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#21

Kreative Ideen für Zwentendorf-Jubiläum gesucht

Vor 40 Jahren entschied sich die Mehrheit der Österreicher gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf (Bezirk Tulln), das daraufhin nie in Betrieb ging. Anlässlich dieses Jubiläums werden nun kreative Ideen gesucht.
Das Kraftwerk war eigentlich auf Hochbetrieb ausgerichtet. 1,8 Millionen Haushalte hätten einst von Zwentendorf aus mit Strom versorgt werden sollen. Doch seit 40 Jahren, seit der Volksabstimmung vom 5. November 1978, steht an diesem Ort die Zeit still.

„In den Abendstunden des 5. November ist das Ergebnis im Österreichischen Rundfunk verkündet worden. Eine knappe Mehrheit von 50,47 Prozent der Bevölkerung hat sich gegen die Inbetriebnahme des fertigen Kernkraftwerkes ausgesprochen. Das kam für sehr viele Leute sehr, sehr überraschend“, sagte EVN-Sprecher Stefan Zach gegenüber noe.ORF.at.


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Kraftwerk als Dreh- und Trainingsort
Für 200 bereits beschäftigte Mitarbeiter brach an jenem Abend eine Welt zusammen. „Das waren 200 zum Großteil hochqualifizierte Kerntechniker, die jahrelange Spezialausbildungen in Deutschland und den Vereinigten Staaten gemacht haben für diesen verantwortungsvollen Job. Denen ist bewusst geworden, dass sie ihren Job nicht in Österreich ausüben werden“, so Zach. Seit vierzig Jahren kann man in den 1.050 fensterlosen Räumen des Kraftwerks nun eine Stecknadel fallen hören.

„Es ist mit Sicherheit einer der einsamsten Orte in Österreich. Es ist hier eine Person beschäftigt, die darauf achtet, dass die Anlage in einem sicheren Zustand bleibt“, sagte der EVN-Sprecher. Dennoch bekommt Zwentendorf zusätzlich auch regelmäßig Besuch. Kerntechniker trainieren dort, Filme werden gedreht und Führungen angeboten.


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EVN will Jubiläum im Herbst groß feiern
Außerdem wird am Gelände mittlerweile Strom aus Sonnenenergie erzeugt. Seit 2005 ist das Kraftwerk im Besitz des Energieversorgers EVN. Das 40-Jahr-Jubiläum der Volksabstimmung will das Unternehmen im Herbst groß begehen. „Heute ist die Gegnerschaft zur Kernenergie etwas, das Österreich nicht spaltet, sondern vereint. Wir wünschen uns, dass man diesen Jahrestag nicht als etwas Trauriges und Deprimierendes begeht, sondern als etwas Fröhliches“, so Zach.

Um Österreichs „Nein“ zur Kernenergie gebührend zu feiern, sucht die EVN derzeit noch nach Ideen. Ab sofort können Einfälle für Events, Aktionen oder sonstige kreative Ideen auf der EVN-Homepage kundgetan werden.

Links:
Publiziert am 30.03.2018
http://noe.orf.at/news/stories/2903745/
 

josef

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#22


40 Jahre AKW: „Nein“ eint heute Bevölkerung
Mit einer knappen Mehrheit sprach sich Österreich am 5. November 1978 in einer Volksabstimmung gegen das AKW Zwentendorf aus. 40 Jahre später spaltet das Thema Atomkraft die Bevölkerung nicht mehr, sondern eint sie.
Am Abend des 5. November 1978 brach für die Mitarbeiter des Atomkraftwerks Zwentendorf (Bezirk Tulln) eine Welt zusammen. Der Traum einer strahlenden Zukunft war geplatzt, die Spezialausbildung im Ausland über Jahre hinweg für den erhofften Job in Österreich war nichts mehr wert.

