josef

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#1
Wollte heute die HL-Neubaustrecke der Westbahn im Perschlingtal und Tullnerfeld besichtigen, aber der wieder einsetzende starke Regen vertrieb mich… So fuhr ich nach Pischelsdorf weiter. Dort wird gerade das Gelände des Barackenlagers südlich des DC-Werksgeländes und der Straße Pischelsdorf-Zwentendorf bzw. östlich der Perschling und der Gleisharfe zum Werk gerodet und arrondiert. Einige gedeckte Splitterschutzgräben sind schon verschwunden (eingeebnet), etliche Barackenfundamente sind noch zu erkennen…

In diesem Lager waren während des Krieges die Arbeitskräfte, auch Zwangsarbeiter, für das seinerzeitige „Nordwerk“ der damaligen, zum IG-Farben AG Konzern gehörenden, DC untergebracht. Als „Südwerk“ wurde die Raffinerie und das ältere (Gründung schon im WK I) Chemiewerk Moosbierbaum bezeichnet.

Am östlichen Werksareal der DC werden derzeit die Baukräne zur Errichtung des Bioethanolwerkes der Agrana aufgestellt. Dieses Ruinengelände der nie in Betrieb gegangenen Magnesiumelektrolyse (war zu Kriegsende fast fertig und wurde von den Sowjets demontiert) wurde bereits im Winter 2005/06 geräumt.

Auch die letzten Fundamentreste des Kriegsgefangenenlagers (Sublager von Stalag XVIIB Krems-Gneixendorf) östlich von „Isabella“, an der Straße von Dürnrohr nach Trasdorf kommen gerade unter die Baggerschaufeln…

lg
josef
 
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josef

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#3
DC Pischelsdorf

Hier ein Plan des "Nordwerkes" von 1944. Darauf sind nicht alle Baulichkeiten (besonders jene vom Magnesiumwerk) und Gleisanlagen eingezeichnet! Der rote Strich markiert die Trennung des westlichen Chemie-Teiles vom streng geheimen Ostteil mit der Magnesium-Elektrolyse. Die grün schraffierte Fläche ist in etwa das derzeit zur Räumung anstehende Areal des ehemaligen Arbeiterlagers. Die Straße Tulln-Zwentendorf sollte um das Werksgelände herumgeführt werden. Dammreste und Brückenteile über die Werksbahn und Perschling sind noch teilweise vorhanden/erkennbar.

Planausschnitt aus: Richard Richter: Das Werden der Donau Chemie AG; Selbstverlag Zwentendorf 2002
 

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josef

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#4
Nachstehend einige Fotos vom Gelände östlich des heutigen DC-Werkes in Pischelsdorf nach der Rodung des ehemals dort üppig wuchernden Gestrüpps und Auwaldes. Dabei kamen riesige Fundament- und sonstige Baureste der dort ab 1943 errichteten Magnesium-Elektrolyse zum Vorschein! Die Aufnahmen stammen vom Februar 2006, das Areal ist zwischenzeitlich geräumt und diverse Baufirmen beginnen gerade mit den Arbeiten zur Errichtung einer Bioethanolanlage.

Zur Magnesiumhütte siehe auch Bericht von @Markus http://www.geheimprojekte.at/firma_ig-magnesium_pischelsdorf.html

Das erste Foto zeigt eine Übersicht über das Gelände mit Blickrichtung SW. Erkennbar sind die heutigen Anlagen der DC, während der Kriegszeit der Chemieteil des "Nordwerkes". Rechts die Donau mit Kaianlagen. Hier wurden während der Kriegszeit die Tankkähne mit rumänischen Benzin entladen, der dann im "Südwerk", in der Raffinerie Moosbierbaum mittels "Hydroforming"-Verfahren (HF-Anlage) zu höherwertigem Flugbenzin weiterverarbeitet wurde. Im Hintergrund der linken Bildseite ist im Dunst das Kohlekraftwerk Dürnrohr zu erkennen, dass auf dem Gelände der ehemaligen Raffinerie gebaut wurde. Die weiteren Bilder zeigen diverse Fundamentreste des Ruinengeländes. Wie in einem vorherigen Bericht schon geschrieben, ging das Magnesiumwerk nie in Betrieb, die Anlagen wurden von der russischen Besatzungsmacht demontiert und die Baulichkeiten zerstört.

