Ein Abschluss ist der Abschlussbericht wahrscheinlich nicht
Nachbetrachtung zu meinem Posting Nr.#32
Im Posting 32 schrieb ich, dass ich die kompletten Abschlußberichte der Historikerkommission nicht gelesen hatte weil sich die PDF's gerade nicht öffnen wollten, dies habe ich nun nachgeholt und mich über 6h mit dem Inhalt beschäftigt. Während sich der Abschlußbericht zu den Opferzahlen und das Gutachten zu den Brandtemperaturen noch einigermaßen flüssig liest, klebt das Auge an den 101 Seiten der Schnatz Arbeit zum Tieffliegerbeschuß förmlich fest wie eine Fliege auf dem Honigbrot - es liest sich sehr zäh...
Nun möchte ich vorausschicken, dass ich, durch das Glück der späten Geburt, dass Drama von Dresden nur durch Erzählungen meiner Urgroßmutter kenne welche 40 km Luftlinie von Dresden entfernt wohnte und von einem roten Himmel berichtete. Weiterhin möchte ich noch hinzufügen, dass mir Zahlen zu Opfern egal welcher Dimension, nicht im geringsten etwas nützen und mir eine Zahl kleiner 1000 lieber wäre als eine Zahl größer 300.000, es waren unsere Vorfahren die in Dresden starben und jeder der nicht umgekommen ist, ist ein Geschenk für seine Verwandten und uns Nachgeborene.
Doch nun zum Ergebnis der Historikerkommission: Es liegt mir fern die Zahl von 25.000 Opfern anzuzweifeln, dennoch fand ich in dem Abschlussgutachten der Historikerkommission, aus meiner persönlichen Sicht, einige Stellen dünnen Eises wo trotz intensiver Beweisführung Interpretationsspielraum gegeben ist (es kann aber auch sein, dass ich den Gesamtzusammenhang nicht verstanden habe).
Zum einen gesteht die Kommission ab Seite 60 ihres Abschlußberiches ein, dass:
Höhe der Verluste unter Flüchtlingen in Dresden
.....Wie oben bereits dargestellt, versuchte die Kommission in ihren Untersuchungen zur Bevölkerungsbilanz der Stadt auch die Zahl der Flüchtlinge in Dresden im Februar 1945 zu ermitteln. Dies erwies sich als unmöglich: Es sind keine aussagekräftigen Unterlagen derjenigen Organisationen überliefert, die für den Transport und die Betreuung der Flüchtlinge in Dresden zuständig waren. Auch eine im Dresdner Stadtarchiv erhaltene >>Flüchtlingskartei<< erlaubt keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Situation......
.....Die Kommission folgt jedoch den bereits publizierten Forschungsergebnissen von Kommissionsmitgliedern, die die Darstellungen von mehreren Hunderttausend Flüchtlingen widerlegen und stattdessen eine Größenordnung zwischen >>einigen Zehntausend<<Fußnote 97 bis >>ungefähr 200.000<<Fußnote 98 schätzen......
Auf Seite 44 erwähnt der Abschlussbericht noch ergänzend unter Wanderbewegungen:
Um die Zahl der vor den Februar-Luftangriffen nach Dresden transportierten Flüchtlinge zumindest in ihrer Größenordnung zu bestimmen, wären prinzipiell auch Unterlagen aus dem Transportwesen - vor allem der Deutschen Reichsbahn - geeignet gewesen. Auf deren Grundlage hätte auch die Abwanderung der Überlebenden nach den Luftangriffen zumindest in Teilen rekonstruiert werden können. Auch in diesem Kontext blieb die Archivrecherche erfolglos........
Weiß man's nun oder weiß man es nicht, wie kann ich etwas widerlegen was ich nicht weiß, egal ob Kommissionsmitglied oder nicht???
Weiter stellt die Kommission dann auf Seite 61 fest:
...Nach dem momentanen Auswertungsstand können weniger als drei Prozent der in der Datenbasis verzeichneten Toten als Flüchtlinge klassifiziert werden Fußnote 100...
Die Kommunalstatistik erwähnt für Dresden (Seite 43 Abschlußbericht) für Ende 1944 - 566.735 Einwohner und für April 1945 - 368.519 Menschen die in Dresden registriert waren -
Differenz 198.216 Menschen. Weniger als 3% von 566.735 Einwohner wären nach einer einfachen Formel, weniger als 566.735 x 0,03= 17.002 Opfer die Nichtdresdner also Flüchtlinge waren??????????