50,5 Prozent waren dagegen
Innenminister Erwin Lanc (SPÖ) gab am Abend des 5. November 1978 das Ergebnis bekannt. 1,576.709 Österreicher (49,5 Prozent) stimmten für die Atomkraft, 1,606.777 (50,5 Prozent) votierten dagegen - die Gegner lagen mit nur 30.068 Stimmen vorne. Die Volksabstimmung ging somit denkbar knapp gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich und damit gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf aus.


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Innenminister Erwin Lanc verkündet das Ergebnis: 1,606.777 der Abstimmungsberechtigten waren gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf

Waldviertel und Alberndorf als Endlager im Gespräch
Nach dem Zweiten Weltkrieg war in Österreich der Energieverbrauch dramatisch gestiegen, 1958 begann die Standortsuche für ein Kernkraftwerk, 1972 starteten die Bauarbeiten in Zwentendorf. Die Inbetriebnahme verzögerte sich jedoch, auch weil kein Standort für die Endlagerung des Atommülls gefunden wurde. Sowohl im Waldviertel als auch in der Gemeinde Alberndorf (Bezirk Hollabrunn) stemmten sich Bevölkerung und Bürgermeister mit Erfolg gegen einen möglichen Deponiestandort.

Ab 1975 wuchs in Österreich die Anti-Atomkraft-Bewegung. Es kam unter anderem zu einem Protestmarsch auf der Wiener Ringstraße. An vorderster Front war damals Carl Manzano dabei, der heutige Direktor des Nationalparks Donau-Auen. „Wir sind deshalb gegen Atomkraftwerke, weil sie die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung gefährden“, so Manzano damals, vor 40 Jahren, im Interview. „Niemand kann uns garantieren, dass es nicht zu einem großen Unfall kommt.“


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Auch Prominente machten gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf mobil, wie etwa der Schriftsteller Peter Turrini, der Liedermacher Georg Danzer und der Nobelpreisträger Konrad Lorenz in einer Pressekonferenz zwei Monate vor der Volksabstimmung im September 1978: „Ich geniere mich zu bekennen, dass ich jahrelang an Zwentendorf vorübergebraust bin, gesehen habe, wie das allmählich wächst und mir nichts dabei gedacht habe. So blöd sind die allermeisten von uns gewesen“, sagte Lorenz.

Zweites größeres AKW in St. Pantaleon-Erla geplant
Argumente für und gegen die Atomkraft dominierten in den Wochen vor der Volksabstimmung das Straßenbild. Am 5. November 1978 wurde der Einstieg Österreichs in die Atompolitik mit einem denkbar knappen Unterschied von rund 30.000 Stimmen gerade noch verhindert. Zwentendorf wäre nämlich nur der Anfang gewesen.


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Die Diskussionen über das Atomkraftwerk spalten die Bevölkerung

Wie der ORF im Februar 1978 berichtete, war in St. Pantaleon-Erla (Bezirk Amstetten) bei der Einmündung der Enns in die Donau ein weiteres Atomkraftwerk, „doppelt so stark wie Zwentendorf“, geplant. „Wenn schon das Werk an unserem Standort gebaut werden sollte, dann bin ich interessiert, dass es in meiner Gemeinde gebaut wird“, sagte der Bürgermeister von St. Pantaleon-Erla, Florian Himmelbauer. „Wenn schon eine Gefahr sein sollte, dann will ich auch den Nutzen haben.“

40 Jahre nach der Volksabstimmung wird auf dem Kraftwerksgelände in Zwentendorf, das die EVN 2005 gekauft hatte, nun doch Strom erzeugt, nämlich mithilfe von Photovoltaikanlagen. Die Atomkraft ist heute zu einem Thema geworden, das die Bevölkerung nicht mehr spaltet, sondern eint.

