Burgenland: 90 Jahre Nord-Süd-Verbindung über den Sieggrabener Berg

josef

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Dort wo das Burgenland in Folge der 1921 stattgefundenen Volksabstimmung in Ödenburg/Sopron und der daraus resultierenden späteren Grenzziehung zu Ungarn nur knapp 5 Kilometer Breite aufweist, wurde 1929 die erste Verbindungsstraße über den Sieggrabener Berg in den Süden des jüngsten österreichischen Bundeslandes eröffnet:

Sieggrabener Berg: Die Naht des Burgenlandes

Vor 90 Jahren wurde die Straße über den Sieggrabener Berg eröffnet, die erste Nord-Süd-Verbindung. Erst seit damals ist das Burgenland ein einziges Land
Im Grunde wäre es ja kaum der Rede wert, das Stückerl Straße, das vom Mattersburger Hintaus nach Süden führt. Parallel zur S 31, der Burgenland-Schnellstraße. Und entsprechend schwach ist der Verkehr. Selbst die Biker nutzen die B 50 hier bloß zur Durchreise zum weit attraktiveren Geschriebenstein. Hier testen sie höchstens röhrend die Motorleistung auf der kilometerlangen Geraden. Und dann, genau unter Burgenlands höchster Brücke, die Straßenlage in der einen Serpentine, durch die es hinaufgeht auf die grad einmal 500 Meter des Sieggrabener Sattels.


foto: wei
Durch die eine Serpentine, genau unter Burgenlands höchster Brücke geht es hinauf auf die 500 Meter des Sieggrabener Sattels.

Dieser Tage feiert die Berg-, na ja: Bergerlstraße ein Jubiläum. In aller Stille, links liegen gelassen von der geschäftigen Aufmerksamkeit. Vor 90 Jahren war das noch ganz anders. Am 7. April 1929 – ein Sonntag wie heuer – reiste sogar die Spitze der jungen Republik in ihr noch jüngeres Bundesland, um eben diese 30 Kilometer zwischen Mattersburg und Weppersdorf feierlich seiner Bestimmung zu übergeben, dem höherrangigen Verkehr. Und zwar durch den höchstrangigen. Mit gehörigem Stolz führte der christsoziale Landeshauptmann, Anton Schreiner, den Automobil-Konvoi von Mattersburg über den Berg bis nach Oberpullendorf, wo ein Krankenhaus – das erste neu errichtete im Burgenland – zu eröffnen war.

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faksimile: bgld. landesarchiv
Die sozialdemokratische Wochenzeitschrift berichtete über den großen Tag.

Bundespräsident Wilhelm Miklas ist gekommen; Ignaz Seipl, der Bundeskanzler; der steirische Landeshauptmann Anton Rintelen. Die altehrwürdige "Neue Freie Presse" schickte darum ihren altgedienten Wirtschaftsredakteur, Paul Kisch. Der sah "zahlreiche amtliche Festgäste". Die waren alle sehr neugierig, denn: "Noch immer haftet ein fremder Hauch über Menschen und Boden".

Eigenartiger Reiz
Das fiel nicht nur den Innerösterreichern auf. Auch die Burgenländer selbst waren einander – eine Folge des Straßenzustandes – durchaus fremd. Aber anders als Paul Kisch empfanden sie das weniger als "eigenartigen Reiz des Landes". Sondern eher als bedrückende Hemmnis des Handels und Wandels.

Im Dezember 1921 hatte sich Burgenlands logische Hauptstadt und der Verkehrsknoten – Ödenburg/Sopron – mit acht Umlandgemeinden für den Verbleib bei Ungarn ausgesprochen. Hinter Mattersburg endete somit das Burgenland, um drüben, in Sieggraben neu anzufangen. Erst am 7. April 1929, so die sozialdemokratische "Burgenländischen Freiheit", fiel "die Trennungswand zwischen Norden und Süden, die die Widrigkeit der Geographie und das Verbrechen der Abtrennung Ödenburgs vom deutschen Burgenland aufgerichtet haben".

