Kärnten feiert das ganze Jahr über 100 Jahre Volksabstimmung

josef

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Auftakt 100 Jahre Volksabstimmung
Kärnten feiert das ganze Jahr über 100 Jahre Volksabstimmung. Am 10. Oktober 1920 entschieden sich die Bürgerinnen und Bürger von 51 Abstimmungsgemeinden für den Verbleib bei Österreich. Die Alternative wäre die Monarchie Jugoslawien gewesen.

Die Feierlichkeiten beginnen heute mit einem Festakt im Wappensaal des Landhauses in Klagenfurt

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Am 10. Oktober 1920 waren die Bürger von 24 Gemeinden nördlich der Drau und von 27 Gemeinden südlich der Drau aufgerufen, für den Verbleib bei Österreich oder für den Wechsel zum SHS-Staat zu stimmen. Die Wahlbeteiligung übertraf alle Erwartungen, mit 59 Prozent war das Ergebnis für den Verbleib bei Österreich eindeutig. Frauen waren hier erstmals stimmberechtigt.

Alles begann nach I. Weltkrieg
Der Klagenfurter Historiker und Journalist Hellwig Valentin hat die Geschichte von Abwehrkampf und Volksabstimmung ins Zentrum seiner Forschungen gestellt und mehrere Publikationen dazu veröffentlicht. Die ganze Geschichte fußt auf der Niederlage Österreichs im Ersten Weltkrieg. Schon im Oktober 1918 forderte etwa der slowenische Nationalrat in Laibach „das ganze Gebiet des jetzigen Herzogtums Kärnten“. Später reduzierte Jugoslawien seine Gebietsforderungen auf etwa ein Drittel der Landesfläche, in der allerdings etwa die Hälfte der Bevölkerung wohnte. Diese Pläne riefen in Kärnten heftigen Widerstand hervor.

Nachdem slawische Truppen im Herbst 1918 mit der Besetzung südlicher Landesteile begannen, beschloss die Kärntner Landesversammlung den bewaffneten Widerstand, Oberstleutnant Ludwig Hülgerth wurde mit dem militärischen Oberkommando betraut. Allerdings befürchtete die Regierung in Wien eine Verletzung des inzwischen abgeschlossenen Waffenstillstands, daher wurde die Weisung erteilt, den allgemeinen Einberufungsbefehl für Kärnten zurückzunehmen. Bewaffneter Widerstand wurde verboten. Trotzdem kam es schon im Dezember 1918 zu ersten Geplänkeln.


Aktionen mit Wien abgestimmt
Laut dem Historiker Wilhelm Wadl, langjähriger Direktor des Kärntner Landesarchivs, waren die meisten Aktionen der Kärntner mit der Wiener Regierung abgestimmt, sie unterstützte den Abwehrkampf mit Munitions- und Nachschublieferungen. „An den Kampfhandlungen war ganz wesentlich die Volkswehr, also das Bundesheer der Ersten Republik beteiligt“, schreibt Wadl. Auch in den letzten Wochen vor der Volksabstimmung habe Wien Kärnten mit bedeutenden Geldmitteln und Sachspenden unterstützt.

Nach einem Waffenstillstand wurde die sogenannte Miles-Kommission gebildet, der amerikanische Oberstleutnant Sherman Miles bereiste im Jänner und Februar das strittige Gebiet in Kärnten. Die Kommission kam mehrheitlich zu dem Schluss, dass die Karawankengrenze gelten sollte. Im Mai 1919 wurde daraufhin in Paris beschlossen, in Südkärnten eine Volksabstimmung durchzuführen. „Der damalige Staatssekretär des Äußeren, Otto Bauer, hat später bestätigt, dass die Verhandlungen in Paris durch den Abwehrkampf stark beeinflusst wurden“, schreibt Valentin.

266 Todesopfer bei Österreichern
Im April 1919 startete Jugoslawien eine massive Offensive mit dem Ziel, Klagenfurt zu erobern. Die Jugoslawen wurden aber bald zurückgeworfen und mussten Anfang Mai Völkermarkt räumen. Einen Monat später versuchten es die Jugoslawen noch einmal, diesmal besetzten sie Klagenfurt, die Landesregierung wurde nach Spittal an der Drau verlegt. Unter Einschaltung Wiens wurde schließlich eine interalliierte Waffenstillstandskommission nach Klagenfurt entsandt und übernahm die Kontrolle der Stadt. Ende Juli 1919 rückten die jugoslawischen Truppen aus Klagenfurt wieder ab. Laut Valentin forderten die Kämpfe 266 Todesopfer auf österreichischer und 154 Opfer auf jugoslawischer Seite.

Propaganda auf beiden Seiten
Am 21. Juni 1919 wurde die Abhaltung einer Volksabstimmung fixiert und im Staatsvertrag festgehalten. Nicht davon betroffen waren das Mießtal und das Gebiet um Unterdrauburg, die an Jugoslawien fielen, sowie das Kanaltal und die Gemeinde Weißenfels, die Italien zugesprochen wurden.
Nach Propagandaschlachten, die von beiden Seiten geführt wurden, wurde am 10. Oktober 1920 abgestimmt, drei Tage später wurde das Ergebnis verkündet. Von den 37.304 gültigen Stimmen entfielen 22.025 auf Österreich, das sind 59,04 Prozent. 15.279 Stimmen wurden für Jugoslawien abgegeben, das sind 40,96 Prozent. 95 Prozent der Abstimmungsberechtigten hatten teilgenommen, nur 332 Stimmen waren ungültig.

