Die bäuerlichen "Vulgo-Hofnamen" sind das GPS von früher

josef

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#1
Hofnamen als kleine Zeitreisen
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An Haus- und Hofnamen erkennt man nicht nur, wer hier wohnt, sondern auch wer früher hier gelebt hat. Die Vulgonamen sind teilweise hunderte Jahre alt und haben alle eine Bedeutung, auch wenn sie noch so kurios klingen.
Online seit heute, 14.10 Uhr
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Über 12.000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Tirol. 1.152 davon sind Erbhöfe, fast alle davon haben einen Hofnamen. „Wasserfischer“, „Watscher“, oder „Orgeler“ sind Beispiele aus Strass im Zillertal. Aus diesem Ort kommt auch Carina Klammer, die sich im ORF Tirol Redhaus gefragt hat, woher Hofnamen kommen und was sie bedeuten. Die Berufsschülerin fühlt sich zu gleich zwei Hofnamen zugehörig: „Dengg“ von der väterlichen Seite und „Heisen“ nach dem Heimathof ihrer Mutter.

Hofnamen sind das GPS von früher
Auch bevor es richtige Straßen und dazugehörige Namen und Karten gegeben hat, musste sich die Bevölkerung im Dorf zurecht finden. Die Haus- und Hofnamen sind zum Teil geografisch verankert, erklärt Thomas Bertagnolli, Kustos des Museums der Tiroler Bauernhöfe in Kramsach. Sprachwissenschafter Gerhard Rampl gibt Beispiele wie den Namen „Egger“, der vermutlich an einem Eck zu finden war. Familien namens „Gruber“ waren wohl in der Nähe einer Grube ansässig. Auch für den Strasser Wasserfischerhof gibt es eine geografische Erklärung: Er liegt direkt am Inn und früher habe sich neben dem Grundstück sogar eine Bootsanlegestelle befunden.

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Der Wasserfischerhof in Strass liegt direkt am Inn und trägt den Namen sogar am Dach.

Das Phänomen Haus- und Hofname hat in Tirol eine lange Tradition. Um herauszufinden woher die Namen kommen, muss in der Vergangenheit gesucht werden. Nicht immer seien die Namen auf den Standort des Hofes zurückzuführen, wie der Sprachwissenschafter von der Universität Innsbruck Gerhard Rampl erklärt. Dennoch schauen sich die Forscherinnen und Wissenschafter die Höfe vor Ort an, um eine genaue Aussage über die Herkunft des Namens treffen zu können. Andere Hinweise finden sich in den Vor- oder Nachnamen der früheren Besitzer, in den Berufen, die auf dem Hof ausgeübt wurden oder der früheren Hofgröße.


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Der Name Watscher kommt vom Mittelhochdeutschen und legt nahe, dass hier früher nur einen Teilhof gegeben hat.

Namen sind kein Schall und Rauch
Es sei ihm kein Hof ohne Hofnamen bekannt, sagt Bertagnolli vom Museum der Tiroler Bauernhöfe. Die Namen seien ein Stück weit die Identität der Besitzer und werden stolz getragen. Auch die Gäste des Museums interessieren sich sehr für die Namen der alten Höfe. Sie mögen zwar urig und fremd wirken, jeder Begriff habe aber eine Bedeutung und entspringe nicht der Fantasie, schmunzelt Bertagnolli.

Haus- und Hofnamen gibt es im gesamten süddeutschen Sprachraum. Der plausibelste Grund, warum Höfe Namen bekommen haben, ist, dass sie zentrale Punkte und von elementarer Wichtigkeit in jedem Dorf waren, so Sprachwissenschafter Rampl. Natürlich gebe es regionale Unterschiede. Im Tiroler Unterland zum Beispiel sind Hofnamen üblich, während im Oberland öfter Hausnamen zu finden sind, denn dort spielte der einzelne Hof eine untergeordnete Rolle, erklärt Rampl.

