Über Stock und Stein, brutale Steigungen, Schlaglöcher - das Abenteuer zu Beginn der Bergrennen in Österreich

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Die Anfänge der Bergrennen in Österreich
Bergrennen, das war was. Abenteuer. Über Stock und Stein, brutale Steigungen, Schlaglöcher. Mit Wettbewerben, die Motorgeschichte schrieben – klein begann es in Österreich
Berge haben ein Problem, zu rufen – außer vielleicht im Musical Watzmann mit Entertainer Klaus Eber hartinger. Berge zu besteigen, Höhen zu bezwingen, das wurde ab dem 19. Jahrhundert populär, Erzherzog Johann galt als Vorbilds-Ikone für den Trend. Die Kleidung der Einheimischen wurde von den "Zuagrasten" kopiert, mit jodelnden Falschgesängen zogen ab Ende besagten Jahrhunderts Stadtmenschen aus ihren Villen im Salzkammergut Richtung nächster Erhebung.


Es staubt beim Sollböck-Bergrennen bei Scheibbs, 1965. Wie man sieht: Auch damals war noch längst nicht jede Straße in Österreich asphaltiert.
Foto: Privatarchiv Peter Urbanek

Mit dem 27. August 1899 kam ein neues Element in diese Bewegung. Nicht mehr mühsam im Stiefelettenzug bergauf keuchen: Die Erfindung des Autos bedeutete den Sieg der Technik über die Steigung. Der legendäre Emil Jellinek demonstrierte dies an jenem Tag, als er seinen Daimler mit dem atemberaubenden Schnitt von 23 km/h den Semmering hinaufjagte. Bergrennen wurden ab dieser Zeit zum Treffpunkt der noblen Oberschicht, mit viel Aristokratie, die zwischen zwei Jagden ihren neuangeschafften Motorwagen über steinige Wege bergauf steuerte.

Permanente Rennstrecken wie Avus, Nürburgring oder Brooklands in England entstanden erst in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, bis dahin mussten die Berge herhalten, um die Freude an der Geschwindigkeit, aber auch den Mut der Fahrer zu demonstrieren. Der Semmering blieb bis 1933 ein Klassiker, wo die Lenkradhelden jener Tage wie Hans Stuck, Rudolf Caracciola oder Graf Kolowrat ihr Können in riesigen Staubwolken demonstrierten.


Das Bild stammt von der vom K. K. österreichischen Automobilklub veranstalteten Alpenfahrt im Jahr 1914 und zeigt, in welch abenteuerlichem Zustand sich die Bergstrecken weiland präsentierten.
Foto: Privatarchiv Peter Urbanek

Die Jahre bis zum Kriegsausbruch 1914 dominierten aber große Fernfahrten: 33 Prozent Steigung auf der Turracher Höhe wurde für viele damaligen Automobile zum Grenzwert, den ewigen Streckenrekord auf der 1954 noch als Naturstraße befahrenen Bergprüfung hält aber Wolfgang Denzel auf Denzel Sport mit 7,03,2 Minuten. Teilnehmer auf Citroën 2 CV mühten sich damals im Retourgang hinauf. Exakt hier auf der Turrach demonstrierte Ferdinand Piëch 1977 die Überlegenheit des Allradantriebes, den sein Großvater Ferdinand schon 1902 beim Exelbergrennen in Wien vorgestellt hatte. Zwei kleine De-Dion-Benzinmotoren trieben an Bord einen Dynamo zur Stromerzeugung für die Radnabenmotoren an, später ein 25-PS-Mercedes-Benzinmotor, das reichte zum Klassensieg auf Mercedes-Lohner-Porsche.

Der große Krieg war 1918 vorbei, die Motorsport-Enthusiasten staubten ihre Rennwagen ab, los ging es Richtung nächster Berg. In den Roaring Twenties schossen in Europa Bergstrecken wie Pilze aus der Erde. In Österreich gesellte sich der Gaisberg zum Semmering, nennenswert weiters: Schauinsland (Deutsches Reich), Klausenpass (Schweiz), Mont Ventoux (Frankreich), Trento-Bondone (Italien).

Vorteile, Nachteile
Bergrennen hatten Vorteile, wie die relativ kurze Streckenlänge, daher niedrigen Kosten, nicht zu vergessen die Attraktion für das Publikum durch unmittelbare Nähe zum Geschehen – Kehrseite: unglaubliche Gefährdung für Aktive und Besucher. Links der Felsen, rechts der Absturz oder die Mauer der Zuseher als Sicherheitszaun. Die Quote an Toten und Verletzten war hoch.


Eliška Junková-Khásová, bei internationalen Rennen als Elisabeth Junek bekannt: Das Bild zeigt sie 1924 beim Ecce-Homo-Bergrennen, wo sie auf Bugatti 35 ihren ersten Klassensieg einfuhr.
Foto: Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co KG, Wien Köln Weimar

Die Rennfahrzeuge waren alle heckgetrieben, heute würde man von "Fetzenfliegern" sprechen. Ab den 1930er-Jahren verlagerte sich das Renngeschehen aber immer mehr auf die neu entstandenen permanenten Rennstrecken beziehungsweise Rundstreckenkurse, ein Trend, der auch nach einer Blüte der Bergrennen nach dem Zweiten Weltkrieg anhielt. Heute unvorstellbar: Formel 1-Stars wie Wolfgang Berghe von Trips rasen den Gaisberg hinauf.

Heute ist der Ruf der Berge nach Motorsport verhallt, Kosten und Risiko sind zu hoch. Nur Gleichmäßigkeitsfahrer versuchen noch, die Tradition am Leben zu halten. (Peter Urbanek, 13.3.2022)
Die Anfänge der Bergrennen in Österreich
 
Oben