Links:
Publiziert am 03.11.2018
40 Jahre AKW: „Nein“ eint heute Bevölkerung
 
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Senator74

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#25
Ein inländischer Reaktorunfall ist uns erspart geblieben, aber in den Nachbarländern schlummert in den Reaktoren genügend Gefahrenpotential.
Seit Tschernobyl (spätestens) wissen wir, dass die frei gewordene tödliche Strahlung nicht an der Grenze Halt macht.
(Laut Hofrat Nims von der steiermärkischen Landesregierung waren wir (dank der überirdischen Atomversuche der damaligen Großmächte) 1966 einer ähnlich starken Strahlung ausgesetzt, wie bei Tschernobyl. Nur wußten das damals einige wenige Leute, Panikmache wurde tunlichst vermieden.
Sogar die Dreharbeiten nahe der Mojave-Wüste wurden weitergeführt, bis die Leute dort nach relativ kurzer Zeit an Krebs erkrankten und starben, wie John Wayne ...
 

josef

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#26
Geiselnahme im AKW: Cobra trainierte Ernstfall
Eine Geiselnahme im Inneren des nie ans Netz gegangenen Atomkraftwerks in Zwentendorf - so lautete das Übungsszenario der Sondereinheit Cobra im Bezirk Tulln. Die Spezialkräfte trainierten u. a. Fallschirmsprünge für den Ernstfall.
Geübt wurde, das Gebäude „zu übernehmen“, sagte Oberst Rainer Wintersteiger. „Wir haben schon an vielen Orten trainiert: bei Schulen, Krankenhäusern und stillgelegten Betrieben. Das AKW ist für uns ein weiteres Highlight.“ Vor allem für die Fallschirmspringer sei das Landen auf dem Kraftwerksdach „eine besondere Herausforderung“ gewesen.






3 Fotos EVN/Antal

Dabei gehören Fallschirmsprünge für diese Spezialkräfte zum „täglichen Brot“. Jeden Monat gilt es, vier Tage mit Fallschirmsprungübungen zu absolvieren. Denn für diese Spezialausbildung sind etwa 500 Sprünge notwendig. „Trotzdem ist jeder Sprung aufs Neue wieder ein spannender Nervenkitzel“, so Wintersteiger.

„Normalerweise öffnen wir unsere Pforten freiwillig, sodass kein gewaltsames Eindringen erforderlich ist“, spielte EVN-Sprecher Stefan Zach auf die Rolle des AKW Zwentendorf als Besuchermagnet an. Rund 15.000 Personen besichtigen das Gebäude, das seit 2005 im EVN-Eigentum steht, Unternehmensangaben zufolge jährlich.

Link:
Publiziert am 19.04.2019
Geiselnahme im AKW: Cobra trainierte Ernstfall
 

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#27
AKW Zwentendorf: Ein Ort des Scheiterns im Porträt
Über unser Atomkraftwerk, das 1978 abgewählt wurde, Notlösungen, schräge Nutzungsideen und grüne Metamorphose.
NÖN-Tulln, von Anna Perazzolo, Verena Huber und Norbert Oberndorfer. Erstellt am 06. Oktober 2021

AKW Zwentendorf
Foto EVN

Zum Spatenstich im Jahr 1972 hat niemand geahnt, dass Österreichs einziges Atomkraftwerk in Zwentendorf (Bezirk Tulln) fertiggestellt, aber nie in Betrieb genommen wird. Statt Energiegewinnung durch Atomspaltung wird dort heute Sonnenstrom durch Photovoltaik erzeugt.

Um Haaresbreite gescheitert
„Hier ist über drei Jahrzehnte alles gescheitert, was geplant wurde“, sagt Stefan Zach, Pressesprecher der EVN. In den 70ern war die Einstellung zur Atomkraft durchwegs positiv. In der Politik – SPÖ und ÖVP sprachen sich dafür aus – und der Gesellschaft. Zach schätzt, dass damals 65 Prozent der Bevölkerung der Atomkraft positiv gesinnt waren.

Dennoch scheiterte die Inbetriebnahme an den 30.000 Personen, die bei der Volksabstimmung 1978 für eine Mehrheit der Gegner sorgten. Auch nach der Abstimmung ging in Zwentendorf einiges schief. Man hoffte, das AKW irgendwann in Betrieb nehmen zu können. Um es vor dem Verfall zu schützen, ging man in den Konservierungsbetrieb. Schrauben wurden geölt, Teile in Plastik eingewickelt.