Weiter auf Seite 61 des Abschlussberichtes der Kommission versucht Rüdiger Overmans die Zahl der unter den Schlesischen Flüchtlingen in Dresden entstandenen Verluste anhand der 7 Millionen! Karteikarten umfassenden Heimatortskarteien der kirchlichen Suchdienste, mittels eines "statistisch gesicherten Auswerteverfahrens" nachzuvollziehen und kommt zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge höchstens im Umfang einer "niedrigen vierstelligen Zahl"Fußnote 101 (Seite 62 oben) in Dresden umgekommen seien. Overmans will doch damit nicht sagen, dass er 7 Millionen Karteikarten durchgeblättert hat????
Mir persönlich ist diese Beweiskette zu verschwommen und nicht genügend nachvollziehbar bzw. zu hypothetisch. Allein der Umstand, dass man die genaue Bevölkerungszahl nie und nimmer bestimmen kann, es weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft jemanden gelingen wird, führt aus meine persönlichen Sicht das Vorhaben der Klärung der Opferzahlen unweigerlich ad absurdum. Aber mir fiel noch etwas an dem Abschlussbericht auf:
Ein größerer Teil der Abhandlung beschäftigt sich mit der Registrierung und Beisetzung der getöteten Personen, dort könnte eine Fehlerquelle größeren Ausmaßes möglich sein und zwar im Zusammenhang mit den Verbrennungen auf dem Altmarkt und den regulären Beisetzungen auf den bestens vorbereiteten aber von der Kapazität her zu kleinen Friedhöfen bzw. zu kleinen vorbereiteten Grablagen. Lest das Precedere der Erfassung der Getöteten bitte selbst -
ab Seite 28 unten, Analyse der Sollabläufe -
Man achte nun auf folgende Zeilen auf Seite 29 nach Fußnote 39:
Der >>Leichenbergungsdienst<< oblag der Luftschutz- und Schutzpolizei; die Registratur und Identifizierung unbekannter Toter (>>Identifizierungsdienst<<) war allein der Kriminalpolizei vorbehalten.... und weiter.....Den >>Leichenbeförderungsdienst<< und den >>Begräbnisdienst<< dagegen hatte das städtische Bestattungsamt unter Verantwortung eines >>Leiters der Bestattungsmaßnahmen<< zu gewährleisten....
...Die zusammenfassende Registratur der Luftkriegstoten übernahm die Behörde des Polizeipräsidenten.....
Es gab also eine strikte Arbeitsteilung zwischen unterschiedlichen Behörden mit unterschiedlichen Aktenbeständen. Doch nun kommt das fatale, die Unterlagen der Polizei sind verschwunden oder nur in in kleinen Teilen erhalten (Abschlussbericht Seite 31):
Nachweis über die Bergung und Registratur der Dresdner Luftkriegstoten
Bereits bei der Sichtung der erhaltenen Bestände wurde deutlich, dass die Kennzettel nicht vollständig überliefert sind. Von den Nachweislisten der Polizeireviere sind allein jene des 9. und 17. Polizeireviers erhalten Fußnote 43...
...Unter anderem aus den Bearbeitungsvermerken auf den polizeilichen Kennzetteln II ist erkennbar, dass die Getöteten tatsächlich in der Behörde des Dresdner Polizeipräsidenten und beim städtischen Vermisstennachweis registriert worden sind. Die polizeiliche Registratur wurde vermutlich kurz vor oder nach dem Ende der Kriegshandlungen vernichtet; auch personengenaue Unterlagen des Dresdner Vermißtennachweisdienstes konnten trotz breiter Recherche bislang nicht ermittelt werden.
Was sagt das nun aus? Es könnte nach meinem Dafürhalten eine nicht unerhebliche Diskrepanz zwischen den registrierten Toten und den letztendlich beerdigten Toten existieren da das Archiv der für Bergung und Registratur verantwortlichen Polizei nicht mehr mit dem sicher korrekten und vollständigen Archivmaterial der Friedhöfe und des städtischen Bestattungsamtes abgeglichen werden kann.