Jugoslawische Truppen rückten vor
Tags darauf rückten die jugoslawischen Truppen erneut in die Abstimmungszone ein, mussten sich aber auf massiven Druck der Alliierten nach wenigen Tagen wieder zurückziehen. Nach Ansicht von Hellwig Valentin spielten bei der Entscheidung nicht nur wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle, sondern auch ein Jahrtausend des Zusammenlebens, „gemeinsam erlebte Geschichte und die sprachliche und kulturelle Beeinflussung“. Ein Mythos, der später gepflegt wurde, nämlich jener, dass es sich um einen Triumph des Deutschtums gehandelt habe, wird von Valentin zurückgewiesen. „Nationale Motive haben in der Auseinandersetzung eine relativ geringe Rolle gespielt.“

Wadl wiederum weist darauf hin, dass es unzulässig sei, „alle Abwehrkämpfer pauschal in die Nähe des Nationalsozialismus“ zu rücken: „Unter den Abwehrkämpfern finden sich auch Menschen, die später im KZ umkamen oder in Spanien gegen den Faschismus kämpften.“ Dass der Nationalismus nicht ausschlaggebend war, zeigt auch die Tatsache, dass in der späteren Zone I zwar fast 70 Prozent der Bevölkerung Slowenisch als Umgangssprache angab, aber nur knapp über 40 Prozent für Jugoslawien stimmten.

Festakt im Wappensaal des Landhauses
An die 300 Vertreter des Öffentlichen Lebens werden den Großen Wappensaal des Klagenfurter Landhauses füllen. Aber auch die Zuschauer vor dem Fernseher sollen bei der knapp zweistündigen Liveübertragung ein vielfältiges Bild eines geeinten Kärnten erleben. „CarinthiJA 2020“ werde allen Opfern des Abwehrkampfes ein würdiges Gedenken bereiten, die Landesgeschichte in allen Facetten beleuchten und sichtbar machen, wie sich Kärnten in den vergangenen 100 Jahren positiv entwickelt habe, sagt Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Er wird ebenso zu Wort kommen wie Landesrat Martin Gruber und Landtagspräsident Reinhart Rohr.

ORF/Christof Glantschnig
Der Festsaal ist vorbereitet

Als Festredner werden die Historiker Claudia Fräss-Ehrfeld und Wilhelm Wadl die Geschichte bis zur Volksabstimmung 1920 und die Bedeutung des 10. Oktober beleuchten, Botschafter außer Dienst Wolfgang Petritsch über Kärnten im gemeinsamen Europa sprechen. Das Jubiläum aus Sicht der Jugend beleuchten AHS-Landesschulsprecherin Stefanie Strutzmann und Klara Schellander vom Slowenischen Gymnasium.

Vertreter der Heimatverbände
Vertreter der Traditions- und Heimatverbände genauso wie der Slowenenorganisationen kommen in einer Filmeinspielung zu Wort. Für musikalische Vielfalt sorgen ein Ensemble der Militärmusik, der Grenzlandchor Arnoldstein, das Kvintet Donet, der Mädchenchor Convoce des Musikgymnasiums Viktring und die Jazzgrößen Tonč Feinig und Edgar Unterkirchner.
03.03.2020, red, kaernten.ORF.at
Auftakt 100 Jahre Volksabstimmung
 

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#3
Abwehrkampf: Gedenken zum Jubiläum

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Kärnten feiert heuer 100 Jahre Volksabstimmung. Der 1955 gegründete Abwehrkämpferbund hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die Ereignisse nicht vergessen zu lassen. Er gedenkt des Abwehrkampfes und der Volksabstimmung mit einer Ausstellung in der Stadtgalerie in Wolfsberg.
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Zu sehen sind unter anderem eine original Abstimmungsurne, Propagandaplakate und Stimmzettel aus der Zeit von 1918 bis 1920. Die Ausstellung informiert die Besucher über die Ereignisse vor 100 Jahren in Südkärnten.

ORF
Eine original Abstimmungsurne aus dem Jahr 1920

Fast Hälfte aller Stimmen von slowenischer Volksgruppe
Erinnert wird an den Abwehrkampf, das Werben bei der Bevölkerung für den Verbleib bei Österreich vor der Volksabstimmung und an die Feiern danach. Es haben sich ja rund 60 Prozent der Befragten in der Zone A, mit rund 70 Prozent slowenischem Bevölkerungsanteil, für Österreich entschieden.

Das Ergebnis wäre nicht zustanden gekommen, wenn es nicht auch rund 10.000 Stimmen der slowenischen Volksgruppe für Österreich gegeben hätte. Insgesamt gab es 22.025 Stimmen (59 Prozent) für den Verbleib bei Österreich, 15.279 (41 Prozent) stimmten gegen Österreich.

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Die Ausstellung in der Stadtgalerie Wolfsberg

Abwehrkämpferbund: Gedenken in Dankbarkeit
Der Abwehrkämpferbund will mit der Ausstellung auf die Ereignisse vor 100 Jahren zurückblicken. Fritz Schretter, der Obmann des Abwehrkämpferbundes sagte, die historischen Abläufe von 1918 bis 1920 seien einer der bedeutendsten Abschnitte der mehr als 1.000-jährigen Geschichte Kärntens.

