Hitze im Untergrund

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Hitzeinseln auch unter der Stadt

Hitzeinseleffekte gibt es nicht nur über, sondern auch unter der Erde. U-Bahn-Schächte, Autotunnel und Abwasserkanäle erwärmen das Grundwasser unter Städten. Das kann zum Verlust der Biodiversität und zu einer schlechteren Grundwasserqualität führen. Fachleute plädieren daher für eine unterirdische Raumplanung.

Sie sind klein, pigment- und augenlos: Grundwassertiere wie Krebstiere, Milben oder Würmer haben sich über Millionen von Jahren perfekt an ihren kalten, dunklen und nährstoffarmen Lebensraum angepasst. Umso sensibler reagieren sie, wenn sich ihr Lebensraum in einem aus evolutionärer Sicht kurzen Zeitraum von wenigen Jahren und Jahrzehnten verändert.

Die Stadt als Wärmequelle

Im urbanen Bereich gibt es viele Bauten, die das Grundwasser erwärmen. Versiegelte Flächen, Abwasserkanäle, U-Bahn-Schächte und auch Fernwärmeleitungen führen dazu, dass die durchschnittliche Grundwassertemperatur unter Wien um rund drei Grad Celsius höher ist als außerhalb der Stadt. „Wir sind gerade noch dabei, die ganzen einzelnen Wärmequellen ausfindig zu machen. Das ist relativ mühsam“, erklärt der Limnologe Christian Griebler von der Universität Wien. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen von der Universität Wien, der Universität für Bodenkultur Wien und der Geosphere Austria analysiert er im vom WWTF geförderten Projekt „Heat below the city“ die Folgen, die diese städtischen Wärmeinseln für das Grundwasser haben.

An mehr als 800 Messstellen haben die Forschenden die Grundwassertemperatur im Oktober 2021 und im April 2022 gemessen. Entstanden sind Grundwassertemperaturkarten, die die unterirdischen Wärmeinseln zeigt. „Im Moment schaut es so aus, dass wir Wärmeninseln in Favoriten haben, im Bereich Josefstadt, Neubau und in Donaustadt und Floridsdorf“, berichtet Griebler.


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Grundwassertemperaturen unter Wien

Während im innerstädtischen Bereich dichte Verbauung und Tiefbauten zu wärmeren Grundwassertemperaturen führen, findet man in Transdanubien sehr viele Geothermie-Anlagen. Anlagen, die Grundwasser hochpumpen, es zum Kühlen nutzen und dann wieder an den Untergrund abgeben, entweder direkt oder in einem geschlossenen System über Wärmetauscher.

Verlust der Grundwasserfauna

Die Forschenden interessieren sich für die Kaskadeneffekte, die durch die Erwärmung des Grundwassers auftreten können. Erwärmt sich das Wasser, dann werden die Organismen aktiver, erklärt der Wasserforscher. „Uns Menschen geht es auch so, wenn uns heiß wird, atmen wir schneller und schwitzen.“ Durch die höhere Aktivität verbrauchen die Organismen mehr Sauerstoff. Ist der Sauerstoff verbraucht, kippt das System von einem aeroben in ein anaerobes. Den Grundwassertieren wird die Lebensgrundlage entzogen. Damit kommt das Nahrungsnetz zwischen Grundwassertieren und Mikroorganismen aus dem Gleichgewicht.

Die verbleibenden Bakterien und Mikroben produzieren dann Eisen, Schwefelwasserstoff und Methan. „Alles Dinge, die man nicht im Wasser haben will.“ Einen positiven Effekt hätten die Erwärmung und die Wende ins anaerobe Milieu jedoch, räumt der Forscher ein. Je geringer der Sauerstoffgehalt, desto stärker bauen die Mikroben und Bakterien den Grundwasserschadstoff Nitrat ab. Die Nitrat-Belastung sinkt.

Unterirdische Raumplanung

Neben Grundwassertemperaturkarten werden auch Grundwasserpotenzialkarten und -stresskarten erstellt, erklärt Christian Griebler. Karten, die man zukünftig in der Raumplanung nutzen könnte. „Wir wünschen uns eine unterirdische Raumplanung. Genauso wie es an der Oberfläche gemacht wird, möchten wir das für den Untergrund haben. Der birgt nämlich genauso viele Nutzungskonflikte.“

Den Untergrund geothermisch zu nutzen, um die Stadt zu heizen oder zu kühlen, sei sinnvoll, sagt der Forscher. Allerdings müsse diese Nutzung gut geplant werden. Derzeit sei der Kühlbedarf nämlich höher als der Wärmebedarf. Auf Grund guter Dämmung und vieler Abwärmequellen im Gebäude kann es sein, dass große Gebäude wie Einkaufszentren stärker gekühlt als beheizt werden müssen. Doch man müsse die Energie im Untergrund ausgeglichen nutzen. Nicht dem Untergrund nur die Kühle entziehen, um im Gegenzug die städtische Wärme dort abzugeben. Denn von der Wärme der Stadt hat der Untergrund bereits genug.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft
Quelle: Hitzeinseln auch unter der Stadt
 
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