KZ Auschwitz

josef

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#1
Heute vor 70 Jahren...Befreiung KZ-Auschwitz

Auschwitz - über eine Million Menschen ermordet

Am Dienstag, 27.01.2015, jährt sich zum 70. Mal die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im von Nazi-Deutschland besetzten Polen durch die Sowjetarmee. Zwischen 1940 und 1945 ermordeten die Nationalsozialisten in Auschwitz systematisch eine Million Menschen, die allermeisten Juden. Als am 27. Jänner 1945 Soldaten der Roten Armee das Lager befreiten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Vertreter von mehr als 30 Staaten werden an den Gedenkfeierlichkeiten teilnehmen. Diese werden von der aktuellen Ukraine-Krise überschattet.

Mahnung an die Menschheit

Als am 27. Jänner 1945 sowjetische Soldaten das NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen befreit haben, haben sie nur noch knapp 7.600 Häftlinge lebend vorgefunden. Der Rest war von den Nationalsozialisten auf Todesmärsche geschickt oder in andere Konzentrationslager überstellt und ermordet worden.

Von bis zu 6,3 Millionen Opfern des Holocaust wurden etwa 1,1 Millionen Menschen in Auschwitz-Birkenau ermordet: rund eine Million Juden, etwa 21.000 Roma und Sinti, 15.000 sowjetische Kriegsgefangene und mehr als 80.000 aus politischen und anderen Gründen nach Auschwitz Deportierte. Schätzungen gehen davon aus, dass darunter 16.000 bis 18.000 Menschen aus Österreich waren. Insgesamt überlebten nur etwa 65.000 Menschen Auschwitz.

„Gefoltert und blutig geschlagen“
Einer von ihnen war der jetzt 101-jährige Marko Feingold, der in Wien-Leopoldstadt aufwuchs und heute noch Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg ist. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit dem „Kurier“ erinnerte er sich an seinen Überlebenskampf in Auschwitz.

Marko Feingold (Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg) erinnert sich an seine Zeit im KZ Auschwitz
„Als ich nach der Ankunft 1941 mein Geld abliefern musste, sagte ein Mithäftling zu mir, dass ich das Geld nicht mehr bräuchte, da meine Lebenserwartung nur drei Monate beträgt und ich dann durch den Kamin gehe. Ich wurde gefoltert und blutig geschlagen, aber ich habe überlebt.“ Feingold wog bei körperlicher Schwerstarbeit nur noch 30 Kilogramm. Er überlebte drei weitere KZs, darunter Dachau und Buchenwald, wo er am 11. April 1945 von den Amerikanern befreit wurde.

Nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie
Das Vernichtungslager Auschwitz am Rand der südpolnischen Kleinstadt Oswiecim bei Krakau war das größte im System der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie, gefolgt von Majdanek bei Lublin in Ostpolen. Außer Auschwitz und Majdanek errichteten die Nationalsozialisten im besetzten Polen auch die Vernichtungslager Treblinka, Belzec und Sobibor. Das Lager, das jahrelang von Obersturmführer Rudolf Höß geleitet wurde, bestand aus dem Stammlager Auschwitz I, Auschwitz II (Birkenau), Auschwitz III (Monowitz) sowie aus 47 Nebenlagern.

Auschwitz-Birkenau war das größte deutsche NS-Vernichtungslager
Nach der Errichtung des Lagers im Frühjahr 1940 waren zunächst vor allem polnische Juden in dem Lager interniert, später kamen sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma und Angehörige anderer Nationalitäten hinzu. Unter anderem wegen seiner guten Verkehrsanbindung wurde Auschwitz ab 1942 zum Zentrum des Massenmords an den europäischen Juden, deren völlige Ausrottung sich die Nationalsozialisten zum Ziel gesetzt hatten.

Medizinische Experimente an Häftlingen
Am 26. März 1942 erreichte der erste vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) im Zuge der „Endlösung der Judenfrage“ organisierte jüdische Sammeltransport das KZ Auschwitz. Ab dem Sommer 1942 wurden bei „Selektionen“ durch SS-Ärzte noch arbeitsfähige Menschen zur Arbeitsleistung ausgewählt. Alle übrigen, vor allem alte Menschen und Kinder, wurden sofort in die Gaskammern geschickt und ermordet. Einige Gefangene wurden von Nazi-Arzt Josef Mengele auch für barbarische medizinische Experimente ausgewählt, die die meisten nicht überlebten.

Ab 1942 deportierten die Nazis auch Kinder nach Auschwitz
Bei der Ankunft in Auschwitz wurden die Häftlinge gezwungen, in aller Eile die Viehwaggons zu verlassen und sich in Reihen aufzustellen. SS-Offiziere „selektierten“ die Häftlinge noch an der Bahnrampe - wer als arbeitsfähig galt, kam zunächst in das „Quarantänelager“, dann in eines der Arbeitslager, wo die Häftlinge registriert wurden und ihnen eine Häftlingsnummer auf den Unterarm tätowiert wurde. Kinder, Alte und andere als nicht arbeitsfähig geltende Häftlinge wurden in der Regel noch am Tag ihrer Ankunft in den als Duschräume getarnten Gaskammern mit dem Giftgas Zyklon B ermordet.

„Endlösung der Judenfrage“
Zum organisierten Massenmord - der „Endlösung der Judenfrage“- zählte auch, dass Habseligkeiten, Goldzähne, Haare und Kleidung verwertet wurden. Ein „Sonderkommando“ von Häftlingen musste anschließend die Leichen in den Krematorien oder auf freier Fläche verbrennen. Die zur sofortigen Ermordung bestimmten Häftlinge wurden nicht registriert, was genaue Angaben über die Opferzahlen bis heute schwierig macht. 15 bis 20 Prozent eines jeden Transports wurden für mörderische Zwangsarbeiten am Leben gelassen. Mehr als die Hälfte der registrierten Opfer starb durch Arbeit, Hunger, Kälte, Folter, medizinische Experimente oder wahllose Exekutionen.