„Ich glaube es ist Aufgabe eines Kulturvolkes und eines Traditionsverbandes, dieses Jubiläum im Sinne des damalige Abwehrkampfes, in Dankbarkeit und Würde zu begehen.“
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Propaganda und Stimmzettel zur Volksabstimmung 1920

Ausstellung noch bis 17. Oktober
Jahrzehnte nach der Volksabstimmung, noch bis nach der Jahrtausendwende war das Verhältnis zwischen den Volksgruppen in Kärnten immer wieder Spannungen ausgesetzt – nicht zuletzt, weil die Politik das Ihre dazu beigetragen hat. Die Ausstellung läuft bis 17. Oktober.
06.08.2020, red, kaernten.ORF.at
Abwehrkampf: Gedenken zum Jubiläum
 

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#4
Serben und Volksabstimmung in Kärnten

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Heuer feiert Kärnten am 10. Oktober 100 Jahre Volksabstimmung. Der Abstimmung ging ein Abwehrkampf gegen die SHS-Trupppen des Königreichs der Serben Kroaten und Slowenen voraus. Das Misstrauen besonders gegen die Serben war groß, sie taten nicht viel, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen.

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Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden auch durch den Zerfall der Habsburger Monarchie viele neue Staaten in Europa. Dass sich in Unterkärnten auch eine Mehrheit der slowenischsprachigen Bevölkerung bei der Volksabstimmung für den Verbleib bei Kärnten entschied, hat vielfältige Gründe. Ein Faktor war auch die Rolle, die serbische Truppen bei der Besetzung Kärntens durch südslawische Einheiten in den Jahren 1919 und 1920 spielten.
ORF
„Mutter, stimmen Sie nicht für Jugoslawien, da ich sonst für König Peter einrücken muss.“

Misstrauen gegen Serben in Kärnten
Ihre Bedeutung spiegelt auch die Kampagne wider, die vor der Abstimmung mit Flugschriften und Ansichtskarten geführt wurde. Dazu gibt es auch in Museen und Archiven von Laibach über Marburg bis Belgrad Dokumente. Der Kampf wurde mit allen Mitteln der Propaganda geführt, die vor 100 Jahren vorhanden waren. 60 Prozent der Stimmberechtigten waren Frauen. Sie sollten ihre Söhne nicht für den serbischen König in den Krieg ziehen lassen. Serbische Soldaten waren bei der Besetzung Kärntens im Einsatz und wirkten kontraproduktiv für die eigene Sache.

Dragan Matic, Archivar im Staatsarchiv in Laibach, sagte: „Die serbischen Einheiten erwiesen sich als nicht gerade gut, weil sie Gefangene oder Geiseln nahmen. Die schlechte Erfahrung mit den serbischen Truppen setzte sich später auch in der Zone A fort wo sie eine Besatzungsmacht waren. Über sie beschwerte sich die lokale Bevölkerung. Sie verstanden einander nicht und es kam keine Verbindung zustande. Dieses Misstrauen gegenüber den Serben spielte eine große Rolle bei der Abstimmung.“

ORF
Aufruf an die Kärntner

Repressalien gegen Zivilisten
Auch Martin Wutte schildert in seinem 1922 erschienenen Buch die Leiden der lokalen Bevölkerung unter den südslawischen Truppen, denen auch Serben angehörten. Dazu zählte etwa die Androhung von Repressalien gegen Zivilisten. Dementsprechend spielte der serbische Faktor auch Kampf um die Stimmen eine Rolle. Aus der Wahlurne blickt ein Serbe mit der typischen Kopfbedeckung, in Spottversen wird auf den Serben verwiesen, der als „Tschusch“ bezeichnet wird.

Serben rechneten mit klarem Sieg
In Belgrad finden sich im „Archiv Jugoslawien“ Dokumente zur geplanten Grenzziehung im Klagenfurter Becken. Gerechnet wurde mit einem klaren Sieg für den Anschluss. Am 10. Oktober 1920 stand ein Bericht über das Plebiszit auf der Titelseite der serbischen Tageszeitung „Politika“. Als das Ergebnis bekannt wurde, gab es nur mehr Berichte im Blattinneren. Auch der serbische Faktor leistete zweifellos seinen Beitrag zur Niederlage der Anschlussbefürworter.

06.10.2020, kaernten.ORF.at/Christian Wehrschütz
Serben und Volksabstimmung in Kärnten
 
#5
"Fast ein Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung stimmten für Jugoslawien"

Eine brisante Meldung Hier
war jedenfalls sehr schnell von orf.at verschwunden - hat mich jetzt einige Zeit gekostet, es wieder zu finden.

Im Detail:

Volksabstimmung 1920
Auch Kärntner Slowenen stimmten für Österreich

Vor 100 Jahren haben 59 Prozent der Kärntner und Kärntnerinnen im Abstimmungsgebiet für einen Verbleib in Österreich gestimmt. Ein historischer Wahlforscher hat die Abstimmung nun noch einmal genau untersucht: Ihm zufolge votierte auch eine knappe Mehrheit der Kärntner Slowenen und Sloweninnen für Österreich, fast ein Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung hingegen für Jugoslawien.

Rund 37.200 Männer und Frauen – Letztere zum ersten Mal überhaupt – waren am 10. Oktober 1920 wahlberechtigt und sollten über die Zugehörigkeit Südkärntens entscheiden. Das Resultat ist bekannt: Über 59 Prozent stimmten für Österreich, knapp 41 Prozent für das Königreich Jugoslawien. Da 70 Prozent der Wähler und Wählerinnen slowenischsprachig waren, mussten rund 10.000 von ihnen für Österreich gestimmt haben.

