Bronzezeitliche Funde am Buchberg oberhalb des Attersees in OÖ.

josef

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Fürstliche Aussichten am Attersee
Von einer archäologischen Randerscheinung zu einem wichtigen Zentrum der Spätbronzezeit: Der Buchberg gibt einen Teil seiner abwechslungsreichen Geschichte preis
Der Buchberg (808 Meter), direkt am nordwestlichen Rand des Attersees gelegen, ist ein beliebtes Ausflugsziel sowohl der Attergauer als auch von Touristen. Von diesem länglichen Berg aus hat man eine beeindruckende Sicht auf das Höllengebirge. Der Attersee liegt malerisch unterhalb des bewaldeten Höhenrückens. Mithilfe von Sichtfeldanalysen konnte festgestellt werden, dass die Fernsicht an klaren Tagen im Norden möglicherweise bis ins Mühlviertel, im Süden bis an die Gipfel des Dachsteingebirges reicht. Der Blick vom Buchberg aus lässt verstehen, warum mehrere österreichische Maler den Attersee als Inspirationsquelle gewählt haben.


Der malerische Ausblick vom Buchberg auf den Attersee faszinierte bestimmt nicht nur heute.
Foto: G. Raab, Crazy Eye OG.

Archäologie am Buchberg
Bereits 1974 wurde eine erste archäologische Ausgrabung durchgeführt, die eine urgeschichtliche Besiedlung des Buchbergs vermuten ließ. Dabei wurde der circa 550 mal 200 Meter große Ringwall, der die flachere Kuppe des Buchbergs umschließt, erstmals untersucht. Leider wurde dieser Wall in den 1980er-Jahren durch den Bau einer Forststraße größtenteils überdeckt. Seit 2015 findet jeden Sommer eine archäologische Forschungs- und Lehrgrabung der Universität Wien unter der Leitung von Timothy Taylor statt, bei der Studierende erste praktische Grabungserfahrungen machen und dabei erlernen, wie eine archäologische Grabung wissenschaftlich durchgeführt und dokumentiert wird. Dabei konnte festgestellt werden, dass es sich bei der Wallanlage auf dem Buchberg um eine spätbronzezeitliche (circa 1300–800 v. Chr.) Höhensiedlung handelte.


Geländemodell des Buchbergs mit Lage der Grabungsschnitte. Gut erkennbar ist der Ringwall, der zum Großteil unter der heutigen Forststraße verläuft.
Karte: C. Hascher, Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien.

Projekt Beyond Lake Villages
Die Grabungen auf dem Buchberg sind eingebettet in das internationale Projekt Beyond Lake Villages (BeLaVi), das in Österreich durch Timothy Taylor geleitet und durch den FWF (Fonds zu Förderung der wissenschaftlichen Forschung) sowie die Kulturabteilung des Landes Oberösterreich finanziert wird. Da der wissenschaftliche Schwerpunkt in der Region lange vor allem auf die Erforschung der Seeufersiedlungen gerichtet war, beschäftigt sich das Projekt vorrangig mit dem Hinterland der Unesco-Welterbestätten am Attersee und Mondsee. Die Forschungen sollen 2027 in der Oberösterreichischen Landesausstellung ihren Höhepunkt finden. Im Rahmen dieses Projekts wurden mindestens 130 neue potenzielle Fundstellen rund um den Attersee und den Mondsee lokalisiert und damit begonnen, ein vollständiges diachrones Bild der menschlichen Hinterlassenschaften in der Region seit dem Ende der letzten Eiszeit bis hin zur nachrömischen Zeit zum Vorschein zu bringen.