Menschenverachtende Lebensbedingungen auf dem Lagergelände - wie die qualvolle Enge in den zumeist feuchten Baracken - sorgten dafür, dass unter den Häftlingen auch Krankheiten und Epidemien grassierten. Die teils hölzernen, teils gemauerten Baracken besaßen weder Heizung noch sanitäre Anlagen, es wimmelte von Ungeziefer und Ratten. Hinzu kamen der anhaltende Wassermangel und die dürftigen Essensrationen von 1.300 Kalorien für „leicht“ arbeitende und rund 1.700 Kalorien für „schwer“ arbeitende Häftlinge. Die Arbeitszeit betrug elf bis 15 Stunden. Die restliche Zeit war ausgefüllt mit andauernden Appellen und dem Warten auf die Essensausgabe oder einen Latrinenplatz.

Das Krematorium befindet sich noch heute in der Gedenkstätte
Anfangs arbeiteten die Häftlinge, die statt mit Namen nur mit Nummern gerufen wurden, beim Ausbau des Lagers. Später begann die deutsche Industrie, die Arbeitskraft der Häftlinge auszunutzen. Dazu zählte der Konzern IG Farben, der die Buna-Werke in Monowitz baute, eine Fabrik für synthetischen Gummi und Benzin. 47 Außenlager gehörten zum Lagerkomplex Auschwitz. Die Mehrheit der Nebenlager befand sich in Schlesien. Die Häftlinge arbeiteten dort in der Kohleförderung, der Waffenproduktion und der Chemieindustrie.

Widerstand von Häftlingen
Trotz eines Systems von Bespitzelung und ständiger Überwachung organisierte sich auch in Auschwitz Widerstand von Häftlingen. Am 7. Oktober 1944 unternahmen Häftlinge des „Sonderkommandos“ einen Aufstand und konnten eines der Krematorien mit Hilfe von Sprengstoff, den weibliche Häftlinge aus einer Fabrik eingeschmuggelt hatten, teilweise zerstören. Der anschließende Fluchtversuch von rund 250 Häftlingen scheiterte, alle Gefangenen wurden gefasst und getötet. Vier Frauen, die bei der Vorbereitung des Aufstands geholfen hatten, wurden nur wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers am 6. Jänner 1945 hingerichtet.

Unmittelbar nach dem Aufstand befahl Reichsführer-SS Heinrich Himmler den Abriss der Krematorien und ein Ende der Vergasungen. 1944 näherte sich schnell die Offensive der Roten Armee, die deutsche Niederlage war absehbar, nun sollten die Spuren der Verbrechen beseitigt werden. Im Juli war bereits das Lager Birkenau „aufgelöst“ worden. 4.000 der verbliebenen 12.500 Insassen wurden vergast, die anderen abtransportiert. Im August wurde mit dem Mord an über 2.900 Sinti und Roma das „Zigeunerlager“ „aufgelöst“.

Todesmärsche Richtung Westen
Bei der letzten Zählung am 17. Jänner 1945 waren noch 67.012 Menschen im Lager. Tags darauf begannen die Nazis wegen der vorrückenden sowjetischen Truppen mit einer hastige Räumung des Lagers. Rund 58.000 wurden zu Todesmärschen Richtung Westen gezwungen, die viele nicht überlebten. Andere Häftlinge wurden in andere Konzentrationslager überstellt oder gleich an Ort und Stelle ermordet.

Als Soldaten der Roten Armee am Nachmittag des 27. Jänner 1945 das Lager befreiten, fanden sie die Leichen von 600 Gefangenen, die nur wenige Stunden zuvor ermordet worden waren. Sie fanden auch 350.000 Herrenanzüge, 837.000 Frauenkleidungsstücke und tonnenweise Menschenhaare in Säcken. Lediglich rund 7.600 kranke und erschöpfte Gefangene sowie einige hundert Kinder, die die KZ-Lagerwärter zurückgelassen hatten, konnten gerettet werden.

Unvorstellbares Leid
Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz veröffentlichte kürzlich auch die britische „Daily Mail“ Interviews mit Überlebenden. Susan Pilack (84) erinnerte sich, dass sie als 14-Jährige nach der Befreiung wegen Tuberkulose, Typhus und schwerer Unterernährung ins Krankenlager kam. „Als die Befreiung kam, war ich praktisch eine Leiche, unfähig zu gehen, und ich wäre wohl bald gestorben“, sagte die gebürtige Ungarin, die heute in den USA lebt.

Am 27. Jänner 1945 befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz
Bei Sam Pivnik (80) hat sich der Moment ins Gedächtnis eingebrannt, als sich der gebürtige Pole im Alter von 14 Jahren in der Krankenstation von Auschwitz dem gefürchteten Arzt Mengele zu Füßen warf. Pivnik, der 1943 ins KZ deportiert worden war, wollte verhindern, dass er „ausselektiert“ würde, als er sich nicht mehr aus seinem Spitalsbett bewegen konnte. „Mengele trug seinen weißen Arbeitsmantel und machte seine Runden. Ich war vor Angst wie gelähmt. Wir wussten alle, dass, wenn jemand nicht vom Bett aufstehen konnte, er ins Gas geschickt werden würde. Er kam zu mir, und sein Finger zeigte nach links, zur Gaskammer. Ich brach in Tränen aus und warf mich zu seinen Füßen. Ich glaube, ich habe sogar seine Schuhe geküsst.“

Laut Pivnik hasste es Mengele, von Juden berührt zu werden - er hätte dafür erschossen werden können. „An jenem Tag, ich weiß nicht, warum, ging er von mir weg. Später sagte man mir, ich könne bleiben“, sagte Pivnik, der im Mai 1945, stark geschwächt, nach einem Todesmarsch und nach der Flucht von einem Transportschiff, das sank, befreit wurde.