Jahrelange Übergangslösungen
Das AKW diente als Ersatzteillager für andere Werke in Europa. Außer den Brennelementen, einer Turbine und dem Generator konnte aber nichts verkauft werden. „98 Prozent der Originalteile sind noch heute in Zwentendorf erhalten“, weiß Zach. Der verlassene Reaktor fand seine Verwendung als Landesgendarmerieschule und als Sicherheitszentrum für deutsche Kraftwerk-Techniker.


Bei Inbetriebnahme des AKW hätten zur Stromerzeugung in der 20 Meter tiefen Reaktor-Röhre radioaktive Brennstäbe Wasser zum Kochen gebracht.
Foto NÖN

Bis zum japanischen AKW-Unglück Fukushima 2011. Deutschland wählte den Atomausstieg, und Zwentendorf wurde zum Rückbau-Trainingscamp umgemodelt. Geübt wurde, wie Kernkraftwerke gefahrlos stillgelegt werden können.

Viele Pläne waren im Gespräch
„Zwentendorf ist ein Ort, der schräge Menschen und schräge Projekte angezogen hat wie kein Zweiter“, sagt Zach. Der Künstler Hundertwasser wollte ein Museum der fehlgeleiteten Technologien errichten. Wäre es nach dem Kärntner Baumeister Robert Rogner gegangen, wäre dort ein Abenteuerland entstanden. Auf die Spitze trieb es der durch den Fall Lucona bekannte und verurteilte Udo Proksch: Um die Trauerkultur zu verändern, wollte er einen Friedhof der Senkrechtbestatteten bauen. Alle Ideen wurden abgelehnt.

Heute lockt der leer stehende Reaktor jährlich tausende Besucher an, davon profitiert auch die Raststation Bärndorferhütte am Donauradweg. Seit 2010 werden im AKW Führungen angeboten. Immer wieder dient es als Filmkulisse und Veranstaltungsort. Beim Shutdown Festival bewegten sich etwa 13.000 Gäste zur Hardstyle-Musik.

Eigentümerwechsel änderte viel
Neben einem „wunderschönen Stück österreichische Zeitgeschichte“ hat die EVN im Jahr 2005 ein 24 Hektar großes, als Kraftwerksgelände gewidmetes Areal erworben. Für das Unternehmen dient es als Reservestandort für ein mögliches Kraftwerk. 1,8 Millionen Haushalte hätte das AKW versorgt. Die PV-Anlage mit 2.300 Paneele und 450 Kilowatt Leistung wandelt Sonnenstrahlen in Energie um. Somit verdient sich der Weg, der zum AKW führt, den Namen „Sonnenweg“, den er seit 2009 trägt, allemal.


HISTORISCHER ABRISS ZUM AKW IN NÖ
Erster Forschungsreaktor: Mit dessen Bau im Jahr 1958 in Seibersdorf (Bezirk Baden) stieg Österreich in die Atomenergie ein. Er wurde 2000 stillgelegt.
Mehrere Atomkraftwerke: Der Energieplan sah den Bau von drei Kernkraftwerken in Österreich vor: in St. Pantaleon-Erla, Zwentendorf und St. Andrä (Kärnten). Mit 3.300 Megawatt Gesamtleistung sollten sie sechs Millionen Haushalte mit Strom versorgen.
Bau des AKW Zwentendorf: Nach Baugenehmigung 1969 erfolgte am 4. April 1972 der Spatenstich. Gebaut wurde an dem Siedewasserreaktor mit einer Leistung von rund 732 Megawatt bis 1977. Errichter und Betreiber war die Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld GesmbH (GKT).
Proteste und Streiks: 500.000 Menschen umfasste die 1975 gegründete „Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner“: Sie demonstrierten über Parteigrenzen und ideologische Hintergründe hinaus. 1976 traten Vorarlberger Frauen in einen Hungerstreik vor dem Kanzleramt, um einen Probebetrieb in Zwentendorf zu verhindern.
Volksabstimmung: Kanzler Bruno Kreisky setzte die Abstimmung in Erwartung eines positiven Ergebnisses über die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf am 5. November 1978 an. Das Ergebnis: bei einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent stimmten 49,53 Prozent für eine Inbetriebnahme, 50,47 dagegen. Die Differenz betrug 29.469 Stimmen.
Atomsperrgesetz: Im Dezember 1978 beschloss der Nationalrat das Verbot, den Betrieb und Neubau von Atomkraftwerken in Österreich. 1985 startete die „stille Liquidierung“ des AKW nach GKT-Gesellschaft-Beschluss: Brennstäbe und Anlagenteile wurden verkauft. Das AKW in Zwentendorf kostete inkl. Konservierung 14 Milliarden Schilling (1,01 Milliarden Euro).
AKW Zwentendorf: Ein Ort des Scheiterns im Porträt
 

