150 Jahre "Giselabahn" (Salzburg-Tiroler-Bahn)

josef

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Jubiläum: Die Giselabahn als Tür zur Welt
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Die Giselabahn, also die vielbefahrene Zugstrecke zwischen Wörgl und Salzburg über Kitzbühel und Zell am See, wird 150 Jahre alt. Die Bahn, die offiziell „Salzburg-Tiroler-Bahn“ heißt, hat viele Orte im Unterland nachhaltig verändert. Eine Ausstellung in Hochfilzen und ein Buch widmen sich ihrer Geschichte.
Online seit heute, 12.10 Uhr
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Im 19. Jahrhundert gab es schon lange Forderungen nach einer Zugverbindung durch das Tiroler Unterland. Eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen der Monarchie Österreich-Ungarn und Preußen gab den finalen Anstoß. Auch jetzt sah die Regierung in Wien die Notwendigkeit einer rein innerösterreichischen Zugverbindung zwischen dem Osten und dem Westen. Bald starteten Diskussionen über die Trassenführung.

Stadtarchiv Kitzbühel
1874/75 wird die Kitzbüheler Schleife gebaut

Nicht alle haben damals die Chance erkannt, die sich ihnen bietet, sagt Wolfgang Schwaiger, Obmann des Heimatvereins Pillersee: „Eigentlich hätte die Bahn gerade durch Söll und Ellmau verlaufen sollen. Dann ist aber Kitzbühel stark geworden. Ihnen war klar, was es bedeutet, keine Bahn zu haben. Sie sind bis zum Kaiser vorgedrungen, waren erfolgreich und deshalb gibt es jetzt diese Schleife rund um Kitzbühel.“

Giselabahn entstand in Rekord-Bauzeit
Es ist ein Megaprojekt, dessen Bau lediglich drei Jahre dauerte. Zahlreiche Bauernhöfe entlang der Strecke wurden kurzerhand enteignet. Teils bis zu 11.000 Menschen arbeiteten gleichzeitig am 190 Kilometer langen Schienennetz, zahlreichen Brücken und Tunneln. „Aus allen Teilen der Monarchie wurden Arbeiter angeworben. Ein Konglomerat an Völkern lebte bei uns. Hochfilzen hatte zu der Zeit zum Beispiel 350 Einwohner, musste aber bis zu 700 Arbeiter unterbringen und versorgen“, so Schwaiger.

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Archiv Fieberbrunn
Oberbauarbeiter bei der Arbeit in Fieberbrunn
Archiv Eder
Zugpersonal am Bahnhof Saalfelden (Land Salzburg)
Archiv Hochfilzen
Die Bahn wird, wie hier in Hochfilzen, 1928 elektrifiziert

Die Arbeitsbedingungen waren hart, viele Arbeiter ließen während der Bauarbeiten ihr Leben. Ausgerechnet der kleinste Tunnelbau auf der Giselabahn forderte eine große Anzahl an Opfer. Als gerade 20 Männer mit den letzten Arbeiten im Itterer Tunnel beschäftigt waren, stürzte der Tunnel ein. 13 Personen konnten nur mehr tot geborgen werden.

Ein besonderer Hingucker ist bis heute die Moosbachbrücke in Fieberbrunn, sagt der Modelleisenbahnbauer Thomas Völkl. Er hat für die Ausstellung im Kulturhaus in Hochfilzen mit Modellbauern aus ganz Österreich wichtige Bahnabschnitte der Giselabahn nachgebaut: „Die Brücke war damals in ihrer Dimension und Größe einmalig. Sie wurde auch in vielen Ingenieurszeitschriften als Meisterleistung beschrieben.“

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Archiv Fieberbrunn
Die Moosbachbrücke bei der Errichtung und…
ORF Tirol
…die Moosbachbrücke heute

Der „rauchende Teufel“ verändert für viele die Welt
Ende Juli 1875 wurde die Giselabahn offiziell eröffnet. Sie sollte in einer bäuerlich und vor allem vom Bergbau geprägten Region nichts weniger als eine neue Zeitrechnung einläuten, sagt Wolfgang Schwaiger – zum Beispiel aus touristischer Sicht: „Damals keimte bereits der Alpinismus auf. So wurde der Wildseeloder bereits von Alpinisten beschrieben, aber niemand konnte zu ihm gelangen. Plötzlich war diese Möglichkeit da. Deshalb ist auch relativ schnell ein Alpen- oder ein Ortsverschönerungsverein gegründet worden.“ Speziell Kitzbühel reifte bereits damals zum Sommerfrische- und rund vierzig Jahre später zum Wintersport-Hotspot heran.

