Ist das langsame Sterben von Dörfern abseits der "Speckgürtel" von Städten und entlang der "Boomzonen" von Hauptverkehrsachsen noch aufzuhalten?

josef

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#21
Hallo Struwwi:
Es gibt hier viele "Gasthäuser", welche aber keine Gasthäuser im wirklichen Leben sind.
Diese bezogen große Corona Hilfen und sperren jetzt zu.
Solche gibt es natürlich, die fest Förderungen kassiert haben, ihre Schäfchen auf Kosten der Steuerzahler ins trockene gebracht haben und einfach, aus den verschiedensten Gründen, zusperren!
Ein wirkliches Landgasthaus sperrt auch zu, weil es sich "nicht mehr lohnt".
Primär geht es mir genau um diese Dorfwirtshäuser! Diese sind Teil der sich laufend ausdünnenden ländlichen Infrastruktur, wie Lebensmittelversorger (Greißler...) Postämter, Bankstellen. Gemeindeärzte usw. ... Diese Institutionen dienen als kommutative Basiseinrichtung am Land und unterscheiden sich sehr wohl von urbanen Gegenden...

Frühe verordnednete Sperrstunden in der heimischen Landgastronomie wurden von den Wirten (großteils) eingehalten! Nur konnte man beobachten, dass Teile des ausgesperrten "Klientels" einfach zur Kompensation der eingeschränkten Kommunikation weiterzogen und durch Hintertüren in die Aufenthaltsräume der örtlichen Feuerwehren (die immer gut bestückt waren ;)), den Kantinen der Sportplätze oder in den Weingegenden in diverse "geschlossene" Heurigenlokale oder Keller einfielen"...
 

josef

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#22
NIEDERÖSTERREICH
Die Lücke zwischen Haus und Haltestelle
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Durch Klimakrise, Klimaticket und hohe Treibstoffpreise sind „Öffis“ gefragt wie nie – abseits von Städten und großen Gemeinden kann die Nutzung von Bus und Bahn aber eine echte Herausforderung sein. Lange Zeit galt etwa die Bahn bei der Politik als wenig geliebtes und gefördertes Verkehrsmittel, die Auswirkungen sind unter anderem in Niederösterreich noch deutlich spürbar. In Sachen „Öffi“-Verkehr bewegt sich mittlerweile durchaus etwas, auch wenn es nicht immer für alle reicht.
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Knapp 54.000 Klimatickets wurden bisher alleine in Niederösterreich gekauft – die damit mögliche Nutzung von Bus und Bahn ist in zahlreichen Gebieten des Bundeslands jedoch vor allem auf den Bus beschränkt, denn nicht überall gibt es überhaupt Zugsverbindungen bzw. die nötige Infrastruktur. In die Bezirkshaupstadt Waidhofen an der Thaya etwa fährt schon lange kein regulärer Zug mehr.

Die dorthin führende Thayatalbahn, eine Abzweigung der Franz-Josefs-Bahn, wurde vor Jahren final stillgelegt, nachdem viele Jahrzehnte um eine Revitalisierung, auch unter direkter Beteiligung des Landes Niederösterreich, heftig gekämpft und gestritten wurde. Der nächstgelegene Bahnhof in Göpfritz an der Wild ist rund 15 km entfernt. Wenn am Abend die Züge in Göpfritz ankommen, steht eine Reihe Autos vor dem Bahnhof und wartet auf Ankommende, ebenso wie einige Busse, die in die Umgebung fahren.

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Seit Jahren fährt in Waidhofen an der Thaya kein Zug mehr – wie man an der Infrastruktur merkt

Die Zahl der „Öffi“-Verbindungen von und nach Waidhofen ist jedoch begrenzt, je nach Wochentag und Uhrzeit sehr begrenzt. Für Sonntagnachmittag bis -abend etwa wirft die ÖBB-Fahrplanauskunft Scotty bzw. die Anwendung des Verkehrsverbund Ostregion (VOR), AnachB, für die Verbindung Wien – Waidhofen/Thaya drei Möglichkeiten im Zweistundentakt aus – die letzte um halb acht. Unter der Woche gibt es, angelehnt an Schul- und Arbeitszeiten, deutlich mehr Verbindungen, letzte Abfahrt gegen 19 Uhr. Eine Fahrt mit dem Auto klingt da nachvollziehbar verlockend.

