Heute in der Auer Zeitung: http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/REGIONALES/ERZGEBIRGE/AUE/7462520.php
Na, da bin ich ja mal gespannt, wie das weiter geht....
Liegt die Wahrheit noch im Keller?
Unter altem Lazarett soll es versteckte Räume geben - Einrichtung kooperierte im Krieg mit Radiumforschungsinstitut
Bad Schlema. Menschenversuche am Radiologischen Forschungsinstitut Oberschlema zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Die umstrittene These des Schneeberger Heimatforschers Günter Eckardt hat sich teilweise bestätigt.
Selbst bei Sonnenschein wirkt die leer stehende Villa am Floßgraben in Bad Schlema immer ein wenig düster. Dunkle Backsteine, vergitterte Fenster. Versuche, die mit Brettern vernagelten Zugänge aufzubrechen, sind nicht zu übersehen. Die ehemalige Pilling-Villa, die in den 1930er Jahren ein Erholungsheim des Verbandes Deutscher Heilpraktiker und ab 1940 ein Lazarett war, ist bei Schatzsuchern zu einem Objekt der Begierde geworden.
Schuld ist eine Skizze, die seit einigen Monaten in der Szene herumgereicht wird. Das Blatt Papier zeigt den Grundriss des Gebäudes sowie zwei unterirdische Kammern, die unbekannt sind. Geheime Keller, beide knapp 40 Quadratmeter groß.
Die Skizze stammt von einem alten Herrn aus Bayern, der unter hiesigen Schatzforschern als ernst zu nehmender Insider gilt, wenngleich sich noch keiner seiner Tipps als zutreffend erwiesen hat - was aber daran liegen mag, dass noch kein Tipp ernsthaft untersucht wurde. Je nachdem, wen man fragt, werden in den Kellern Gold, Kunstschätze, Teile des Bernsteinzimmers vermutet. "Oder Akten", sagt Günter Eckardt.
Atomforschung im Kurort
Der Schneeberger Heimatforscher interessiert sich ebenfalls für das alte Gebäude. Das hat mit dessen Zeit als Lazarett zu tun. Das Lazarett besaß während des Zweiten Weltkriegs ein Arbeitsabkommen mit dem Biophysikalischen Forschungsinstitut Oberschlema. Die Akten, die Eckardt zu finden hofft, sollen ihm helfen, eine Theorie zu beweisen, mit der er für Schlagzeilen sorgte, für die er aber auch Prügel einstecken musste: Dass an dem Institut Grundlagenforschung für ein deutsches Atomprogramm im Zweiten Weltkrieg betrieben wurde. Dass an Menschen untersucht wurde, wie sich radioaktive Strahlung als Waffe einsetzen lässt. Und dass Menschen dabei zu Tode kamen.
Die Oberschlemaer Einrichtung war damals eine Außenstelle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biophysik Frankfurt/Main. Dessen Leiter Boris Rajewsky ließ seit 1937 Radonanwendungen untersuchen. Das radioaktive Edelgas sollte für Kuren nutzbar gemacht werden. In Bad Schlema, wo mit der Heilkraft des Gases heute Geld verdient wird, gilt Rajewsky als integrer Wissenschaftler und Wegbereiter der Radonkur. Als Heimatforscher Eckardt vor drei Jahren erstmals auf brisante Akten stieß, bekam das heile Bild Risse.
Um Forschungsmittel zu erhalten, hatte Rajewsky seine Dienste dem Militär angedient, das Oberschlemaer Institut war als kriegswichtig eingestuft, und in mehreren Schriftstücken war von "H-Versuchen", die Rede, was Eckardt als "Human-Versuche" interpretierte. Menschenversuche eben.
Im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, die Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ist, befassten sich Wissenschaftler mit den bis dato unbekannten Dokumenten. Im Herbst 2008 stellten sie ihre Erkenntnisse auf einer Konferenz in Bad Schlema vor. Während die Physiker Alexander Kaul und Dietrich Harder Rajewsky als entlastet sahen, bewerteten die Historiker Alexander von Schwerin und Rainer Karlsch die Vorgänge kritisch: Rajewsky und seine Leute hatten sich in Grenzbereiche vorgewagt.