Hunderte SS-Leute nach Kriegsende vor Gericht
Nach Kriegsende wurden in Polen bis 1953 knapp 700 der insgesamt gut 7.000 SS-Leute, die in Auschwitz Dienst taten, vor Gericht gestellt. Lagerkommandant Höß wurde 1946 bei Flensburg gefasst, nach seiner Überstellung nach Polen von einem Gericht zum Tode verurteilt und am 16. April 1947 auf dem ehemaligen Lagergelände in Auschwitz hingerichtet.

Heute sind von zwei der großen Vernichtungslager noch viele Teile erhalten beziehungsweise originalgetreu ergänzt. Sie sind öffentlich zugänglicher Bestandteil des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Gedenkstätte des Holocaust und jüdischer Friedhof auf dem Gelände der beiden ehemaligen Lager I und II. Dieses Museum ist zugleich Gedenkstätte, internationales Begegnungs- und Holocaust-Forschungszentrum.

Seit seiner Befreiung ist Auschwitz-Birkenau Symbol für den industriellen Massenmord an den Juden Europas und für das Leid, das Menschen anderen Menschen zufügen können. Der Text an einem Denkmal im Vernichtungslager versucht, die von den Nazis in Auschwitz verübten Verbrechen in Worte zu fassen. „Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung und Mahnung an die Menschheit.“
http://orf.at/stories/2261825/2261827/
 
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#4
27. Jänner - Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Der heutige 73. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau bildet den Anlass des "Internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust"...

Als "Nachhilfe" für die Personen, die den Geschichtsunterricht versäumt hatten bzw. als "Gedächtnisauffrischung" für alle Anderen, welche die Gräueltaten des Nazi-Regimes schon vergessen haben:

https://www.welt.de/kultur/gallery1202343/Das-groesste-deutsche-Vernichtungslager.html
 

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#5
Jahrestag 75 Jahre Befreiung
Das Ende des Todeslagers Auschwitz

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Für die letzten Gefangenen des KZ Auschwitz hat das Ende ihres Martyriums mit einer Explosion begonnen. Die Rote Armee nahte, die Nazis traten den Rückzug an. Davor sprengten sie das Krematorium, 60.000 Häftlinge wurden auf Todesmärsche geschickt. Als die Rote Armee am 27. Jänner 1945 Auschwitz erreichte, fand sie nur noch einige tausend Überlebende – und Beweise für das präzedenzlose Verbrechen der Menschheit, die industrielle Tötung von mehr als einer Million Menschen. Am Montag jährt sich die Befreiung des KZ Auschwitz zum 75. Mal.
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Um 9.00 Uhr Morgen erreichten die Soldaten der 1. Ukrainischen Front das Lager. Zwischen Baracken und Stacheldraht sahen sie die Folgen der NS-Vernichtungspolitik: Leichen, Sterbende und Berge von Schuhen, Brillen, Prothesen und anderen Besitztümern der Opfer. Gerettet werden konnten nur rund 7.600 Menschen, die meist zu schwach für die Räumung des Lagers waren. Sie hätten eigentlich noch von SS-Angehörigen getötet werden sollen, doch dazu kam es nicht mehr.

Den russischen Soldaten bot sich nur ein Ausschnitt des Grauens. 7.000 Menschen wurden gerettet – gestorben ist im industriellen Tötungskomplex Auschwitz eine kaum fassbare Zahl an Menschen. In nur fünf Jahren wurden im Stammlager, in Birkenau, Monowitz und den Nebenlagern mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet, die meisten von ihnen Juden und Jüdinnen. Durch Gas und Gift, durch Zwangsarbeit, durch grauenhafteste medizinische Menschenversuche, Erschießungen, Prügel, Hunger und Krankheiten. Auschwitz wurde zum Inbegriff des Holocaust und des Menschheitsverbrechens.

picturedesk.com/akg-images
Szenen der Befreiung: Rettungskräfte tragen einen 15-Jährigen aus dem KZ

Todesmarsch in Richtung NS-Deutschland
In den Stunden der Befreiung befand sich dieses noch in der Ausführung, die Nationalsozialisten waren noch nicht besiegt. Auch nicht in Auschwitz: Kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee trieben die Nazis 60.000 „arbeitsfähige“ Gefangene aus Auschwitz und den Nebenlagern zusammen und zwangen sie zu einem Todesmarsch Richtung Westen – die ohnehin am Boden liegende NS-Kriegswirtschaft konnte und wollte nicht auf die Sklavenarbeit verzichten. Zudem sollten die Gefangenen als „Verhandlungsmasse“ in Gesprächen mit den Alliierten dienen, glaubt die Forschung heute.


Der Marsch Richtung NS-Deutschland sollte für die Lagerinsassen zur nächsten Tortur werden. Mit dünner Häftlingskleidung und Holzschuhen bekleidet, entkräftet und krank, mussten sich die Menschen bei eisigen Jänner-Temperaturen und Schneefall Richtung Westen durchkämpfen. Gegen Ende der Kolonne wartete ein Erschießungskommando, das „marschunfähige“ Personen ermordete.

