Alte Dampfloks für Streckensperren und als "Strategische Reserve"

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Angeregt durch einen Thread im „Eisenbahnforum Österreich“ über Dampfloks der sogenannten „Strategischen Reserve“ nachfolgend ein Bericht der indirekt auch zum Thema FAN und Sperren passt:

Ab den späten 60iger- bis Anfang der 80iger Jahre waren bei einigen „Heizhäusern“, heute „Traktionsstandorte“ bzw. in Deutschland „Bahnbetriebswerke“ (BW), von den ÖBB ausgeschiedene („kassierte“) Dampflokomotiven hinterstellt. Die größtenteils der Baureihe 52 angehörenden Loks waren voll lauffähig (fahrfähig) und sollten im Verteidigungsfalle an strategisch günstige/wichtige Stellen im Bahnnetz, wie Brücken, Tunnels, Einschnitten usw. geschleppt werden. Dort wären sie durch wegsprengen von Achsen fahrunfähig gemacht worden und hätten so zur Sperrung der betreffenden Strecke beigetragen. Diese zu sperrenden Eisenbahnobjekte waren natürlich abgestimmt mit den Verteidigungsanlagen in Schlüsselzonen- und Räumen im Rahmen der Raumverteidigung.

Nachweisbare Stationierungsorte waren die Bahnhöfe Wien-Nord, Selzthal, Krems (=> Sperre der Eisenbahnbrücke über die Donau), Linz und Bischofshofen (=> Sperre Ofenauer-Tunnel der Westbahn, parallel zu den Anlagen am Pass Lueg). Dies ist sicher nur ein Bruchteil der tatsächlich vorhandenen Standorte solcher „Sperrloks“!

Laut Aussage eines älteren Eisenbahners gab es angeblich auch einige betriebsfähig eingemottete/konservierte Dampfloks als „Eiserne Reserve“ für Ersatz bzw. Einsatz auf elektrifizierten Strecken bei Stromausfall, Fahrleitungsstörungen..., da ja dann auch ein Engpass an Dieselloks eingetreten wäre.

Ob die Lokomotiven im Eigentum des ÖBH standen oder von den ÖBB nur für den Ernstfall bereitgehalten wurden, ist mir nicht bekannt.

lg
josef
 
Zuletzt bearbeitet:
G

gusis

Nicht mehr aktiv
#2
dass mit der Lokomotive am Paß Lueg kann ich nur bestätigen das hab ich schon auch vom damaligen Regimentskommandanten gehört.
 

Soundy

† (17. Juli 2020)
#3
Im Bahnhof Wien-Heiligenstadt standen auch zwei "strategische" Dampfloks der Reihe 52 (irgendwann habe ich sie fotografiert), wahrscheinlich zum Blockieren von Eisenbahnbrücken über die Donau.
Meines Wissens nach waren die Loks immer im Besitz der ÖBB.

Soundy
 
#4
josef hat geschrieben:
Angeregt durch einen Thread im „Eisenbahnforum Österreich“ über Dampfloks der sogenannten „Strategischen Reserve“ nachfolgend ein Bericht der indirekt auch zum Thema FAN und Sperren passt:
hallo Josef, könntest du bitte den Thread im Eisenbahnforum linken verlinken?

danke
 
#7
Hallo,

Auch in St. Valentin wurden 2 52er als strategische Reserve vorbehalten.
Wems interresiert, in einer älteren Ausgabe von Schienenverkehr aktuell
war mal eine genaue Aufstellung aller Strategischen drinnen, kanns bei Bedarf rausssuchen und reinstellen.

lg diesel
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#9
Bahnverbindung Bratislava - Wien über Marchegg

Als Ergänzung zu den Beiträgen über Lokomotiven der strategischen Reserve ein weiteres Eisenbahnthema aus der Zeit des „Kalten Krieges“:

Mir ist da ein Zeitungsartikel, erschienen im KURIER in den 70iger Jahren mit etwa folgendem Titel in Erinnerung:

„An Wochenenden freie Fahrt für Warschauer Pakt-Truppen bis nach Wien“!

