Hornkammmacher

josef

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#1
Hornkammmacher: "Die Sehnsucht nach Langlebigkeit wächst"
Von Hand gefertigte Objekte sind gefragt wie schon lange nicht mehr
Manch einer rümpft die Nase, wenn er meine Manufaktur betritt. Ich würde sagen, es riecht nach verbranntem Haar. Bloß nicht so intensiv. Mich hat das nie gestört. Im Gegenteil. Ich hatte diesen Geruch schon als kleiner Bub gern in der Nase. Damals haben hier in einem Hinterhof im 15. Bezirk noch meine Großeltern gewerkelt.


foto: nathan murrell
Thomas Petz in seiner Hornmanufaktur im 15. Wiener Bezirk. Hier verarbeitet er die Hörner afrikanischer Rinder zu Kämmen, Schmuck und Accessoires.

Mein Großvater Friedrich war der letzte Hornkammmachermeister Österreichs. Irgendwann wurde die Zunft aufgelöst. Mittlerweile ist das Gewerbe ein freies. Jeder kann also Objekte aus Horn machen. Wenn er kann. Dabei muss man sich vorstellen, dass es Anfang des 20. Jahrhunderts noch gut 200 Hornkammmacher in Österreich gab. Gearbeitet wird von halb acht bis 18 Uhr. In der Zeit vor Weihnachten auch länger.


foto: nathan murrell
Wer ihn besucht, sollte kein zu feines Näschen haben. Die Hörner haben ihre olfaktorischen Eigenheiten.

Ich habe alles von meinen Großeltern gelernt. Nachdem mein Vater einen anderen Beruf ergriffen hatte, gab es sozusagen eine Generation Pause. Vor zehn Jahren gelang es mir dann, die Manufaktur wiederzubeleben, mittlerweile steht mir meine Freundin bei der Arbeit zur Seite. Ursprünglich wurde der Betrieb 1862 gegründet.

Unser Sortiment besteht aus Kämmen in verschiedensten Größen und Formen. Wir produzieren aber auch Schmuck, Tischkulturobjekte und Accessoires vieler Art, wobei wir gern mit externen Designern zusammenarbeiten. Seit zwei Jahren verkaufen wir unsere Produkte in einem eigenen Geschäft in Graz und über verschiedene Concept-Stores, Optiker und Schmuckgeschäfte in ganz Österreich, Deutschland und auch in der Schweiz.

Afrikanisches Horn
Am liebsten würde ich für meine Produkte die Hörner heimischer Rinder verwenden. Das ist leider nicht möglich, weil die zu kurz und dünnwandig sind. Meine Hörner stammen alle aus Zentral- und Südafrika und sind Abfall bzw. Nebenprodukte der Fleischindustrie. Kein Rind wird wegen seiner Hörner getötet. Stückzahl kann ich keine nennen, unser jährlicher Verbrauch liegt bei circa drei Tonnen.


foto: nathan murrell
Nathan Murrell fotografierte den Hornkammmacher Thomas Petz in seiner Manufaktur im 15. Wiener Bezirk.

Das Faszinierende an der Arbeit mit Horn ist die Tatsache, dass es sich bei jedem Stück um ein Unikat mit einer anderen Farbgebung handelt. Und natürlich der spannende Werdegang, wie aus einem Horn ein Kamm oder sonst etwas wird. Man trennt die Spitzen der Hörner ab und schneidet das hohle Horn auf. Wenn man das Material erhitzt, wird es formbar.


foto: hornmanufaktur thomas petz

Über eine eigens von meinen Großeltern konstruierte Maschine wird es zu Platten gepresst, die im Anschluss mindestens drei Monate gelagert werden. Je länger, desto besser. Es kommt dann, kurz gesagt, zu einer weiteren Erhitzung, zu Brech-, Schleif- und Fräsprozessen und zur finalen Politur. Der viele Staub, der anfällt, wir nennen ihn Mehl, wird in Säcke gefüllt und von Kleingärtnern abgeholt, die ihn als Dünger verwenden.


foto: nathan murrell

Natürlich profitieren wir von dem wachsenden Boom, den das Handwerk seit längerem erlebt. Ich denke nicht, dass die Firma vor 20 Jahren so gut gelaufen wäre. Es ist wohl so, dass mehr und mehr Menschen die Nase vom omnipräsenten Überfluss an Klumpert, das sie umgibt, voll haben. Hinzu kommt, dass wir mittlerweile darüber Bescheid wissen, was die Wegwerfgesellschaft dem Planeten angetan hat. Ich glaube, die Sehnsucht nach Langlebigkeit wächst. Klar sind auch wir nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber umso mehr Tropfen es gibt, desto eher werden sie eines Tages zum Wasserfall."
(Michael Hausenblas, RONDO, 14.9.2018)
Hornkammmacher: "Die Sehnsucht nach Langlebigkeit wächst" - derStandard.at
 
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