Doris Antony, BerlinCC BY 4.0
Noch heute markieren meist in der Nachkriegszeit aufgestellte Mahnmale die Routen der Todesmärsche. Diese nahmen nicht nur von Auschwitz, sondern von all jenen Konzentrationslagern Ausgang, die von den Alliierten erreicht wurden.

Zwischen 9.000 und 15.000 Personen mussten auf dem Todesmarsch von Auschwitz ihr Leben lassen, der Rest wurde in andere Lager verfrachtet, wo sich die mörderischen Zustände bis zum Kriegsende fortsetzten. Die von der Roten Armee geretteten Menschen im Lager wurden großteils in einem im KZ eingerichteten Lazarett betreut, oft monatelang. Viele von ihnen überlebten nicht, starben an den Folgen von Hunger, Krankheit oder Verletzung. Auch ehemalige Häftlinge kümmerten sich um die Behandlung, etwa der österreichische Arzt Otto Wolken, der damals selbst nur 38 Kilogramm wog und an Fleckfieber litt. Er sagte später in den Auschwitz-Prozessen aus.
Maschinerie des Massenmords, 27.1.2015

Industriell organisierter Massenmord
Dass das KZ gerade am Bahnknotenpunkt Auschwitz eingerichtet wurde, war kein Zufall. Es lag zentral im von den Nazis besetzten Europa, mit Zügen wurden Millionen Menschen in das Lager gebracht. Von Wien etwa ist das KZ nur 280 Kilometer Luftlinie entfernt.

Das Lager nahe der Stadt Auschwitz war ursprünglich als Verbannungsort für Polen gedacht, die sich der deutschen Besatzungsmacht widersetzten. Der erste Transport mit 728 politischen Häftlingen kam am 14. Juni 1940 in Auschwitz an. Im dritten Kriegsjahr bestimmten die Nazis Auschwitz zum Ort des Völkermords an den europäischen Juden. Bis 1942 entstand in Birkenau die größte Todesfabrik der Nationalsozialisten.
Die meisten Ermordeten waren Juden und Jüdinnen aus besetzten Ländern Europas. Auch Polen, Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene und Gefangene vieler anderer Nationen litten und starben im Lager. In den zahlreichen Nebenlagern mussten Häftlinge Sklavenarbeit für die deutsche Kriegswirtschaft leisten. In Birkenau gab es ein eigenes Frauenlager und ein ab August 1944 zur Gänze liquidiertes Lager für Roma und Sinti.
Feingold: „Die meisten Häftlinge sind stehend gestorben“, 10.5.2015

„Die meisten Häftlinge sind stehend gestorben“
Im vergangenen Jahr starb mit Marko Feingold 101-jährig einer der letzten österreichischen Zeitzeugen. Er überlebte vier Konzentrationslager, darunter auch Auschwitz.

Am Rande wahrgenommen
Zeitgenössisch wurde die Befreiung des KL Auschwitz, wie es damals noch hieß, im Chaos der letzten Kriegsmonate eher am Rande wahrgenommen. Bereits am 23. Juli 1944 hatte die Rote Armee mit dem KZ Majdanek das erste große NS-Lager in Polen erreicht. Ähnlich wie in Auschwitz hatten die Nationalsozialisten das Lager bereits geräumt und nur rund 1.000 Gefangene zurückgelassen. Trotzdem gingen die Schreckensbilder aus Majdanek und später vor allem auch aus Bergen-Belsen durch die ausländische Presse und wurden in der Folge auch in der Nachkriegszeit entsprechend häufiger genannt.

picturedesk.com/akg-images
Sowjetsoldaten mit überlebenden Häftlingen vor dem Eingang zum Krankenbau

Das Ausmaß des Grauens auch in Auschwitz war aber bereits bekannt, nach der Niederlage der Nationalsozialisten brachten auch österreichische Zeitungen Berichte aus dem Lager. Im Mai 1945 schrieb die Zeitung der Allparteienregierung, „Neues Österreich“, dass man von bis zu 6.500.000 Opfern ausgehen müsse – eine Zahl, die wahrscheinlich bewusst seitens der Sowjets erhöht wurde.


SCIENCE
Die letzten Orte vor der Deportation



Der Zeitungsartikel schilderte bereits damals unter Berufung auf fünf Zeitzeugen die mörderischen Schikanen: „Arbeit so schwer, dass sie einer Ausrottung gleichkam“, Massenhinrichtungen vor einer eigens installierten Kugelfangwand, Selektionen, bei denen SS-Führer und SS-Ärzte die Kinder, Schwachen, Alten und Arbeitsunfähigen von den Übrigen trennten, die Maskierung der Gaskammern als Badezimmer.

Ein Tabu über Jahre hinweg
Doch die Beschäftigung damit währte nicht lange – Auschwitz und die Schoah wurden in den Nachkriegsjahren zum Tabu. Selbst der große Auschwitz-Prozess in Frankfurt von 1962 bis 1965 wurde in Österreich nur bedingt wahrgenommen. Bis in die 1950er Jahre wurde Auschwitz in der Öffentlichkeit zudem als Ort des Leidens der politisch Verfolgten und des Widerstands von Österreichern thematisiert, auch weil die 1958 ins Leben gerufene Lagergemeinschaft Auschwitz deutlich unter kommunistischem Einfluss stand.
APA/AFP/Pablo Gonzalez
Das Vernichtungslager umfasste zu Kriegsende über 40 Quadratkilometer und 48 Nebenlager

Die Juden und Jüdinnen als größte Gruppe der Opfer von Auschwitz standen nicht im Mittelpunkt. Sie wurden unter dem Sammelbegriff „Opfer politischer Verfolgung“ eingeordnet. Erst Anfang der 1960er Jahre – unter anderem ausgelöst durch den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem – startete ein öffentlicher Aufarbeitungsprozess. In den Jahrzehnten danach wurde Auschwitz auch zum Synonym für NS-Verbrechen.

