23.04.1945: Zugsunglück Nähe Bf. Pulkau (Zusammenstoß Transportzug der sPzAbt 509 mit Räumzug)

josef

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#1
Sah kurz bei Franz Jordan; Die letzten Kämpfe im nordöstlichen Niederösterreich nach, ob etwas über den Wittek-Bunker zu finden ist. Da Ergebnis war negativ, stieß dabei aber auf einen Bericht über ein schweres Eisenbahnunglück nahe dem Bahnhof Pulkau, bei dem 15 deutsche Soldaten ums Leben kamen und eine große Anzahl an Verletzten zu beklagen war.

Am 23. 04.1945 verließ ein Transportzug bestehend aus 30 – 40 Wagen um 19.30 h den Bahnknoten Sigmundsherberg in Richtung Zellerndorf. Die Garnitur beförderte Teile der sPzAbt 509 und bestand aus 2 oder 3 Flachwagen, beladen mit je einem Tigerpanzer, weiteren Hoch- und Niederbordwagen mit diversen Waffen wie PAK, leichter Flak, Kraftfahrzeugen usw. sowie geschlossene Güterwagen. In den Fahrzeugen als auch den restlichen Wagen befanden sich die dazugehörigen Mannschaften.

Der bereits zurückgelegte Laufweg der Garnitur war aus Böhmen kommend über Gmünd auf der Franz-Josefs-Bahn nach Sigmundsherberg . Hier von der Hauptstrecke abzweigend sollte es dann auf der Nebenbahn von Sigmundsherberg über Zellerndorf nach Laa an der Thaya als Bestimmungsbahnhof gehen. Nach der Entladung in Laa war die Einheit als Vertärkung für die „schweren Panzerabteilung 509“ , die den Raum Mailberg – Groß Harras sicherte, vorgesehen.

Der in Richtung Zellerndorf – Laa unterwegs befindliche Pz-Transportzug sollte auf der eingleisigen Nebenstrecke im Bahnhof Pulkau einen aus der Gegenrichtung kommenden schweren und überlangen „Räumzug“ kreuzen.
(Infos zu Einleitungsabschnitt stammen aus: F.Jordan, Die Kämpfe im nordöstlichen NÖ., - S. 366 f.)


Wie es dann zum schrecklichen Unfall kam, ist im nachfolgenden Bericht des damaligen Fahrdienstleiters des Bf. Sigmundsherberg zu lesen:

Alois PUSCHNIK, Gr. Reipersdorf
Folgenschwerer Zusammenstoß

Am 23. April 1945, 16 Uhr, trat ich den Dienst als Fahrdienstleiter im Bahnhof Sigmundsherberg an. Unmittelbar darauf traf von Gmünd kommend ein Truppentransportzug ein. An die 30 Güterwagen waren mit Tigerpanzern und anderem Kriegsgerät beladen, die dazugehörige Mannschaft saß in ihren Fahrzeugen bzw. in den mitgeführten Güterwagen.
Die Lok wurde zur Kohlen und Wasseraufnahme ins Heizhaus geschickt, währenddessen sich der begleitende Zugführer bei mir meldete, die Transportbegleitpapiere übergab und bemerkte, dass er bereits 48 Stunden ununterbrochen Dienst mache und nicht mehr in der Lage sei, weiterzufahren.

Aus den Papieren ging hervor, daß dieser Zug Laa/Thaya zum Ziele hatte. Das hieß in jenen Tagen, dass die begleitenden Soldaten mit ihrem Kriegsgerät an diesen Frontabschnitt gebracht und somit noch gegen die Russen eingesetzt werden würden.

Meine Aufgabe bestand nun unter anderem darin, für die Weiterfahrt einen neuen Zugsbegleiter beizustellen, jedoch um es kurz zu machen, ich habe keinen gefunden. Meine Telefonate da und dorthin waren vergeblich. Niemand war aufzufinden, der diesen letzten Truppentransport an die noch bestehende Front begleitet hätte. So kam es, daß um etwa 18 Uhr zwar die Lokomotive frisch aufgetankt war, aber für die Abfahrt kein Zugsbegleiter zur Verfügung stand.