lg
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josef

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#6
Bekam einige e-mails und PN mit Fragen zur DC Pischelsdorf und Raffinerie Moosbierbaum. Habe in aller Eile eine kurze, natürlich mehr als lückenhafte Übersicht über die beiden Werke im Tullnerfeld zusammengestellt:

Ab Herbst 1916: Bau der Pulverfabrik "Skoda-Wetzler AG" in Moosbierbaum. Bereich heutiger Golfplatz und Teilfläche des heutigen Kohlekraftwerkes-Dürnrohr, Fläche ca. 1,5 km².
Nach Kriegende WK I erfolgte die Umstellung auf Erzeugung diverser chem. Produkte wie
Kupfervitriol
Kartoffelstärke
Schwefelsäure
Salzsäure
Phosphorsäure
Aluminiumsulfat
Superphosphat-Düngemittel usw.

1939 (-1945) erfolgte der Zusammenschluss mit anderen Chemieunternehmen (Brückl, Landeck usw.) zur "Donauchemie AG" unter Leitung des deutschen Chemieriesen "IG-Farben AG" mit dem Ziel der Errichtung eines "Chemie-Großkombinates".

So wurde der Einstieg in die Mineralölverarbeitung(=> Raffinerie Moosbierbaum) als Erweiterung des bestehenden Werkes und der Bau eines neuen Chemiewerkes im Norden, direkt an der Donau bei Pischelsdorf beschlossen.

Anschließend an das bestehende Altwerk wurde im Norden (auf den Feldern Richtung Zwentendorf/Erpersdorf) nun eine Top - Vacuum- Rohöldestillationsanlage aus Teilen einer in Frankreich demontierten Raffinerie 1942 in Betrieb genommen. => DORA - Anlage = DOnau RAffinerie. Nach einem neu entwickelten Verfahren kam dann noch die HF-Anlage 1 => Hydroforminganlage 1, zur Flugbenzinherstellung dazu. Beim „Hydroforming Process“ wurde minderwertiger rumänischer Benzin zu hochoktanigen Flugbenzin weiterverarbeitet. Das rumänische Vorprodukt wurde mittels Tankkähnen auf der Donau angeliefert und am Kai des ebenfalls neu errichteten Werkes in Pischelsdorf entladen und mittels einer Pipeline zu der ein paar Km entfernten Raffinerie transportiert. Eine weitere, die HF- Anlage 2 für hochwertige Flugzeugmotorenöle, konnte bis Kriegsende nicht mehr fertiggestellt werden. Dieser Werksteil zwischen Moosbierbaum und Zwentendorf wurde "Südwerk" genannt.

Das neue Werk in Pischelsdorf an der Donau wurde als "Nordwerk" bezeichnet. Dort wurde eine neue, leistungsfähige "Schwefelsäurekontaktanlage" zur Herstellung von Schwefelsäure auf Pyrit/Schwefelkies-Basis errichtet. Als Hauptabnehmer für die Schwefelsäure werden die "Zellwollewerke Lenzing" in OÖ. genannt. Weiters wurde Chlorsulfonsäure erzeugt => dies war ein Grundstoff für die Vernebelung. Federführend für diesen Teil des Werkes war "IG-Farben Leverkusen".

Ende 43 war dann Baubeginn für ein groß geplantes Leichtmetallwerk: Unter Federführung von "IG-Farben Bitterfeld" begann der Bau einer Magnesium-Elektrolyse-Schmelzanlage. Das Leichtmetall sollte für die Flugzeugindustrie weiterverarbeitet werden... (ohne genaueren Angaben). Diese Anlagen wurden bei den Bombenangriffen zerstört bzw. die Reste nach Kriegsende von der russischen Besatzungsmacht demontiert. Das Magnesiumwerk war vom übrigen Werksteil streng abgeschirmt und ging nie in Betrieb. Einige Hallen der ehemaligen Schwefelsäureanlage wurden ab 1961 wieder adaptiert und beherbergen heute die Düngemittelproduktion der in der Nachkriegszeit unter neuen Besitzverhältnissen wiedererstandenen und heute sehr erfolgreich agierenden DC AG - Gruppe..