Nicht alle Opfer identifiziert
Seither wurden Abertausende Seiten über Auschwitz geschrieben, die Aufarbeitung ist aber trotzdem nicht zu Ende. So sind etwa nicht alle in Auschwitz getöteten Opfer eindeutig identifiziert. Rund 900.000 Menschen aus ganz Europa wurden ohne Registrierung unmittelbar von der Selektionsrampe in die Gaskammern geschickt und ermordet. Dokumente über sie gibt es im Lager keine. Bis heute bemüht sich die Auschwitz-Gedenkstätte darum, mit Transportlisten auch ihnen einen Namen und ein Schicksal zu geben. 60 Prozent konnten so bisher eindeutig identifiziert werden, die Arbeit geht weiter.

APA/AFP/Janek Skarzynski
Schuhe der Opfer im staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau

Im Lager selbst – heute Gedenkstätte – will man die Erinnerung an die Opfer des Holocaust am Leben halten. Dort finden am Montag auch die offiziellen Feierlichkeiten statt. Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat dazu zahlreiche Staats- und Regierungschefs eingeladen. Vertreter und Vertreterinnen aus rund 50 Staaten reisen an, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Israels Staatschef Reuven Rivlin. Erwartet werden dazu neben der Spitzenpolitik rund 200 Überlebende aus aller Welt. Sie gehören zu den Letzten, die noch von den Grauen des Vernichtungslagers berichten können.

27.01.2020, sase, ORF.at/Agenturen

Links:
75 Jahre Befreiung: Das Ende des Todeslagers Auschwitz
 

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#6
Von NS-Häftlingen versteckte Gegenstände in Auschwitz gefunden

Bei Arbeiten im Zusammenhang mit der Neugestaltung der österreichischen Ausstellung in Auschwitz sind Ende April zahlreiche Gegenstände aus der Zeit des Konzentrationslagers gefunden worden. Versteckte Messer, Gabeln, Haken, Scheren, Lederstücke, Schusterwerkzeug und Schuhteile wurden bei Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten in einem Kaminzug freigelegt, wie der Nationalfonds der APA nun mitteilte.

Die Gegenstände aus dem Kamin im Block 17 im ehemaligen NS-Vernichtungslager seien behutsam geborgen, dokumentiert und der konservatorischen Abteilung des Museums übergeben worden. „Damit ist ein weiterer Mosaikstein zur Geschichte des Gebäudes gefunden worden“, hieß es in der Mitteilung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, der die Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten beauftragt hatte.

Eingehende Analyse geplant

Der bauliche Konsulent des Nationalfonds, Baumeister Johannes Hofmeister, vermutet, dass in dem Gebäude Personen mit besonderen handwerklichen Begabungen einquartiert worden seien. Ohne eingehende Analyse durch Historiker und Konservatoren sei es noch zu früh, über die Verwendung und mögliche Intentionen der Häftlinge zu sprechen – denkbar seien unter anderem die Herstellung und Reparatur von Kleidung, Schlossertätigkeiten, aber auch die Vorbereitung für einen Ausbruch. Möglicherweise wurden Scheren und Besteck auch im Tauschhandel mit anderen Häftlingen eingesetzt.

Im Juli 2009 beschloss die Bundesregierung die Neugestaltung der österreichischen Ausstellung im Block 17 des ehemaligen Stammlagers Auschwitz. Die 1978 eröffnete Ausstellung entsprach nicht mehr der aktuellen Sichtweise. Jahrzehntelang präsentierte sich Österreich als „erstes Opfer des Nationalsozialismus“. Bis heute ist unklar, wie viele Österreicher und Österreicherinnen in dem Vernichtungslager umkamen. Es wird geschätzt, dass insgesamt über 11.000 Österreicher und Österreicherinnen in Auschwitz ihren Tod fanden. Das sind ein Sechstel aller österreichischen Holocaust-Opfer.

Aufgrund der in Polen geltenden behördlichen Maßnahmen zum Schutz der Verbreitung von Covid 19 musste das Baustellenpersonal auf dem Gelände der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau im März stark reduziert werden. Nur bestimmte, sicherheitsrelevante Arbeiten durften durchgeführt werden.

Für die Ausführung der Innenraumgestaltung der österreichischen Ausstellung wird unterdessen ein Generalunternehmer gesucht. Die Ausschreibung endet am 4. Juni.

red, ORF.at/Agenturen
Quelle: Von NS-Häftlingen versteckte Gegenstände in Auschwitz gefunden
 

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#7
Letzter Befreier von Auschwitz gestorben

Der letzte noch lebende Befreier des Konzentrationslagers Auschwitz, David Dushman, ist im Alter von 98 Jahren gestorben. Nach Angaben der Israelitischen Kultusgemeinde München (IKG) ist Dushman in der Nacht auf gestern in einem Münchner Krankenhaus gestorben. Dushman war Ehrenmitglied der IKG.