„Öffi“-Verbindungen auch nahe Wien nicht einfach
Ortswechsel in die Gemeinde Wienerwald, westlich von Wien, mit 48 Quadratkilometern die flächenmäßig größte Gemeinde im Bezirk Mödling. Viele der knapp 4.000 Einwohnern und Einwohnerinnen pendeln zur Arbeit nach Wien. Die Regionen westlich von Wien gehören derzeit zu beliebten Siedlungsgebieten, die Gemeinde ist vergleichsweise jung, die überwiegende Mehrheit ist zwischen 40 und 60 Jahre alt.

Mit der A21 gibt es eine gute Autobahnanbindung an die zu Wienerwald zählenden fünf Katastralgemeinden wie Sittendorf, ein Zug fährt allerdings auch hier nicht. Der Hauptort Sulz ist ebenfalls nur mittels Bus direkt öffentlich erreichbar, Scotty und AnachB weisen unter der Woche den letzten Bus auf der Strecke Wien nach Sulz knapp vor 20 Uhr aus. Rund um die Westbahn weiter nördlich ist die Anbindung, nicht nur für Pendlerinnen und Pendler, deutlich besser, ebenso im Süden, wo nun bis Mödling vierspurig ausgebaut wird – der Gemeinde Wienerwald hilft beides allerdings wenig, erzählt Bürgermeister Michael Krischke.

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Für den Transport vieler Menschen ist der Zug ein ideales Verkehrsmittel

Gemeinden nahe Wien wachsen stark
Die Gemeinde Wienerwald mit fünf Orten wächst, und der Bedarf an Infrastruktur, darunter Schule und Kindergarten, mit, so Krischke. Dazu zählt bald auch ein Nahversorger, der derzeit mit Mitteln der Gemeinde in Sulz zentral errichtet wird. Er soll mit Post und Kaffeehaus zu einem neuen Treffpunkt werden, Bestellungen ausliefern und durchfahrenden Autos Anreiz bieten, stehen zu bleiben. Alleine in Sittendorf werden täglich 3.500 Pkws gezählt.

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Sittendorf ist mit dem Auto gut erreichbar – öffentlich ist es deutlich schwieriger

Früher gab es in jedem Ort der ländlichen Gemeinde einen Nahversorger, bedauert Krischke, der letzte in Sulz schloss, weil die Betreiber in Pension gingen. Der nächste Nahversorger ist mindestens acht Kilometer entfernt, einkaufen mit dem Rad angesichts der Topographie eher etwas für sportlich Ambitionierte. Krischke gibt sich keiner Illusion hin: „Bei uns brauchst du ein Auto, wenn nicht zwei“, auch wenn sich bei den „Öffis“ schon einiges verbessert habe.

Krischke freut sich über den Postbus-Shuttle, der seit einem Jahr binnen einer Stunde nach Anforderung per App teilnehmende Gemeinden im Bezirk anfährt, auch wenn es noch Kinderkrankenheiten gebe. Der Bus sei ein Angebot für Menschen ohne Auto und Abend- bis Nachtschwärmerinnen und -schwärmer, und entsprechend gefragt. Jedes Bedürfnis könne man damit allerdings nicht abdecken: „Viele wollen nicht warten, sondern dann fahren, wenn es ihnen passt“ – nicht nur in Randzeiten. Er habe immer wieder versucht, andere Busrouten zu argumentieren – aber die Nutzung sei zu gering gewesen.

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Versäumnisse von Jahrzehnten
Waidhofen und die Gemeinde Wienerwald sind nur zwei Beispiele für viele andere Städte und Gemeinden, nicht nur in Niederösterreich, in denen eine gute „Öffi“-Anbindung nicht einfach umzusetzen ist – und einiges basiert auch auf Versäumnissen, zumindest aus heutiger Sicht. Lange Zeit galten nicht nur der Zug, sondern viele „Öffis“ als Verkehrsmittel überholt – sowohl für mögliche Fahrgäste als auch die Politik.