Archiv Fieberbrunn
Touristen warten am Bahnsteig in Fieberbrunn

Auch aus wirtschaftlicher Sicht hatte die Giselabahn eine große Bedeutung, sagt Sebastian Eder, der Kurator der Ausstellung: „Viele Betriebe haben sich aufgrund dieser Bahn bei uns angesiedelt – zum Beispiel das Magnesitwerk in Hochfilzen, die Gebro in Fieberbrunn oder die Firma Egger in Oberndorf.“

Archiv Leogang
Magnesitverladung in Leogang (Land Salzburg)

Nicht alle standen der Bahn positiv gegenüber. Skeptische Einheimische sollen die Dampflok den „rauchenden Teufel“ genannt haben. Nicht nur einmal soll ein Bauernhof durch den sogenannten Funkenflug in Brand geraten sein. „Natürlich hat es auch Probleme gegeben. Viele kleine Handwerksbetriebe haben darunter gelitten, dass plötzlich Waren von außen kamen. Aber letzten Endes hat, glaube ich, schon jeder eingesehen, dass die Bahn nichts anderes bedeutet als den Anschluss an die Welt.“

150 Jahre voller Geschichte(n)
Seit 150 Jahren bahnt sich die Giselabahn nun schon ihren Weg durch das Tiroler Unterland. Sie wurde in zwei Weltkriegen zerbombt, von Naturereignissen zerstört, immer wieder aufgebaut und als Transportmittel für Soldaten und Flüchtlinge genutzt. Die Giselabahn beförderte die tote Kaiserin Elisabeth auf ihrem letzten Weg von Genf nach Wien, diente Kaiser Franz Josef mehrmals als Fortbewegungsmittel und gab vielen Menschen Arbeit.

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Stadtarchiv Kitzbühel
aiser Franz Josef besucht mithilfe der Giselabahn Kitzbühel
Archiv Kirchberg
Der bombardierte Bahnhof in Kirchberg 1945
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Hochwasser im Weiler Grieswirt in der Gemeinde St. Johann im Jahr 1912
Archiv Fieberbrunn
Eisenbahnerstreik in Fieberbrunn 1924

Dennoch wurde sie im Vergleich zu anderen Gebirgsbahnen wenig beachtet, sagt Thomas Völkl: „Es fällt einem zuerst die Semmeringbahn, die Arlbergbahn, die Brenner- oder Tauernbahn ein. Die Salzburg-Tiroler-Bahn wird oft vergessen. Dabei sind die Steigungen sogar um eine Spur steiler als bei der Semmeringbahn.“ In Anfangszeiten mussten teilweise drei Lokomotiven die Bahn ziehen, um die Steigungen zu überwinden.

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Viele Einheimische und Touristen nutzen die Salzburg-Tiroler-Bahn regelmäßig
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Modelleisenbahnbauer haben die Bahn in kleinerem Maßstab nachgebaut
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Mit einer großen Ausstellung und einem Buch möchte der Heimatverein Pillersee die Giselabahn vor den Vorhang holen

Die Ausstellung in Hochfilzen lädt Besucherinnen und Besucher noch bis 17. August immer von Donnerstag bis Sonntag ein, in die Geschichte der Giselabahn einzutauchen. Auch eine Sternfahrt und eine Fahrt mit einer historischen Lokomotive sind geplant.
05.07.2025, Diana Foidl, tirol.ORF.at
Jubiläum: Die Giselabahn als Tür zur Welt
 
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