David Dushman stammte aus der ehemaligen Sowjetunion und kämpfte als Panzerfahrer unter anderem in der Schlacht von Stalingrad. Am 27. Jänner 1945 walzte er im Alter von 21 Jahren mit einem Panzer der Roten Armee den Zaun des Konzentrationslagers Auschwitz nieder.
Nach dem Krieg trainierte er von 1952 bis 1988 als Fechttrainer die Frauennationalmannschaft der Sowjetunion. Dabei erlebte er auch den Terroranschlag auf die israelische Mannschaft beim Olympiaattentat 1972 in München mit. Als Zeitzeuge trat er später in Schulen auf und erzählte seine Geschichte.

red, ORF.at/Agenturen
Quelle: Letzter Befreier von Auschwitz gestorben
 

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#8
Salzburger beleuchtet Österreichs Rolle in Auschwitz
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Seit Anfang Oktober erinnert eine neue Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz in Polen an die Rolle Österreichs in dem Mordapparat – sowohl der Opfer als auch der Täter. Einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Schau ist der Salzburger Historiker Albert Lichtblau.
Online seit heute, 17.36 Uhr
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„Auschwitz ist nicht vom Himmel gefallen“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen zur Eröffnung der Ausstellung Anfang Oktober in Auschwitz. Denn es gibt viele Verbindungen aus Österreich in das NS-Vernichtungslager – so zum Beispiel auch aus dem Haus Bärengässchen 6 in Salzburg-Mülln.

„Man brachte Fünfjährige nur hin, um sie zu ermorden“
In diesem Haus war einst ein Kinderheim. Im Straßenpflaster vor der Tür erinnern drei Stolpersteine an von den Nazis ermordete Kinder. Eines von ihnen war die am 29. April 1939 geborene Ida Petermann. Über sie wird auch in der neuen Auschwitz-Austellung erzählt – das Schicksal eines „Zigeunerkinds“ in der NS-Diktion: „Das Mädchen – noch nicht einmal fünf Jahre alt – wurde von einer Jugendfürsorgerin im Jänner 1944 von hier nach Auschwitz gebracht“, schildert Historiker Lichtblau. „Sie starb im selben Monat. Man brachte sie nur hin, damit sie ermordet wird.“

Fotostrecke mit 5 Bildern
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Die Österreich-Schau im Konzentrationslager Auschwitz wurde Anfang Oktober eröffnet
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Auch ein fünfjähriges Mädchen aus einem ehemaligen Kinderheim in Salzburg-Mülln wurde in dem KZ ermordet
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Eine Reisekostenrechnung erzählt mehr über ihr Schicksal
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Der Salzburger Historiker Albert Lichtblau ist einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Österreich-Schau in Auschwitz
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Die Schau in der KZ-Gedenkstätte ist seit Anfang Oktober geöffnet

Ida Petermanns Schicksal ist belegt durch einen Antrag auf Fahrtkostenersatz der Jugendfürsorgerin: „Das ist eines von vielen Dokumenten, wie banal diese Mordgeschichten im Nationalsozialismus waren und wie furchtbar – Kinder einfach umgebracht.“ Das Dokument – gerichtet an die Staatliche Kriminalpolizei Salzburg – ist nur eines von vielen in der neuen Österreich-Ausstellung in Auschwitz.

Ähnliche Ausstellung in Österreich bisher nicht realisiert
Es sei ein jahrelanger, zum Teil auch kräftezehrender Prozess gewesen, in dem diese Ausstellung Form und Inhalt bekam. An die 20.000 Menschen aus Österreich wurden in Auschwitz von den Nazis ermordet. In der Schau sind Opfer und Täter dokumentiert, betont Albert Lichtblau: „Wenn Österreich eine Ausstellung in Auschwitz-Birkenau macht – was Deutschland bis jetzt übrigens nicht darf – dann müssen wir – und das war auch in der Ausschreibung gefordert – über die Täterinnen und Täter sprechen. Und Österreich war eigentlich sehr, sehr wichtig für den Aufbau der beiden Lager – denn ganz wichtige Personen waren in der Zentralbauleitung.“

Lichtblau bemüht sich, eine Schau wie die neue Ausstellung in Auschwitz – mit einer Dokumentation der österreichischen Rolle am Mordregime der Nazis – auch in Österreich zu schaffen. Das war bislang vergeblich. Aber es wäre wichtig, ist der Historiker überzeugt: „Was es unbedingt geben soll, ist Achtsamkeit gegenüber allen Entwicklungen. Und die sind in Europa gerade ein bisschen besorgniserregend. Es kann noch schlimmer werden. Deshalb muss man dem Einhalt gebieten, dass Menschen ausgegrenzt werden.“

Erste Reaktionen auf Schau in Auschwitz positiv
Die ersten Reaktionen auf die österreichische Ausstellung in Auschwitz waren übrigens äußerst positiv – sowohl von den Verantwortlichen der Gedenkstätte in Polen als auch von ersten Besuchern. Darunter war auch eine Schulklasse aus Salzburg.
18.10.2021, red, salzburg.ORF.at

Link:
27.01.1945...Befreiung KZ-Auschwitz
 

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#9
Stiller Widerstand gegen die Nazis: Jan Liwacz musste den Schriftzug "Arbeit macht frei" schmieden und versteckte darin eine Botschaft


Das Eingangstor zum KZ Auschwitz
© Yay Images / Imago Images



von Eugen Epp
24.07.2022, 20:54 3 Min. Lesezeit

Über dem Eingangstor zum KZ Auschwitz prangt der berühmte Satz "Arbeit macht frei". Ein Häftling musste ihn schmieden – und nutzte die Gelegenheit, um ein kleines Zeichen gegen die Brutalität der Nazis zu setzen.

Das Tor zum Konzentrationslager Auschwitz steht nicht nur für eines der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, es zeigt auch die zynische Weltsicht. “Arbeit macht frei” steht dort in schweren Eisenlettern, eingefasst in einen schmiedeisernen Bogen. In dem Lager starben zwischen 1940 und 1945 1,1 Millionen bis 1,5 Millionen Menschen, die allermeisten davon Juden. Der Satz "Arbeit macht frei" ist zum Symbol dafür geworden.