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Busse sind ein Rückgrat der „Öffi“-Versorgung auf dem Land

Der Fokus lag vielmehr auf dem Auto und der Straße, gerade in die Bahn wurde wenig investiert, dazu kam teilweise auch Misswirtschaft. Viele Regionalbahnen wurden abgedreht oder auch von den jeweiligen Bundesländern übernommen – wie die Thayatalbahn vom Land Niederösterreich. Nicht alle Strecken rettete das, wie dieses Beispiel auch zeigt, vor dem Zudrehen. Jahrzehntelang verabsäumte Investitionen lassen sich nicht einfach nachholen, oft ist Zudrehen wirtschaftlicher.

Verkehrsverbund Ostregion
Vor bald 40 Jahren gegründet, plant und bestellt der Verkehrsverbund Ostregion (VOR) Busse und Bahnen in Niederösterreich und dem Burgenland sowie teilweise in Wien.

Allerdings, so kam in Gesprächen mit ORF.at immer wieder auf, sei die Frage, ob „Öffis“ immer unbedingt wirtschaftlich sein müssen bzw. überhaupt können und ob man sie nicht einfach als Grundinfrastruktur verstehen müsse – was nicht bedeutet, dass etwa in wenig besiedelten Gebieten mehr „Öffis“ fahren sollen, als tatsächlich Bedarf besteht. Geht es rein nach Wirtschaftlichkeit und Gewinn, müsste man sich etwa auf stark befahrene Strecken wie Wien – Amstetten zur Hauptverkehrszeit konzentrieren, dann sei auch eine hohe CO2-Ersparnis realisierbar, sagt etwa Georg Huemer, Sprecher des Verkehrsverbunds Ostregion (VOR).

Im Gegensatz zum öffentlichen Fokus auf Züge stellen im VOR vor allem Busse das Rückgrat der „Öffi“-Verbindungen, erzählt Huemer: 2021 deckten Regional- und Stadtbusse in Niederösterreich und dem Burgenland rund 74 Millionen Kilometer ab, Züge (ohne Fernverkehr) rund 45 Millionen Kilometer. Jeweils mit Vor- und Nachteilen: Busse sind flexibler einsetz- und schneller skalierbar, Zugsstrecken können Jahrzehnte von der Planung bis zur Inbetriebnahme benötigen. Züge sind für den Transport vieler Menschen sinnvoll, bei der flächenmäßigen Versorgung sind hingegen Busse die erste Wahl.

Auto einfach bequem
Im VOR baue man das Angebot laufend aus, so Huemer, teilweise könne die Infrastruktur dabei nicht mehr mithalten, etwa im Weinviertel. Die ÖBB verweisen ihrerseits auf die milliardenschweren Investitionen der kommenden Jahre, gibt sich dabei aber keinerlei Illusionen hin: Mit der Bequemlichkeit eines Individualverkehrs, speziell dem Auto, könnten „Öffis“ nie mithalten, sagt Franz Hammerschmid, bei den ÖBB zuständig für die strategische Weiterentwicklung des Schienennetzes, auch wenn der Zug als Verkehrsmittel wieder hip sei.

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Mit dem Auto kommt man gerade auf dem Land meist schneller und bequemer ans Ziel

Heuer würden so viele Züge fahren wie nie zuvor, sagt Hammerschmid, sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr – 85 Prozent des Personenverkehr entfallen demnach dabei auf Regionalzüge, nur ein Bruchteil ist wirtschaftlich. Laut Huemer zahlt die Allgemeinheit zwei Drittel der Kosten für den öffentlichen Verkehr – wie übrigens auch für Straßen usw. Es gehe um die grundsätzliche Frage, inwieweit man „Öffis“ als Infrastruktur auch im Sinne des Klimaschutzes sehe, meint Bahnnutzervertreter Andreas Offenborn – und ob man immer und um jeden Preis mobil sein müsse.

