K.u. k. Monturdepot in der Wiener Hofburg soll ohne Einverständnis des Bundesdenkmalamtes geräumt werden

josef

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Wiener Hofburg
Eine „Zeitkapsel“ droht zu verschwinden
Online seit heute, 8.58 Uhr
Es ist eine „Zeitkapsel“ aus der Monarchie und ein Kleinod in Sachen Innenarchitektur: das Monturdepot in der Wiener Hofburg. Die Umkleide der k. u. k. Dienerschaft sieht aus, als wäre sie erst gestern verlassen worden. Doch ab Donnerstag soll das Monturdepot geräumt werden. Dabei wurde eine entsprechende Genehmigung des Bundesdenkmalamts noch nicht einmal angefordert. Die zuständige Burghauptmannschaft reagierte ausweichend auf eine entsprechende Anfrage.

Ursprünglich war in dem Gewölbe unter der heutigen Präsidentschaftskanzlei im Leopoldinischen Trakt der Hofburg die Silberkammer untergebracht. Dort bewahrte man das kostbare Tafelgeschirr samt Besteck auf. Nach der Übersiedelung der Silberkammer an ihren heutigen Standort wurde der frei gewordene Raum dem Uniformierungsdepartement des Obersthofmeisteramts zugeschlagen und als Garderobe der Dienerschaft verwendet. Hier kleidete man sich bei Dienstantritt um, hier verwahrte man die Livreen nach Dienstende. Unmittelbar angrenzend lag die Schneiderei – für Anpassungen, Änderungen und Reparaturen.

Die für die Hofburg zuständige Burghauptmannschaft verlautbarte Anfang Mai, die Räumlichkeiten des Monturdepots würden gebraucht – und zwar, um „Raum für dringende Adaptierungsmaßnahmen in der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei“ zu schaffen, „um zeit- und objektgemäße Sicherheitsstandards weiterhin optimal gewährleisten zu können“. Da das Monturdepot direkt unter der Präsidentschaftskanzlei liegt, ist es die erste Wahl für dessen Errichtung. Das würde den Abbau des denkmalgeschützten Ensembles bedeuten.


Die Stahlkonstruktion ist sowohl Zwischendecke als auch Träger und Fixierung der Kästen und direkt ans Gewölbe der Räumlichkeiten angepasst
Foto Kaiserliche Wagenburg Wien

Über die Lagerungsbedingungen hat man sich damals viele Gedanken gemacht. Durch die von hinten belüftete Konstruktion und die Fenster sind Luftfeuchtigkeit und Temperatur perfekt abgestimmt.
Foto Kaiserliche Wagenburg Wien

Sogar die Namensbeschriftungen sind bis heute erhalten geblieben. Nur die Geschichte machte dem nächsten Dienstantritt einen Strich durch die Rechnung.
Foto Kaiserliche Wagenburg Wien

Bei der Ausführung der Konstruktion ließ man sich damals nicht lumpen. In einer Ausschreibung wurden die besten Firmen für Fliesen, Tischlerei und die Eisenkonstruktion ausgewählt.
Foto Kaiserliche Wagenburg Wien

Die Burghauptmannschaft und das Kunsthistorische Museum (KHM), in deren Verantwortungsbereich das Monturdepot fällt, stellten den Umzug in ihrer gemeinsamen Presseaussendung als unproblematisch dar – die Sammlung solle in die Wagenburg des Kunsthistorischen Museums in Schönbrunn übersiedeln und dort „endlich“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – bisher war sie das nicht. Der Fortbestand der Sammlung könne zudem „mit Hilfe von geeigneten, fachkundigen und raumklimatischen Bedingungen in der Wagenburg optimal gesichert werden“.

