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#21
Die Lumpen und die Toten
Vor hundert Jahren ist der Kampf um das Burgenland blutig geworden. Ungarische Freischärler vertrieben die österreichischen Gendarmen

Auf diesem historischen Bild zu sehen: österreichische Gendarmen und zwei gefangene ungarische Freischärler der sogenannten Rongyos Gárda, der Lumpengarde.
Foto: Landesarchiv Burgenland
Von Schattendorf kommend, ist die erste Querstraße im Nachbardorf Ágfalva die Baracsi László utca. Dort, wo diese dann die Hauptstraße kreuzt, steht ein Denkmal für den Straßenpatron. Sichtlich gepflegt ist es. Um nicht zu sagen in Gebrauch; stets geschmückt mit rot-weiß-grün beschleiften Kränzen. Alljährlich Ende August, Anfang September versammeln sich hier die patriotisch besonders Bewegten. Denn László Baracsi ist ein ungarischer Held. Hier – gegenüber steht die katholische Kirche, ein paar Schritte weiter der Bahnhof – starb er seinen Heldentod. Am 28. August 1921 war es, halb drei am Nachmittag.

Zwei Kilometer weiter, beim Bahnviadukt, halbwegs zwischen Ödenburg und Agendorf, zwischen Sopron und Ágfalva also, konnten alle die Schüsse hören. Auch Robert Henry Louis Davy. Der versuchte seit mehr als zwei Stunden, die jungen Burschen in ihrem abenteuerlichen Räuberzivil und mit dem Karabiner in der Hand davon zu überzeugen, dass er nicht nur jedes Recht hätte, mit dem Automobil hinüber nach Agendorf zu fahren, sondern die Pflicht. Denn er sei – doch wohl ausreichend belegt durch den Passierschein des ungarischen Regierungskommissärs Graf Antal Sigray – der rechtmäßig eingesetzte Landesverwalter des Burgenlandes. Er müsse die in Agendorf ja schon einrückenden österreichischen Gendarmen empfangen. Morgen, Montag, werde er in der Hauptstadt Ödenburg den Dienst antreten.

Die zu Hilfe gerufenen Entente-Offiziere bestätigten das. Doch die Räuberzivilisten beeindruckte auch das wenig. "Nem szabad!", erklärten sie. Verboten! Kein Vor, aber auch kein Zurück. "Wir waren", so schilderte Davy es tags darauf den Wiener Zeitungen, "mehr als eine Stunde lang Gefangene der Bande." Erst um halb drei erlaubten die Freischärler – nun mehr der Furcht gehorchend als dem Rechtsempfinden – die Weiterfahrt. Da starb László Baracsi gerade seinen Heldentod. Zwanzigmal hatte er, so wurde anhand der Patronenhülsen rekonstruiert, wohl allzu hastig und also erfolglos auf die österreichischen Gendarmen gefeuert. Dann erwischte es ihn. "Eine Kugel", erzählte Davy, "war ihm neben der Nase eingedrungen und hatte auf der Stelle seinen Tod herbeigeführt." Als Davy den Schauplatz erreichte, lag Baracsi László noch warm. Eine Quittung auf diesen Namen war das einzige Dokument, das bei ihm gefunden wurde.

László Baracsi war der erste Gefallene im nun beginnenden Kampf um das Burgenland. Der trug, wie alle Kämpfe nach dem ersten Toten, den Keim in sich, zu einem veritablen Krieg zu eskalieren. Man wusste ja, wie das abläuft. Sieben Jahre zuvor hatte ein einziger erschossener Erzherzog genügt, die Welt in Brand zu stecken.

Mobile Guerillataktiken
László Baracsi stammte aus der Tiefebene, aus Kecskemét. Von Kecskemét kam auch Oberleutnant Iván Hejjás, eine der übelsten Nachkriegsgestalten in dem an üblen Nachkriegsgestalten nicht sehr armen Ungarn. Hejjás war ein Freischarführer. Seine Truppe nannte sich selber, stolz das Äußere des Räuberzivils als Bezeichnung tragend, Lumpengarde: Rongyos Gárda. Im Burgenland wird diese Guerillatruppe im Doppelsinn erinnert: als plünderndes, erpressendes, sehr oft auch antisemitisch marodierendes Lumpenpack.
Die Lumpengarde war freilich nur eine der Truppen, die sich mit Waffen gegen die österreichischen Aspirationen auf Westungarn wehrten. Mit teils ausgefeilten, sehr mobilen Guerillataktiken und kühnen Handstreichen. So wie Hejjás und seine Lumpen im Jahr zuvor einen durchgeführt hatten. Mit mehreren Lastwagen waren sie ins steirische Fürstenfeld gefahren, hatten dort ein Waffenlager überfallen und kehrten mit reicher Beute – Mannlicher-Karabinern, Handgranaten, Maschinengewehren – zurück in den ungarischen Abwehrkampf.

Am 16. Juli 1921 war der Vertrag von Trianon mit all seinen für Ungarn so schmerzlichen Gebietsverlusten in Kraft getreten. Bis 27. August solle Budapest sein Militär zurückziehen. Die Österreicher würden am Sonntag, den 28., bis zu einer vereinbarten Linie nachrücken – in diesem Fall bis Agendorf – und am Montag das ganze Vertragsgebiet, Sopron inklusive, besetzen. Der Einsatz des Bundesheeres war den Österreichern untersagt worden. Es gäbe ohnehin die aus 30 Offizieren bestehende Interalliierte Kommission. Die würde schon dafür Sorge tragen, dass Robert H. L. Davy am 29. August, begleitet von Gendarmen, seinen Platz am Schreibtisch des Ödenburger Komitatshauses würde einnehmen können.
Stattdessen musste der Landesverwalter, ein Sektionschef des Innenministeriums, noch am selben Tag sein Quartier in Mattersdorf aufschlagen. Aber auch dort war für Davy kein Bleiben. Denn jetzt fing der magyarische Abwehrkampf erst richtig an. Er hat auf österreichischer Seite 52 Männer das Leben gekostet. Auf ungarischer nicht weniger.

Gekämpft, geschossen, gestorben
In den nächsten drei Wochen wurde gekämpft, geschossen, gestorben für die jeweils gerechte Sache. Die österreichischen Gendarmen hielten den Kopf hin für einen Landstreifen, für den der Friedensverhandler Karl Renner den Namen Burgenland durchgesetzt hatte. Die Ungarn verteidigten uraltes Grenzland, für das es gar keinen Namen gab. Es war schlicht der hauptsächlich Deutsch sprechende Westrand der drei westlichen Grenzkomitate – Moson, Sopron, Vasvár; Wieselburg, Ödenburg, Eisenburg.

Nicht ganz zu Unrecht hegte man in Budapest den Verdacht, die Siegermächte würden dieses Burgenland Österreich als Kompensation für das Südtiroler Unrecht zugestehen. Das erbitterte Ungarn, dem durch den Vertrag von Trianon ohnehin schon zwei Drittel des alten Reichs abgeschlagen worden waren, ganz besonders. Würde auch der westliche Rand herausgebrochen, wäre man – genau so sagen viele heute noch – von sich selbst umgeben. "Nem! Nem! Soha!", hallte es durchs Ungarland, "Nein! Nein! Niemals!". Der große Attila József hat im Jahr darauf, 17-jährig, diese nationale Wallung zu einem poetischen Kampflied gedichtet. "Stolz und zornig stürzen, stürmen wir nach vorne / Schmieren Kreuze mit Blut auf jeden Grenzstein."