Bisherige Annahmen „falsch“
So steht es zumindest bisher in den Lehrbüchern und Lexika. Diese gehen nämlich davon aus, dass alle der rund 11.000 Deutschsprachigen für Österreich waren – und die restlichen 10.000 Stimmen von den Kärntner Slowenen stammten. Doch beide Annahmen seien falsch, sagte nun der Wahlforscher Guido Tiemann vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien und von der Universität Klagenfurt. Er errechnete, dass 13.000 der Kärntner Slowenen und Sloweninnen (Koroški Slovenci/Slovenke) für Österreich stimmten – also eine knappe Mehrheit von 51 Prozent. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass nicht alle Deutschsprachigen für Österreich votierten. „Nach meinen Berechnungen hat fast ein Viertel von ihnen für den Staat der Serben, Kroaten und Slowenen gestimmt“, so Tiemann gegenüber science.ORF.at.
Eine original Abstimmungsurne aus dem Distrikt Bleiburg

„Ethnischer Aspekt wird überschätzt“
Was der Wahlforscher für eine Studie berechnete, die in Kürze im Fachjournal „Historical Social Research“ erscheinen wird, erschüttert eine Geschichtsbetrachtung, die auf beiden Seiten der Karawanken zum Teil noch immer nationalistisch gefärbt ist. „Der ethnolinguistische Aspekt spielte bei der Abstimmung natürlich eine wichtige Rolle. Sein Einfluss wird aber überschätzt.

Geschichtswissenschaft und Politik hätten sich in den vergangenen 100 Jahren zwar sehr ausführlich mit der Kärntner Volksabstimmung befasst. Der empirische Kern, das Abstimmungsverhalten, sei bisher aber erstaunlicherweise kaum systematisch untersucht worden, sagte Tiemann. Mit heutigen Mitteln der historischen Wahlforschung holte er genau das nun nach.

Heutige Methoden der Statistik
Wenn keine individuellen Umfragedaten erhoben wurden oder erhalten sind, kann sie auf Verfahren wie die „ökologische Inferenz“ zurückgreifen und versuchen, individuelles Verhalten aus einer Gesamtdatenmenge rekonstruieren – im konkreten Fall aus den Daten der 51 Kärntner Abstimmungsgemeinden. Für jede einzelne Gemeinde können dabei genaue Schwankungsbreiten bestimmt werden: Wenn etwa 70 Prozent für Österreich gestimmt haben, die deutschsprachige Wohnbevölkerung aber nur 60 Prozent ausmachte, muss mindestens ein bestimmter Anteil der Slowenischsprachigen auch für Österreich gestimmt haben. Zudem erlaubt ein Vergleich dieser Daten über die Abstimmungsgemeinden hinweg, das Wahlverhalten deutsch- und slowenischsprachiger Kärntner mit statistischen Modellen besser einzugrenzen.
Propagandaplakat für Österreich
Erklärungen jenseits von „Blut“ und Sprache
Es gebe noch eine Reihe anderer Erklärungen für das Abstimmungsverhalten jenseits von „Blut“ und Sprache, sagte Tiemann. Allen voran wirtschaftliche: Für slowenischsprachige Bauern sprach das Argument für Österreich, dass der Markt in Klagenfurt leichter zu erreichen war als jener in Ljubljana. Umgekehrt dürfte der agrarisch geprägte SHS-Staat eine bessere Abnahme für Industrieprodukte versprochen haben. Dazu sei laut Tiemann das Motiv gekommen, am Status quo nichts ändern zu wollen, sowie der traditionell starke Einfluss der Sozialdemokratie, die deutlich für Österreich plädierte. Aus Sicht deutschsprachiger Eliten sprach wiederum für den SHS-Staat, dass sie dort große Besitztümer hatten.


„Deutschsprachige und slowenischsprachige Historiker sind sich lange sehr feindlich gegenübergestanden und tun das zum Teil noch immer. Was sie geeint hat, war die nationalistische Perspektive, wonach natürlich alle Deutschsprachigen für Österreich abgestimmt haben“, sagte Tiemann. „Als Wahlforscher habe ich nun erstmals Methoden der empirischen Sozialforschung angewendet, die zeigen, dass das einfach nicht stimmt.“

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
 

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#6
100 Jahre Kärntner Volksabstimmung

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Nach dem Ersten Weltkrieg sind die Grenzen in ganz Mitteleuropa neu gezogen worden. In Südkärnten wurde die Bevölkerung am 10. Oktober 1920 gefragt, ob sie zum Königreich Jugoslawien gehören oder bei Österreich bleiben wolle. Der Abstimmung zugunsten des Verbleibs ging ein Abwehrkampf voraus.
Online seit heute, 6.41 Uhr
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Am 11. November 1918, nach der Niederlage der Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg, erklärte die provisorische Kärntner Landesregierung den Beitritt zur Republik Deutschösterreich, die ihrerseits den Anschluss an das Deutsche Reich anstrebte. Am 1. Dezember 1918 beanspruchte das neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenien (SHS) das slowenischsprachige Gebiet Südkärntens für sich, wovon es Teile auch militärisch besetzte.

Am 5. Dezember 1918 beschloss die Kärntner Landesregierung den bewaffneten Widerstand gegen die eindringenden Truppen, der Kärntner Abwehrkampf begann. In der Folge wurden wichtige Orte wie Arnoldstein, Ferlach und Grafenstein zurückerobert. Am 14. Jänner 1919 wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Eine US-amerikanische Kommission („Miles-Mission“) studierte an Ort und Stelle die strittigen Fragen.