„Absolut erhaltenswert“
Monica Kurzel-Runtscheiner, die Direktorin der Sammlung Wagenburg und Monturdepot des KHM, wurde bereits aufgefordert, das Depot bis Ende August zu räumen, die Vorbereitungsarbeiten laufen ab Donnerstag. Die historischen Monturen werden nach Himberg in das Zentraldepot des Kunsthistorischen Museums gebracht. Die Burghauptmannschaft prüft derzeit das Vorhaben, den gesamten Raum ab Anfang September „abzubauen“ – es geht ja nicht nur um die Kleidung und andere Gegenstände, die sich in den Kästen befinden, wie Degen, Knöpfe und Schuhe, es geht ja auch um die Eisenkonstruktion und die Kästen – bis hin zu den Fliesen. Kurzel-Runtscheiner äußerte sich ORF Topos gegenüber kritisch:
"Ich bin sehr unglücklich darüber. Der Raum steht allem Anschein nach vor der Zerstörung. Dabei ist er absolut erhaltenswert. Er ist das letzte Zeugnis der Tätigkeit der Dienenden, der arbeitenden Menschen in der Hofburg, er hat zwei Weltkriege und den Zusammenbruch der Monarchie überstanden und soll nun wegen einer Maßnahme weichen, die man anders hätte setzen können."
Monica Kurzel-Runtscheiner, Direktorin der Sammlung Wagenburg und Monturdepot des Kunsthistorischen Museums

Geschichte von unten
Laut Gesetz steht die Sicherheit des Bundespräsidenten über der Erhaltungswürdigkeit eines denkmalgeschützten Raumes mit seinen Einbauten. Doch obwohl das Depot schon bis Ende August geräumt sein soll, ist bis jetzt noch nicht einmal ein Antrag für den Umbau beim Bundesdenkmalamt eingelangt, wie Wolfgang Salcher vom Landeskonservatorat für Wien im Interview mit ORF Topos sagt. Es gäbe gute Gründe für die Erhaltung des Monturdepots, findet er, aber auch das Ansinnen, die Sicherheitslage des Bundespräsidenten zu verbessern, sei nachvollziehbar. Eine offizielle Abwägung könne erst begonnen werden, wenn ein entsprechender Antrag der Burghauptmannschaft folgt.

ORF Topos stellte der Burghauptmannschaft schriftlich drei Fragen, in denen es explizit um die Kästen und die Metallkonstruktion geht, nicht um die Sammlung. Als Antwort wurde eine Stellungnahme zugesandt, die nicht darauf eingeht:
(…) Grundsätzlich kann aus Gründen der Sicherheit und des Objektschutzes zu diesem derzeit laufenden Projekt noch keine Angabe gemacht werden. Die Burghauptmannschaft Österreich möchte jedoch festhalten, dass eine dem kulturhistorischen Wert der Objekte entsprechende Lösung erarbeitet wird und in weiterer Folge entsprechende Optionen geprüft werden. Wie bereits in der Presseaussendung vom 06.05.2024 mitgeteilt, wäre die Zugänglichkeit dieser wertvollen und interessanten Sammlung für die breite Öffentlichkeit begrüßenswert. (…)
Stellungnahme der Burghaptmannschaft gegenüber ORF Topos

Frage der Alternativen
Es ist auch eine Frage der Alternativen, was die geplante Sicherheitsschleuse betrifft. Direkt neben dem Monturdepot liegen zwei Garagen der Präsidentschaftskanzlei, die nicht denkmalgeschützt sind und über den großen Burghof für Besucherinnen und Besucher sogar leichter zu erreichen wären, heißt es gegenüber ORF Topos hinter vorgehaltener Hand. Dort gäbe es genug Platz für die geplante Sicherheitszentrale. Das Monturdepot könnte nach all den Debatten für eine museale Nutzung freigegeben werden – sogar als informativer Warteraum, nachdem man durchs Röntgengerät geschritten ist.