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#28
Fotostrecke aus ORF-Serie „100 JAHRE NIEDERÖSTERREICH“:
Beitrag
Volksabstimmung zerstört Jobs und Träume
Fotos des fertiggestellten AKW:
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
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APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
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Der Konservierungsbetrieb wurde beendet und noch im Jahr 1986 begann der Verkauf von Kraftwerksteilen an fünf baugleiche Kernkraftwerke in Deutschland. Später wurde eine Öffnung in die doppelwandige Kondensationskammer des Kraftwerkes geschnitten, um die Kammer den Besuchern zugänglich zu machen. Damit ist eine Inbetriebnahme des Kernkraftwerks unmöglich, da an dem Durchbruch Strahlung austreten und somit das AKW keine Zulassung mehr bekommen würde. Dieser Durchbruch wird auch als „Todesstoß von Zwentendorf“ bezeichnet...
18.07.2022, Stefan Schwarzwald-Sailer, noe.ORF.at
Volksabstimmung zerstört Jobs und Träume

Links zu:
Volksabstimmung zerstört Jobs und Träume - Teil 1

Volksabstimmung zerstört Jobs und Träume - Teil 2
 

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#29
GEDANKENEXPERIMENT
Ließe sich das AKW Zwentendorf im Notfall hochfahren?
Wenige politische Entscheidungen haben in Österreich so viel Rückhalt wie das Nein zur Atomenergie. Doch in Krisen wachsen leise Zweifel. Wie steht es um den veralteten Bau?

Nicht nur in Sachen Digitalisierung müsste man im AKW, das nie in Betrieb ging, Berge versetzen.
Foto: AFP / Joe Klamar

Klobige Röhrenbildschirme stehen neben vintagetauglichen Schaltplatten, die beleuchtet an alte Science-Fiction-Kulissen erinnern. So sieht es in der 70er-Jahre-Zeitkapsel aus, die das Atomkraftwerk Zwentendorf in Niederösterreich darstellt. So kann die Zukunft kaum aussehen. Und doch stellen sich manche bei Diskussionen rund um Atomenergie die Frage, ob sich das veraltete AKW im Notfall nicht doch hochfahren ließe.

Seit rund einem Jahr wird der Gedanke im Zuge von Führungen durch das Bauwerk immer häufiger geäußert, sagt Stefan Zach vom Energieunternehmen EVN, der mit der Geschichte des nie eingesetzten Kraftwerks vertraut ist. "Vor allem junge Menschen fragen nach. Ich glaube, das liegt an verschiedenen Ängsten, die wir als Gesellschaft mit uns herumtragen und die akut um mögliche Energieknappheit und einen Blackout kreisen."