Einer mit dem Namen Ahmed
Gegen den früheren Waffenbruder, den Kriegsverlierer Österreich, erhoffte man sich gute Chancen auf Vertragsrevision. Zumal ja auch ethnisch Deutsche aufstanden gegen die Labanzen, wie man die von Wien geschickten Soldaten immer schon genannt hatte. Hauptmann Paul Gebhardt aus Walbersdorf war gar ein Kommandant. Ein ethnischer Konflikt war der Kampf ums Burgenland tatsächlich nicht.

Ein Volksaufstand, wie Budapest verkündete, allerdings auch nicht. Zu viel offiziell Militärisches geschah im offiziell eigentlich geräumten Gebiet. Der frühere Ministerpräsident István Friedrich sammelte in Balf am Neusiedler See Offiziere in Zivil und kriegserprobte Studenten um sich. Der Honvéd-Major Gyula Osztenburg rückte nun als Kommandant des Reservegendarmeriebataillons Nr. 2 in den Raum Eisenstadt ein. Im Süden war Pál Prónay zugange, wohlbekannt aus der Schreckenszeit des "weißen Terrors" nach dem Ende des roten im Jahr 1919. Daneben sammelte Graf Tamás Erdődy, ein enger Gefährte von Kaiser Karl, eine Freischärlertruppe, in der sogar seine Gattin zur Waffe gegriffen hatte.

Studenten, habsburgfeindliche Königswähler, habsburgtreue Legitimisten, Landsknechte hatten sich gegen Österreich versammelt. In der Rongyos Gárda kämpften, was in den patriotischen Erinnerungsfeiern oft vergessen wird, auch rund 200 Bosniaken. Die hat es nach dem Krieg erst nach Wien, dann nach Budapest verschlagen. Ihr geistlicher Chef, Durics Hilmi Hussein, war k. u. k. Feldimam gewesen und wurde später Főmufti von Budapest. Am 5. September fiel in der Buckligen Welt bei Kirchschlag – Freischärler trafen dort auf reguläre österreichische Soldaten und lieferten ein für beide Seiten verlustreiches Gefecht – einer, von dem nur der Namen Ahmed überliefert wurde.

Gegen all diese gut bewaffneten und von kriegserfahrenen Offizieren geführten Freischaren war die österreichische Gendarmerie ohne Chance. Im Süden, wo Erdődy und Prónay das Kommando führten, ging für sie schon der 28. Augst schief. Nirgends konnten die Marschziele erreicht werden. Im Norden konzentrierte sich der Widerstand rund um Sopron.

Eine wilde Schießerei
Am 8. September kam es dort, wo es begonnen hatte, zur Entscheidung: zur zweiten Schlacht von Agendorf. Es war eine wilde Schießerei, auch mit Maschinengewehren. Die Gendarmen hatten verabsäumt, die Höhen über dem Dorf zu besetzen. Dort saßen jetzt die Freischärler. Die Österreicher flohen, wenn schon nicht Hals über Kopf, so doch in Eilmärschen nach Mattersdorf. Drei Ungarn und zwei Österreicher blieben liegen: der Finanzbeamte Ferenc Pehm, die Leutnants Gyula Machatsek und Elemér Szechányi – Studenten der Soproner Forstuniversität, die ihrer auch alljährlich gedenkt; und die Gendarmen Arnold Mosch und Karl Heger. Noch glaubten die Österreicher, sich in verstärkten Stellungen in Mattersdorf und Sauerbrunn halten zu können. Am 11. September zogen sich auch die hinter die Leithagrenze zurück, begleitet von fliehenden Anschluss-Befürwortern.

Statt, wie vorgesehen, in Ödenburg schlug Robert Henry Louis Davy nun sein Büro im Neukloster zu Wiener Neustadt auf, von wo aus man schon nach Ungarn hinüberschauen kann. Zu tun hatte er damit genug. Jetzt begann das letzte, turbulente, sich bis in den Dezember hinziehende Kapitel der Österreich-Werdung des Burgenlandes. Mit so mancher Absonderlichkeit: Am 4. Oktober hob Pál Prónay in Oberwart das Lajtabánság aus der Taufe und ließ umgehend ein Amtsblatt und einen Satz Briefmarken drucken. Aber die Zeit, als die Sieger sich von freien Republiken hätten beeindrucken lassen, war vorbei.

Die Kriegsgewinner der Entente und die Kriegsgewinnler der Kleinen Entente überließen nun Italien – von dem man weder in Ungarn noch in Österreich sagen wollte, als was man es ansah – die Initiative. Am 13. Oktober einigte man sich in Venedig, die staatliche Zugehörigkeit der burgenländischen Hauptstadt einer Volksabstimmung zu unterziehen. Dort, nahe Sopron, landete am 20. Oktober der Habsburger Karl. Osztenburg verwandelte sich vom Gendarmen flugs zurück in den Soldaten. Er und Oberst Anton Lehár begleiteten mit 4000 Mann den König nach Budapest. Es kam zu Kämpfen. Tote blieben liegen. Aber die Zeit, da irgendwer sich von einem Habsburger hätte beeindrucken lassen, war definitiv vorbei.


Ungarische Freischärler im September 1921: Gegen sie war die österreichische Gendarmerie chancenlos.
Foto: Picturedesk

Robert Henry Louis Davy hätte seinem einstigen Dienstherrn sagen können, warum. Karls Vorgänger, Franz Joseph, hatte den 1867 in Königsberg geborenen Davy einst den Preußen ausgespannt für den kakanischen Verwaltungsdienst. Der führte ihn vom schlesischen Troppau steil hinauf nach Wien ins Innenministerium, wo er bis in den Krieg hinein die – ja, ja –"Kommission zur Verwaltungsreform" leitete.

Davy war ein Verwaltungsjurist. Dem Burgenland schuf er eine rechtliche Basis. Die bis dahin geltenden ungarischen Gesetze fasste er im siebenbändigen Rechtsarchiv des Burgenlandes zusammen. Politiker war er keiner. Schon am 16. Jänner 1922 – kaum war das Burgenland das Burgenland, wurde eifrig burgenlandisiert – reichte er die Demissionierung ein, blieb aus Pflichtgefühl noch bis in den März in Sauerbrunn, wo die Landesregierung – provisorisch – Quartier genommen hatte.

Im Eisenstädter Landhaus hängt das Ölporträt von Davy in der Landeshauptmännergalerie im Wandelgang vor dem Sitzungssaal. Das Burgenland erinnert sich an ihn als seinen ersten Landeshauptmann. Davy war der Sohn eines schottischen Eisenbahningenieurs. Seine Mutter, eine geborene Bensemann, entstammte einer jüdischen Berliner Familie. Wenn stimmt, dass Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde, dann war der erste Landeshauptmann des Burgenlandes Jude.

Im April 1924 verstarb Davy. Seinen Enkel sah er deshalb nicht mehr. Der kam erst im Dezember dieses Jahres zur Welt. Wir Heutigen konnten – und können uns im Wiederholungsfall – nicht sattsehen an ihm. Walter Davy war ja der Schremser, der Dezernatsleiter mit der Krücke, der dem Major Kottan zur Hand gegangen ist mit seinem trockenen Schmäh.
(ALBUM, Wolfgang Weisgram, 12.9.2021)
Die Lumpen und die Toten
 

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#22
Der „Anschluss“ im Burgenland
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In der Serie „100 Jahre Burgenland – Geschichte im Gespräch“ gibt Historiker Michael Schreiber einen Überblick über die Geschichte des Landes, diesmal das Jahr 1938 betreffend: Wie hat sich der sogenannte „Anschluss“ im Burgenland vollzogen? Wie war der Zulauf zur NSDAP und welche NS-Kriegsverbrechen werden Franz Murer vorgeworfen?
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Im Februar 1938 unterzeichnete Kurt Schuschnigg das „Berchtesgadener Abkommen“ und machte damit den Weg für die Nationalsozialisten in Österreich frei, indem sie aus der Illegalität entlassen und an der Regierung beteiligt wurden. Dieses Abkommen ermöglichte die massive Einmischung Deutschlands in innerösterreichische Angelegenheiten und beschleunigte in den folgenden Wochen den endgültigen Niedergang des austrofaschistischen Staates.