Es gibt zahlreiche Stimmen, die einen Erhalt der Umkleide fordern. Gegenüber der ZIB sprach Artur Rosenauer, Kunsthistoriker und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, von einem „Schildbürgerstreich“ und von „Leichtsinnigkeit“. Das Monturdepot sei ein weltweit einzigartiges Unikat künstlerisch vorbildlich gestalteter Gebrauchsarchitektur und ein rares Zeugnis der komplizierten höfischen Gesellschaft – gerade auch, was das Leben und die Rolle der Dienerschaft betrifft. Selbst wenn man das gesamte Ensemble unbeschadet übersiedeln könnte, würde es an einem anderen Ort seinen Sinn verlieren: „Es soll an Ort und Stelle bleiben. Gott sei Dank wird Widerstand laut!“

Neben Rosenauer haben sich auch Kunsthistoriker und -historikerinnen aus Frankreich, der Schweiz, Italien und Schweden bereits schriftlich für die Erhaltung des Raumes ausgesprochen. Der Raum ist ja „maßgeschneidert“ und könnte beim Abbau zerstört werden. Außerdem gibt es keinen passenden Raum zur Wiedererrichtung. Schönbrunn hat schon abgewinkt. Eine einmalige Chance, Geschichte von unten zu erleben, würde damit zerstört.

Accessoires wie Degen, Kappen und Handschuhe
Das „Uniformierungsdepartement“ war die Aufbewahrungsstätte für die aufwendig von Hand gefertigten Livreen der Dienerschaft. Hier gibt es bis heute original erhaltene Schränke und Kästen mit Schubladen, in denen die teuren maßgeschneiderten Kleidungsstücke verwahrt werden konnten. Auch heute beherbergen die aus Eisen und Holz – ebenfalls maßgefertigten, weil genau in das Gewölbe eingepassten – Möbel Kleidungsstücke: die „Monturen“, Galalivreen und Festtagskleidung der Dienerschaft samt Zubehör wie Kappen, Mützen, Gürtel, Stiefel, Handschuhen und Degen, die heute zum Kunsthistorischen Museum gehören.

Nach Ende der Monarchie im Jahr 1918 blieb der Raum zunächst ungenutzt. 1922 wurde seine künftige Nutzung als Textildepot des Kunsthistorischen Museums beschlossen. Hier werden Galalivreen, Uniformen und sogar Prunkkleidung aus dem Besitz des Wiener Hofes aufbewahrt, konserviert und restauriert. Dabei ist die Eisen-Stahl-Konstruktion von Gridl eine große Hilfe: Die Schränke sind belüftet, und der Raum schützt durch gleichmäßige Temperaturen und trockenes Raumklima vor Schimmel- und Schädlingsbefall. Durch das Tageslicht ist er auch nach heutigen Standards ein guter Arbeitsraum.

Feinstes Handwerk von Villeroy und Boch, Gridl und Jaray
Vor dem Einzug des Uniformierungsdepartements wurde der Raum umgebaut. Dafür gab es eine Ausschreibung, in der für jedes Gewerk – Eisen-Stahl-Konstruktion, Tischlerarbeiten, Verfliesung – jeweils drei Angebote eingeholt wurden. Ein Vorgang ganz ähnlich den heutigen Ausschreibungen für Bauaufträge des Bundes. Aus den Akten, die im Haus-, Hof- und Staatsarchiv erhalten sind, geht hervor, dass man drei Vergleichsangebote pro Gewerk einholte. Schließlich entschied man sich für eine Eisen-Stahl-Konstruktion der Firma Gridl, Tischlerarbeiten von Sandor Jaray und Fliesen von Villeroy & Boch.

Neben dem herausragenden Handwerk bei der Errichtung und Ausgestaltung des Raumes ist das Monturdepot heute der letzte seit Ende der Monarchie in der Hofburg unverändert erhaltene Arbeitsraum der Dienerschaft. Hier kann man die Arbeitsbedingungen nachvollziehen, wird umfangen von der Aura der Vergangenheit und sieht sogar noch die Namensschilder der Bediensteten, über die es im Haus-, Hof- und Staatsarchiv gesonderte Akten gibt. Man kann also die Stationen der Leben von jedem Einzelnen nachlesen und Details über ihre Tätigkeit, ihr Einkommen und die Dauer ihrer Anstellung erfahren. Sogar eine Glühbirne blieb erhalten, mit der Aufschrift „k. k. Hofärar“.
31.07.2024, ORF-Topos, Sabine Nikolay, Simon Hadler

Links:
Hofburg Wien (Burghauptmannschaft Österreich)
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