Kärnten: Erdbebenforschung in Obir-Höhlen

josef

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Erdbebenforschung in Obir-Höhlen
Höhlen eignen sich besonders für die Erdbebenforschung, weil Spuren der Vergangenheit hier nicht verwischen. Seit 2014 forscht ein Team des Wiener Naturhistorischen Museums in der Obir Tropfsteinhöhle. Jederzeit könnte es in Kärnten ein stärkeres Beben geben.

Der tschechische Geologe und Höhlenforscher Ivo Baron arbeitet an der Akademie der Wissenschaften in Prag, die auch mit dem Naturhistorischen Museum in Wien zusammenarbeitet. Gemeinsam werden die Erdbewegungen der Obir Tropfsteinhöhle in Bad Eisenkappel-Vellach erforscht. Fast jeden Monat bebt in den Karawanken die Erde. „Hier und auch entlang der Mölltalstörung kann man jederzeit schwache Beben erwarten, auch stärkere könnten kommen. Aber wir sind erst am Anfang der Forschung.“


Lukas Plan
Ein Extensometer (Dehnungssensor) misst kleinste Bewegungen im Gestein

Alte Spuren und neue Bewegungen
Seit vier Jahren wird nicht nur in der Obir Tropsteinhöhle geforscht, sondern in weiten Teilen der Ostalpen. In Österreich sind mehrere Höhlen an dem Projekt beteiligt: „Wir haben in mehreren Höhlen der Ostalpen Spuren relativ starker Beben gefunden, zum Beispiel in der Dachstein-Mammuthöhle oder im Hochschwab“, so Baron. Erforscht werden aktuelle Erdbewegungen, aber auch die Spuren, die von Beben hinterlassen wurden.


Lukas Plan
Höhlen bewahren die Spuren

„Gutes archäologisches Archiv“
Höhlen sind dazu besonders geeignet, da die Spuren nicht verwischen: „Eigentlich sind sie ein sehr gutes archäologisches Archiv. Auf der Erdoberfläche werden Spuren durch die Erosion rasch zerstört.“ Auch der Mensch und das Wetter können auf die Erdbeben-Nachweise Einfluss nehmen und sie verfälschen. Bei Erdbebenapuren in Höhlen handelt sich um Risse im Gestein oder Verschiebungen von Felsblöcken, erklärt Ivo Baron: „Das kann man rekonstruieren, sogar die Bewegung der Störung. Daraus kann man schätzen, ob das eine tektonische Bewegung war oder eine gravitative Massenbewegung. Nicht alle Spuren sind mit tektonischen Bewegungen verbunden.“


Ivo Baron
Tropfsteine in der Obir Höhle

Spuren des Erdbebens von 1976
Grundsätzlich sind die tektonischen Platten immer in Bewegung. Zu einem Erdbeben kommt es, wenn die Spannung zwischen den Platten zu groß ist, die Platten kollidieren oder sich entlang einer Störung bewegen. Dann baue sich Druck auf, wenn sie sich plötzlich entlasten, bebt die Erde, sagte der Geologe. Auch für das verheerende Beben in Friaul 1976 fanden sich Spuren: Laut Baron habe der Höhlenforscher Harald Langer ein Foto von einem Tropfstein vor dem Beben und nach dem Beben gemacht, der Stein sei beim Beben zerbrochen.


Ivo Baron
Vier Jahre Forschung sind für Erkenntnisse noch zu wenig

Für das Erdbeben, das sich 1348 ereignete und einen Teil der Dobratschsüdwand abstürzten ließ, gibt es in der Obir Tropfsteinhöhle jedoch noch keinen Nachweis: „Aber wir haben Spuren und Hinweise für stärkere Beben gefunden, das zwischen 50.000 und 80.000 Jahren in der Vergangenheit passierte.“ Um den genaueren Zeitpunkt des Bebens feststellen zu können, müssen noch weitere Forschungen durchgeführt werden, die jedoch sehr kostspielig sind.

Mindestens 20 Jahre Beobachtungszeitraum
Grundsätzlich herrscht unter Geologen ein anderes Zeitverständnis. Hunderte Jahre sind in der Geologie ein relativ kurzer Zeitraum. So sind die vier Jahre in denen geforscht wurde, ebenfalls sehr kurz und noch nicht aussagefähig, so Baron: „Die Prozesse sind kompliziert, damit wir aus kurzen Perioden Schlüsse ziehen können. Wir brauchen längere Perioden, 20 Jahre wären ideal.“


Ivo Baron
In sechs Höhlen in Österreich wird Erdbebenforschung betrieben

Die Daten vergangener Erdbeben braucht man, um sie mit den aktuellen Daten zu vergleichen und um dann in weiterer Folge Rückschlüsse auf zukünftige Beben ziehen zu können. Ziel ist es, Erdbeben vorhersagen zu können, doch das ist jetzt noch Zukunftsmusik. In der Obir Tropfsteinhöhle werden nach wie vor aktuelle Daten erhoben: „Wir haben in der Höhle und fünf anderen Höhlen der Ostalpen hoch präzise dreidimensionlae Extensometer platziert. Wir messen in Mikormeter, wie sich die Blöcke verrutschen.“

Diese Messungen werden nicht nur mit den Daten vergangener Erdbeben, sondern auch mit den seismologischen Messungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik verglichen. Bis jetzt ist man mit den Übereinstimmungen aller Daten sehr zufrieden. "Das ist wie ein Puzzle, alles muss zusammenpassen. Bei den ersten Ergebnissen stimmt alles zusammen. Regionale Prozesse, die in der Vergangenheit passierten, sie man heute. Sie alle sind wichtig für das Verständnis von Beben, die jederzeit passieren können, sagte Baron.

Link:
Publiziert am 12.05.2018
http://kaernten.orf.at/news/stories/2911353/
 
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