Graz: Ausstellung zur Grenzziehung zu Slowenien 1918/19

josef

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#1


Eine Grenze schreibt Geschichte

Das Museum für Geschichte in Graz widmet sich mit drei Ausstellungen der Grenzziehung der Steiermark zu Slowenien. Den Beginn macht die Zeit von 1900 bis 1918: Die Fotos stammen aus privaten und regionalen Sammlungen.
Die erste Schau, die bis 8. September zu sehen ist, zeigt Grenzen auf, die in den Köpfen der Menschen zu wachsen beginnen. Denn häufig wird so der Grundstein für das Entstehen von politischen Grenzen gelegt, so Kurator Helmut Konrad: "Man muss sich vorstellen, dass die Grenze zwischen einem Deutsch sprechenden und einem Slowenisch sprechenden Bevölkerungsteil immer schon eine Grenze im Kopf war, dass die Leute ihre Vorurteile, ihre Abgrenzungen gehabt haben.“

Von Vorurteilen und Grenzsteinen
Mit dem wachsenden Nationalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts sei um jede Schule, um jede topographische Aufschrift gekämpft worden, so Konrad. Mit Fotosammlungen, Filmen und Tondokumenten geht es in der Ausstellung 100 Jahre zurück - in jene Zeit, in der die Steiermark geteilt wurde und die Südgrenze des Bundeslandes entstanden ist: „Wir versuchen zu zeigen, wie sich das über Vereine, über Schule, über Militär, über kulturelle Organisationen, wie sich diese Vorurteilsgrenzlinie verfestigt. Im zweiten Teil haben wir den Versuch gemacht, Menschen an der Grenze zu zeigen, zu sagen, wie haben die Menschen das damals erlebt. Im dritten Teil haben wir dann die echte, die harte Grenzziehung, die Abgrenzungskommission, die kommt, die Besetzung von Radkersburg und die echte Grenzziehung, die bis auf die Soboth hin geht, die Grenzsteine, die Grenzbalken und -brücken und die Grenzsoldaten.“

Die Grenze vor der eigenen Haustür
Der Fokus liegt auf den politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen dieser Teilung, die im Ersten Weltkrieg entstand, so Konrad: „Es gab Grundbesitzer, die auf beiden Seiten der Grenze plötzlich den Grund gehabt haben. Es gab Bauernhöfe, vor deren Haustür plötzlich die Grenze lief und das Haus von den Feldern trennte. Es war mühselig und schwierig, diese Grenze dann tatsächlich auf die Landkarte zu bringen als eine Linie.“


Herbert Blatnik, Kloepfermuseum Eibiswald
Südmark-Karte

Diese Linie verfestigte sich - allerdings nur bis zur Zeit des Zweiten Weltkriegs: „Bis dann in der NS-Zeit mit dem Überfall Deutschlands auf Jugoslawien, mit der Bombardierung Belgrads, die von Graz aus gestartet wurde, diese Grenze wieder nach Süden vorgeschoben wurde. Plötzlich war da wieder der Anspruch Jugoslawiens auf diese Gebiete zugunsten der deutschen Armee, dann gibt es 1945 wieder den Rückzug. Die Grenze bleibt also eine ganz heiße Zone und wird kurz darauf Eiserner Vorhang.“

Zeit verändert Grenzen
Die ursprünglich gezogene Grenze ist auch aktuell noch relevant - es ist nämlich jene, die auch heute noch existiert, so der Historiker: „Die Grenzlinie, die jetzt die Grenze ist, ist jene Grenze, die 1919 im Friedensvertrag festgelegt worden ist.“ Nur die Bedeutung der Grenze wandle sich immer wieder: „Jetzt ist die Grenze offen, aber selbst in der Gegenwart war sie nicht immer offen, weil wie die große Flüchtlingswelle eingedämmt werden musste, war sie plötzlich wieder zu. Uns geht es darum zu sagen, Grenzen werden unterschiedlich wahrgenommen, zu unterschiedlichen Zeiten.“

Steiermark als „kleines Schweinchen“
Die Ausstellung beschäftigt sich mit Fragen wie: Was sind Grenzen? Wie entstehen Grenzen? „Grenzen definieren ein jeweiliges politisches, kulturelles, gesellschaftliches Rahmenfeld, das sind immer Konventionen und auch politische Grenzen sind Konventionen. Österreich schaut so aus wie ein geklopftes Wiener Schnitzerl, die Steiermark schaut aus wie ein kleines Schweinchen und so weiter, aber das muss nicht so sein. Es geht vor allem darum, dass wir erkennen, dass Grenzen umso leichter entstehen, je mehr sie auch in den Köpfen als Vorurteile, als Überlegenheitsgefühle, als Unterlegenheitsgefühle, bereits vorhanden sind“, so Konrad.