Die Ausgrabungen 2019
In diesem Jahr stellte sich das Team unter Timothy Taylor – bestehend aus Studierenden, Praktikanten und Projektmitarbeitern – gleich mehreren Herausforderungen. Zum einen wurden zwei Strukturen untersucht, bei denen es sich um Überreste von urgeschichtlichen Gebäuden handeln könnte. Diese beiden Strukturen wurden im Inneren der Wallanlage durch die Analyse von digitalen Geländemodellen entdeckt. Um diese Vermutung bestätigen oder widerlegen zu können, wurden die Grabungsschnitte gezielt im Bereich der Gebäudegrundrisse angelegt. Außerdem wurde ein weiterer Grabungsschnitt direkt innerhalb des Walls, welcher in den Jahren zuvor bereits untersucht wurde, angelegt.
Auffällig ist, dass in allen Grabungsschnitten am Buchberg erstaunlich viele verkohlte Getreidekörner gefunden wurden, was auf eine intensive Siedlungstätigkeit innerhalb des Ringwalls hinweist. Die bevorstehende archäobotanische Analyse dieser Getreidefunde bietet hoffentlich weitere spannende Einblicke in die Ernährung, den Ackerbau und damit in das tägliche Leben der spätbronzezeitlichen Besiedlung am Buchberg.


Das Team der Uni Wien konnte bei Depot "Attersee 1" einen umfassenden Steinkranz sowie eine flächige Steinlage nachweisen.
Foto: Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien.

Sondengänger – wer suchet, der findet
Ein weiterer spezieller Aspekt der diesjährigen Grabungskampagne war ein Metalldetektorsurvey, der mit der Beteiligung von Sondengängern des NGÖ (Netzwerk Geschichte Österreichs, eine Vereinigung von Enthusiasten, die eng mit professionellen Archäologen zusammenarbeiten) durchgeführt wurde. Dass der Beziehungsstatus zwischen Archäologen und Metallsondengängern in der Vergangenheit meistens eher "kompliziert" war, wurde bereits in diesem Blog besprochen. Am Buchberg verfolgen wir aber einen anderen, konstruktiveren Weg. Engagierte ehrenamtliche Metallsucher werden in die Grabung eingebunden und der Metalldetektorsurvey archäologisch betreut und dokumentiert. Dieser Ansatz wurde dieses Jahr außerordentlich reich belohnt.

Die Sensation(en)
Bereits in der ersten Grabungswoche konnte durch den Metallsucher Michael Waldher die erste kleine Sensation entdeckt werden: ein Depot aus über 70 Bronzeobjekten, bestehend aus Sicheln, Beilen, Gusskuchenfragmenten (dem Rohmaterial für die weitere Bronzeverarbeitung) und weiteren Funden, insgesamt über zwölf Kilogramm Bronze.


Das Depot "Attersee 1" enthält neben zahlreichen anderen Objekten drei besonders gut erhaltene Lappenbeile, die auf einer Sichel niedergelegt wurden.
Foto: Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien.

Auch in der darauffolgenden Woche konnte unser Metallsucherteam zeigen, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit sein kann: Der extra aus Vorarlberg angereiste Dominik Tenschert fand einen weiteren Depotfund, diesmal mit über 200 Bronzeobjekten und einem Gesamtgewicht von über 55 Kilogramm um einiges umfangreicher. Auch dieses Fundensemble setzte sich aus Sicheln, Beilen und Gusskuchen, aber auch Schmuckstückfragmenten zusammen.

Und als wäre es noch nicht genug gewesen, wurde auch in der letzten Grabungswoche in einer der vermuteten Gebäudestrukturen noch ein kleiner, aber sehr feiner Depotfund freigelegt. Depot "Attersee 3" setzte sich nämlich neben den bereits bekannten Sicheln aus einigen archäologischen Schmankerln zusammen: einem fein verzierten und hervorragend erhaltenen Messer, Armreifen, Feinwerkzeugen und einem kleinen Amboss. Einer alten Archäologenweisheit folgend kommt das Beste eben immer zum Schluss, sprich am letzten Tag der Ausgrabung – an dem man eigentlich die Grabung ordentlich abschließen sollte.