Wo könnten die getöteten oder nun hypothetisch vermißten Personen geblieben sein? Knackpunkt sind aus meiner Sicht die Leichenverbrennungen auf dem Altmarkt, dazu erwähnt der Abschlussbericht auf Seite 38 unter der Überschrift Heidefriedhof und Johannisfriedhof Dresden:
Auf dem Heidefriedhof traf nach dem 5. März die Asche von 6.865 Toten ein, die in den Tagen zuvor auf dem Dresdner Altmarkt eingeäschert worden waren.
Woher stammt die Zahl 6.865, dazu gibt es im Abschlussbericht keine Quellenangabe! ???
Merkwürdigerweise sehr zerstreut, erst auf Seite 59 des Abschlussberichtes erfährt jemand der verrückt genug ist den ganzen Wust zu lesen:
Während die geborgenen Toten auf die Friedhöfe transportiert und ihre Bestattung dort verzeichnet wurde, geschah die Registratur der auf dem Altmarkt verbrannten Leichen notwendigerweise bereits auf dem Platz. Auch die dorthin transportierten Toten waren bereits bei ihrer Bergung erfasst und mit den üblichen polizeilichen Kennzetteln versehen worden. Mehr als 500 solcher Kennzettel sind in der Datenbasis des Teilprojekts vermerkt. Es existieren keine behördlichen Dokumente, die über die Registratur der Toten vor der Verbrennung Auskunft geben.
Und nun der Hammer! weiter im Zitat Seite 59:
Dagegen werden im Dresdner Stadtarchiv 23 Fotografien des Dresdner Fotografen Walter Hahn aufbewahrt. Sie zeigen in mehreren Motiven eindeutig, dass auch die auf dem Altmarkt verbrannten Toten gezählt und registriert worden sind. Fußnote 93 Die Kommission sieht daher keinen Grund, die für den Altmarkt vorliegende Zahlenangabe der Polizeibehörde Fußnote 94 in Frage zu stellen.
Buah, dass ist harter Tabak, man schlußfolgert anhand von Fotografien, dass die
dort sichtbaren Personen mit der Registratur der Toten beschäftigt sind! (Weiteres Bild auf Seite 15 Abschlussbericht) Vorausgesetzt das wäre tatsächlich so, woher stammt dann die Zahl von 6865 auf dem Altmarkt verbrannten Leichen wenn nach eigener Recherche der Historikerkommission sämtliche Archive der mit der Registratur beauftragten Behörden - speziell der Polizeibehörden verschwunden sind?????????
Wer könnte dann heute nachweisen, dass auf dem Altmarkt nicht 60.000 oder gar 120.000 Leichen verbrannt wurden? Nicht das nun der Verdacht aufkommt ich selbst zöge die Zahl von 6865 in Zweifel, für mich ist diese irrelevant, aber für eine mit 100.000 Euro geförderte Monumentalstudie ist das sehr dünnes Eis und läßt erheblichen Interpretationsspielraum zu. Die damals für die Registrierung, Beerdigung und Einäscherung Verantwortlichen der deutschen Behörden hatten kein Motiv zur Manipulation (außer vielleicht die Herren im immer wieder erwähnten Göbbelsschen Propagandaministerium), aber die Kriegsgewinner hätten ein Motiv gehabt und gleich nach Kriegsende die Polizeiakten verschwinden lassen können - ob der Dimension des begangenen Verbrechens ein verständliches Motiv.
Noch ein letztes Zitat aus dem Abschlussbericht der Historikerkommission, Seite 57 etwa Mitte, jeder kann sich seinen Teil selbst denken:
....Zwar standen ausreichend Arbeitskräfte für die Bergung der Toten zur Verfügung - neben der Luftschutzpolizei kamen vor allem Kriegsgefangene und militärische Einheiten zum Einsatz-, die viel zu geringe Zahl verfügbarer Fahrzeuge behinderte den Transport der Leichen zu den beiden Aufnahmefriedhöfen. So mussten entgegen der Planung die geborgenen Toten zunächst auf improvisierten Sammelplätzen in den Straßen gelagert und später über zwei Wochen hinweg gar auf dem Altmarkt mitten im Stadtgebiet verbrannt werden.
Wäre nicht schlecht, wenn jemand der mehr Verstand besitzt als ich, meine zugegeben bösartigen Bemerkungen zum Abschlussbericht wiederlegte, ich hätte nichts dagegen.
Gruß Eulengebirge