Wirtschaftstreibende müssen hart kalkulieren
Die letzte Frage müssen sich Wirtschaftstreibende wie der Biobäckereibetrieb Brotocnik bei Horn und der Frottierwarenhersteller und Textilveredler Herka in Kautzen, nahe der tschechischen Grenze, nicht stellen: Ohne ausreichend Mobilität würde ihr jeweiliges Geschäft brachliegen und damit Dutzende Arbeitsplätze in ohnedies nicht besonders strukturstarken Gegenden verschwinden.

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Friedrich Potocnik liefert vom Waldviertel bis ins Burgenland – die Kosten für Treibstoff und Energie sind eine hohe Belastung

Ihre Anforderungen sind zum Teil sehr unterschiedlich: Brotocnik liefert seine Waren von Burgerwiesen bis ins Burgenland, seine Rohstoffe kommen direkt aus der Umgebung. Herka ist als Großproduzent von der Versorgung mit Rohstoffen aus aller Welt abhängig, und auch die Lieferung muss weltweit funktionieren. Die Probleme sind aber dieselben: Beide Hersteller kämpfen mit den stark gestiegenen Kosten.

Energiepreise „unvorstellbar“ hoch
Die Energiepreise seien „unvorstellbar“ hoch, sagt Bäckermeister Friedrich Potocnik, und das nicht nur in der Backstube. Er müsse eine Tour mit mindestens 5.000 Euro Ware fahren, damit es sich rentiere. Dabei könne er nicht auf ein E-Fahrzeug umsteigen, denn eine Tour umfasse ca. 300 km, mit Zuladung und Kühlung bzw. Heizung gebe es aktuell kein Lieferfahrzeug, dass das leisten könne. Er könne sich eine Stehzeit von ein paar Stunden zum Aufladen nicht leisten, es sei schwierig genug, ausreichend Mitarbeitende zu finden, er könne schon jetzt nicht alle Aufträge erfüllen.
Der Bäcker will energieautark werden und die Photovoltaik auf seinem Dach stark ausbauen, aber dazu braucht er ausreichend Speichermedien, und er müsste seine Backöfen auswechseln. Diese werden derzeit mit Öl betrieben – die aktuell effizienteste Energieart, wie auch andere Bäcker bestätigen. Er achte schon immer auf Nachhaltigkeit und setze auf energieeffiziente Methoden und Nutzung etwa der Öfen, das sei als Wirtschaftstreibender selbstverständlich.

Erreichbarkeit vs. Arbeitsplätze
Während Burgerwiesen quasi in Sichtweite von Horn liegt, ist Kautzen und damit Herka vergleichsweise weit ab vom Schuss. Das 1927 gegründete Familienunternehmen webt in Kautzen und färbt in Gmünd für nationale und internationale Kundinnen und Kunden, darunter heimische Krankenhäuser, Hotellerie, aber auch Sportevents wie Golfturniere oder einfach Werbekunden. Die Energiepreise derzeit seien eine „Katastrophe“, sagt Firmenchef Thomas Pfeiffer, sie hätten sich durch die bei der Firmengröße unvermeidlichen Bindung an Börsenpreise zuletzt vervierfacht.

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Die Energiepreise sind auch für Herka eine „Katastrophe“

Auch für die rund 80 Angestellten, viele aus Tschechien, sei die Anreise deutlich teurer geworden. Daraufhin hätten sich Fahrgemeinschaften gebildet, mit dem Risiko, dass bei einem Unfall eine ganze Schicht ausfallen kann. Ein Umstieg auf „Öffis“ sei aber schlicht nicht machbar, gerade im Schichtdienst, sagt Peiffer. Vor 40 Jahren hätte es noch „sinnvolle“ Busverbindungen gegeben, als noch nicht jeder einen Führerschein und ein eigenes Auto hatte – damals kamen aber wohl auch mehr Mitarbeitende aus der Umgebung.

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Ohne Autos sei man in der Gegend aktuell verloren, abseits vom Schulbus sei die „Öffi“-Versorgung jenseits der Bezirkshauptstädte ebenfalls eine Katastrophe, sagt Pfeiffer, der darauf verweist, dass in der näheren Umgebung gerade einen einzigen Lieferdienst für Essen gibt. In der Pandemie hätten 50 Prozent der Lokale und auch einige Nahversorger zugesperrt, ein soziales Leben sei ohne Auto unvorstellbar, nicht nur für die Jugend.