Strahlung als Kampfmittel
Der Tagungsband mit den vollständigen Untersuchungen der Wissenschaftler ist bis heute nicht erschienen. Laut Katrin Dörfelt vom Radon-Dokumentations- und Informationszentrum (Radiz) in Bad Schlema liegt das unter anderem daran, dass die Beiträge der beiden Historiker noch fehlen. Rainer Karlsch widerspricht: "Unser Beitrag liegt seit einem halben Jahr vor. Es gibt keinen Grund, die Veröffentlichung länger hinauszuzögern."
Vielleicht aber doch. Die gemeinsame Arbeit von Karlsch und Schwerin kratzt deutlich am Bild des Heilsbringers Rajewsky. Danach sind die von Eckardt unterstellten Menschenversuche keine Interpretationsfrage. Die Historiker fanden das Wort als Klartext in der Korrespondenz der Institutsärzte mit Rajewsky. Seit 1942 wurde in Oberschlema im Auftrag des Oberkommandos des Heeres die Wirkung radioaktiver Strahlung als Kampfmittel erforscht.
In Frankfurt/Main hatte man dazu gezielt Krebs an Mäusen erzeugt. Der Erkrankung waren Blutbildveränderungen vorausgegangen. In Oberschlema sollte ausgelotet werden, ab welcher Strahlendosis sich das Blutbild von Menschen auf ähnliche Weise zu ändern beginnt. Dann sollte hochgerechnet werden, welche Dosis für Menschen tödlich ist. Als klare Blutbildreaktionen ausblieben, drängte Rajewsky seine Mitarbeiter mehrfach, die Dosis zu erhöhen. Die Versuchspersonen wussten nicht, wofür sie sich hergaben.
"Allerdings fanden sich keine Hinweise darauf, dass Menschen tatsächlich zu Schaden gekommen sind", stellt Historiker Karlsch klar. "Ohne Leiche kein Täter." Eckardts Thesen hält er daher für überzogen.
Der Heimatforscher freilich hofft, vielleicht doch noch Beweise für seine Todes-Theorie zu finden - im Geheimkeller unter dem Lazarett am Floßgraben. Denn was Rajewskys Forschungsinstitut dort machen ließ, ist noch immer ungeklärt.
Unter altem Lazarett soll es versteckte Räume geben - Einrichtung kooperierte im Krieg mit Radiumforschungsinstitut
Bad Schlema. Menschenversuche am Radiologischen Forschungsinstitut Oberschlema zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: Die umstrittene These des Schneeberger Heimatforschers Günter Eckardt hat sich teilweise bestätigt.
Selbst bei Sonnenschein wirkt die leer stehende Villa am Floßgraben in Bad Schlema immer ein wenig düster. Dunkle Backsteine, vergitterte Fenster. Versuche, die mit Brettern vernagelten Zugänge aufzubrechen, sind nicht zu übersehen. Die ehemalige Pilling-Villa, die in den 1930er Jahren ein Erholungsheim des Verbandes Deutscher Heilpraktiker und ab 1940 ein Lazarett war, ist bei Schatzsuchern zu einem Objekt der Begierde geworden.
Schuld ist eine Skizze, die seit einigen Monaten in der Szene herumgereicht wird. Das Blatt Papier zeigt den Grundriss des Gebäudes sowie zwei unterirdische Kammern, die unbekannt sind. Geheime Keller, beide knapp 40 Quadratmeter groß.
Die Skizze stammt von einem alten Herrn aus Bayern, der unter hiesigen Schatzforschern als ernst zu nehmender Insider gilt, wenngleich sich noch keiner seiner Tipps als zutreffend erwiesen hat - was aber daran liegen mag, dass noch kein Tipp ernsthaft untersucht wurde. Je nachdem, wen man fragt, werden in den Kellern Gold, Kunstschätze, Teile des Bernsteinzimmers vermutet. "Oder Akten", sagt Günter Eckardt.