Doch wer genau hinschaut, entdeckt eine Unregelmäßigkeit. Der Buchstabe B im Wort "Arbeit" sieht anders aus als gewohnt, er steht auf dem Kopf: die kleine Wölbung oben, die große unten. Was nach einem kleinen handwerklichen Fehler aussieht, war in Wirklichkeit ein Akt des Widerstands durch einen Lagerhäftling, der auch heute noch für alle Besucher des ehemaligen Konzentrationslagers zu erkennen ist.

"Arbeit macht frei": Ein Symbol des Widerstands

Jan Liwacz war der Mann, der den berüchtigten Schriftzug anfertigte und der auch für das umgedrehte B verantwortlich. Liwacz wurde 1898 in der polnischen Kleinstadt Dukla geboren. 1939 wurde er von den Nazis verhaftet und in verschiedenen Gefängnissen festgehalten, bis er 1940 zu den ersten Häftlingen gehörte, die ins damals neu entstandenen KZ Auschwitz deportiert wurden.

Von Beruf war Liwacz Kunstschlosser – und als solcher musste er für die SS-Wachleute im Lager immer wieder Schmiedearbeiten ausführen. Unter anderem wurde er auch damit beauftragt, den Schriftzug "Arbeit macht frei" zu schmieden. Der Kommandant Rudolf Höß hatte veranlasst, dass das Eingangstor mit diesem Satz geschmückt werden sollte. Auch in anderen Konzentrationslagern wurde der Spruch benutzt.

Liwacz bog dafür zwei Gasrohre zurecht und schweißte die Buchstaben dazwischen – darunter auch das auf dem Kopf stehende B. Der Lagerleitung und den SS-Wachleuten fiel dies wohl gar nicht auf, ansonsten hätte der Häftling wohl erneut drastische Konsequenzen über sich ergehen lassen müssen. Erst nach dem Krieg berichteten andere KZ-Insassen, dass Liwacz den Buchstaben falsch herum eingesetzt habe. Damit wollte der Pole wohl ein (wenn auch kleines) Zeichen des Widerstands setzen, auch ein Symbol der Hoffnung und des Lebenswillens in dieser lebensfeindlichen Umgebung.

Auschwitz – kein Arbeits-, sondern ein Vernichtungslager

Denn nichts liegt den Bedingungen im Konzentrationslager Auschwitz ferner als der Satz "Arbeit macht frei". Im Lager wurden die Insassen zu harter körperlicher Arbeit gezwungen, doch nie mit der Aussicht, sich dadurch von ihrem Leiden "befreien" zu können. Anders als in einem herkömmlichen Arbeitslager büßten die Häftlinge keine "Strafe" ab, sie hatten auch nicht die Möglichkeit, bei "guter Leistung" entlassen werden zu können. Viele Häftlinge starben an Erschöpfung, Krankheiten und Hunger.

Jan Liwacz überlebte den Holocaust: Ende 1944 wurde er ins KZ Mauthausen verlegt und kurz vor Kriegsende von US-Soldaten befreit. Nach dem Krieg kehrte er nach Polen zurück und arbeitete wieder als Kunstschmied. 1980 starb er im Alter von 81 Jahren. 2009 wurde das Eingangstor mit der von ihm geschmiedeten Inschrift gestohlen, jedoch schnell wieder aufgefunden und restauriert.

So ist sein umgedrehtes B ist bis heute das erste, was Besucher der Gedenkstätte Auschwitz erblicken – und weiterhin ein Symbol für den Widerstand gegen : Das Internationalen Auschwitz Komitee vergibt seit 2010 eine Skulptur in dieser Form an Persönlichkeiten, "die nach dem Gedanken der Überlebenden von Auschwitz 'Nie wieder!' handeln". Zu den bisherigen Preisträger:innen zählen unter anderem Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel.

Quellen: "Neues Deutschland" / Ines Rensinghoff: "Auschwitz-Stammlager – Das Tor Arbeit macht frei" / Internationales Auschwitz Komitee
Quelle: Stiller Widerstand: Auschwitz-Häftling musste "Arbeit macht frei" schmieden – und versteckte darin eine Botschaft
 

josef

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27. JÄNNER
Holocaust-Gedenktag: Wie sich Erinnerungsarbeit verändert
Der Holocaust-Gedenktag wird weltweit begangen, um an NS-Opfer zu erinnern. Doch wie kann es gelingen, ein "Nie wieder!" als Vermächtnis der Überlebenden für Folgegenerationen zu bewahren? Über neue Wege im Umdenkprozess

Edward Mosberg kehrte regelmäßig nach Mauthausen zurück, um seine Geschichte zu erzählen. Er starb im Vorjahr.
Foto: Werner Dedl

Als die 322. Infanteriedivision der 60. Armee der I. Ukrainischen Front am 27. Jänner des Jahres 1945 das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreite, standen den Soldaten nur noch 7600 Überlebende gegenüber. In den Jahren zuvor waren mehr als 1,1 Millionen Menschen an dem Ort der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie ermordet worden.

Heute, 78 Jahre später, sind Orte wie Auschwitz-Birkenau ein Synonym für den Holocaust. Gleichzeitig sind sie zu Lern- und Gedenkstätten geworden. Sie sind eine stete Erinnerung an das Versprechen "Niemals wieder".

Doch die Gedenkpraxis unterliegt einem stetigen Wandel. Heute geschieht Vermittlung anders als noch vor wenigen Jahren. So wurden die großen Ausstellungen beispielsweise in der Gedenkstätte Mauthausen (2013) oder der Österreich-Teil (2021) der Gedenkstätte Auschwitz neu gestaltet. Zudem gibt es immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die etwa in Schulen gehen und mit Jugendlichen ihre Geschichten teilen.