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Herka hat Kunden in ganz Europa und beschäftigt rund 80 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Wegzug keine Alternative
Die Lage liefert für Herka noch zusätzliche Probleme: Es gibt Lieferdienste, die die Anfahrt binnen einer gewissen Tagesfrist auch schon mal verweigern, erzählt Pfeiffer. Das sei etwa bei dringend gebrauchten Ersatzteilen oder dringenden Lieferungen ein großes Problem. Ein Wegzug als Alternative sei aber überhaupt keine Option, eine Firma in der Größe könne man auch nicht so einfach umsiedeln. Es brauche schließlich auch das Know-how der Mitarbeitenden, die man vor Ort habe.

Trotz aller skizzierten Herausforderungen sei klar, dass eine Mobilitätswende am Ende nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelinge, meint VOR-Sprecher Huemer – individualisierte E-Mobilität etwa bringe der Umwelt und damit dem Klima wenig, gerade wenn wieder nur eine Person in einem tonnenschweren Pkw sitzt. Kritik gibt es allerdings immer, auch wenn in Bussen auf dem Land nur wenige oder keine Personen drinnen sitzen – und umgekehrt, wenn dann gar keine Busse fahren.

Auch „Öffis“ können bedarfsgesteuert sein
Huemer sieht die Zukunft des öffentlichen Verkehrs derzeit in bedarfsgesteuerten Angeboten wie dem Postbus-Beispiel aus der Gemeinde Wienerwald. Im westlichen Mostviertel startet mit VOR Flex demnächst ein gemeindeübergreifendes Angebot, das direkt im VOR enthalten und mitgeplant wird. Andere Projekte setzen auf gemischte Mobilität mit Fahrrädern, Scootern und Mietautos direkt am Bahnhof. Das Problem bei allen Planungen sei immer die „letzte Meile“ vom zuletzt genutzten Verkehrsmittel bis zur Wohnungstür, so Huemer – und je größer die Zersiedelung, desto größer die Herausforderung dieser „letzten Meile“.
25.01.2023, Nadja Igler (Text), Christian Öser (Bild, Video), Sandra Schober (Daten), alle ORF.at

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Niederösterreich: Die Lücke zwischen Haus und Haltestelle
 
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#23
VOLKSZÄHLUNG
Speckgürtel im Osten wächst
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Statistik Austria
Österreich altert und wächst weiter, von 2011 bis 2021 um knapp sieben Prozent. Das zeigen die endgültigen Daten der aktuellsten Volkszählung der Statistik Austria. Besonders räumlich wächst die Bevölkerung unterschiedlich stark: Während die Bevölkerungszahl in ländlicheren Gebieten schrumpft, verzeichnen Städte und deren Umland die höchsten Zuwächse – allen voran im Osten Wiens.
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Den größten Bevölkerungsanstieg in den Bundesländern seit 2011 gab es mit 12,4 Prozent in Wien. Überdurchschnittlich stark wuchsen auch Vorarlberg (plus 8,3 Prozent) und Tirol (plus 7,5 Prozent). Das geringste Plus verzeichnete Kärnten mit etwa 1,5 Prozent. Die höchsten Zuwächse gab es in den Städten und deren Umland. Die Landeshauptstadt mit dem stärksten Wachstum war Eisenstadt (plus 16,2 Prozent), gefolgt von Wien und Graz (plus 11,5 Prozent).

Das stärkste Plus außerhalb der Landeshauptstädte verzeichneten die Bezirke Bruck an der Leitha und Wiener Neustadt Stadt mit jeweils über 14 Prozent Zuwachs sowie Graz-Umgebung und Gänserndorf mit einem Plus von jeweils knapp zwölf Prozent.