STRINGER / AFP / picturedesk.com
Der „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland

Als Reaktion auf den insgesamt enorm gestiegenen nationalsozialistischen Druck kündigte Schuschnigg am 9. März überraschend eine Volksabstimmung über die Selbstständigkeit Österreichs an, die schon am 13. März hätte stattfinden sollen. Zu dieser Volksabstimmung kam es aber nicht mehr: Am 11. März trat Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zurück und die Nationalsozialisten übernahmen sukzessive die Macht im Staat. Der sogenannte „Anschluss“ wurde in nur drei Tagen vollzogen.

Der „Anschluss“ und Tobias Portschy
Im Wesentlichen hat sich der sogenannte „Anschluss“ an drei Tagen, vom 11. bis zum 13. März 1938, vollzogen: von innen – mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich, von außen – dem Einmarsch der Wehrmacht und durch die rechtliche Legitimierung – mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich.


wikipediaTobias Portschy

Das Burgenland wurde mit 15. Oktober 1938 aufgelöst. Während des „Dritten Reiches“ wurde es zwischen den Reichsgauen Niederdonau und Steiermark aufgeteilt, Tobias Portschy war stellvertretender Gauleiter der Steiermark und SS-Oberführer. 1938 legte Portschy außerdem eine Denkschrift mit dem Titel „Die Zigeunerfrage“ vor, die deutlich von den Nürnberger Rassengesetzen beeinflusst war. In dieser forderte er unter anderem die „zigeunische“ Minderheit einem Schulverbot und der Zwangssterilisation zu unterwerfen und sie in Arbeitslager einzuweisen. Portschy konnten nach dem Zweiten Weltkrieg persönlich erteilte Befehle zur Deportation von Juden, Roma und Sinti aus dem Burgenland nicht nachgewiesen werden.

Nationalsozialisten im Burgenland
Ab 1923 waren die ersten nationalsozialistischen Gruppen in Bruckneudorf, Sauerbrunn und Mattersburg nachweisbar. Auch Unter- und Oberschützen wurden vom späteren NS-Landeshauptmann Tobias Portschy als frühe Zentren nationalsozialistischer Aktivitäten beschrieben. Es waren vor allem Studenten und Akademiker, Beamte und Bauern aus protestantischen Gemeinden, die früh mit der NSDAP sympathisieren. Hinzu kamen Sympathisanten der Großdeutschen Volkspartei. Karl Wollinger beispielsweise, der sich sehr um die Angliederung des Burgenlandes an Österreich bemüht hatte, hielt 1924 Hermann Göring, nach einem gescheiterten Putschversuch der Nationalsozialisten in München, bei sich im Südburgenland versteckt.

Bedeutend zulegen konnte die NSDAP aber bis in die 1930er Jahre nicht. Bei den Landtagswahlen 1930, bei denen im Burgenland erstmals die NSDAP antrat, errang die Partei nicht einmal ein Prozent der Stimmen. Allerdings wurden Anfang der 1930er Jahre die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise immer stärker spürbar, was vor allem unter den Arbeitslosen zu einem stärkeren Zulauf zur NSDAP führte. Nachdem Adolf Hitler Reichskanzler im Deutschen Reich geworden war, verzeichnete die Partei auch in Österreich und dem Burgenland vermehrt Zulauf, darunter auch aus dem Lager der Sozialdemokraten. Als bekanntes Beispiel kann Koloman Tomsich aus Schandorf genannt werden, der bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag und als Landesleiter des Republikanischen Schutzbundes im Burgenland tätig war.

NS-Kriegsverbrecher Murer im Burgenland
Fünf Jahre vor dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs verschlug es den Steirer Franz Murer arbeitsbedingt nach Nikitsch und ab Februar 1938 nach Kleinmutschen. Murers Nähe zum Nationalsozialismus nahm in seiner Zeit im Burgenland immer konkretere Züge an. In Kleinmutschen wurde der Kontakt zum Nationalsozialismus stärker. Den finalen Anstoß, der NSDAP beizutreten, dürfte dann ein Gespräch mit dem Kreisleiter von Oberpullendorf Paul Kiss gegeben haben. Über die NS-Kaderschmiede Krössinsee kam Murer im Sommer 1941 nach Wilna [Anm. heute Vilnius, Hauptstadt von Litauen], wo er zu einer zentralen Figur bei den Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung wurde: In der Zeit von 1941 bis 1943 war er in Wilna maßgeblich an der Vernichtung von über 70.000 Jüdinnen und Juden beteiligt.

1948 wurde Franz Murer vor dem Militärtribunal in Wilna zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, allerdings 1955 gemäß den Vorgaben zum Österreichischen Staatsvertrag wieder freigelassen. Ein neuerlicher Prozess Anfang der 1960er-Jahre in Graz endete in einem Freispruch.
30.09.2021, Bettina Treiber, burgenland.ORF.at
Der „Anschluss“ im Burgenland
 

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#23
Der Zweite Weltkrieg im Burgenland
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Es geht um sechs prägende Jahre – um die Zeit von 1939 bis 1945 – die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der 33-jährige Historiker Michael Schreiber hat sich ausführlich mit den Strategien und Mechanismen des Krieges beschäftigt. In der Radioserie „Geschichte im Gespräch“ mit Redakteurin Bettina Treiber erzählt er von den Gräueln beim Südostwallbau und auch von einem Bombenabwurf über Eisenstadt.
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Der Zweite Weltkrieg war eine logische Fortführung deutscher Expansions- und Wirtschaftspolitik und begann am 1. September 1939 mit dem Einfall der Wehrmacht in Polen. Am 3. September erklärten Frankreich und Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg. Rund einen Monat später war Polen geschlagen und zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt. Nach einem schnellen Feldzug gegen Norwegen und Dänemark wandte sich Adolf Hitler im Mai 1940 dem Westen zu und marschierte in den Niederlanden, in Belgien und Luxemburg ein. Mitte Juni war auch Frankreich unterworfen. Nachdem der Krieg im Westen mehr oder weniger entschieden war, wandte sich Hitler seinem eigentlichen Ziel zu: Osteuropa.

Er griff die Sowjetunion an, davor überfiel das Deutsche Reich noch Jugoslawien und Griechenland. Zunächst stieß die Wehrmacht schnell und weit in die Sowjetunion vor, geriet dann aber ins Stocken. Die Wende im Krieg brachte der sowjetische Sieg bei der Schlacht von Stalingrad im Winter 1942/43. Von da an befand sich die Wehrmacht im Rückzug. Nachdem im Dezember 1941 auch die USA in den Krieg eingetreten waren, sich zunächst allerdings auf den Krieg gegen das mit Deutschland verbündete Japan konzentrierten, begann sich auch im Westen, mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie im Juni 1944, die deutsche Niederlage immer deutlicher abzuzeichnen. Der zweite Weltkrieg endete auf den europäischen Schauplätzen mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945, während er sich im Pazifik noch bis zum 2. September 1945 zog und erst durch den Abwurf von Atombomben über Hiroshima und Nagasaki beendet wurde.