Klagenfurt wurde besetzt
Diese Mission schlug daraufhin eine Grenzziehung entlang der Karawanken vor, was als entscheidende Weichenstellung zugunsten Österreichs galt. Am 6. Juni 1919 kam es zu einem weiteren Vorstoß der SHS-Truppen, die auch Klagenfurt besetzten. Dieses musste aber nach Aufforderung der Obersten Rates der Alliierten wieder geräumt werden.

Im Friedensvertrag von St. Germain im September 1919 wurde eine Volksabstimmung in Südkärnten vorgesehen. Beim Abwehrkampf gab es auf Kärntner Seite rund 200 Tote und 800 Verwundete.

Zwei Abstimmungszonen eingeteilt
Es wurden zwei Zonen für die Abstimmung eingeteilt: Die südliche Zone I bzw. A, in der zuerst abgestimmt werden sollte, blieb unter jugoslawischer Verwaltung, die nördliche Zone II bzw. B (einschließlich Klagenfurts) unter österreichischer. Ohne Abstimmung wurde das Kanaltal an Italien abgetreten sowie das Mießtal, Unterdrauburg und das Seeland an das SHS-Königreich. Die Grenze zwischen den beiden Zonen verlief östlich von Villach, durch den Wörthersee und nur wenige Kilometer südlich von Klagenfurt. Die nördliche Zone umfasste auch das Nordufer des Wörthersees sowie die Landeshauptstadt.

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Plakate vor der Abstimmung, die in einem slowenischen Museum hängen: „Mama, stimmen Sie nicht für Jugoslawien, weil ich sonst für König Peter kämpfen muss“

Propaganda vor dem Votum
Nach einer heftigen Propagandaschlacht fand am 10. Oktober 1920 in der Zone I die Volksabstimmung statt. Eine Mehrheit von 59 Prozent (Beteiligung 96 Prozent) sprach sich für Österreich aus. Allerdings votierten 18 Gemeinden mehrheitlich für Jugoslawien. Eine von ihnen, das am äußersten Ostrand der Zone I gelegene Leifling/Libeliče wurde Jugoslawien im Zuge von Grenzbegradigungen angegliedert. Eine Abstimmung in Zone II war wegen des überwältigenden Votums nicht mehr nötig.

Landesregierung gab Versprechen ab
Kurz vor der Abstimmung gab die Kärntner Landesversammlung das Versprechen ab, dass sie die „sprachliche und nationale Eigenart (der Slowenen) jetzt und alle Zeit wahren will“. Am 20. Oktober 1920 schrieb der Kärntner Landeschef Arthur Lemisch über jene mehr als 10.000 Kärntner Slowenen, die für Jugoslawien gestimmt hatten: „Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen. Mit deutscher Kultur und Kärntner Gemütlichkeit wollen wir in einem Menschenalter die Arbeit geleistet haben.“
Im Jahr 2020 schlug der Kärntner Heimatdienst versöhnlichere Töne an. Obmann Josef Feldner sagte, man versuche, wegzukommen von einer ausschließlich heroisierenden Sichtweise dieser Ereignisse. Man habe gesagt, die, die für Jugoslawien gestimmt haben, seien Verräter an Kärnten. „Das darf es nicht mehr geben. Jeder, der damals für Jugoslawien gestimmt hat, hatte das Recht darauf“ – mehr dazu in Heimatdienst gedenkt Hans Steinachers.

Van der Bellen: Neues Zusammengehörigkeitsgefühl
Bundespräsident Alexander Van der Bellen blickt positiv auf den 100. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung am Samstag. „Hier entwickelt sich ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl, ganz jenseits der alten Trennlinien, was auch sehr vernünftig ist“, sagte er im Interview für die APA und die slowenische Nachrichtenagentur STA in Wien.

Historisch gesehen sei es von den Alliierten richtig gewesen, die Bevölkerung zu fragen, so Van der Bellen. Die Bevölkerung Kärntens habe sich damals mehrheitlich für den Verbleib bei der jungen Republik Österreich entschieden. Er finde das interessant, weil außerhalb von Kärnten die Sorge groß war, dass dieser Staat überhaupt nicht lebensfähig sein werde, und „hier war eine Gruppe, die gesagt hat: Ja, wir wollen da bleiben.“


Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Umgang mit Minderheit nicht befriedigend“
„Es ist unbestreitbar, dass der offizielle Umgang mit der slowenischen Minderheit in Kärnten über Jahrzehnte nicht befriedigend war, um es milde auszudrücken. Andererseits bin ich sehr froh, dass es jetzt viele Zeichen gibt, die für eine Entspannung und für eine deutliche Verbesserung der Lage sprechen, nämlich die Zunahme der bilingualen Schulen, der bilingualen Kindergärten, die sich eines hohen Zuspruchs erfreuen. Und zwar nicht nur von Menschen slowenischer Muttersprache, sondern auch von Menschen deutscher Muttersprache, und, wie ich höre, kommen jetzt sogar Kinder aus Slowenien zu diesen bilingualen Schulen in Kärnten.“

Es sei das erste Mal, dass beide Präsidenten, der Bundespräsident aus Österreich und der Staatspräsident aus Slowenien, Borut Pahor, an einem Festakt zur Volksabstimmung teilnehmen. „Das ist ein sehr schönes Zeichen, das nicht vom Himmel gefallen ist", so der Bundespräsident.