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Auch wenn die Hofnamen noch so kurios sind, sie haben immer eine tiefere Bedeutung.

Ganz neue oder moderne Hofnamen gibt es übrigens kaum. Die junge Generation übernehme fast immer die bereits bestehenden Namen. Im Tiroler Landesarchiv gibt es ein Verzeichnis vieler Tiroler Erbhöfe mit den dazugehörigen Geschichten.
23.10.2020, Christina Geisler, tirol.ORF.at

Links:
Tiroler Erbhöfe im Tiroler Landesarchiv

Hofnamen als kleine Zeitreisen
 

Stoffi

Well-Known Member
#6
Ich glaub das war eh auch in Tirol - vor ein paar Jahren - das die vulgonamen bzw Flurnamen in das System von notfalldiensten eingepflegt werden um die Lokalisation zu vereinfachen
 

Geist

Worte im Dunkel
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#7
Auch zur oberösterreichischen Datenbank (siehe Link oben) erschien jetzt ein Artikel:

Haus- und Hofnamen digital abrufbar

100.000 historische Namen von Höfen und ihre Geschichte sind jetzt online abrufbar. Möglich macht dies das Projekt „Hofnamen und Häusergeschichten“ des OÖ. Landesarchivs, an dem 15 Jahre lang gearbeitet wurde.

Hiaslbauer, Gruberhof, Leitenbauer, Schuasterhäusl – die Hofnamen der Bauernhöfe verraten oft einen Teil der Hausgeschichte. Entstanden sind Hofnamen parallel zur Errichtung der Häuser und Höfe, die damit identifizierbar waren. „Das hatte auch steuerrechtliche Gründe, denn der Grundherr wollte wissen, wer wo wohnt und welche Menge an Abgaben der Bauern ihm zustand“, so Historiker Gerhard Schwentner vom OÖ. Landesarchiv im Interview mit dem ORF Oberösterreich.

Daten in Kurrentschrift

In kunstvoller Kurrentschrift wurde das „Josefinisches Lagebuch“ verfasst. Die vergilbten Seiten sind fein säuberlich mit Listen gefüllt, die Angaben zum Namen und Beruf der Hausbesitzer und teilweise zu Hausnummern enthalten.
Neben dem Hofnamen ist auch verzeichnet, wie groß Grundstück und Viehbestand sind, ob Wald, Wiesen und Felder dazugehören oder auch Gärten und Hauskapellen.

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Den Speicher des Archivs kennt Schwentner in- und auswendig: zielstrebig zieht er ein dickes Buch aus dem Regal: „Josefinischen Lagebuch“

Mehr als einen Kilometer alter Handschriften

Was in Archiven jahrhundertelang schlummerte, hat Gerhard Schwentner nun aufgearbeitet und erforscht. Als hervorragende Quellen dienten das „Josefinische Lagebuch“, das „Theresianische Gültbuch“ oder das „Alte Grundbuch“.

Mehr als einen Kilometer historische Handschriften, die im Speicher des Landesarchivs lagern, hatte Gerhard Schwentner zum Teil schon mehrmals in der Hand. Mit dem digitalen Projekt „Hofnamen und Häusergeschichten“ sind die Daten nun für jedermann online zugänglich. Heimatforscher, Sozial- und Wirtschaftshistoriker sowie die Hausbesitzer selbst profitieren davon.

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Stoabloßhof in Lichtenberg „Kramer“

Die Karten und Datensätze zu den 100.000 Hofnamen und Häusergeschichten sind im Rahmen von DORIS, dem Digitalen Oberösterreichischen Raum-Informations-System abrufbar. Das Interesse ist enorm: Nach dem Flächenwidmungsplan wird die Seite mit den Hofnamen und Häusergeschichten am häufigsten aufgerufen.

Sandra Ohms, ooe.orf.at

Links:
Quelle: Haus- und Hofnamen digital abrufbar
 
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