Kriegsverlauf im Burgenland
Ab August 1939, also am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, begannen auch im Burgenland die Einberufungen zur Wehrmacht. Bis zu den Jahrgängen 1883 wurden wehrfähige Männer zur Armee beordert, kurz ausgebildet und ehestmöglich an die Front geschickt. An allen europäischen und afrikanischen Kriegsschauplätzen waren sie als Soldaten im Einsatz, manche auch als Angehörige der SS. In so gut wie allen burgenländischen Orten gab es Männer, die nicht aus dem Krieg zurückgekehrt sind. Etwa 17.500 Burgenländer sind an den verschiedenen Kriegsschauplätzen gefallen. Besonders hoch war der Anteil der Gefallenen in Gols im Nordburgenland, in Nikitsch im Mittelburgenland und in St. Martin an der Raab im Südburgenland. Daneben gab es auch viele zivile Opfer, die dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer gefallen sind. Dazu zählen Roma und Juden, Behinderte und Homosexuelle, sowie politische Oppositionelle, die in Lagern inhaftiert und umgebracht wurden. Von den burgenländischen Roma haben nur 10 Prozent die Zeit des Nationalsozialismus überlebt und die ehemals großen jüdischen Gemeinden des Burgenlandes sind bis 1945 nachhaltig ausgelöscht worden.

Verbrechen in der Endphase des Krieges
Im Herbst 1943 zog Adolf Hitler aus einer Reihe schwerer politischer und militärischer Niederlagen die Konsequenz zu einer Verteidigungsstrategie überzugehen. In der Propaganda tauchte deshalb immer öfter der Begriff „Festung Europa“ auf. Bis zum Ende des Krieges verengte sich der Begriff aufgrund militärischer Niederlagen aber immer weiter auf die Begriffe „Festung Deutschland“ und „Alpenfestung“. Als sich der Frontverlauf der Grenze des Deutschen Reiches näherte, ernannte Hitler am 1. September 1944 die Gauleiter zu „Reichsverteidigungskommissaren“ und betraute sie mit der Durchführung von Befestigungsbauten entlang der Reichsgrenze. Davon war auch das Burgenland betroffen, das seit dem 15. Oktober 1938 unter den Gauen Niederdonau und Steiermark aufgeteilt worden war. Im Oktober 1944 wurde mit den Errichtungsarbeiten begonnen. Bei Bratislava schloss der sogenannte „Südostwall“ an teilweise schon bestehende Verteidigungsanlagen an und zog sich entlang des Neusiedler Sees über Sopron und Köszeg bis Kulm im Südburgenland. Von dort sollte sich der „Südostwall“ bis zur Adria ziehen.

Naša Domovina kalendar
So wird der Beginn des Krieges im Kalender „Naša domovina“ für 1940 beschrieben

Beim „Südostwall“ handelte es sich um ein System aus Schützen- und Verbindungsgräben, Panzer- und MG-Stellungen sowie diversen Abwehrgräben und Kommandostellungen. Während die meisten Abschnitte des „Südostwalls“ nach dem Krieg wieder zugeschüttet worden sind, gibt es teilweise – vor allem in Wäldern entlang der Grenze, wie z.B. in Kroatisch Minihof – immer noch Reste dieser Anlage zu sehen. Vor allem die 3,5 m tiefen und 4 m breiten Panzergräben sowie die langen Verbindungsgräben lassen sich im Gelände immer noch gut erkennen.
Gegraben wurde der „Südostwall“ von Einheimischen – darunter auch viele Freiwillige –, HJ-Verbänden, Kriegsgefangenen von allen Kriegsschauplätzen und jüdischen Zwangsarbeitern aus Ungarn. Besonders schlimm waren die Umstände, unter denen die ungarischen Zwangsarbeiter untergebracht worden waren. Jüdinnen und Juden wurden ab 1944 auch in Ungarn verfolgt. Ein Teil von ihnen wurde sofort in Konzentrationslager deportiert und dort vernichtet oder zur Schanzarbeit am „Südostwall“ ins Burgenland verschleppt.

Während die eingesetzten Kriegsgefangenen in Scheunen, Schulen oder Ställen einquartiert wurden, sind Jüdinnen und Juden in unbeheizten Lagern eingepfercht worden. Nicht nur wurden sie von den Wächtern schikaniert und zur härtesten Arbeit angetrieben, sie bekamen auch nicht genug Lebensmittel, um bei Kräften zu bleiben. Als im Winter die Brunnen zufroren gab es in vielen Lagern keine Möglichkeit zur Reinigung mehr, weshalb sich Krankheiten und Seuchen ausbreiteten. Als im Februar/März 1945 eine Typhusepidemie ausbrach, kam es zu Massenerschießungen, etwa auch im Bezirk Jennersdorf. Ende März, als die Sowjetische Armee immer weiter westwärts vorstieß, wurden die Zwangsarbeiter in Richtung Mauthausen getrieben, um dort umgebracht zu werden. Kranke und Schwache, die den Marsch nicht antreten konnten, wurden von Wachmannschaften und SS-Einheiten erschossen.

Am 29. März wurden auch etwa 60 ungarische Jüdinnen und Juden in Deutsch Schützen ihrer wenigen Habseligkeiten beraubt und erschossen. Wenige Tage davor wurden in der Nähe des Kreuzstadls in Rechnitz etwa 200 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn erschossen und verscharrt. Noch heute ist nicht geklärt, wo man die Erschossenen vergraben hat. Bisher konnten bei den vielen Grabungen, die seit 1945 gemacht wurden – so auch dieses Jahr – die Gräber der Opfer nicht gefunden werden.

Stefanie Fazekas via Wikimedia CommonsCC BY 4.0
Kriegsdenkmal in Nikitsch

Bomber über dem Burgenland
1943 ließ mit der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad nicht nur die Zahl der Gefallenen Burgenländer rasant in die Höhe schnellen, in diesem Jahr wurde auch der strategische Bombenkrieg gegen Ziele in Österreich begonnen. Dieser wurde hauptsächlich von amerikanischen und britischen Verbänden von Italien aus getragen. Dabei blieb das Burgenland vom strategischen Luftkrieg weitestgehend verschont und war zumeist nur Überfluggebiet. Bombardiert wurden in erster Linie Ziele in und um Wien. Auch Wiener Neustadt war immer wieder Ziel größerer Bombenangriffe, was es zu einer der am schwersten bombardierten Städte bis zum Kriegsende machte.

Diese Angriffe sind darauf zurückzuführen, dass sich in und um Wiener Neustadt, neben zwei bedeutenden Flugplätzen, wichtige Fabrikanlagen befanden, in denen unter anderem deutsche Jagdflugzeuge produziert wurden. Durch die massive Zunahme der Bombardierungen zum Ende des Krieges hin nahmen auch die Luftkämpfe über dem Gebiet des Burgenlandes und damit auch Abstürze von Flugzeugen stark zu. So wurden beispielsweise 1944 amerikanische Bomber über Stinatz und in der Nähe von Zagersdorf abgeschossen. Aber auch das Burgenland wurde Ziel von Bombenangriffen. Hier wurden hauptsächlich Verkehrsverbindungen – wie beispielsweise im Raum Güssing – bombardiert.

