Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek: „Des Kaiser schönste Tiere“

josef

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HABSBURGS EXOTEN
Als der Kaiser sein Zebra malen ließ
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Tierbilder spiegeln die vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren wider – nicht erst seit Instagram. Auch die Habsburger zeigten gerne die Tiere in ihrem Besitz her, entweder lebend in Tiergärten oder in Bildern. Die Österreichische Nationalbibliothek hat Tierdarstellungen aus vier Jahrhunderten zusammengetragen, die nun unter dem Titel „Des Kaiser schönste Tiere“ präsentiert werden.
Online seit heute, 14.48 Uhr
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Die Nationalbibliothek kann aus den reichen Beständen der ehemaligen kaiserlichen Sammlungen schöpfen. Immer wieder ließen die Habsburger Tiere in ihrem Umfeld malen, entweder weil es wertvolle Geschenke anderer Monarchen oder außergewöhnliche Exemplare in den kaiserlichen Tiergärten waren oder weil sie persönliche Beziehungen zu den Tieren hatten. Die Ausstellung im Prunksaal ist eine Gelegenheit, ausgezeichnete Beispiele der Tiermalerei bewundern zu können, und ein Anreiz, über das facettenreiche Verhältnis zwischen Tier und Mensch nachzudenken.

Die Beziehungen, die hier verhandelt werden, betreffen vorwiegend einen sehr kleinen, elitären Teil der Gesellschaft, nämlich Adel und Monarchen. Zu exotischen Tieren und auch zu den meisten hier präsentierten Abbildungen hatten nur wenige Privilegierte Zugang. In diesem Zusammenhang sind auch die Funktionen und Bedeutungen, die Tieren zugesprochen wurden, zu sehen. Sie dienten vorwiegend der Repräsentation, ihr Besitz war Prestigesache.

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Jannetel, die Meerkatze des Kaisers (Matthias Schmutzer, ca. 1797)

Tiere als Statussymbol
Ein aufsehenerregendes Beispiel eines Luxusgeschenks war der erste Elefant, der 1552 als Geschenk des späteren spanischen Königs Philipp II. nach Wien kam. Zeitgenössischen Quellen zufolge war die Ankunft des bis dahin noch nie hier gesehenen Tieres ein Triumphzug. Philipp hingegen war wahrscheinlich „glücklich, ihn zu verschenken, weil die Pflege so aufwendig war“, meinte die Kuratorin Monika Kiegler-Griensteidl im Pressegespräch.

Tiere – lebend oder in Abbildungen – zu sammeln, war ein Phänomen, das nicht auf das Kaiserhaus beschränkt war. Prinz Eugen besaß im Belvedere eine Menagerie mit exotischen Tieren, die Familie Metternich hielt Papageien. Auch Pferde, Schoßhündchen und andere Haustiere wurden gerne in Bildern festgehalten.

Zu den im privaten Umfeld gehaltenen Tieren entwickelten schon damals Besitzer oft persönliche, emotionale Beziehungen. Kaiser Franz I. besaß ein Schoßhündchen namens „Medresel“, abgeleitet von „Mätresse“. Auch der Kosename einer Grünen Meerkatze, die im kaiserlichen Privatgarten in der Hofburg lebte, ist überliefert: der Kaiser nannte sie „Jannetel“.

Kaiserliche Tierbilder-Sammlung
Erstmals öffentlich wird in der ÖNB die zoologische Bildersammlung gezeigt, die für Kaiser Ferdinand I. angefertigt wurde. Der Direktor des Hofnaturalienkabinetts, Carl von Schreibers, unterrichtete Ferdinand schon als Kronprinz in Naturkunde und ließ für diesen Zweck Tierzeichnungen herstellen, darunter Schmetterlinge, Vögel und Meerestiere. Darstellungen wie die eines springenden Zebras vermitteln ein idyllisches Bild der Natur. Auch später wurde Ferdinand mit Tierbildern, die er sehr schätzte, beliefert. Bei seinem Tod 1875 war die Sammlung auf über 10.000 Blätter angewachsen.

Fotostrecke
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Weiße Pfauen (Eduard Gurk, 1830)

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Rosakakadu aus dem Besitz der Fürstin von Metternich (Leopold Brunner d.Ä.)

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Weißgefleckter Oktopus (Leopold Brunner d. Ä., 1856)
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Große Seespinne (Joseph Zehner)
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Kleinfleck-Ginsterkatzen (Eduard Gurk, 1830)
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Waldohreule (Leopold Brunner d. Ä.)
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Regenbogenfalter aus Madagaskar (Josef Mann, 1843)

Die Habsburger beschäftigten eigens Maler, um die Tiere zeichnen zu lassen. Viele der exotischen Tiere gelangten in den kaiserlichen Tiergarten von Schönbrunn oder in andere damals noch existierende Menagerien wie im Neugebäude. Auch in der Hofburg gab es bei einem Verbindungstrakt zur Albertina eine Terrasse, wo kleinere Tiere wie Vögel und Affen gehalten wurden. Hier fanden die kaiserlichen Tiermaler ihre „Modelle“.

Eine zweite Quelle für die Tiermaler war das kaiserliche Naturalienkabinett. Dieses befand sich damals im Seitentrakt der Hofbibliothek am Josefsplatz und beherbergte eine große Sammlung von Tierpräparaten. Vor der Erfindung der Fotografie waren die Werke der Tiermaler nicht nur von ästhetischem Wert, sondern ein wichtiges Medium zur Vermittlung von Wissen.