Kaum hatte ich resignierend den Hörer weggelegt, stürzten ungestüm gleich 8 Offiziere bei meiner Tür herein. Sie tadelten mich wegen der Nichtabfertigung des Zuges, und ihr Ranghöchster stellte mir das Ultimatum, „. . . wenn nicht binnen zweier Stunden die Abfahrt erfolgt sei, so würde er mich „an die Wand stellen“. Sprach’s und verließ mit seiner Begleitung die Kanzlei.

Ich stand nun mit meinem Problem alleine da, beriet mich aber schließlich mit meinen diensttuenden Freunden, und da kam uns der Gedanke, dass es gerade heute in den Übernachtungsräumen noch einen Zugführer geben müsste, den man fragen könnte, ob er für den übermüdeten Kollegen einspringen würde. Zu unserem Glück stimmte der auch nach einigem Zögern zu und übernahm um 19:30 Uhr die Garnitur zur Abfahrt.
Die Soldaten winkten noch aus der Türöffnung, und der Zug setzte sich nun endlich Richtung Pulkau in Bewegung. Ich meldete die Abfahrt weiter, und gleichzeitig bemerkte der Pulkauer Fahrdienstleiter, dass nach dem Eintreffen dieses Zuges ein Gegenzug von Zellerndorf kommend, nach Richtung Sigmundsherberg weitergeleitet würde. Ergänzend meinte er noch, dass dies ein überlanger und überschwerer Räumungszug mit zwei Lokomotiven sei.

Ich wartete aber bis 20 Uhr vergeblich auf eine Rückmeldung von Pulkau. Die konnte aber aus dem Grunde nicht gegeben werden, da unser Militärzug beim Einfahrtssignal in Rafing angehalten wurde, weil er wegen des Räumungszuges nicht weiterfahren durfte.

Aber auch der Räumungszug war in Pulkau noch nicht eingetroffen. Wegen seiner Länge und Schwere und der Unzulänglichkeit zweier Lokomotiven schaffte er die Steigung nicht mehr. Er blieb bei der „Pracht- übersetzung“, d.i. ca. 500 m vor dem Bahnhof, auf der Strecke liegen. Hier konnte nur eine weitere Hilfslok helfen. Eine solche war zwar schon längst angefordert, aber es konnte trotz mehrfachen Telefonaten nirgends eine gefunden werden. So wurde beschlossen, die Zugslokomotive unseres in Rafing wartenden Militärzuges abzuhängen, um den schweren Räumungszug zumindest in den Bahnhof Pulkau hereinzuziehen.
Ein Bediensteter vom Bahnhof Pulkau wurde daher beauftragt, nach Rafing zu eilen, um die Lok abzukuppeln und die Sicherung des stehengelassenen Zuges zu veranlassen. Dies wurde auch befolgt und die Maschine freigemacht.

Jetzt aber wurde ein grober Fehler gemacht. Der Bahnbedienstete wie auch die Lokmannschaft unterließen es, den Zugführer davon zu verständigen und zur Überwachung des Zuges aufzufordern. So kam es, dass kaum jemand die Abkuppelung der Maschine bemerkt hat. Die meisten der Soldaten waren durch den langen Aufenthalt beim Einfahrtssignal bereits eingeschlafen, ja sogar der Zugführer, der sich mangels eines Dienstwagens in einer Bremshütte am Ende des Zuges befand, schlief fest und wusste nichts von der durchgeführten Maßnahme.

So kam es, wie es zwangsläufig kommen musste:
Die Wirkung der vor dem Abkuppeln der Lok durchgeführten Einbremsung des Zuges wurde durch die Schwere und dem Neigungsdruck immer schwächer, bis sich die lokomotivlose Garnitur auf der anschließenden Gefällestrecke langsam unkontrolliert in Bewegung setzte und immer schneller werdend von alleine weiterrollte...