Am 10. Mai 1944 entlud ein getroffener amerikanischer Bomber über Eisenstadt seine Bombenlast. Die Bomben sind in der Pfarrgasse, Hauptstraße, Haydngasse und am Oberberg eingeschlagen und haben 20 Häuser zerstört. Es hat unzählige Verletzte gegeben, 42 Tote, darunter auch 2 Schüler des Eisenstädter Gymnasiums. Im Frühjahr 1945 griffen auch sowjetische Flugzeuge Ziele an und leiteten damit das Ende des Zweiten Weltkrieges ein.


Bundesarchiv, Bild 101I-662-6659-37 / Hebenstreit, via Wikimedia CommonsCC BY-SA 3.0
Deutschland produzierte 33.000 Flugzeuge vom Typ Messerschmitt, jedes vierte Flugzeug dieses Typs wurde in der Wiener Neustädter Fabrik gefertigt

Kriegsende
Nachdem die letzte Offensive der Wehrmacht beim ungarischen Plattensee gescheitert war, stießen die sowjetischen Verbände rasch bis zum Burgenland vor. In den letzten Märztagen betraten die ersten sowjetischen Spähtrupps das Gebiet des Burgenlandes. Nachdem der Versuch die Grenze bei Schachendorf zu überschreiten gescheitert war, durchstießen am 29. März Einheiten der 6. Garde-Panzerarmee der 3. Ukrainischen Front bei Klostermarienberg widerstandslos den Südostwall. Schon in den ersten Apriltagen waren das Nord- und Mittelburgenland von der Sowjetarmee eingenommen, wobei es immer wieder zu Gefechten kam, wie im Raum Mattersburg. Vielen Orten blieben allerdings Kampfhandlungen erspart, weil sich die Volkssturmverbände, die zur Verteidigung des Deutschen Reiches aufgefordert wurden, weigerten, ihr Leben sinnlos herzugeben. Weitaus heftiger waren die Gefechte im Südburgenland. Entlang der Lafnitz wurde gar bis zum Ende des Krieges gekämpft. Bis zur Einnahme Wiens am 15. April und der Kapitulation des Deutschen Reiches war das Burgenland für die sowjetische Armee hauptsächlich Durchzugs- und Versorgungsgebiet. Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht.
Michael Schreiber, BFG/Bettina Treiber, burgenland.ORF.at
Der Zweite Weltkrieg im Burgenland
 

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#24
Befreiung und Besatzung: Nachkriegszeit im Burgenland
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Die Nachkriegszeit beschäftigt Historiker Michael Schreiber in dieser Ausgabe von „100 Jahre Burgenland – Geschichte im Gespräch“: ausgehend von der Frage, wie die Burgenländerinnen und Burgenländer die Besatzung erlebt haben, bis hin zum Ungarnaufstand von 1956.
Online seit heute, 16.15 Uhr
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Als die ersten sowjetischen Truppen am 29. März 1945 den Südostwall überschritten, dauerte es nicht lange bis sie das Nord- und Mittelburgenland kontrollierten. Während im Südburgenland noch länger gekämpft wurde, galt der Fokus des sowjetischen Vorstoßes der Befreiung Wiens. Damit war das Burgenland zum Hinterland der Front geworden und hatte die Truppen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern zu versorgen. Während die Soldaten an der vordersten Front noch als Befreier kamen, hielten mit den Nachschubkolonnen willkürliche Requirierungen, Exekutionen und Vergewaltigungen Einzug.

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Der Historiker Michael Schreiber von der Burgenländischen Forschungsgesellschaft

Dieser teilweise wochenlang anhaltende Zustand der willkürlichen Herrschaft zerschlug oder verhinderte oftmals die Wahrnehmung, dass die sowjetische Armee als Befreier ins Land gekommen war. Die sowjetische Armeeführung war allerdings sehr daran interessiert als Befreier gesehen zu werden und eine funktionierende Verwaltung in den einzelnen Gemeinden zu installieren. Es wurden neue Bürgermeister eingesetzt. Dabei wurden entweder jene ins Amt gesetzt, die schon vor 1938 Bürgermeister waren oder Kommunisten bzw. jene, die sich als solche ausgaben. In manchen Orten wurden sogar Wahlen abgehalten. Mit der Einrichtung der Ortskommandanturen wurde den Übergriffen und Plünderungen der sowjetischen Soldaten ein Riegel vorgeschoben und die Lage in den Orten entspannte sich merklich.

Selbstständiges Bundesland
Seit dem 15. Oktober 1938 war das Burgenland auf die Gaue Niederdonau und Steiermark aufgeteilt gewesen. An diesem Umstand wollten die Bundesländer Niederösterreich und Steiermark auch unmittelbar nach dem Ende des Krieges nichts ändern. Am 11. April 1945 lud Lorenz Karall verschiedene Politiker nach Mattersburg, um über die Zukunft des Burgenlandes zu beraten. Dabei wurde ein „Provisorisches Landeskomitee“ gebildet, welches sich die Wiedererrichtung eines eigenständigen Burgenlandes zum Ziel gesetzt hatte. Zunächst war dieses Komitee allerdings zur Untätigkeit gezwungen, da der Krieg noch nicht beendet und keine neue Regierung gebildet war. Am 11. Mai lud Karall erneut nach Mattersburg, um aus dem Komitee den „Provisorischen Landesausschuss“ zu bilden. Nach zähen Verhandlungen konnte am 29. August ein Verfassungsgesetz verabschiedet werden, das die Wiedererrichtung des selbstständigen Bundeslandes Burgenland zum Inhalt hatte.

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Lorenz Karall

Obwohl die sowjetische Besatzungsmacht nicht in diese Verhandlungen eingebunden war, war sie doch an der Wiedererrichtung eines selbstständigen Burgenlandes beteiligt. Denn einerseits lag das Bundesland zur Gänze in ihrer Besatzungszone, was den Verwaltungsaufwand für Niederösterreich und die Steiermark enorm verkomplizierte. Andererseits war die Besatzungsmacht auch daran interessiert, den Kontakt der westlichen Alliierten zu den bereits von der Sowjetunion besetzten Staaten zu unterbinden. Da kam das Burgenland als Puffer sehr gelegen. Die konstituierende Sitzung der neuen provisorischen Landesregierung fand am 1. Oktober 1945 statt. Ludwig Leser wurde so der erste Landeshauptmann des Burgenlandes nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

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Ludwig Leser

Leben in der sowjetischen Besatzungszone
Der Alltag in der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war geprägt von Entbehrung und Leid. Da ein großer Teil der Männer entweder im Krieg gefallen oder noch in Kriegsgefangenschaft war, musste die Arbeit, die im Haus und auf den Feldern anfiel, von Frauen erledigt werden. Die Versorgung mit Lebensmitteln funktionierte teilweise sehr schlecht – vor allem im Winter 1945/46. Im Vergleich zu den Verhältnissen in den Städten Wien und Graz war die Versorgungslage im Burgenland allerdings erträglich, da es auf dem Land möglich war, sich mit Lebensmitteln selbst zu versorgen. Was fehlte waren Verbrauchsgüter, weswegen ein reger Tausch- und Schleichhandel aufkam. Vor allem aus Wien kamen viele Menschen ins Burgenland, um Vermögenswerte gegen Lebensmittel zu tauschen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Kriegsende normalisierte sich das Verhältnis zur Besatzungsmacht und der Wiederaufbau begann auch im Burgenland anzulaufen.