Pahor: Kärntner Landesleute
Der slowenische Präsident Pahor sieht seinen Auftritt bei den Volksabstimmungsfeiern am Samstag in Klagenfurt als Wagnis. „Die Zeit wird zeigen, wie mutig wir waren und ob irgendwer naiv war“, sagte Pahor im Interview für die slowenische Nachrichtenagentur STA und die APA in Brdo bei Kranj. Er bekannte sich zum Schutz der Deutschsprachigen in Slowenien und kündigte an, in Klagenfurt als Slowene sprechen zu wollen, „der in den Kärntnern Landsleute sieht“.

Aufruf zum Minderheitenschutz
Van der Bellen und Pahor riefen eindringlich zum Minderheitenschutz auf. Er bedauere den Rückgang der Kärntner Slowenen „sehr“ und hoffe auf eine Trendumkehr, sagte Van der Bellen. Pahor sagte, dass auch Slowenien eine „Pflicht“ zum Schutz der deutschsprachigen Volksgruppe habe. Die erstmalige Teilnahme eines slowenischen Staatspräsidenten am Klagenfurter Volksabstimmungsgedenken sei „ein Schwimmen gegen den Strom“ angesichts der zunehmenden „Auffassungsunterschiede auf nationaler, aber auch europäischer Ebene“, so Pahor.
09.10.2020, red, kaernten.ORF.at/Agenturen
100 Jahre Kärntner Volksabstimmung
 
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Kärntens bewegte Geschichte

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Die Bewohner des damals überwiegend slowenischsprachigen Südkärnten haben sich am 10. Oktober 1920 für den Verbleib bei Österreich ausgesprochen. Das Votum war ein Wendepunkt in der Geschichte, brachte aber trotz seines klaren Ergebnisses keine Beruhigung im lange umkämpften Land – eine Chronologie.

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Ca. 600 n. Chr.: Gründung des slawischen Fürstentums Karantanien im Gebiet des heutigen Kärnten, mit dem Zentrum in der ehemaligen römischen Stadt Virunum nördlich des heutigen Klagenfurt. Auf der umgedrehten Basis einer römischen Säule, dem Fürstenstein, werden die Fürsten rituell eingesetzt. Die Tradition, bei der ein slowenischer Bauer dem Fürsten erst nach eingehender Befragung den Platz überlässt, hält sich noch bis ins Spätmittelalter.

743: Slawenfürst Borut bittet die Baiern um Hilfe gegen die Awaren, wodurch Karantanien in den bayrischen Einflussbereich gerät. Begleitet wird die Einflussnahme durch christliche Missionen des Bistums Salzburg.

820: Unter Karl dem Großen lösen fränkische Markgrafen die slawischen Stammesfürsten als Landesherren ab, die auch Siedler nach Ober- und Mittelkärnten bringen.

976: Gründung des Herzogtums Kärnten durch Abtrennung von Bayern. Unter der Verwaltung des Herzogtums stehen auch Teile der heutigen Steiermark, fast ganz Slowenien, Verona, Friaul und Istrien. Diese Gebiete lösen sich jedoch schon nach wenigen Jahrzehnten von Kärnten. Die jeweiligen Kärntner Herzöge haben kaum Besitzungen, weil sie von den deutschen Kaisern bewusst schwach gehalten werden. Einzelne Adelsgeschlechter und auch die Kirche haben hingegen ausgedehnte Ländereien, weswegen die Diözese Gurk-Klagenfurt noch heute zu den vermögendsten Österreichs zählt.

1335: Kärnten wird den Habsburgern übertragen und mit Österreich, Steiermark und Krain vereinigt.

1414: Ernst der Eiserne wird als letzter Kärntner Herzog nach dem slawischen Ritual am Fürstenstein eingesetzt.

1478: Kärntner Bauernaufstand infolge der Türkeneinfälle, die vor allem den südlichen Landesteil betreffen. Die bewaffneten Bauern rebellieren nicht nur gegen die Herrscher, sondern stellen sich auch – erfolglos – den Türken entgegen.

1600: Beginn der katholischen Gegenreformation im fast zur Gänze protestantisch gewordenen Kärnten. Es kommt zu wirtschaftlichem Niedergang und einer starken Auswanderung vor allem nach Süddeutschland. Trotzdem ist Kärnten bis heute eine Hochburg des Protestantismus in Österreich.

1782: Unter Kaiser Joseph II. verliert Kärnten seine Selbstständigkeit, indem es der Regierung in Graz unterstellt wird.

1809: Nach seinem Sieg gegen die Habsburger gründet Napoleon Bonaparte die Illyrischen Provinzen, die neben dem heutigen Slowenien und dem kroatischen Küstenland auch Oberkärnten und Osttirol umfassen. Hauptort der Provinz Carinthie wird Villach. Diese Teilung Kärntens ist nach fünf Jahren wieder vorbei, als Frankreich die Illyrischen Provinzen wieder an Österreich abtreten muss. Nun wird ganz Kärnten von Laibach aus regiert, dem Hauptort des neuen habsburgischen Königreichs Illyrien.

1848: Im Zuge der März-Revolution entsteht auch die Idee eines „Vereinigten Sloweniens“ als Zusammenschluss von Gebieten verschiedener Kronländer, darunter Kärnten. Das Manifest für ein „Vereinigtes Slowenien“ wird von dem aus dem Kärntner Gailtal stammenden Geistlichen und Agitator Matija Majar-Ziljski (Matthias Mayer, der Gailtaler) verfasst.

