Aufarbeitung der römischen Vergangenheit von Mauer bei Amstetten

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GESCHICHTE WIRD LEBENDIG
Die Römer in Mauer: Spektakuläre 3D-Visualisierung des Kastells
NÖN-Amstetten, 28. MAI 2023
Hermann Knapp

3D-Visualisierung des ehemaligen Römer-Kastells in Mauer.
FOTO: Knapp

Der Jupiter Dolichenus ist eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen aus der Römerzeit in ganz Europa, doch Mauer hat als Fundort sein Licht lange selbst unter den Scheffel gestellt.
Aber damit ist nun Schluss. Im Rahmen der Dorferneuerung hat der „Geschichtskreis Mauer“ die Bedeutung des Ortes in der Römerzeit erforscht. Mit einem kleinen Römermuseum, einem Römerrundweg und einer spektakulären 3D-Visualisierung des ehemaligen Kastells beansprucht Mauer nun seinen berechtigten Platz in den „Ruhmeshallen“ der Archäologie.

Rund 200 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer strömten am Freitagabend in die Aula der Mittelschule in Mauer zur Vorstellung des neuen Römerrundwegs und zur Präsentation einer 3D-Visualisierung des ehemaligen Römerkastells. Schon 2019 wurde das Projekt „Die Römer in Mauer“ gestartet. Dafür hat sich ein eigener Geschichtskreis gegründet. „Es war uns ein Anliegen, die Geschichte und Identität Mauers sichtbar zu machen“, betonte der Obmann des Dorferneuerungsvereins Jupiter Dolichenus, Otto Hinterholzer, bei seinen Begrüßungsworten.


Rund 200 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer lauschten den Ausführungen des Historikers und des Archäologen.
FOTO: Knapp


Beim Infoabend in der Mittelschule Mauer beim Modell des Römerkastells (von links): Ortsvorsteher Manuel Scherscher, der Obmann des Dorferneuerungsvereins Otto Hinterholzer, Historiker Niklas Rafetseder, 3D-Entwickler Wolfgang Rechberger, Bildungsgemeinderätin Helga Seibezeder, Archäologe Gerald Raab und Vizebürgermeister Markus Brandstetter.
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Ortsvorsteher Manuel Scherscher bedankte sich für das Engagement der Mitglieder des Geschichtskreises und zeigte sich von ihrem Engagement und den Ergebnissen ihrer Forschungen beeindruckt. „Da wurde sogar mit Bodenmessgeräten gearbeitet und nebenbei auch noch ein Hügelgrab entdeckt. Vor allem verdanken wir es aber ihrer Arbeit, dass wir am 10. Juni ein Römermuseum und einen Römerrundweg eröffnen können.“

Das Römermuseum ist im ehemaligen SAM-Container untergebracht, der nahe der Mittelschule aufgestellt und ins „Castellum Mauer“ verwandelt wurde. Darin werden Fundstücke aus der Römerzeit und auch ein Modell des Kastells zu bewundern sein.

Akribisch hat sich der Geschichtskreis des Dorferneuerungsvereins in den letzten Jahren der Erforschung der Geschichte von Mauer in der Römerzeit verschrieben. Unter Verwendung modernster Technik wurden unter anderem sogar ein Hügelgrab und ein Grubenhaus aus der frühen Bronzezeit auf den Feldern vor der Ortschaft entdeckt. Der Historiker Niklas Rafetseder hat sich bei der Erfassung der Faktenlage über das ehemalige Römerkastell federführend eingebracht und präsentierte am Freitagabend die Erkenntnisse.

Außenposten als Puffer zwischen Italien und den Germanen
„Es dürfte sich nicht um eine geplante Anlage gehandelt haben. Wahrscheinlicher ist, dass an der gut gelegenen Handelsstraße zuerst Häuser gebaut und später befestigt wurden“, berichtete er. Für diese These spreche die Tatsache, dass nur eine einzige Straße durch das Lager geführt habe, was untypisch für römische Kastelle sei. Im dritten Jahrhundert dürfte die Anlage von Germanen zerstört und später wieder aufgebaut worden sein. Vermutlich hatte das Kastell dann bis zum Rückzug der Römer nach Italien im 5. Jahrhundert Bestand.

