1940 bis 1945 – Luftschutz in Wien

Geist

Worte im Dunkel
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#1
Ende August, Anfang September 1940 machten die Einwohner Berlins ihre ersten Erfahrungen mit dem Luftkrieg. Als Antwort auf die deutschen Luftangriffe gegen England und speziell auf die gegen London geflogenen Attacken, entschlossen sich die Briten zur Vergeltung. Obwohl es sich dabei noch nicht um große Flächenbombardements handelte, die ab 1943 von der Royal Air Force durchgeführt wurden, war die Führungsetage Deutschlands alarmiert. Reichsweit wurde nun der Ausbau des Luftschutzes angeordnet, unter anderem das Führer-Sofortprogramm, das Bunkerbauten in fast allen gefährdeten deutschen und österreichischen Städten vorsah.

Darüber hinaus wurden zahlreiche Hauskeller zu Luftschutzzwecken ausgebaut. Meist in den tiefsten Etagen wurde ein größerer Raum als Aufenthaltsraum eingerichtet. Wasserspritzen, Kübel mit Sand, Feuerpatschen, Haken und Schaufeln stellten das Inventar jedes Luftschutzraumes dar. Zusätzlich fand sich hier meist die Luftschutzapotheke, inhaltlich vergleichbar mit einem heutigen Notfallkoffer. Was zu guter Letzt nicht fehlen durfte, waren die Verhaltensregeln und durchzuführenden Maßnahmen im Falle eines Luftangriffs. Diese Maßnahmen wurden in einem Merkblatt im Keller zum Aushang gebracht.


Ein seltener Anblick – in einem Keller sind das Luftschutzmerkblatt und eine Kreidebeschriftung erhalten geblieben.

Im Laufe der Zeit wurden diese Relikte des zivilen Luftschutzes abgenommen, übermalt oder wegrenoviert. Wer erinnert sich schon gerne an furchtbare Zeiten? Deshalb ist der Fund dieser Beschriftungs- und Aushangkombination etwas sehr Rares, das nur noch selten gelingt.

Die vollständige Abschrift des Merkblatts lautet:

(Im Luftschutzraum an gut sichtbarer Stelle anbringen.)
Merkblatt für das Verhalten der Luftschutzgemeinschaft bei Fliegeralarm.
Was hat der Luftschutzwart oder sein Stellvertreter zu tun?

Falls der Luftschutzwart bei Fliegeralarm nicht anwesend ist, hat diese Tätigkeit stellvertretend zu übernehmen:
  1. [Name des ersten Stellvertreters] … oder
  2. [Name des zweiten Stellvertreters] … oder
  3. [Name des dritten Stellvertreters] … oder
  4. [Name des vierten Stellvertreters] …
Sollte keine der unter 1. bis 4. bezeichneten Personen anwesend sein, so ist die erste im Luftschutzraum eingetroffene luftschutzdienstpflichtige Person verpflichtet, die Tätigkeiten des Luftschutzwartes auszuüben. Diese Person ist auch für die zeitgerechte und genaue Durchführung aller nachstehend angeführten Maßnahmen verantwortlich.
  1. Der Gashaupthahn ist beim Schießen der Flak oder bei Bombenabwurf zu schließen. Die im Luftschutzraum befindlichen Personen abfragen, ob sie die in ihrer Wohnung befindlichen Gasgeräte und Gasmesserhähne geschlossen haben.
  2. Einsatzbereitschaft der Selbstschutzgeräte überprüfen! Handfeuerspritze, Luftschutzhausapotheke, Wassereimer, Einreißhaken, Feuerpatsche und Befreiungswerkzeug beim Mauerdurchbruch, Taschenlampe, Notlicht, persönliche Ausrüstung: LS.-Helm, Gasmaske (Staubbrille und Mundschutz als Ersatz) usw.
  3. Ist im Luftschutzraum Wasser zum Nässen der Decken vorhanden, um mit diesen bei Flächenbränden den Luftschutzraum verlassen zu können?
    Wasserbestand im Luftschutzraum ergänzen!
  4. Feststellen, ob jede Person ihr Luftschutzraumgepäck im Luftschutzraum hat.
  5. Die im Luftschutzraum anwesenden Personen für die einzelnen Selbstschutzdienste einteilen, soweit noch nicht geschehen.
    Diese sind:
    a) Hausfeuerwehr, bestehend aus: Schlauchführer, Spritzenträger, Kübelträger, Wasser- und Sandzubringer mit Feuerpatschen und Einreißhaken.
    b) Laienhelferinnen.
    c) Melder.
  6. Einteilung von Erkundungsstreifen in Stärke von je 2 Personen zur Beobachtung der Stockwerke, Wohnungen und Dachböden. Entsendung in kurzen Zeitabständen, vor allem in den Angriffspausen. Die Erkundungsstreifen gehen vom Luftschutzraum aus und kehren nach Durchführung ihres Auftrages in den Luftschutzraum zurück.
  7. Die Bekämpfung eingetretener Schäden muß spätestens bei der Vorentwarnung voll in Angriff genommen werden.
Führer des Selbstschutzbereiches: [Name]
Standort des Selbstschutztrupps: [Ortsangabe]

Mehr zum Luftschutz:
1940 bis 1945 – Die „Glücklichkeit“ im Luftschutzkeller – Worte im Dunkel
Details – Worte im Dunkel
Mehr zu den Jahren von 1939 bis Kriegsende:
1939 bis Kriegsende – Worte im Dunkel

Originalbeitrag: 1940 bis 1945 – Luftschutz in Wien – Worte im Dunkel
 
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