Allerdings verlief der Wiederaufbau in der sowjetischen Besatzungszone unter gänzlich anderen Vorzeichen als im Rest Österreichs. Während im Westen große Projekte aus dem Marshall-Plan finanziert wurden und die Wirtschaft wieder in Schwung kam, versuchten die Sowjets, Reparationszahlungen mittels des USIA-Konzerns aus ihrer Besatzungszone zu pressen. Die USIA-Betriebe waren beschlagnahmte Betriebe, die unter sowjetischer Aufsicht standen und deren Gewinne an die Sowjetunion abgeführt werden mussten. Dieser Umstand führte dazu, dass sich das Burgenland nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags – am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere in Wien – wirtschaftlich erneut weit hinter die übrigen Bundesländer geworfen sah.

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Sowjetische Soldaten

Entnazifizierung
Schon im Jahr 1945 stellte sich in Österreich – und damit auch im Burgenland – die Frage, wie man mit den ehemaligen Mitgliedern der NSDAP umgehen sollte. Dabei handelte es sich um eine der zentralen Fragen der österreichischen Nachkriegszeit, da es 1945 im gesamten Land immerhin noch 550.000 Parteimitglieder gab, das entsprach rund 8 Prozent der damaligen österreichischen Wohnbevölkerung. Im Burgenland war der Anteil mit 5,8 Prozent bzw. etwa 15.000 Mitgliedern unterdurchschnittlich. Am 8. Mai, also an jenem Tag an dem der Krieg in Europa beendet worden war, wurde mit dem sogenannten „Verbotsgesetz der NSDAP“, dem wenige Tage später erlassenen Kriegsverbrechergesetz sowie dem Wirtschaftssäuberungsgesetz die gesetzliche Grundlage zur Verfolgung der Nationalsozialisten gelegt. Damit wurde mit dem österreichweit einsetzenden Prozess der sogenannten Entnazifizierung begonnen.

Während die Militärbehörden in den westlichen Besatzungszonen in der ersten Phase der Entnazifizierung rigoros durchgriffen und massenhaft ehemalige Nationalsozialisten verhafteten, hielten sich die Verhaftungen in der sowjetischen Zone in Grenzen. Dies liegt zum einen daran, dass viele Parteigranden vor der sowjetischen Armee in Richtung Westen geflohen waren und andererseits an der passiven Rolle der Sowjets, die die Entnazifizierung weitestgehend den österreichischen Behörden überließen. Die Urteile über die gefassten Nationalsozialisten fällten sogenannte Volksgerichte, bestehend aus zwei Berufsrichtern und drei Schöffen.

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Nazi-Symbole wurden zerstört

Die ehemaligen Parteimitglieder waren auch in der sowjetischen Zone aufgerufen, sich selbstverantwortlich bei den Behörden registrieren zu lassen. Gegen die Aufnahme in diese Registrierungsliste konnte bei Einspruchs- und Beschwerdekommissionen protestiert werden. 1947 trat mit dem neuen Nationalsozialistengesetz ein Wandel im Entnazifizierungsprozess ein: Nun wurde zwischen Belasteten und Minderbelasteten unterschieden. Bis zur Aufhebung der Volksgerichte 1955 wurden Anklagen gegen 876 Burgenländer erhoben, die aber lediglich in 196 Fällen zu Schuldsprüchen führten.

Heimkehr der Kriegsgefangenen
Ende 1945 kamen die ersten Kriegsgefangenen zurück ins Burgenland. Dabei handelte es sich in erster Linie um kranke und invalide Soldaten, die vereinzelt zurück ins Burgenland geschickt wurden. Die Gefangenen in den westlichen Zonen wurden meist an Ort und Stelle ihrer Inhaftierung entlassen und mussten sich ihre Heimkehr weitestgehend selbst organisieren. Aufgrund einer fehlenden zentralen Organisation sind diese Kriegsheimkehrer schlecht dokumentiert, allerdings lässt sich sagen, dass alle Kriegsgefangenen der westlichen Alliierten bis 1947 entlassen worden sind.

Am 12. September 1947 kam auch der erste vom Innenministerium organisierte und geordnete Transport von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion in Wiener Neustadt an. Unter den etwa 2.000 Heimkehrern waren auch 82 Burgenländer. Sie wurden mit Bussen und LKW weiter ins Burgenland transportiert. Bis 1956 gab es insgesamt 79 solcher geordneten Rücktransporte aus der Sowjetunion, bei denen 3.850 Burgenländer zurückkehrten.

Die meisten Soldaten kehrten schwer traumatisiert aus dem Krieg bzw. der Gefangenschaft zurück. Gemischt mit den Erfahrungen ihrer Familien zu Hause führte dies oft zu enormen emotionalen und sozialen Problemen. Die Frage nach dem Verhalten der Soldaten im Krieg wurde innerhalb der Familie und auch in der Öffentlichkeit kaum gestellt. Charakteristisch waren das Verdrängen und Verschweigen.

Beginn des Kalten Krieges
Die Welt, in die die Kriegsgefangenen zurückkehrten, war bald nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges neuerlich von politischen Spannungen und großer Unsicherheit geprägt. Spätestens 1947 traten die Gegensätze zwischen den USA und ihren Verbündeten auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite offen zutage. Auslöser für das Auseinanderbrechen waren einerseits die Ambitionen der Sowjetunion, ihren Einflussbereich weiter nach Westen und in den Iran zu erweitern, und andererseits die Truman-Doktrin, in welcher der damalige US-Präsident Harry S. Truman allen Regierungen bei der Eindämmung des Kommunismus die Unterstützung der USA zusagte.

Greta Kempton, via Wikimedia Commons
US-Präsident Harry S. Truman

Dieser immer schärfer werdende Gegensatz zwischen Ost und West hatte auch für das Burgenland schwerwiegende Konsequenzen. Zum einen verschlechterte sich das Verhandlungsklima rund um den Österreichischen Staatsvertrag. Zum anderen verlief der sogenannte „Eiserne Vorhang“ für die nächsten Jahrzehnte entlang der burgenländischen Ostgrenze. Schon 1948 wurde damit begonnen, entlang der burgenländischen Grenze Stacheldraht zu verlegen. Damit hatte die große Weltpolitik neuerlich das kleine Burgenland erreicht.

Ungarnaufstand 1956
Während Österreich 1955 seinen Staatsvertrag bekam und als neutraler Staat zwischen Ost und West – allerdings charakterisiert durch eine deutliche Nähe zum Westen – existierte, blieb Ungarn ein Teil des sowjetischen Einflussbereichs. In Ungarn standen immer noch sowjetische Truppen, zudem war das Land auch politisch und wirtschaftlich von der Sowjetunion abhängig. Nach dem Tod Stalins 1953 wurde Nikita Chruschtschow neuer Chef der KPdSU. Im Feber 1956 machte er durch seine fünfstündige Rede „über den Personenkult und seine Folgen“ auf dem Parteitag der KPdSU die Entstalinisierung zur offiziellen Parteilinie in der Sowjetunion. Dies schlug in den Ostblockländern zum Teil recht hohe Wellen.

Im Juni kam es in Polen zu einem Streik, der von der polnischen Armee niedergeschlagen wurde. Am 23. Oktober protestierten in Budapest Studierende, um die Arbeiter in Polen zu unterstützen und den ehemaligen Landwirtschaftsminister und Ministerpräsidenten Imre Nagy zurück im Amt des Ministerpräsidenten zu sehen. Nachdem auf die Protestierenden geschossen wurde, schaukelte sich der Protest zunehmend zum Volksaufstand auf, bei dem die Sowjetunion hart durchgriff und am 4. November in Ungarn einmarschierte. Bis Mitte November wurde der Aufstand mit Panzern niedergewalzt und János Kádár als Generalsekretär der Partei an die Spitze des Staates gehoben.