Wie der genaue Name des Kastells war, lässt sich nicht wirklich schlüssig nachvollziehen. „Loco Felicis“ taucht in alten Karten auf, aber das könnte auch die Bezeichnung für das Kastell in Wallsee gewesen sein. So bleibt es vorerst also bei „Kastell Mauer“. „Die Anlage war ein kleinerer, aber doch starker Außenposten, der vermutlich dazu diente, die Eisen- und Goldvorkommen in diesem Gebiet abzubauen und zugleich einen Puffer zwischen Italien und den Germanen darstellte“, erklärte Rafetseder.

3D-Visualisierung des Römer-Kastells
Der gebürtige Waidhofner Archäologe Gerald Raab vom Crazy Eye 3D-Studio hat in Zusammenarbeit mit dem Waidhofner Mediendesigner und 3D-Entwickler Wolfgang Rechberger dem Kastell sozusagen neues Leben eingehaucht. Raab erklärte den Zuhörerinnen und Zuhörern in der Aula der Mittelschule, welche Grundlagen für eine 3D-Visualisierung herangezogen werden können. Reste der Mauern des Kastells gab es bis ins 18. Jahrhundert herauf und es existiert ein erster Kupferstich von den Umrissen von Josef Schaukegl, einem Pater des Stifts Seitenstetten aus dem Jahr 1797.

Dieser floss ebenso in die Rekonstruktion ein, wie Erkenntnisse, die bei wissenschaftlich begleiteten Ausgrabungen der Österreichischen Limeskommission, gewonnen wurden, die in den Jahren 1906 und 1910 durchgeführt wurden und bei denen man die Grundfesten mehrerer Gebäude im Inneren des Kastells freilegte. Einbezogen wurden natürlich auch Luftaufnahmen, geophysikalische Messungen und jüngste Laserscans des Areals. „Trotz all dieser Quellen heißt Digitale Visualisierung nach wissenschaftlichen Grundsätzen etwas bestmöglich darzustellen. Es ist sozusagen also nur eine Diskussionsgrundlage“, wies Raab auch auf die Grenzen der Methode hin. Weitere und neue Erkenntnisse könnten das Bild des Römerkastells wieder verändern.

Das Kastell dürfte etwa 150 mal 200 Meter groß gewesen sein und hatte eine Innenfläche von knapp drei Hektar. Es entspricht nicht dem Normbild eines römischen Lagers, sondern ist in seinen Elementen „ein Mischmasch“, wie Raab erklärte. Es wies runde Türme, Hufeisentürme und an den Seiten auch eckige Türme auf, die vielleicht aus einer älteren Bauphase stammen. Situiert war das Kastell direkt an der Url im Bereich an der heutigen Kirchwegerstraße. Ein Teil des Lagers wurde durch den Fluss im Laufe der Jahrhunderte unwiederbringlich abgeschwemmt.







Übrigens wurde neben den 3D-Renderings mittels 3D-Druck auch noch ein Modell des Kastells hergestellt, das es im Museum natürlich auch zu sehen geben wird.



Römerrundweg „Murus“ mit acht Stationen
Entwickelt hat der Geschichtskreis Mauer mithilfe der Historiker auch einen Römerrundweg mit acht Stationen.
Start ist am Hauptplatz, wo man grundsätzliche Infos über Mauer und die Römer erhält.
2. Station ist das Gräberfeld Ost. „Die Römer haben ihre Toten nie innerhalb der Siedlung bestattet. Auch in Mauer wurden mehrere Gräberfelder entdeckt. Eines davon liegt unter den Westbahngeleisen, da fährt also jetzt im wahrsten Sinne des Wortes der Zug drüber“, berichtete Rafetseder in seinem Referat.
3. Station ist das Gräberfeld Süd im Bereich der Mittelschule, wo es auch Interessantes über das römische Schulsystem zu erfahren gibt.
Station 4 ist der Eichenweg, wo die Wanderer Infos über die römischen Truppen und die römischen Handelswege bekommen werden.
Station 5 ist dann das Kastell Mauer selbst. Dort wird man mithilfe von 3D-Renderings in das Lager selbst eintauchen können.
Weiter geht es dann zur Station 6 beim Haus Geiger, wo im Jahr 1937 der Jupiter Dolichenus entdeckt wurde.
Bei Station 7 an der Urlbrücke werden Eindrücke vom Alltag der römischen Legionäre im Lager vermittelt.
Sein Ende findet der Weg bei Station 8, dem römischen Garten, wo unter anderem die römische Küche präsentiert wird. Pizzas und Spaghetti kannten die alten Römer übrigens noch nicht!