Es wurde berichtet, dass über den österreichischen Streckenabschnitt Marchegg – (Wien) Stadlau der Bahnverbindung Bratislava - Wien (nördlicher Ast der Ostbahn) an Wochenenden eine sogenannte „Nachtsperre“ verfügt wurde. Das heißt, während eines bestimmten Zeitabschnittes in den Nachtstunden ruht der Zugsverkehr und die an der Strecke liegenden Verkehrsstellen (Bahnhöfe, Haltestellen, Blockstellen...) sind mit keinem Personal besetzt. Weiters sind lt. Vorschrift bei einer Nachtsperre die Sicherungseinrichtungen einer Strecke so zu stellen, dass eine durchgehende „freie Fahrt“ auf dem betroffenen Streckenabschnitt möglich ist. Diese Maßnahme gewährleistet eine allenfalls notwendige Durchfahrt am Hauptgleis in Weichenbereichen von Bahnhöfen usw. ohne das eine in die „Ablenkung“ gestellte Weiche zur Entgleisung führt.

Im konkreten Fall wäre also zu bestimmten Nachtzeiten an Wochenenden eine ungehinderte Durchfahrt (=> Truppentransporte) von jenseits der March (=> Devinska N. Ves, damals Tschechoslowakei, heute Slowakei) bis zur Einfahrtsweiche in den Bahnhof Wien-Stadlau möglich gewesen.

Unter Ausnützung des Überraschungseffektes hätten sicherlich einige Transportzüge in kürzester Zeit die rund 40 Streckenkilometer bis ins nördliche Wiener Stadtgebiet überwunden... An Grenzsicherung gab es damals nur eine geringe Anzahl von Zollwachebeamten, bis da ein Alarm außerhalb üblicher Dienstzeiten die bürokratische Meldehierarchie überwunden hätte...um die ebenfalls schwerfällige Befehlskette für Abwehrmaßnahmen in Gang zu setzen... :fragend

Ausgelöst durch diesen Zeitungsartikel wurden dann diverse (=> geheime) Gegenmaßnahmen eingeführt. Anzunehmen ist, dass dann eben durch umstellen von Weichen nach Betriebsende bis Betriebsbeginn solche Züge ins Nirwana geschickt worden wären...

Lg
josef
 
Zuletzt bearbeitet:
#10
Zu erst ein "herzliches Grüß Gott" - bin neu hier und hoffe zum informativen Gehalt dieses Forums beitragen zu können.

Zum Thema Lokomotoven als strategische Reserve:
Diese Bezeichnung erhielten betriebsfähige Lokomotiven der ÖBB - dies waren Dampflokomotiven, mit denen man auch bei Ausfall der Bahnstromversorgung bzw. Ausfall der Versorgung mit Dieselkraftstoff einen Notbahnbetrieb (mit vom Import unabhängiger Kohle) aufrechterhalten hätte können.
Diese Tfz waren immer im Besitz der ÖBB.

Zur Verrammelung von Tunnels und/oder Brücken wurden nicht mehr betriebsfähige Tfz und Waggons bereitgehalten, die wie bereits weiter oben beschrieben in den jemweils zu sperrenden Abschnitt gezogen und dort die Achsen abgesprengt worden wären.
Grund für eine Sperrung einer zB Brücke auf diese Art und nicht die Durchführung einer Sprengung, liegt im geringeren volkswirtschaftlichen Schaden.


Ad Karte mit FAn:
Die Wanderaustellung befindet sich ab nächster Woche in Wiener Neustadt - werde mal nach dieser Karte fragen.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#11
Lokomotiven der strategischen Reserve

@diesel: Wems interresiert, in einer älteren Ausgabe von Schienenverkehr aktuell war mal eine genaue Aufstellung aller Strategischen drinnen, kanns bei Bedarf rausssuchen und reinstellen.
@gusis: danke das wäre interessant
Nahm mir nun endlich einmal die Zeit die Jahresinhaltsverzeichnisse von „Schienenverkehr Aktuell“ nach der Auflistung der „Strategischen Reserven“ durchzusuchen.