In Sigmundsherberg wartete ich noch immer auf die Meldung aus Pulkau. Es kam und kam aber keine, bis ich von Ungeduld erfasst um ca. 21 Uhr selbst anrief und fragte, wie weit denn die Hilfsmaßnahmen gediehen seien, bzw. ob das Eintreffen des Transportzuges im Bahnhof Pulkau bereits rückgemeldet werden kann.

Aber es kam zu keinem geordneten Gespräch mehr. Der Fahrdienstleiter von Pulkau schrie nur noch verzweifelt in die Telefonmuschel . .“ der Zug is durch, der Zug is durch, gleich wirds krachen“. Unmittelbar darauf hörte ich durch den noch nicht aufgelegten Hörer tatsächlich einen dumpfen Knall. Dann nur mehr ein Gestammel und verzweifelte Worte vom „Erschießen“...

So ist an diesem Tage der Militärzug von Rafing weg führerlos ungebremst mit einer Geschwindigkeit zwischen 60 bis 80 km/h auf den auf der Strecke liegengebliebenen Räumungszug aufgefahren. Der am ersten Güterwagen befindliche Tigerpanzer bohrte sich durch den Tender in die zu Hilfe geeilte Lok, das Panzerkanonenrohr steckte in dessen Feuerbuchse. Der Materialschaden war ein enormer, die Verletzten brachte man ins Lazarett. Fünfzehn Soldaten waren tot, elf davon sind im Pulkauer Friedhof beigesetzt. Schadenshöhe und Verschuldensfrage wurden (angesichts des turbulenten Kriegsendes) nie erwähnt, bzw. behandelt. Die nachfolgenden Güterwagen türmten sich wegen des an der Unfallstelle befindlichen Einschnittes bis zu einer 2-Stock-Höhe auf.


Quelle: http://holzer.uxs.eu/pdf/zeit-zeugen.pdf
 
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Ja, da bin ich gerade dabei nachzuforschen, finde aber leider nichts. Ich nehme an, es sind Betonfundamente zu ehemaligen Verladerampen(?) zum Abtransport des Materials aus dem Steinbruch.
Im dahinter befindlichen Steinbruch, auch "Prachtsteinbruch" genannt (nach dem Steinmetz Pracht), wurde seit 1363(!) der Sandstein für Kirchen und Marterln gebrochen. Es ist anzunehmen, dass auch das Material für den Karner in Pulkau von hier kam.

Eigentlich sind es zwei getrennte Steinbrüche, der "Große", jetzt als "Steinarena" für div. Veranstaltungen genutzt und eben der "Prachtsteinbruch" gleich nach der Bahnübersetzung, wo der Zugsunfall 1945 passierte.

Wie man auf den nachfolgenden Fotos erkennt, befindet sich zwischen den vorhandenen Geleisen und dem Steinbruchareal eine weitere Trasse, auf der vermutlich Schienen einer Werksbahn in den Steinbruch führten.

Hinter dem Steinbruch befinden sich noch Gebäudereste und ein relativ gut erhaltenes "Trafohäuschen"! Angeblich ein "Arbeiterlager". Aus welcher Zeit?
Vielleicht wissen da die "Weinviertler" oder Eisenbahnspezialisten mehr darüber? "Teno" hat da erst vor kurzem Fotos vom Steinbruch hier eingestellt!

LG

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josef

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#7
...Ich nehme an, es sind Betonfundamente zu ehemaligen Verladerampen(?) zum Abtransport des Materials aus dem Steinbruch.

Wie man auf den nachfolgenden Fotos erkennt, befindet sich zwischen den vorhandenen Geleisen und dem Steinbruchareal eine weitere Trasse, auf der vermutlich Schienen einer Werksbahn in den Steinbruch führten...
Kann mich noch vage an ein verwachsenes Anschlussgleis, welches man von der Bahnkreuzung mit der Landesstraße beim Bahnhof aus sah, erinnern (lang, lang ist's her...). Die Pfeiler dürften, wie du schreibst, Teil einer Verladerampe gewesen sein, auf der ein Feldbahngleis parallel zum tiefer liegenden Normalspurgleis verlief. Über "Schütten" gelangte das Material aus den Feldbahn-Kipploren in die ÖBB-Waggons...

lg
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