Das wirft die Frage auf: Besteht ohne die lebendige Erinnerungserzählung die Gefahr, dass der Holocaust an Schrecken verliert und zu einem bloßen Teil der Geschichte verkommt?

Die nächste Generation
Über das Programm Erinnern.at der Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) besuchen aktuell noch acht bis neun Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unterschiedlicher Verfolgtengruppen Schulen – vor allem in Wien und im Großraum der Bundeshauptstadt, aber auch in Kärnten. "Der letzte Zeitzeuge, der in den vergangenen Jahren noch in ganz Österreich sehr aktiv war, war Karl Pfeifer", erzählt Julia Demmer, Leiterin des Zeitzeugenprogramms. Pfeifer ist am 6. Jänner mit 94 Jahren verstorben.

Nun toure nur noch Stefan Horvath für das Projekt durch ganz Österreich. Allerdings: Er gehört bereits der sogenannten "zweiten Generation" an. Das heißt: Seine Eltern überlebten Auschwitz, er wurde erst nach der Befreiung im Jahr 1949 in einer Romasiedlung in Oberwart geboren. Wie Horvath sollen künftig auch andere Nachkommen ihre Geschichte erzählen. Erinnern.at will heuer mit einer wissenschaftlich begleiteten Pilotphase starten: Gespräche von Jugendlichen und Nachkommen.

Virtuelle Erzählungen
Auch weitere Ansätze gibt es, die auf den Umstand reagieren, dass die Überlebenden immer weniger werden. So arbeitet Erinnern.at etwa schon seit vielen Jahren mit bestehenden oder eigens aufgezeichneten Videointerviews. Auf didaktisch aufbereiteten Lernwebsites werden zusätzliche Infos wie biografische Texte zur Verfügung gestellt. "Am Einzelschicksal kann exemplarisch etwas über das große Verbrechen gezeigt und vermittelt werden", sagt Demmer. Und: Eine lebensgeschichtliche Erzählung sei manchmal leichter zugänglich, gehe nahe, ins Ohr, fördere meist Anteilnahme und Interesse. "Und macht damit eine – wenn auch vielleicht kleine – Türe zu einem breiteren und differenzierteren Wissen über die NS-Verbrechen auf", sagt Demmer.

Über die Gespräche mit den Kindern und Enkeln der Überlebenden sollen aber auch neue Themen in den Unterricht geholt werden, wie etwa das Aufwachsen in Österreich nach 1945, im Land der Täterinnen und Täter, oder der anhaltende Antisemitismus. Denn Nachkommen sollen nicht nur die Geschichte der Eltern erzählen, sondern auch ihre eigene Lebensgeschichte.

Orte der Erzählung
"Wenn es die Zeitzeugen nicht mehr gibt, dann liegt es an uns, dass wir ihre Geschichten erzählen – mittels Biografien, Interviews, Objekten, die sie uns überlassen haben", ist Barbara Glück, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, überzeugt. "Es gibt die Orte wie die Gedenkstätte Mauthausen, an denen die Geschichte präsent ist. Es ist auch unsere Aufgabe, dass sie präsent bleibt." Man habe zentrale Leitideen, die die Vermittlungsarbeit – sei es in den Rundgängen oder in der Ausstellung – begleiten würden. Glück: "Ein ganz wichtiges Element ist es, die Perspektive der Opfer in den Vordergrund zu stellen – ihr entsprechend Raum zu geben." Neben historischen Fakten müsse man den würdigen und pietätvollen Umgang mit den Opfern wahren.

Ein Schlüssel sei die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Die "Kernidee" laut Glück: "Dass sich Besucher die Frage stellen: ‚Was hat das mit mir zu tun?‘" So habe jeder einen persönlichen Zugang zu dem Thema.

Auf Schockmomente verzichtet man mittlerweile in den Ausstellungen. "Uns ist bewusst, dass der Ort und seine Geschichte selbst für viele Besucher emotional schwierig sein kann", sagt Glück. Eine "emotionale Überwältigung" verhindere oft eine kritische Reflexion. "Wenn man in den Bereich der Tötungsräume kommt, hat man entweder durch den Rundgang oder die vorgeschaltete Ausstellung eine Art kognitives Scharnier – eine Vorbereitung auf das, was man nachher sieht. Und plötzlich ist nicht mehr relevant, dass man die Gaskammer nicht mehr betreten kann."

Beteiligung in Entwicklung
Ein Beispiel, wie Gedenken neu gedacht wird, ist der Entwicklungsprozess rund um das ehemalige KZ Gusen. Die Schauplätze der Nazi-Gräuel in St. Georgen und Langenstein schienen über Jahrzehnte auf der Gedenklandkarte kaum auf. Spät richteten Kunstprojekte wie der "Audioweg Gusen" des in St. Georgen aufgewachsenen und in Berlin lebenden Künstlers Christoph Mayer die Scheinwerfer auf das unsichtbare Lager.

Im Mai 2021 kaufte die Republik Teile des ehemaligen Areals. In der Entwicklung der Gedenkstätte geht man einen völlig neuen Weg: Statt auf ein fertiges Konzept setzt man auf Beteiligung. In einer ersten Phase konnten unmittelbare Anrainer, der Bürgermeister sowie Vertreter der nationalen und internationalen Opferverbände Bedürfnisse äußern.
(Oona Kroisleitner, Markus Rohrhofer, 27.1.2023)
Holocaust-Gedenktag: Wie sich Erinnerungsarbeit verändert
 
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