Vauia Rex, via Wikimedia CommonsCC BY-SA 4.0
Statue von Imre Nagy in Budapest

Die Folgen im Burgenland
Die Vorgänge in Ungarn sind im Burgenland schon sehr früh wahrgenommen worden. Zum einen hat man die Vorgänge in den Medien genau beobachtet, zum anderen tauchte schon am 27. Oktober 1956 das Bundesheer entlang der burgenländischen Ostgrenze auf. Auch flüchteten schon in den Anfangstagen des Aufstandes die ersten Ungarn über die Grenze. Bis 4. November hielten sich die Zahlen der Geflüchteten allerdings in Grenzen.

Lediglich etwas mehr als 1.300 Ungarn kamen nach Österreich, die meisten von ihnen kommunistische Funktionäre, die nach dem 4. November wieder nach Ungarn zurückkehrten. Im Innenministerium rechnete man mit etwa 6.000 Flüchtlingen, für die man Versorgungsdepots – z.B. in Siegendorf, Klingenbach oder Güssing – anlegte und die Beamtensiedlung in der Ignaz-Till-Straße in Eisenstadt zu provisorischen Unterkünften herrichtete. Mit der Niederschlagung des Volksaufstandes stieg ab dem 4. November die Zahl der Flüchtlinge stark an.

Alleine in Klingenbach waren es an diesem Tag 4.000 Menschen, die über die Grenze flüchteten. In den folgenden Tagen und Wochen flüchteten etwa 200.000 Menschen aus Ungarn. Im Burgenland wurden sie zumeist sehr freundlich aufgenommen und erstversorgt. Zu einem Symbol für diese Fluchtbewegung wurde die Brücke bei Andau, über die etwa 70.000 Ungarn nach Österreich fliehen konnten. Nachdem der Volksaufstand in Ungarn niedergeschlagen war, wurde die ungarische Seite der Grenze mit Stacheldraht verstärkt und mit Türmen und Minen gesichert. Der „Eiserne Vorhang“ hatte sich wieder zugezogen.
18.11.2021, Michael Schreiber, BFG/Bettina Treiber, burgenland.ORF.at
Befreiung und Besatzung: Nachkriegszeit im Burgenland
 

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#25
Wegweisende Volksabstimmung im Dezember 1921
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Am 14. Dezember 1921 begann in Sopron/Ödenburg, eines der letzten Kapitel der Entstehung des Burgenlandes: In einer Volksabstimmung sollte geklärt werden, ob Sopron bei Ungarn bleibt, oder zu Österreich kommt – das Ergebnis ist bekannt.
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Die Entscheidung um das damals von ungarischen Freischärlern besetzte neue Bundesland fiel im Oktober 1921 bei Verhandlungen in Venedig: Ungarn verzichtete auf das Burgenland und Österreich ermöglichte im Gegenzug die Volksabstimmung in Sopron/Ödenburg und acht Nachbargemeinden, die im Dezember 1921 durchgeführt wurde.

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Sopron/Ödenburg 1921
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Bei der Volksabstimmung gab es einige Ungereimtheiten
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Propagandaplakat für die Volksabstimmung
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Das Ergebnis wurde am 18. Dezember 1921 verkündet
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Sopron und acht umliegende Gemeinden wurden an Ungarn übergeben
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Sopron blieb bei Ungarn

Es ging nicht mit rechten Dingen zu
Die Abstimmung begann nach einer wahren Propagandaschlacht unter den Augen italienischer Wahlbeobachter, die österreichischen Beobachter zogen aus Protest ab. Es kam zu Ungereimtheiten: Nicht Wahlberechtigte, Schüler und Soldaten aus Innerungarn sollen abgestimmt haben. „Es hat Malversationen gegeben – das ist fix und das steht auch fest. Die Forschung sagt aber, dass das Ergebnis aber so eindeutig war, dass es sich vielleicht um ein paar Prozentpunkte verändert hätte, wenn es diese ganzen Trickserien nicht gegeben hätte, aber es wäre auf jeden Fall pro ungarisch ausgegangen“, sagt der Historiker Michael Hess.

Zwei Drittel für Verbleib bei Ungarn
Der Abstimmungsmodus ist aus heutiger Sicht sonderbar: ein Stimmzettel in Orange für Österreich, ein blauer für Ungarn. Wer für Österreich stimmte, zerriss den blauen und umgekehrt, gab aber beide Zettel in ein Kuvert. Das Ergebnis war schließlich eindeutig: In Ödenburg und den acht Gemeinden stimmten zwei Drittel für den Verbleib bei Ungarn, in Sopron/Ödenburg selbst waren es fast 73 Prozent für Ungarn.

Das Burgenland verlor seine angedachte Hauptstadt. Die hieß ab 1925 faktisch Eisenstadt. In der Landesverfassung wird Eisenstadt erst seit 1981 als Hauptstadt geführt.
14.12.2021, red, burgenland.ORF.at
Wegweisende Volksabstimmung im Dezember 1921
 

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#27
100 Objekte: Der Vertrag von St. Germain
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In der Geschichte des Burgenlandes spielt ein Vorort von Paris eine entscheidende Rolle: Denn der 1919 unterzeichnete Vertrag von St. Germain ist die Geburtsurkunde des Burgenlandes.
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Gemeinsam mit dem Vertrag von Trianon, der ebenfalls in der Jubiläumsausstellung auf Burg Schlaining zu sehen ist, zählt der Vertrag von St. Germain zu den so genannten Pariser Vorortverträge, die von den Siegermächten bei der Pariser Friendenskonferenz aufgesetzt wurden. Der Vertrag wurde am 10. September 1919 abgeschlossen.

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Der Vertrag von St. Germain
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Der Vertrag von Saint Germain

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Die Verhandlungen am Schloss St. Germain

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Die Verhandlungen am Schloss St. Germain

„Der Vertrag regelt, dass die westlichen Gebiete der drei ungarischen Komitate Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg zu Österreich kommen und somit die Gebiete des heutigen Burgenlandes ausmachen“, so Theresia Gabriel, die Ausstellungsorganisatorin der Jubiläumsausstellung.

Klar verteilte Rollen bei den Verhandlungen
Bei den Vertragsverhandlungen im Pariser Vorort St. Germain, die auf Basis eines 14-Punkte-Programms der USA stattfanden, waren die Rollen klar verteilt. Die Besiegten, darunter Österreich-Ungarn, mussten rasch erkennen, dass mit ihnen nicht verhandelt wird. Der österreichische Kanzler Karl Renner musste das Schloss St. Germain durch den Nebeneingang betreten.

Zu Ausstellungsbeginn wurde der Original-Vertrag aus Frankreich gezeigt, jetzt ist ein Faksimile zu sehen. „Natürlich bekommt man solche wichtigen Staatsverträge nur für eine sehr begrenzte Zeit. Daher wurde danach ein Faksimile angefertigt, um diesen Vertrag auch weiterhin in dieser Ausstellung zeigen zu können“, so Gabriel.
18.01.2022, red, burgenland.ORF.at
100 Objekte: Der Vertrag von St. Germain

Ausstellung Burg Schlaining
 

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#29
„100 OBJEKTE – 100 GESCHICHTEN“
Der Weg zur neuen Landeshauptstadt
In der Serie „100 Objekte – 100 Geschichten“ geht es in dieser Ausgabe um die Landeshauptstadt Eisenstadt und darum, wie Eisenstadt überhaupt Hauptstadt des damals neuen Burgenlandes wurde.
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„Was geschieht mit unserer Hauptstadt! Verrat – Schmach – Man will unser Burgenland teilen – darum kommt alle heute 11.00 Uhr Vormittag am Schlossplatz zur Demonstration!“ Mit diesem Flugzettel und anderen haben Eisenstadt und sein Bürgermeister 1923 recht direkt um Unterstützung für seine Sache geworben – seine Bewerbung um die Hauptstadt des Burgenlandes.