Die einst als Atomkraftwerk geplante Anlage Zwentendorf wird heute nur noch für Führungen und Schulungen genutzt.
Foto: AFP / Joe Klamar

Totes Kraftwerk
Die kurze Antwort lautet: nein. "Dafür sind zu viele Teile bereits angerostet", macht der Experte deutlich. Zwar seien mehr als 90 Prozent des Originalinventars vorhanden, dennoch fehlen wesentliche hochspezialisierte Teile. So verkaufte man einst etwa den Generator und eine von drei Turbinen an Kernkraftwerke in Deutschland. Die Technik ist freilich auch nicht up to date. "Es gibt dort keinen Computer", sagt Zach. Der erste Lochstreifencomputer Österreichs, der ein eigenes Zimmer füllte, war der einzige vor Ort, bis er dem Technischen Museum Wien geschenkt wurde.


Rost und der Zahn der Zeit nagen bereits ausgiebig an den Bestandteilen des Kernkraftwerks.
Foto: Philip Pramer

Ein Update des Komplexes ist also unrealistisch. Schon der frühere Bundeskanzler Fred Sinowatz verkündete: "Zwentendorf ist tot." Der Pfahl ins Herz, der eine Auferstehung unmöglich macht, kam vor Jahren, als man für Besucherinnen und Besucher eine Tür in die Kondensationskammer schnitt. Damit fehlt ein wichtiges Schutzelement gegen radioaktive Strahlung. "Man müsste die gesamte Außenhülle wegreißen", sagt Zach. "Da kann man gleich neu bauen." Das unterstreicht Friederike Frieß vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Eine Ertüchtigung sei extrem teuer.

Zusätzlich spiele beim Gedankenexperiment "österreichisches Atomkraftwerk" der Zeitfaktor eine Rolle. "In China, wo AKWs relativ schnell gebaut werden, benötigt man dafür im Schnitt neun Jahre." Rechnet man hierzulande etwa Genehmigungsverfahren und Prüfungen ein, könne es nach ihrer Einschätzung 15 bis 20 Jahre dauern, bis ein AKW in Betrieb gehen könnte. Auch dies sei nur dann realistisch, wenn es sofort hieße: "Wir ziehen das jetzt durch."

Eine Frage der Verfassung
Wie unwahrscheinlich eine Kursänderung ist, macht die österreichische Verfassung deutlich – gesellschaftlich wie rechtlich. Aus dem Bundesgesetz "für ein atomfreies Österreich", das dem "Atomsperrgesetz" von 1978 folgte, lässt sich schließen, dass Kernreaktoren lediglich für Forschungszwecke betrieben werden dürfen. Der Titel des Gesetzes ist genau genommen zwar fragwürdig: Atome können als Bausteine aller Materie nicht per se des Landes verwiesen werden, sondern nur die Atomkernspaltung zur Gewinnung von Energie und Nuklearwaffen.


Das 1970er-Jahre-Flair wird aller Wahrscheinlichkeit nach kein Update erfahren.
Foto: AFP / Joe Klamar

Politisch hat das Verfassungsgesetz jedoch nach wie vor breitesten Rückhalt. Keine Partei wagt es, an dem Grundsatz zu rütteln, der seit der – äußerst knappen – Volksabstimmung gegen das AKW Zwentendorf fix in die österreichische DNA eingeschrieben scheint. Er ist etwa im aktuellen Regierungsprogramm fixiert. Auf EU-Ebene zählt Österreich zu den wenigen Gegnern der noch jungen EU-Taxonomie-Verordnung. Diese macht es möglich, dass Gas und Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als "grün" deklarierbar sind.

Um das Verfassungsgesetz zu ändern, wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig. Das sei in näherer Zukunft höchst unwahrscheinlich, sagt Zach: "Ich glaube, ein großer Teil der Bevölkerung ist sehr stolz auf die Zwentendorf-Entscheidung. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die deutliche Ablehnung der Kernenergie in den nächsten Jahren dramatisch verändern wird." Umfragen zeigen eine Ablehnung von 80 Prozent und mehr – selbst wenn die letzte Reaktorkatastrophe wieder einige Jahre zurückliegt.
(Julia Sica, 19.10.2022)
Ließe sich das AKW Zwentendorf im Notfall hochfahren?
 
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