Fündig wurde ich im Heft 09/1982, Seite 34 und 35! Dort sind unter dem Titel „Staatsgeheimnisse“ einige Loks abgebildet und ist nachstehende Aufstellung zu finden:

Liste laut SVA 09/1982 Seite 35:

Abkürzungen für Hersteller/Baudaten:

DWM Deutsche Waffen- u. Munitionsfabriken, Posen
Ff Wiener Lokomotivfabrik, Floridsdorf
Jg Jung, Jungenthal
Kren Oberschlesische Lokomotivwerke, Krenau
KrMa Kraus-Maffei, München
Schk Schwartzkopff, Berlin
He Henschel, Kassel

Lok-
Nummer Baudaten Standort


52.844 Kren 1465/44 Sigmundsherberg
52.1198 DWM 612/43 Bischofshofen
52.3315 Jg 11326/44 Krems an der Donau
52.3509 KrMa 16635/43 Wien Nord
52.3681 Ff 17245/43 Wien Nord
52.3879 Ff 17322/44 Sigmundsherberg
52.4550 DWM 867/44 Bruck an der Mur
52.4552 DWM 869/45 St. Valentin
52.6428 Schk 12981/44 Bruck an der Mur
52.6794 Ff 16247/43 Amstetten
52.6819 Ff 16272/43 Amstetten
52.6845 Ff 16298/43 Klagenfurt-Viktring
52.6967 Ff 16420/43 Wien-Heiligenstadt
52.7046 Ff 16499/43 Linz
52.7070 Ff 16523/43 Klagenfurt-Viktring
52.7102 Ff 16555/43 Wien-Heiligenstadt
52.7116 Ff 16569/43 Wien-Stadlau
52.7117 Ff 16570/43 Klagenfurt-Viktring
52.7409 Ff 16862/43 Linz
52.8000 He 28046/44 Wien-Stadlau

Darüber hinaus gab es weitere bekannte, in der SVA-Liste nicht enthaltene Lokomotiven:

52.3314 ? Bischofshofen
52.xxxx ? Krems an der Donau, mit Steifrahmentender
52.739 ? Selzthal
52.xxxx ? Selzthal

Die Darstellung wird sicherlich nicht komplett sein …

Kennt jemand weitere Standorte ehemaliger "Dampfkisten"? Habe gleichen Bericht auch im "Eisenbahnforum Österreich" abgesetzt und hoffe auf weitere Standortmeldungen...

lg
josef
 
Zuletzt bearbeitet:
#12
Ich denke in dieser Rubrik waren die "strategischen" BR52 Lokomotiven der ÖBB einmal Thema.

Dazu ist mir aufgefallen, dass in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift MIBA (07/07, Seite 85) ein Foto dieser "strategischen Reserve" im Bahnhof Selzthal abgebildet ist...

LG,
Markus
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#13
Vorhin ist eine Anfrage bei mir eingelangt, die ich leider nicht beantworten kann und deswegen an die "gut informierte Allgemeinheit" weiterleite:

Die Frage bezieht sich auf den "Uraltbeitrag" #10 aus 2005:
...Zur Verrammelung von Tunnels und/oder Brücken wurden nicht mehr betriebsfähige Tfz und Waggons bereitgehalten...
Gab es neben den bekannten Loks tatsächlich auch für Sperrmaßnahmen bereitgehaltene Waggons?