Plakate für Eisenstadt als Hauptstadt
„In den Akten zur Landeshauptstadt-Findung liegen einige solche Flugblätter ein und ich habe dann 2015 für eine Publikation in diesen Akten geforscht und habe diese Flugblätter herausgezogen, fotografiert und publiziert. Der Kurator der Ausstellung, Professor Rathkolb, kannte diese Publikation, weil er da auch das Vorwort dafür geschrieben hat. Er hat sich dann an diese Flugblätter erinnert“, so die Eisenstädter Historikerin Brigitte Krizsanits.
Burgenländisches Landesarchiv
Eisenstadts Bürgermeister Aemilian Necesany marschierte im Frack

Nach dem Verlust der geplanten Hauptstadt Sopron-Ödenburg, nach der Volksabstimmung Mitte Dezember 1921, brauchte das neue Bundesland eine neue Hauptstadt. In Eisenstadt zeigten die Flugblätter Wirkung. „Den Bildquellen zufolge war der Zuspruch schon sehr groß. Es gibt das doch recht bekannte Foto, wo auch Bürgermeister Aemilian Necesany im Frack marschiert. Das hat man ihm auch ein bisschen angekreidet, vor allem die Sozialdemokraten. Die wollten ihn nämlich nicht so gerne, weil er dürfte recht ein Sir gewesen sein. Die Mobilisierung war sicherlich sehr groß und es sind dann schon die Leute auf die Straße gegangen“, so Krizsanits.

Eisenstadt wurde 1925 Sitz der Landesregierung
Der Eisenstädter Bürgermeister Aemilian Necesany, ein gebürtiger Böhme, warb mit Hartnäckigkeit und harten Sprüchen für seine Stadt als Hauptstadt. Mit Erfolg – am 30. April 1925 wurde Eisenstadt Sitz der Burgenländischen Landesregierung. Aber zu diesem Zeitpunkt war Necesany nicht mehr Bürgermeister.

Burgenländisches Landesarchiv
Demonstration durch die Innenstadt

„Also man war nicht sehr glücklich darüber, dass ein Auswärtiger der erste Bürgermeister von Eisenstadt war. Aber er hat viel für die Stadt bewegt und er war ein Wegbereiter eben zur Landeshauptstadt“, sagte Krizsanits. Sein Nachfolger, Paul Koller, vollendete das Angestrebte. Er war aber auch kein Eisenstädter, sondern ein Fleischhauer aus St. Margarethen.
24.03.2022, Günter Welz/red, burgenland.ORF.at
Der Weg zur neuen Landeshauptstadt
 

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#30
„MENSCHEN MIT GESCHICHTE(N)“
Ein rätselhafter Taucheranzug
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Die Geschichte dieser Frau klingt fast wie ein James-Bond-Roman: Regine Engelschalk, Staatsbürgerin der DDR, bastelte sich einen Taucheranzug und wollte 1977 durch den Neusiedler See in den Westen flüchten. Er ist in der Jubiläumsaussstellung auf Burg Schlaining zu besichtigen.
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Sie wurde allerdings kurz vor der geplanten Flucht von der ungarischen Grenzpolizei geschnappt und in die DDR ausgeliefert und kam dort ins Gefängnis. 2021 kam sie als Ehrengast zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung in Stadtschlaining und sah nach 44 Jahren ihren Taucheranzug wieder. „Ich hätte ihn nicht wieder erkannt, das ist so lange her, unglaublich“, sagt Engelschalk im Interview in der Jubiläumssendung anlässlich „100 Jahre Burgenland“.

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Chronist Wolfgang Bachkönig

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Der selbstgebastelte Taucheranzug ist eines der außergewöhnlichsten Ausstellungsstücke in der Jubiläumsausstellung und so ungewöhlich er ist, ist auch die Geschichte wie der Anzug entdeckt wurde. „Wir haben in einem Museum in Körmend einen Taucheranzug gefunden und wollten dazu unbedingt eine Geschichte haben. Aber es war ganz schwierig, weil keine Aufzeichnungen mehr vorhanden waren, um den Besitzer dieses Taucheranzuges ausfindig zu machen. Durch Freunde bei der ungarischen Grenzpolizei bin ich dann auf eine Frau in der ehemaligen DDR gestoßen“, erzählt Chronist Wolfang Bachkönig.
15.05.2023, A. Riedl/red, burgenland.ORF.at
Ein rätselhafter Taucheranzug
 

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#31
Letzte Ortschaften feiern 100 Jahre
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Als das Burgenland im Jahr 1921 an Österreich angegliedert wurde, blieb der genaue Grenzverlauf umstritten. Einige Dörfer wurden erst 1923 Österreich zugesprochen. Luising und Schandorf im Jänner, Rattersdorf und Liebing im März 1923. In den jüngsten Ortschaften des Burgenlandes wurde das 100-Jahr-Jubiläum am Samstag nochmal groß gefeiert.
Online seit heute, 17.21 Uhr
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Rattersdorf und Liebing gelten als die jüngsten Ortschaften des Burgenlandes. Zunächst hatte der Völkerbundrat in Paris 1922 entschieden, dass beide Gemeinden bei Ungarn bleiben sollten. Die Mehrheit der Bevölkerung war allerdings für den Verbleib bei Österreich. Die noch junge burgenländische Landesregierung regte einen Tausch an und trat die zunächst Österreich zugesprochenen Gemeinden Olmond und Prostrum an Ungarn ab. Im März 1923 wurden Rattersdorf und Liebing offiziell Teil des Burgenlandes. Damit war das Land in seiner heutigen Form komplett.

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Am Samstag wurde das Jubiläum groß gefeiert

Am Samstag wurde dieses 100-jährige Jubiläum der Zugehörigkeit zu Österreich und dem Burgenland gefeiert. Beide Ortschaften sind schon kurz nach der Zugehörigkeit zu Österreich schnell aufgeblüht. „Wir waren um 1923 herum ein Luftkurort. Da hat man Rattersdorf und Liebing mit dem Zug erreichen können. Es gab Badehütten und alles Mögliche für die Gäste, die da gekommen sind. Da gibt es sogar Aufzeichnungen, wo eine Zeitung aus Wien angefragt hat, ob es Bankerln zum Sitzen gibt im Wald, denn nur dann würden sie kommen“, so Anna Frühwirth vom Verschönerungsverein.

Abwanderung als Problem der Grenzgemeinden
Ein Problem für die mittelburgenländischen Gemeinden sei vor allem die Abwanderung, so Bürgermeister Herbert Schedl (SPÖ). „Im Jahr 1923 haben wir 752 Einwohner gehabt und 60 Haushalte. Und jetzt haben wir 455 Einwohner und 170 Haushalte. Früher waren die Familien mehr zusammen. Einzelne kommen aber auch immer wieder zurück“, so Schedl. Ein Grund sei auch die abgelegene Lage an der Grenze zu Ungarn. Die hohe Lebensqualität würde aber auch immer wieder Leute nach Rattersdorf und Liebing locken. Alte Häuser würden kaum leer stehen, so Schedl.
09.09.2023, red, burgenland.ORF.at

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