„Der Zuwachs im Osten Österreichs ist unter anderem dadurch zu erklären, dass nicht nur der Speckgürtel um Wien, sondern auch der Speckgürtel um Bratislava in Österreich wächst“, hieß es von der Statistik Austria dazu auf Anfrage von ORF.at. Dieses Wachstum sei im Umfeld beziehungsweise entlang der größeren Verkehrsrouten zu beobachten.

Den größten Rückgang gab es hingegen in der Obersteiermark und dem Nordwesten Niederösterreichs. Am stärksten schrumpfte der Bezirk Murau mit minus 6,5 Prozent. In den Bezirken Leoben, Waidhofen an der Thaya, Zwettl und Gmünd sank die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner um jeweils über vier Prozent.

Starker Anstieg ausländischer Staatsangehöriger
Die Zahl der in Österreich lebenden Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit hat sich von 2011 bis 2021 um etwa zwei Drittel erhöht. Am Stichtag der Volkszählung wurden 8.969.068 Menschen gezählt, davon 7.401.924 mit österreichischer Staatsbürgerschaft.

Registerzählung
Seit 2011 findet die Volkszählung als Registerzählung statt. Die Daten werden nicht über Fragebögen erhoben, sondern stammen aus Verwaltungsregistern.

Der Anteil jener Personen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, liegt laut Registerzählung per 31. Oktober 2021 bei 17,4 Prozent. Die größte Gruppe sind Deutsche mit rund 213.000 Personen, gefolgt von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Rumäniens (rund 136.000) und Serbiens (rund 122.000). Die meisten ausländischen Staatsangehörigen leben in Wien (31,9 Prozent), gefolgt von Vorarlberg (18,7 Prozent) und Salzburg (18,3 Prozent). In den Daten der Registerzählung sind geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer noch nicht mitgezählt.
Laut vorläufiger Bevölkerungsstatistik 2023 leben mittlerweile insgesamt rund 9,1 Millionen Personen in Österreich, knapp 7,4 Millionen davon mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Die Zahl der Personen mit ukrainischer Herkunft liege bei knapp 80.000.

Bevölkerung altert „nicht mehr so schnell“
Das Durchschnittsalter in Österreich ist seit 2011 um 1,4 Jahre gestiegen und lag am 31. Oktober 2021 bei 43,2 Jahren. Der Anstieg beim beim Altersschnitt war zwischen den Volkszählungen 2001 und 2011 noch deutlicher ausgefallen, damals betrug er 2,2 Jahre.

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„Somit wird die Bevölkerung weiterhin älter, jedoch nicht mehr so schnell wie im vorletzten Jahrzehnt“, berichtete die Statistik Austria in einer Aussendung am Freitag. Die männlichen Einwohner sind im Durchschnitt um 2,5 Jahre jünger als die weibliche Bevölkerung.

Wichtige Datengrundlage für Politik
Im Rahmen der Registerzählung fand auch eine Wohnsitzanalyse statt. Sie ergab eine Differenz gegenüber dem Zentralen Melderegister (ZMR). Es habe sich gezeigt, dass zum Stichtag der Registerzählung 0,7 Prozent der Hauptwohnsitzmeldungen im Zentralen Melderegister unzutreffend gewesen seien.

„Die Bevölkerungszahl war damit um 62.880 Personen geringer, als es das ZMR ausgewiesen hatte“, so Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas in einer Pressemitteilung. Den größten Anteil solcher nicht anerkannter Hauptwohnsitze verzeichneten Wien mit 1,48 Prozent und Salzburg mit 0,96 Prozent.

Das amtliche Endergebnis zu Bevölkerungs- sowie Bürgerinnen- und Bürgerzahl dient als Berechnungsbasis für Rechtsnormen wie etwa den Finanzausgleich. Auch für die Berechnung der Verteilung der Nationalratsmandate auf die Wahlkreise bildet die Volkszählung die Grundlage. Die Veröffentlichung weiterer Ergebnisse der Registerzählung zu Erwerbstätigkeit, Pendeln, Bildung, Haushalten und Familien kündigte die Statistik Austria für Juli an.
29.04.2023, scho, ORF.at/Agenturen

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Volkszählung: Speckgürtel im Osten wächst
 
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