Die Raffinerie wurde von den Russen teilweise instandgesetzt und produzierte nach dem Krieg bis 1955 unter der „Sowjetischen Mineralölverwaltung“ (SMV). Nach dem Staatsvertrag kam sie zur ÖMV und blieb bis zur Inbetriebnahme der neuen Großraffinerie Schwechat Anfang der 60iger Jahre noch in Betrieb.


Wie schon angemerkt, eine unvollständige Darstellung...da wäre noch viel zu schreiben über Flakschutz, Bombenangriffe, Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern unter der damaligen Eigentümerschaft des Chemieriesen IG-Farben AG, usw. ...

Weiterführende Hinweise siehe auch http://www.geheimprojekte.at/firma_ig-farben.html

Grundlage für die Kurzzusammenfassung: Richard Richter: Das Werden der Donau Chemie AG; Selbstverlag Zwentendorf 2002

lg
josef
 
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#7
Bombenangriffe auf Moosbierbaum:

26.6.1944
28.8.1944
2.11.1944
3.11.1944
6.11.1944
8.12.1944
11.12.1944
31.1.1945
1.2.1945
7.2.1945
9.2.1945
14.2.1945
1.3.1945
15.3.1945
16.3.1945

mfg herb
 

josef

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#8
Danke @herb für die Daten!

Für Alle die den Bericht noch nicht kennen, bei http://www.geheimprojekte.at/firma_ig-hydro_moosbierbaum.html gibt es Luftbilder von Bombenangriffen auf Moosbierbaum. Auch 2 Fotos aus 1972 mit den damals noch vorhandenen Ruinen des "Südwerkes" sind dort zu finden. Die Bildqualität ist nicht besonders, stammt von Dias...

Anmerkung zu den Luftbildern:
1. Oben, an der Donau, ist das "Nordwerk" (Pischelsdorf => Chemiewerk, Donauumschlagslände und Magnesiumelektrolyse). Darunter das "Südwerk" (Moosbierbaum => Altwerk mit Chemieteil, Erdölverarbeitung - HF-Anlage, Donauraffinerie - DORA-Anlage).

2. "Südwerk" Moosbierbaum und westlich (links) davon "Isabella" => siehe: http://www.geheimprojekte.at/deckname_isabella.html

3. "Südwerk", unten die Orte Moosbierbaum ( + Bahnhof), Heiligeneich, Atzenbrugg.



Noch etwas:
In diversen Berichten und Publikationen wird immer wieder vom "Hydrierwerk Moosbierbaum" zur synthetischen Treibstofferzeugung geschrieben/berichtet. Dies ist FALSCH! Diese Bezeichnung trifft nur für die Treibstofferzeugung aus Braun- oder Steinkohle (Fischer-Tropsch-Verfahren) zu! In Moosbierbaum (Südwerk) wurde aus minderwertigen rumänischen Benzinen mittels des von den IG-Farben entwickelten "Hydroforming-Verfahrens" hochwertiger Flugbenzin hergestellt (=> HF-Anlage). Weiters wurde in der DORA-Anlage (=> Donau-Raffinerie) Rohöl ebenfalls aus Rumänien und aus den Feldern des Zistersdorfer-Reviers verarbeitet.

lg
josef
 
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josef

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#9
Nun noch 2 Bilder des LS-Bunkers vom Typ "Salzgitter" am Gelände der ehemaligen Raffinerie Moosbierbaum - "Südwerk" , heute Kohlekraftwerk Dürnrohr. Der Hügel hinter dem Bunker ist ein riesiger Schuttberg von der Räumung des Ruinengeländes vor Baubeginn für das KW.

lg
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josef

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#11
Räumung Gelände ehem. Fremd- und Zwangsarbeiterlager

Nachstehend 2 Fotos vom Gelände des ehemaligen Barackenlagers für Fremd- und Zwangsarbeiter südlich der Straße Pischelsdorf-Zwentendorf, gegenüber dem DC-Nordwerk. Buschwerk und sonstiges Gestrüppsowie ein Großteilder Barackenfundamente sind schon geräumt, um Platz für neue Industrieansiedlung zu schaffen. Lt. Übersichtsplan von Markus => http://www.geheimprojekte.at/firma_ig-farben.html) Pkt. 10. Leider schlechte Bildqualität, da bei strömenden Regen am 08.08.06 aufgenommen...

lg
josef
 

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#12
Fotos Arbeiterlager Pischelsdorf

Hallo zusammen.