Herzens-Verbindung
Grad einmal vier Kilometer breit ist hier das Burgenland. In ungarischer Zeit ist man dem Sieggrabener Berg, wo sich das Ödenburger Gebirge, die Rosalia und die Bucklige Welt treffen, ausgewichen. Wer von Mattersburg nach Oberpullendorf wollte, fuhr über Ödenburg. Über die Trennungswand führten Saumpfade, "die nur zur Zeit trockener Witterung und nur für kleine Ökonomiefuhrwerke benützbar waren, sonst aber einem Morast glichen und schon wegen großer Steigungen bis zu 17 und 24 Prozent und ungünstiger Richtungsänderungen zum Ausbau nicht in Betracht kamen".

Die neue Straße werde nun endlich, so zitierte die amtliche "Wiener Zeitung" den wohlmeinenden Bundespräsidenten, "nicht nur den Verkehr zwischen den einzelnen burgenländischen Bezirken fördern, sondern noch vielmehr die Herzen zwischen Nord und Süd verbinden und das gegenseitige Verständnis fördern."

Nord-Süd-Gefälle
Nun ja: Bis heute knirscht es zwischen dem boomenden Norden und dem ökonomisch vergleichsweise darbenden Süden. Immer noch ist die Landespolitik beschäftigt damit, etwas abzubauen, was man im EU-Ziel-1-Deutsch "ökonomische Disparität" nennt. Während der Norden, längst Teil von Groß-Wien und der Twin-City-Region, da und dort sogar unter veritablen Wachstumsschmerzen leidet, klagt der Süden über Abwanderung wegen schwerer Vernachlässigung durch Eisenstadt.

Immer noch geht es dabei um den Verkehr. Vor allem der Bezirk Güssing liegt im verkehrstechnischen Schatten: keine Autobahnabfahrt, kein einziger Bahnhof. Aus Oberwart fahren nur noch Güterzüge ins steirische Fehring. Und die südliche Ostbahn vom Bezirk Jennersdorf nach Graz wartet immer noch auf die beschleunigende Elektrifizierung.

Zumindest wird nun – endlich sagen viele –die S 7 gebaut, welche 2023 dann die Südautobahn mit dem grenzüberschreitenden Industriestandort Heiligenkreuz-St. Gotthard verbinden wird, eines der zentralen Ziel-1-Förderziele der 1990er-Jahre zum Abbau der Disparitäten.

Ost-West-Ausrichtung
Die ökonomische Hauptwindrichtung hat sich seit 1989 von der Nord-Süd-Ausrichtung wieder ins Alte gedreht. Selbst der unlängst begonnene Ausbau der S 31 – die Strecke über den Sieggrabener Berg wird zur Autobahn – zielt ostwärts. Über Kopháza-Deutschkreutz rollt der Schwerverkehr, von Oberpullendorf verlängert die B 61a die Schnellstraße nach Köszeg/Güns und weiter nach Szombathely/Steinamanger.

Die Verlängerung der A 3 von Eisenstadt bis zur Grenze bei Sopron ist aktuell gerade wieder ein beliebtes Streitthema der Landespolitik. Und das quer durch die rot-blaue Landesregierung.

Belebende Wirkung

Der 7. April 1929 war ein entscheidendes Datum für das faktische Entstehen des Burgenlandes. Denn erst durch diese unscheinbare, durch die S 31 längst dem lokalen Verkehr zurückgegebene Straße konnte, so Paul Kisch, "der Kraftwagenverkehr auch in diesen bisher so entlegenen Gegenden seine belebende Wirkung entfalten". Das fromme dem Fremdenverkehr, aber: "Noch größer und wichtiger ist die Bedeutung für Handel und Wandel, Aus- und Einfuhr, und ebenso hoch ist ihr Wert für die Verinnerlichung der politischen Beziehungen des jüngsten Bundeslandes zu den Bruderländern anzuschlagen."
(Wolfgang Weisgram, 5.4.2019)
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Beim "Sieggrabener Berg" weist das Burgenland zwischen Ungarn und Niederösterreich in West-Ost Richtung nur eine Breite von 4,75 Kilometer auf:

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