1849: Kärnten wird wieder zum Kronland mit Klagenfurt als Hauptstadt. Zu diesem Zeitpunkt ist Schätzungen zufolge rund ein Drittel der Bevölkerung des Landes slowenischsprachig, insbesondere in ländlichen Gebieten nicht nur Südkärntens, sondern auch rund um den Wörthersee. In Paragraf 3 der 1849 beschlossenen Landesverfassung heißt es daher: „Die im Lande wohnenden Volksstämme sind gleichberechtiget, und haben ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache.“

11. November 1918: Nach der Niederlage der Donaumonarchie im Ersten Weltkrieg erklärt die provisorische Kärntner Landesregierung den Beitritt zur Republik Deutschösterreich, die ihrerseits den Anschluss an das Deutsche Reich anstrebt.

1. Dezember 1918: Das neue Königreich der Serben, Kroaten und Slowenien (SHS) beansprucht das slowenischsprachige Gebiet Südkärntens für sich, wovon es Teile auch militärisch besetzt.

5. Dezember 1918: Die Kärntner Landesregierung beschließt den bewaffneten Widerstand gegen die eindringenden Truppen, der Kärntner Abwehrkampf beginnt. In der Folge werden wichtige Städte wie Arnoldstein, Ferlach und Grafenstein zurückerobert.

14. Jänner 1919: Es wird ein Waffenstillstand geschlossen und eine US-amerikanische Kommission („Miles-Mission“) studiert an Ort und Stelle die strittigen Fragen. Diese Mission schlägt daraufhin eine Grenzziehung entlang der Karawanken vor, was als entscheidende Weichenstellung zugunsten Österreichs gilt.

6. Juni 1919: Neuerlicher Vorstoß der SHS-Truppen, die auch Klagenfurt besetzen. Dieses muss aber nach Aufforderung der Obersten Rates der Alliierten wieder geräumt werden.

10. September 1919: Im Friedensvertrag von St. Germain wird eine Volksabstimmung in Südkärnten vorgesehen. Das Abstimmungsgebiet wird in zwei Zonen geteilt. Die südliche Zone I bzw. A, in der zuerst abgestimmt werden soll, bleibt unter jugoslawischer Verwaltung, die nördliche Zone II bzw. B (einschließlich Klagenfurts) unter österreichischer. Ohne Abstimmung wird das Kanaltal an Italien abgetreten sowie das Mießtal, Unterdrauburg und das Seeland an das SHS-Königreich.

10. Oktober 1920: Nach einer heftigen Propagandaschlacht findet in der Zone I die Volksabstimmung statt. Bei einer Beteiligung von 96 Prozent entfallen 59,04 Prozent der Stimmen auf Österreich. Weil in dem Gebiet die slowenischsprachige Volksgruppe etwa 70 Prozent der Gesamtbevölkerung stellt, votiert ein erheblicher Teil der Kärntner Slowenen für Österreich. Kurz vor der Abstimmung gibt die Kärntner Landesversammlung das Versprechen ab, dass sie die „sprachliche und nationale Eigenart (der Slowenen) jetzt und alle Zeit wahren will“.


Wikipedia
Viel Propaganda gegen den SHS-Staat vor der Volksabstimmung

20. Oktober 1920: Der Kärntner Landeschef Arthur Lemisch schreibt wenige Tage nach der Volksabstimmung über jene gut 15.000 Kärntner Slowenen, die für Jugoslawien gestimmt haben: „Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen. Mit deutscher Kultur und Kärntner Gemütlichkeit wollen wir in einem Menschenalter die Arbeit geleistet haben.“

18. November 1920: Die Zone I kommt unter österreichische Verwaltung.
1931: Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) wird bei der Gemeinderatswahl in Klagenfurt zweitstärkste Kraft, das südlichste Bundesland wird zu einer der österreichischen Hochburgen des Nationalsozialismus.

April 1938: Bei der Volksabstimmung über den (bereits vollzogenen) Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland bemühen sich führende Vertreter der Kärntner Slowenen um ein gutes Einvernehmen mit den neuen Machthabern und rufen öffentlich zu einem Ja auf. Diese wollen Kärnten aber endgültig deutsch machen. Schon 1938 verschwinden die zweisprachigen Ortstafeln, ab 1939 gibt es auch keinen zweisprachigen Unterricht mehr. Zahlreiche slowenische Familien werden ins „Altreich“ ausgesiedelt.

1941: Nach dem Sieg über Jugoslawien werden das Mießtal und Oberkrain von Hitler-Deutschland besetzt und unter die Verwaltung Kärntens gestellt. In den Karawanken bilden sich erste Partisanengruppen, nachdem schon ab 1939 erste slowenische Wehrmachtsangehörige aus Kärnten nach Jugoslawien desertiert waren.

1944/45: Vor allem in der Endphase des Zweiten Weltkriegs kämpfen die Partisanen in den Karawanken, aber auch im Sattnitz-Gebiet bei Klagenfurt und auf der Saualpe nördlich von Völkermarkt gegen die Nazis. Rund 500 Partisanen fallen im Kampf, der damit der einzige kontinuierliche, organisierte und bewaffnete Widerstand gegen die NS-Diktatur auf dem Gebiet Österreichs ist.

