen abgewehrten Geschossen aus dem Gazastreifen wieder vermehrt in den Schlagzeilen ist. Auch mit Sky Shield sollen in erster Linie nicht unbedingt Kampfjets, sondern Raketen und auch Drohnen abgewehrt werden. Praktisch denkt man in der EU vor allem an russische Raketen. Denn Angriffe mit diesen Waffen schätzen Fachleute seit Beginn von Putins Krieg gegen die Ukraine als tendenziell wahrscheinlicher ein.

"Großglockner brauchen wir nicht beschützen"
Grundsätzlich gibt es Raketen- und Drohnenabwehrsysteme mit sehr unterschiedlichen Reichweiten. Von kurzen und mittleren spricht man bei horizontalen Reichweiten von 15 bis 50 Kilometern – und einer Flughöhe von maximal 25 Kilometern. Zu den großen Reichweiten zählen alle Distanzen über 50 Kilometer.

Die Abwehrsysteme von Sky Shield sind nicht dazu gedacht, die gesamte Fläche Österreichs lückenlos zu schützen. Vielmehr soll einerseits die Bevölkerung in Ballungsräumen und Wohngebieten geschützt werden; andererseits die kritische Infrastruktur – von Kraftwerken über den Flughafen Wien-Schwechat bis zur in der Nähe liegenden OMV-Raffinerie. Unbewohnte Flächen müssten von der Reichweite der Systeme nicht abgedeckt sein. "Den Großglockner brauchen wir nicht beschützen", sagte Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der heimischen Luftstreitkräfte, im STANDARD-Gespräch.

Kritik an den Ankündigungen der Regierung kam von der Opposition, vermisst wird eine Einbindung des Parlaments.
(Martin Tschiderer, 15.11.2023)
Österreich kauft auch Langstreckenraketen für Sky Shield
 
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