Atomforschung im Kurort
Der Schneeberger Heimatforscher interessiert sich ebenfalls für das alte Gebäude. Das hat mit dessen Zeit als Lazarett zu tun. Das Lazarett besaß während des Zweiten Weltkriegs ein Arbeitsabkommen mit dem Biophysikalischen Forschungsinstitut Oberschlema. Die Akten, die Eckardt zu finden hofft, sollen ihm helfen, eine Theorie zu beweisen, mit der er für Schlagzeilen sorgte, für die er aber auch Prügel einstecken musste: Dass an dem Institut Grundlagenforschung für ein deutsches Atomprogramm im Zweiten Weltkrieg betrieben wurde. Dass an Menschen untersucht wurde, wie sich radioaktive Strahlung als Waffe einsetzen lässt. Und dass Menschen dabei zu Tode kamen.
Die Oberschlemaer Einrichtung war damals eine Außenstelle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biophysik Frankfurt/Main. Dessen Leiter Boris Rajewsky ließ seit 1937 Radonanwendungen untersuchen. Das radioaktive Edelgas sollte für Kuren nutzbar gemacht werden. In Bad Schlema, wo mit der Heilkraft des Gases heute Geld verdient wird, gilt Rajewsky als integrer Wissenschaftler und Wegbereiter der Radonkur. Als Heimatforscher Eckardt vor drei Jahren erstmals auf brisante Akten stieß, bekam das heile Bild Risse.
Um Forschungsmittel zu erhalten, hatte Rajewsky seine Dienste dem Militär angedient, das Oberschlemaer Institut war als kriegswichtig eingestuft, und in mehreren Schriftstücken war von "H-Versuchen", die Rede, was Eckardt als "Human-Versuche" interpretierte. Menschenversuche eben.
Im Auftrag der Max-Planck-Gesellschaft Berlin, die Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ist, befassten sich Wissenschaftler mit den bis dato unbekannten Dokumenten. Im Herbst 2008 stellten sie ihre Erkenntnisse auf einer Konferenz in Bad Schlema vor. Während die Physiker Alexander Kaul und Dietrich Harder Rajewsky als entlastet sahen, bewerteten die Historiker Alexander von Schwerin und Rainer Karlsch die Vorgänge kritisch: Rajewsky und seine Leute hatten sich in Grenzbereiche vorgewagt.
Strahlung als Kampfmittel
Der Tagungsband mit den vollständigen Untersuchungen der Wissenschaftler ist bis heute nicht erschienen. Laut Katrin Dörfelt vom Radon-Dokumentations- und Informationszentrum (Radiz) in Bad Schlema liegt das unter anderem daran, dass die Beiträge der beiden Historiker noch fehlen. Rainer Karlsch widerspricht: "Unser Beitrag liegt seit einem halben Jahr vor. Es gibt keinen Grund, die Veröffentlichung länger hinauszuzögern."
Vielleicht aber doch. Die gemeinsame Arbeit von Karlsch und Schwerin kratzt deutlich am Bild des Heilsbringers Rajewsky. Danach sind die von Eckardt unterstellten Menschenversuche keine Interpretationsfrage. Die Historiker fanden das Wort als Klartext in der Korrespondenz der Institutsärzte mit Rajewsky. Seit 1942 wurde in Oberschlema im Auftrag des Oberkommandos des Heeres die Wirkung radioaktiver Strahlung als Kampfmittel erforscht.
In Frankfurt/Main hatte man dazu gezielt Krebs an Mäusen erzeugt. Der Erkrankung waren Blutbildveränderungen vorausgegangen. In Oberschlema sollte ausgelotet werden, ab welcher Strahlendosis sich das Blutbild von Menschen auf ähnliche Weise zu ändern beginnt. Dann sollte hochgerechnet werden, welche Dosis für Menschen tödlich ist. Als klare Blutbildreaktionen ausblieben, drängte Rajewsky seine Mitarbeiter mehrfach, die Dosis zu erhöhen. Die Versuchspersonen wussten nicht, wofür sie sich hergaben.
"Allerdings fanden sich keine Hinweise darauf, dass Menschen tatsächlich zu Schaden gekommen sind", stellt Historiker Karlsch klar. "Ohne Leiche kein Täter." Eckardts Thesen hält er daher für überzogen.
Der Heimatforscher freilich hofft, vielleicht doch noch Beweise für seine Todes-Theorie zu finden - im Geheimkeller unter dem Lazarett am Floßgraben. Denn was Rajewskys Forschungsinstitut dort machen ließ, ist noch immer ungeklärt.