Die Objekte des Depots "Attersee 2" wurden mit größter Sorgfalt freigelegt und geborgen.
Foto: Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie, Universität Wien.

Die Depotfunde stellen eine außerordentliche Besonderheit in der österreichischen Archäologie dar. Selten ist es bisher möglich gewesen, Depots gezielt und methodisch auszugraben, da diese meist direkt von den Findern (Sondengängern) geborgen werden und erst danach ihren Weg in die Forschung finden (wenn überhaupt). Durch die enge Verknüpfung von Mettallsuchern und Archäologie war es möglich, diese Depotfunde ohne Informationsverlust und mit vollständiger 3D-Bilderfassung zu bergen und gleichzeitig seltene organische Materialien (wie Leder und Getreidekörner) zwischen den Metallobjekten zu identifizieren. Während die ersten beiden Depots (Attersee 1 und 2) eher als Wertlager zu betrachten sind, stellt Depot Attersee 3 eine wahre Besonderheit dar und ist wahrscheinlich eher als das Depot eines Handwerkers (Feinschmieds?) zu interpretieren.
Die Auffindung der drei Depots ("Attersee 1–3") und der zahlreichen weiteren Einzelfunde auf dem Buchberg durch die Metallsondengänger ist auch unter einem anderen Aspekt eine große Überraschung. Der Buchberg war bereits in der Vergangenheit unter den "Metallsondlern", also solchen, die nicht mit der Archäologie zusammenarbeiten und somit illegal Kulturgeschichte freilegen, bekannt und wurde vermutlich intensiv abgesucht und beraubt. Darauf weisen unter anderem die sehr wenigen Münzfunde hin, die eigentlich sehr viel zahlreicher vorhanden sein sollten.

Und wie geht’s weiter?
Die 2019 entdeckten Funde deuten darauf hin, dass der Buchberg nicht nur ein regional wichtiges Zentrum für die Territorialkontrolle (vor allem in Hinblick auf den prähistorischen Salzhandel zwischen dem Inneren Salzkammergut und dem Donautal), sondern auch ein potenzielles Produktionszentrum war: Die große Zahl der gefundenen Fehlgüsse und fragmentierten Bronzeobjekte legt nahe, dass der größte der Depotfunde den "Handelsbestand" der um 1000 v. Chr. tätigen Bronzeschmiede darstellte, während die hohe Qualität der Metallarbeiten, die wir entdeckt haben, darauf hindeutet, dass diese frühen Industriespezialisten unter der Kontrolle einer sozialen Hierarchie arbeiteten, die als "fürstlich" angesehen werden kann.

Auch 2020 werden wir wieder das Glück haben, im schönen Attergau zu graben, den Attersee zu genießen und gemeinsam mit dem sehr unterstützenden und interessierten Grundstücksbesitzer Friedrich III Mayr-Melnhof weitere Forschungslücken zur prähistorischen Besiedlung rund um den Attersee zu schließen. Und auch dann werden wir den vielen Wanderern wieder erklären, was es auf ihrem Buchberg alles zu entdecken gibt. (Martin Gamon, Cornelia Hascher, Katharina Heiß, Timothy Taylor, 19.9.2019)

Martin Gamon ist Archäologe mit dem Schwerpunkt alpine und digitale Archäologie, am Buchberg hatte er die Leitung des Grabungsschnitts im vermuteten Gebäudegrundriss.
Cornelia Hascher ist seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Forschungs- und Lehrgrabungen am Buchberg, mit Schwerpunkt auf digitalen Dokumentationsmethoden.
Katharina Heiß ist seit 2014 Teil des Teams von Timothy Taylor. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie für die Fundverwaltung sowie die Organisation im Hintergrund zuständig.
Timothy Taylor ist Professor für Urgeschichte des Menschen und Direktor des Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS), Universität Wien.


Links
Fürstliche Aussichten am Attersee - derStandard.at
 
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