MiaZ – Museum im alten Zeughaus, Bad Radkersburg
Gasthaus Koroschetz in Bad Radkersburg nach Grenzziehung

Der zweite und dritte Teil der Ausstellung werden im Anschluss an die erste Schau, im Herbst 2018 bzw. im Frühjahr 2019 eröffnet: „1919-1945. Leben an der Grenze“ startet am 13. September 2018 bis 24. Februar 2019, „1946-2018. Leben mit der Grenze“ läuft von Frühjahr bis Sommer 2019.
Publiziert am 18.04.2018
Link Ausstellungshinweise:
„100 Jahre Grenze“
  • „1900-1918: Die Zeit vor der Grenzziehung“ bis 8. September 2018
  • „1919-1945: Leben an der Grenze“ von 13. September 2018 bis 24. Februar 2019
  • „1946-2018: Leben mit der Grenze“ von Frühjahr bis Sommer 2019

Foto: Josef Loibner, Grossradl
Grenzstein, Grossradl
 
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josef

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#2
Passt zwar vom Zeitraum nicht in diese Forums-Kategorie, ist aber die Ergänzung der mit 1900 begonnenen Ausstellungstrilogie:


Eine Grenze schreibt Geschichte - Teil III
Mit einer Ausstellungstrilogie blickt das Grazer Museum für Geschichte in Graz auf „100 Jahre Grenze“ im steirisch-slowenischen Raum zurück. Im letzten Teil steht die Zeit ab 1946 im Fokus - mit Spuren, die bis ins Heute führen.

„100 Jahre Grenze“
  • „1900 - 1918: Die Zeit vor der Grenzziehung“
    [*]„1919 - 1945: Leben an der Grenze“ von 13. September 2018 bis 24. Februar 2019
    [*]„1946 - 2018: Leben mit der Grenze“ von Frühjahr bis Sommer 2019
Den Beginn machte die Zeit von 1900 bis 1918: Die Schau zeigte Grenzen auf, die in den Köpfen der Menschen zu wachsen beginnen - mehr dazu in Eine Grenze schreibt Geschichte. Dem „Leben an der Grenze“ widmet sich der zweite Teil von „100 Jahre Grenze“ im Museum für Geschichte in Graz, um eine Ahnung vom Leben an der Grenze zu Jugoslawien in den Jahren von 1919 bis 1945 zu vermitteln - mehr dazu in Eine Grenze schreibt Geschichte - Teil II.

Der nun eröffnete dritte Teil widmet sich der Zeit ab 1946 rund um Grenzübergänge als Teil der Gastarbeiterroute, die Kämpfe 1991, den EU-Beitritt Sloweniens oder die Flüchtlingsjahre 2015 und 2016.

Drei Räume für drei Abschnitte
Die insgesamt drei Räume der dritten Ausstellung beschreibt Kurator Helmut Konrad als zeitliche Abschnitte: Im ersten Raum ist die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen, von 1946 bis in die späten 1960er Jahre. „Da wurde die Grenze wieder zu einer sehr realen - und es ist auch zu Todesschüssen gekommen“, so Konrad.


Egon Blaschka, Multimediale Sammlungen/UMJ

Die meisten Bilder zeigen Zollkontrollen am „Eisernen Vorhang light“ und auch das „Gasthaus zum Eisernen Vorhang“. Konrad hebt hervor, dass damals Staus an der Gastarbeiterroute zu Urlaubszeiten an der Tagesordnung gewesen seien: „Am Weihnachtstag 1969 reichte der Stau rund 70 Kilometer bis Graz zurück, damals wurden 20 Autos pro Minute kontrolliert. Ein Luftbild zeigt die Fahrzeuge kilometerweit Stoßstange an Stoßstange Richtung Süden.“

Qualmende Häuser und Geknatter
Die weiteren beiden Räume befassen sich mit der Intervention der Jugoslawischen Bundesarmee an der Grenze und der Sezession Sloweniens. An der erst 22 Jahre alten Murbrücke in Radkersburg - die alte war 1945 von den sich zurückziehenden Deutschen gesprengt worden - krachte es im Juni und Juli 1991 wieder. Qualmende Häuser und das Geknatter automatischer Waffen zeichnen ein beklemmendes Erinnerungsbild.

Bildlich wird auch auf das - kurzzeitige - Verschwinden der Grenze mit dem Beitritt Sloweniens zur EU und zum Schengenraum 2004 bzw. 2007 eingegangen. Doch mit dem laut Konrad „fröhlichen Miteinander“ war 2015 wieder Schluss - die Flüchtlingskolonnen führten zu einer politischen und humanitären Ausnahmesituation, zur Errichtung der „baulichen Maßnahme“ vulgo Grenzzaun in Spielfeld und zur Demonstration der Identitären nahe des Grenzübergangs.

167 Fotos und zwei Videos
Der ORF hat für die Ereignisse an der Grenze 1991 zwei Videozusammenschnitte zur Verfügung gestellt, auch 167 Fotos sind zu sehen, die aus Sammlungen zweier steirischer Fotografen, dem Archiv des Pavelhauses in Bad Radkersburg, dem örtlichen Museum, aber auch von Privaten stammen.

Link:
Eine Grenze schreibt Geschichte - Teil III
 
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