Künstlerische Freiheit war in diesem Metier nicht gefragt. Ein Bereich der Ausstellung widmet sich den zum Teil in Vergessenheit geratenen Künstlern, die weniger durch Originalität als ihre Fähigkeit, Tiere möglichst exakt und naturnah darzustellen, glänzten. Ihre Genauigkeit erhebt dokumentarischen Anspruch, meint Kurator Patrick Poch, und sie zeigen auch, dass das Hofnaturalienkabinett schon damals nach wissenschaftlichen Kriterien arbeitete. Wie detailgenau und akribisch diese Darstellungen ausgearbeitet waren, davon kann man sich in der Ausstellung überzeugen.

Unterhaltung und grausame Spektakel
Für die meisten Menschen waren Wandermenagerien eine der seltenen Gelegenheiten, exotische Tier sehen zu können. Herumziehende Schausteller, die in ihren Schaubuden Tiere zeigten, waren nicht nur ein Jahrmarktvergnügen für ein breiteres schaulustiges Publikum, sie trugen mit ihren Vorführungen auch zur Verbreitung naturkundlichen Wissens bei.
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Das k. k. privilegierte Hetztheater in Wien-Erdberg, Ort grausamer Tierkämpfe (Anton Stutzinger, um 1850)

Ein besonders schauriges Kapitel in den Tier-Mensch-Beziehungen waren die Hetztheater. Die Hetzgasse in Wien-Erdberg erinnert noch immer an die bekannteste dieser Arenen. Hier wurden wilde und zahme Tiere in grausamen Schaukämpfen aufeinandergehetzt. Erst ein Brand 1796 machte dieser Tierquälerei ein Ende. Wenn in Wien jemand sagt „Des is a Hetz“, schwingt bis heute mit, dass das angesprochene „Vergnügen“ eine gewisse Brutalität miteinschließt.

Expeditionen liefern Nachschub
Um ihre Sammlungen lebender Tiere für die Tiergärten und ausgestopften Tiere für das Naturalienkabinett zu vergrößern, finanzierten die Habsburger ab der Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Sammelreisen nach Amerika und Afrika. Das größte derartige Unternehmen war eine Expedition nach Brasilien 1817. Die Ausbeute aus 18 Jahren Sammeltätigkeit war so groß, dass vorübergehend sogar ein eigenes Brasilianisches Museum eingerichtet wurde.

Dieses Engagement bei der wissenschaftlichen Erforschung der Welt ist von kolonialen Kontexten nicht zu lösen. Das Habsburgerreich war, von wenigen Episoden abgesehen, keine Kolonialmacht, aber an kolonialen Projekten zur Ausbeutung der Erde durchaus interessiert. Die Suche nach nutzbaren Tieren, Pflanzen und sonstigen wirtschaftlich verwertbaren Gütern war Teil des Auftrags vieler reisender Forscher.


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Dieser Jaguar überlebte den langwierigen Transport aus Brasilien (Leopold Stoll, 1820)

Die Tiere, die lebend hierher verbracht wurden, mussten oft mehrmonatige Transporte überstehen. Mit aktuellen Vorstellungen von Tierwohl haben die damaligen Praktiken nichts gemein. Darauf wies auch Generaldirektorin Johanna Rachinger im Pressegespräch hin. Artgerechte Haltung war kein Thema, und oft mangelte es an Wissen und Erfahrung über richtige Ernährung und Pflege.

Unter diesen Bedingungen verstarben die Tiere in den kaiserlichen Tiergärten meist sehr schnell. Als ausgestopfte Präparate gelangten sie in das Hofnaturalienkabinett, den Vorläufer des Naturhistorischen Museums, wo noch heute viele der vor allem im 19. Jahrhundert aus allen Teilen der Welt angeschafften Tiere zu sehen sind.

Wie wir mit Tieren umgehen
Diese und andere Geschichten erzählen die Tierbilder aus den kaiserlichen Sammlungen manchmal nur indirekt. Ein reich bebildertes Begleitbuch stellt viele Bezüge her, die im Rahmen der Ausstellung nicht ausführlich behandelt werden können. Die Schau konzentriert sich auf die sehenswerten Exponate der Sammlungen und regt dazu an, einen Bogen in die Gegenwart zu schlagen.

Buchhinweis
Monika Kiegler-Griensteidl und Patrick Poch (Hg.): Des Kaisers schönste Tiere. Bilder aus den habsburgischen Sammlungen. Kremayr & Scheriau, 29,90 Euro.
Der Umgang mit Tieren hat sich zwar geändert, problematische Aspekte gibt es aber nach wie vor – und diese werden immer drängender: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen aktuell vor einem sich rasch beschleunigenden, sechsten Massensterben mit massiven Auswirkungen auf den Menschen. Während Tiergärten in der Vergangenheit oft als unwürdige Zurschaustellung der Tiere kritisiert wurden, bekommen sie nun eine neue Funktion, auf die Stephan Hering-Hagenbeck, Geschäftsführer des Tiergartens Schönbrunn, in seiner Eröffnungsansprache hinwies: Zoos werden zu Schutzzonen, die das Überleben gefährdeter Tierarten sichern.
Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir manche der Tiere, die vor 200 Jahren akribisch erfasst, dokumentiert und in die Lehrbücher der Naturgeschichte aufgenommen wurden, nach und nach von roten Listen streichen müssen. Die Bilder aus den kaiserlichen Sammlungen rufen in Erinnerung, wie wichtig es ist, Schritte gegen die akute Gefährdung der Tierwelt zu setzen.
26.03.2022, Kurt Schmutzer, für ORF.at
Habsburgs Exoten: Als der Kaiser sein Zebra malen ließ

Ausstellungshinweis
Die Ausstellung „Des Kaisers schönste Tiere“ findet im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek noch bis 26. Juni statt.
Dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags 10.00 bis 21.00 Uhr.
 
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