In Selzthal hinterstellte 52iger Dampfloks 1977 - Bildquelle EBFÖ:
 

Anhänge

josef

Administrator
Mitarbeiter
#15
Lokomotiven für Sperrung "Ofenauer-Bahntunnel"
Bis zu welchen Zeitpunkt wurde denn am Paß Lueg diese Vorkehrung getroffen?
Lt. Angaben bei
Sepp Gruber; "Wehrhaftes Salzburg", Seite 300
kam 1996 der Befehl zur "Desarmierung" der Anlagen. D.h.: Deaktivierung, Rück- und Abbau der schweren Waffen der FAn. Ein Teil der baulichen Objekte ist auch heute noch vorhanden. Dies dürfte auch der Zeitraum für die "Entlassung der Sperrlokomotiven aus dem militärischen Dienst" gewesen sein...
War es nur eine Lokomotive oder sogar mehrere?
Ebenfalls im zitierten Buch ist auf Seite 128 im Beitrag "Gedanken des Regimentskommandanten", -> Zuständig für den Raum Salzachtal zwischen Hallein und Bischofshofen, also auch für die Anlagen Pass Lueg, wird von 2 Lokomotiven berichtet. Dies deckt sich mit den unter Beitrag #10 aufgelisteten 2 Loks mit Standort Bischofshofen! Da es sich um eine 2-gleisige Strecke handelt, waren logischer Weise auch 2 Loks erforderlich, um die Tunneldurchfahrt für Züge "querschnittsfüllend" zu sperren.

Link: Südportal des "Ofenauer-Bahntunnels"
und noch weitere 2 Fotos (von beiden Seiten...) des nach der Salzachbrücke anschließenden "Steinschlag-Schutzportals". Am letzten (3. Bild) -> Titel "Südwestportal" erkennt man im Vordergrund die Schutzgalerie, welche bergseitig auch die Straße überspannt, dahinter die Salzachbrücke und leicht verdeckt das Tunnelportal des Ofenauer-Bahntunnels. Die Straße verläuft rechts weiter entlang der Hangseite des Salzachtales Richtung Pass Lueg - Golling. Gut erkennbar ist der hohe "Sperrwert" der dort vorherrschenden Topografie!
 
Zuletzt bearbeitet:

josef

Administrator
Mitarbeiter
#16
Sperrlokomotiven der Reihe 52 am Bahnhof Krems an der Donau

In der "Topothek Krems" sind nun 2 Fotos aus 1976 der auf einem Gleisstutzen im nordwestlichen Bahnhofsbereich abgestellten
"Sperrlokomotiven" der Rh 52 zu sehen:

Topothek Krems: Unsere Geschichte, unser Online-Archiv

Interessant sind die unterschiedlichen Tenderausführungen der Loks: Die am ersten Foto nur teilweise zu sehende (linke) Lok 52.3315 hatte den bei dieser "Kriegslok-Reihe 52" am häufigsten verwendeten "Wannentender" mit einer in der Nachkriegszeit eingebauten Zugsführerkabine" (Kabinentender...), während die rechts dahinter stehende Lok 52.xxx (?) mit einem "Steifrahmentender" ausgestattet war.

Ebenfalls "eisenbahnhistorische Relikte" sind die beiden Ausfahrsignale der "Reichsbahn-Bauart" (Westkopf -> Richtung St.Pölten und Wachau...).

Westkopf Bf. Krems an der Donau:
1611341548382.png
2010 machte ich dieses Foto vom Parkdeck des Bahnhofes:
Am Gleisstutzen mit der "Schlierenwagen-Garnitur+Lok Rh 1044" (Pfeil) waren die "Sperrloks" jahrelang hinterstellt.

1611342451978.png
...und noch einmal Blickrichtung Westen zum geplanten Einsatzgebiet der Loks:
- Geradeaus verläuft die "Donauufer- bzw. Wachaubahn" - dort sollte eine Lok einen Tunnel bei Stein sperren, entweder nach 1,9 km den
"Goldberg-Tunnel" (569 m) oder den nach 2,6 km ab Bf. Krems anschließenden "Steiner Tunnel" (206 m). Genaueres Detail welcher Tunnel ist nicht bekannt...
- Nach links in den Auwald verschwindet die Strecke nach "Herzogenburg" (-> St. Pölten...) mit der als "Sperrobjekt" vorgesehenen Donaubrücke:


1611345264632.png 1611345375159.png
1611345837050.png 1611345904239.png
(Eigene Fotos aus 2015, 2018)
 
Oben