7. Mai 1945: Wenige Stunden vor dem Eintreffen der britischen Armee übergibt NS-Gauhauptmann Meinrad Natmeßnig die Macht an den Sozialdemokraten Hans Piesch, den die demokratischen Parteien zuvor zum Landeshauptmann gewählt hatten. Zwei Jahre danach muss er wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zurücktreten.

15. Mai 1955: Der Österreichische Staatsvertrag sichert in Artikel 7 die Rechte der slowenischen Volksgruppe.

1957: In Klagenfurt wird das Bundesgymnasium für Slowenen gegründet. Damit erhält die Minderheit ihre erste eigene Mittelschule.

1958: Deutschnational motivierte „Schulstreiks“ erzwingen das Ende des nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführten verpflichtenden zweisprachigen Unterrichts in den Pflichtschulen.

1972: Nach der Aufstellung von zweisprachigen topografischen Aufschriften kommt es zum „Ortstafelsturm“, die SPÖ-geführte Bundesregierung von Bundeskanzler Bruno Kreisky macht einen Rückzieher. Fünf Jahre später legt eine Topografieverordnung den slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil mit 25 Prozent fest. Die erste Ortstafel wird im Jahr 1977 im Ort Zell-Pfarre/Sele-Fara aufgestellt, bis zum Jahr 2002 stehen 71 von 92 Ortstafeln.

1979: Ein Mann und eine Frau aus Jugoslawien verüben einen Bombenanschlag im Völkermarkter Heimatmuseum, das eine Ausstellung zum „Kärntner Abwehrkampf“ beherbergt. Das Museum wird durch die Explosion zerstört, neben einem Mitarbeiter des Museums werden auch die beiden Attentäter verletzt. Sie werden 1980 in Wien zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt, aber schon nach sechs Monaten gegen zwei in Jugoslawien gefasste Spione des Bundesheeres ausgetauscht.

1989: Jörg Haider wird zum Kärntner Landeshauptmann gewählt und macht das Land zur FPÖ-Hochburg. 1991 muss er nach seinem Lob für die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ Adolf Hitlers zurücktreten.

1991: Slowenien erklärt sich für unabhängig von Jugoslawien. Österreich erkennt das neue Nachbarland im Jänner 1992 offiziell an.

1995: Bei der Feier zum 75. Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung ergreift mit dem pensionierten Gymnasiallehrer Valentin Inzko erstmals ein Vertreter der Kärntner Slowenen das Wort. Bundeshymne und Landeshymne werden erstmals in beiden Landessprachen gesungen, Landeshauptmann ist zu diesem Zeitpunkt Christof Zernatto (ÖVP).

1999: Haider schafft ein fulminantes politisches Comeback und wird wieder Landeshauptmann.

2001: Der Verfassungsgerichtshof hebt die Ortstafelregelung im Volksgruppengesetz auf, weil der Prozentsatz als zu hoch angesehen wird. In der Folge weigert sich Haider, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Der Verfassungsjurist zieht dabei alle Register, vom Anbringen von kleinen Zusatztafeln bis zum Versetzen von Ortstafeln.

APA/Gert Eggenberger
Ortstafel von Bleiberg/Pliberk

2004: Slowenien tritt der Europäischen Union bei, wodurch Slowenisch zur EU-Amtssprache wird.

2007: Slowenien tritt dem Euro- und Schengen-Raum bei. Damit gibt es keine Grenzkontrollen zwischen Kärnten und Slowenien mehr, auf beiden Seiten der Grenze wird mit der gleichen Währung bezahlt. Für scharfe Proteste in Kärnten sorgt, dass Slowenien den Kärntner Fürstenstein auf seine Zwei-Cent-Münze prägt.

ORF
Fürstenstein im Wappensaal des Landhauses Klagenfurt

2009: In der Gemeinde Bad Eisenkappel wird mit Franz Josef Smrtnik erstmals ein Politiker einer slowenischen Liste zum Bürgermeister gewählt. Die südlichste Gemeinde Österreichs hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit.

2011: Unter Haiders freiheitlichem Nachfolger Gerhard Dörfler wird in Verhandlungen mit der Bundesregierung und Slowenenorganisationen eine Konsenslösung zur Aufstellung von 164 zweisprachigen Ortstafeln gefunden. Dem damaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gelingt somit, woran seine Vorgänger Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2006 und Alfred Gusenbauer (SPÖ) im Jahr 2007 gescheitert waren – mehr dazu in 2011: Das Jahr der Ortstafellösung (kaernten.ORF.at; 27.12.2011).

APA/Gert Eggenberger
V. l. n. r.: LH Gerhard Dörfler, Staatssekretär Josef Ostermayer, Sloweniens Ministerpräsident Borut Pahor sowie der Kärntner SPÖ-Chef Peter Kaiser am Dienstag, 16. August 2011, im Rahmen eines Festaktes zur Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten

2017: Nach kontroversen Debatten beschließt der Landtag eine Änderung der Landesverfassung, in deren Artikel 5 erstmals ein Bekenntnis zur „gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, wie sie in Kärnten in der slowenischen Volksgruppe zum Ausdruck kommt“, enthalten ist. Offiziell gehören noch rund zwei Prozent der Landesbevölkerung der slowenischen Volksgruppe an.

2020: Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sein slowenischer Amtskollege Borut Pahor wollen in Klagenfurt gemeinsam des 100. Jahrestags der Kärntner Volksabstimmung gedenken.

09.10.2020, red, kaernten.ORF.at/Agenturen
Kärntens bewegte Geschichte
 
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