"Einhornhöhle" in der westfranzösischen Region Nouvelle-Aquitaine

josef

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AUSSERGEWÖHNLICHER FUND
Französische "Einhornhöhle" gibt bronzezeitliche Gräber preis
In der großen Höhle wurden neben Keramik und kindlichen Fußabdrücken auch Knochen gefunden, die dort wohl vor mehr als 2800 Jahren bestattet wurden

Keine echten Einhörner, aber wenigstens Stalagmiten und Stalaktiten: die Einhornhöhle im französischen Bezirk Charente.
Foto: ARS-LR
Mehr als einen Kilometer Länge misst ein Höhlensystem in Frankreich, in dem sich besondere Funde verbargen: In der westfranzösischen Region Nouvelle-Aquitaine stießen Archäologinnen und Archäologen auf Knochen und Töpferwaren, die aus der Zeit von 2200 bis 800 vor Christus stammen, wie das Kulturministerium mitteilte. Es soll sich um eine der größten Grabhöhlen des Landes – und womöglich sogar Europas – handeln.

Das unterirdische System wurde vom Entdeckungsteam als "Höhlennetz des Einhorns" bezeichnet. Ab der Bronzezeit wurde es Fachleuten zufolge genutzt – auch als Bestattungsort. "Es bietet ein bemerkenswertes wissenschaftliches Potenzial, um mehr über die Begräbnistraditionen der Bronzezeit zu erfahren", heißt es in einer Aussendung.


Knochen eines erwachsenen Individuums und Keramik (schwarz).
Foto: J. Primault, DRAC Nouvelle-Aquitaine

Urnen aus dem Einhornloch
Gefunden wurden menschliche Schädel und weitere Skelettknochen, und es wirkt, als seien diese in natürlichen Alkoven abgelegt worden. Bemerkenswerterweise wurden außerdem die schlammigen Abdrücke von nackten Füßen entdeckt, die wohl von Kindern stammen. In unmittelbarer Umgebung zu den Knochen finden sich zudem einige Teller, Töpfe und Vasen, die großteils intakt sind. Womöglich wurden manche Gefäße als Urnen verwendet und beinhalten die Asche Verstorbener. Als Grabstätten genutzte Höhlen seien in Frankreich besonders in der Region Charente nichts Außergewöhnliches, das Wissen über die Bestattungspraktiken allerdings noch lückenhaft, schreibt das Forschungsteam.


Ein Kinderfußabdruck, der seit mehr als 2800 Jahren erhalten geblieben ist.
Foto: Ph. Galant, DRAC Nouvelle-Aquitaine

Auf die Karsthöhle, die sich nahe der Gemeinde La Rochefoucauld-en-Angoumois befindet, stieß man bereits vor rund einem Jahr bei Straßenbauarbeiten. Bemerkbar machte sich die Höhle durch warme Luft, die aus dem "Einhornloch" drang, in dem eigentlich eine Straßenlaterne fixiert werden sollte. Dann war die Straßenbeleuchtung zunächst zweitrangig, ein Höhlenforschungsteam grub einen Zugang zum 20 Meter tiefer gelegenen Höhlensystem.


Eingestürzte Teile der Höhle machen das Erkunden nicht leicht.
Foto: J. Primault, DRAC Nouvelle-Aquitaine

Kochen in der Grabhöhle
Dieses besticht durch seine Größe, wobei bisher erst ein Bruchteil gesichtet wurde. Kulturministerin Roselyne Bachelot-Narquin zufolge ist es auch "in einem herausragenden Erhaltungszustand". Die bisherigen Untersuchungen waren nicht ganz einfach, der Höhlenboden ist uneben aufgrund der Berge an Steinschutt, die von eingestürzten Decken und Wänden stammen. Doch die Mühe lohnte sich: In fast allen untersuchten Höhlenräumen gab es archäologisch und anthropologisch relevante Funde, darunter Skelettreste von etwa zehn Individuen. Feuerstellen wurden ebenfalls aufgespürt, wobei noch unklar ist, ob diese nur der Beleuchtung der Höhle dienten oder hier auch gekocht wurde.


Gut erhaltene Gefäße halfen bei der zeitlichen Einordnung der Funde.
Foto: Ph. Galant, DRAC Nouvelle-Aquitaine

Auch Tierknochen wurden entdeckt, wobei es aussieht, als sei die Einhornhöhle ab etwa 800 vor Christus nicht einmal mehr von Tieren wie Füchsen und Dachsen besucht worden. Es könnte also sein, dass Menschen sie – nach einer Nutzungsdauer von rund 1300 Jahren – absichtlich verschlossen haben. Doch auch wenn Einhörner in späteren Epochen sogar auf französischen Wandteppichen dargestellt wurden, dürften keine Überreste der Fabelwesen in der Höhle zu finden sein.
(Julia Sica, 7.3.2022)

Link
Französisches Kulturministerium: "Une vaste grotte sépulcrale de l'âge du Bronze découverte en Charente, le réseau de la Licorne"

Französische "Einhornhöhle" gibt bronzezeitliche Gräber preis
 
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