Der Verlauf des Römerrundwegs
FOTO: Knapp

Die Kinder werden am Rundwanderweg vom Hund „Murus“, begleitet, der ihnen allerlei Wissenswertes erzählt und auch manches Rätsel und die eine oder andere Aufgabe stellt. Auf die Idee, einen Hund als Begleiter für die Kleinen zu wählen, kamen die Archäologen, weil auf einem Ziegel aus der Römerzeit der Abdruck einer Hundepfote verewigt ist. Der Hund gibt dem Weg übrigens auch seinen Namen: Murus Römerrundweg.

Villa rustica wartet noch auf ihre Entdeckung
Dass in Mauer noch weitere archäologische Schätze aus der Römerzeit schlummern, wurde bei den Bodenuntersuchungen übrigens auch ersichtlich. So wurden zum Beispiel große Strukturen entdeckt, die auf die Existenz einer Villa rustica, eines großen Gutshofs mit Haupt- und Nebengebäuden, hindeuten.

1. Römerfest in Mauer
Am Samstag, 10. Juni, lädt der Dorferneuerungsverein zum I. Römerfest in Mauer ein. Beginn ist um13 Uhr bei der Schulallee bei der Jupiter Dolichenus Mittelschule Mauer. Festakt und feierliche Eröffnung des „Castellum Mauer“ und des Römerrundwegs „Murus“.

Exkurs: der Jupiter Dolichenus
Mauer kann einen der wichtigsten römischen Funde in Österreich vorweisen. Das umfassende Inventar des Jupiter-Dolichenus-Tempels ist international bekannt. Bei Bauarbeiten beim Haus Geiger wurde am 8. März 1937 ein Depotfund mit über 100 Objekten gemacht. Es handelt sich um das bewegliche Inventar eines Heiligtums des Gottes Jupiter Dolichenus, dessen Kult aus der syrischen Stadt Doliche in den Westen verpflanzt wurde. Der Depotfund enthält einerseits Objekte, die ausschließlich dem religiös-kultischen Bereich zuzuordnen sind, und anderseits Gegenstände aus dem Alltagsleben, bei denen jedoch auch eine kultische Verwendung nicht ausgeschlossen werden kann.

Jupiter Dolichenus steht auf dem Rücken eines Stiers, bekleidet mit phrygischer Mütze, langärmeligem Untergewand, Muskelpanzer mit breitem Gürtel und Halbstiefeln; um die Schultern ist ein Mantel gelegt. Die rechte Hand hält das Doppelbeil (nur der Stiel erhalten), die linke das Blitzbündel. Haar und Bart umgeben in Spirallocken das Gesicht. Um den Bauch des Stiers ist eine breite Binde geschlungen. Auf der Vorderseite des quaderförmigen Postaments nennt eine vierzeilige Inschrift den Veteranen Marrius Ursinus als Stifter.

Warum die Gegenstände vergraben wurden, darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Der Jupiter-Dolichenus-Kult war unter römischen Soldaten weit verbreitet. Möglicherweise wollte sie also ein römischer Legionär vor anrückendenden Germanen in Sicherheit bringen und kam nicht mehr dazu, sie wieder auszugraben.
Das Original des Jupiter Dolichenus befindet sich übrigens im kunsthistorischem Museum in Wien.
Die Römer in Mauer: Spektakuläre 3D-Visualisierung des Kastells
 
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