War seit den 23.7.06 öfters in Pischelsdorf um die letzten Reste des Arbeitslager zu fotografieren. Davon ein paar Fotos.

1. Fundamente einer Baracke neben Straße

2. gesprengte Keller einer Baracke

3. Ofen in einen erhaltenen Keller, sicher nicht Orginal.

Von den drei Luftschutzbunkern sind zwei noch Offen, werde von diesen auch noch Fotos nachliefern.

Gruß aus Tulln an der Donau

Tullner
 

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#13
Fotos Arbeiterlager Pischelsdorf 2. Teil

Hallo.

Noch ein paar Fotos aus Pischelsdorf.

1. Luftschutzbunker Nr. 9, neben Bahn

2. zweiter Eingang von Luftschutzbunker Nr. 9

3. zugeschütteter Eingang von weiteren Luftschutzbunker, im Hintergrund
links ist Eingang von Nr. 9 zu sehen

4. zwei Eingänge eines weiteren Luftschutzbunkers an der Straße

Gruß aus Tulln

Tullner
 

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#14
Fotos Arbeiterlager Pischelsdorf 3. Teil

Hallo.

Noch drei Fotos für heute.

1. Blick von Brücke auf das Gelände des Arbeitslager

2. Stollen im großen Luftschutzbunker an der Straße

3. Stiege zum Luftschutzbunker hinunter an der Straße

Werde morgen vormittag auch wieder in Pischelsdorf vorbeischauen und auch wieder fotografieren.

LG

Tullner
 

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K

Knallfrosch

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#16
das sieht fast aus wie ein auf der seite liegender personen schutzbunker,
von den dimensionen könnte das hinkommen aber genau kann ich das nun nicht sagen
 

cerberus9

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#17
Also Einmannsplitterschutzzelle sicher nicht.
Das Ding hat etwa einen Durchmesser von 2,2m und ist etwa 2,5 m lang. Welchen Sinn hätten die Radial angeordneten Schlitze? Von der Spitze ist weit und breit nichts zu finden.

Cerberus9
 

josef

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#18
Die Schrauben/Befestigungsbolzen? (2. Bild) sehen relativ gut erhalten aus! Normalerweise sind solche Dinge von einer ordentlichen Rostschicht überzogen...

lg
josef
 

cerberus9

Well-Known Member
#19
Hallo Josef:

Das mit dem Rost werde ich mir am Abend auf noch mal ansehen. Die Originalbilder sind ja größer.

Der Bunker neben der Straße ist eher untypisch: 2 Doppeleingänge direkt nebeneinander, Stollenbreite 2m, Stollenhöhe 2,3m. Außerdem relativ frisch verputzt. Entweder gab es eine Nachkriegsnutzung (Renovierung) oder der Bunker wurde nach dem Krieg gebaut.

Zitat von Tullner
Von den drei Luftschutzbunkern sind zwei noch Offen, werde von diesen auch noch Fotos nachliefern
.

Stimmt was die gerodete Fläche angeht. Aber im Areal der nicht gerodeten Fläche sind noch mind. 4 weiter Luftschutzdeckungsgräben zu finden. Davon sind 3 zugänglich. Werde am Abend eine Karte mit den Positionen reinstellen.


Cerberus9
 

cerberus9

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#20
So nun die versprochenen LSDG. Die gelben Zahlen geben die Nummern an (soweit lesbar). Die LSDG´s sind bis auf Nr. 27 und den auf der anderen Seite der Perschling von der gleichen Bauart. Unterscheiden sich lediglich in der Ausrichtung der Eingänge.
Nr27 ist von der Bauausführung eine Nr. größer (2m Innenbreite statt 1,35m) und hat 2 sehr dicht beieinander liegende Stiegeneingänge. Könnte eine Art Lazarettbunker gewesen sein. Dafür sprechen auch die Beschläge an den Wänden. (Die Idee dazu ist (leider) nicht von mir, Danke an P.)
Der LSDG am anderen Ufer ist geringfügig breiter und weist andere Eingangsbauwerke als die übrigen LSDG auf diesem Areal auf.

Lg

Gerald
 

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