Unter dem Stadtgebiet von Retz befindet sich das größte Kellersystem Österreichs
Hier ein kurzer Auszug aus der Stadt- bzw. Kellergeschichte:
Quelle: http://www.erlebniskeller.at/geschichte.htm
Nachfolgend einige Impressionen aus der „Retzer Kellerwelt“, die wir am 28.09.2016 im Rahmen einer Führung besichtigten:
Teil 1:
1. Plan der während des Krieges vermessenen Kellergänge. Der dunkle Bereich wird bei der Führung durchgangen.
2. Eingangsbereich in der Znaimer Straße.
3. Stiegenabgang in die Kellerröhren bei der Znaimer Straße.
4. „Böhmisches Kappengewölbe“ über einen Kreuzungspunkt von 4 Gängen.
5. Alte Baumpresse als ausstellungsstück.
6. Fasskeller mit parallel zum Längsgang liegenden Holzfässern.
Hier ein kurzer Auszug aus der Stadt- bzw. Kellergeschichte:
Die Stadt wurde im ausgehenden 13. Jhdt. am Kreuzungspunkt zweier mittelalterlicher Handelswege, im Norden Niederösterreichs, nur drei Kilometer von der Grenze mit Mähren entfernt, gegründet.
Die Stadt wurde 1425 durch Hussiten (Taboriten) vollkommen eingeäschert. Die überbrachten Berichte sagen aus, dass die Hussiten die südliche Stadtmauer untergruben und so die Stadt eroberten. Das aber sagt uns, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits so ausgedehnte Kelleranlagen unter der Stadt gab, die bis in die Nähe der Stadtbefestigung reichten. Es muss somit damals schon einen weitreichenden Weinhandel gegeben haben.
Von Kaiser Friedrich III. hat die Stadt 1458 ein Privileg erhalten (Archiv der Stadt Retz), in dem es auszugsweise heißt: "Also was von Salcz Getrayd wein oder anderlay kaufmannschaft ... hin gen Recz ... gefurt wirdet das sollen die kaufmannschaft da niederlegen und verkauffen den Burgern .... oder andern die dann weiterhanndeln und wanndeln mugen nach Ihren notdurften .... " Somit war für die Stadt eine rechtliche Grundlage, eine privilegierte Basis auch für den Weinhandel gegeben.
Die Stadt, sie ist heute noch in der ursprünglichen Größe mit Stadtmauern erhalten, könnte damals etwa 500 bis 800 Einwohner gehabt haben, aber sicher weniger als 100 Bürger (Hausbesitzer). Und die hatten nunmehr das privilegierte Recht mit Wein zu handeln, den Wein zu kaufen und wieder zu verkaufen.
Aus der Erfahrung wussten die Retzer Bürger, dass gleichbleibende Temperatur im Keller den Wein zu jener Güte reifen ließ, die es gestattete, den Wein in die damalige weite Welt zu führen. Die Stadt Retz steht auf einer frühtertiären Meeresablagerung. Die Mächtigkeit des Sandes (Quarzsand) reicht bis 30 Meter. Die Anschwemmung stammt aus dem "Eggenburger Meer", das in der Frühperiode des Miozän (vor 20 bis 25 Millionen Jahren) sich über das südliche Europa bis zum Schwarzen Meer und zur Kaspischen See erstreckte. Die Ablagerung ist so fest, dass die Keller nur aus der Sandschicht herausgekratzt werden mussten. Der Sand lässt sich mit dem Finger abheben. Die Keller erreichten eine Tiefe bis zu 20 Metern. Viele der Keller wurden, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, mit Ziegeln ausgekleidet, das aber keineswegs aus Gründen der Festigkeit, sondern nur als Renommiergehabe. Man wollte zeigen, wie reich man als Retzer Weinhändler lebte. Viele der Keller unter der Stadt stehen heute noch im Originalzustand, so wie sie vor Jahrhunderten aus dem Sand gegraben wurden.
Im Zweiten Weltkrieg wollte die deutsche Wehrindustrie in diesen ausgedehnten Kelleranlagen die Produktion von Flugzeugteilen unterbringen. Da die Luftfeuchtigkeit hier ca. 87 % beträgt und bei der über das ganze Jahr gleichbleibenden Temperatur von etwa 8° Celsius geheizt hätte werden müssen, wurde das Projekt der kriegsbedingten Fabrikation fallengelassen. Erhalten blieben aus dieser Zeit Pläne von Kellern.
Manches technische Rätsel lässt sich aus diesen Plänen lösen. Es zeigt sich, dass die Keller vielfach untereinander verbunden waren, oder so knapp an den Nachbarkeller herausgestochen worden sind, um im Falle eines Einsturzes einen Ausgang zu finden. Jedes Haus hat, trotz des Kellerverbundes, seinen eigenen Kellerabgang. Die Kellerausdehnungen stimmen mit den oberirdischen Parzellengrenzen nicht überein. Man verlängerte die Keller, wenn Bedarf war. War ein Bürger in der Lage viel Wein zu kaufen, so vergrößerte er seinen Keller der Länge nach, oder er grub in die Tiefe. Dann entstand eben eine 2. oder 3. Etage.
Es scheint wohl, dass sehr bald Erfahrungen über die Belüftung der Keller vorgelegen waren. Denn die Belüftungsschächte (Dampflöcher) zu den Straßen, Gassen, Höfen und Gärten waren die einzige Orientierungshilfe für den Kellerbau in der Horizontalen, als auch in die Tiefe. Durchwegs sind die Dampflöcher so gesetzt, dass sie vom höchsten Punkt der Kellerröhre zur Oberfläche hinaufgebohrt wurden. Die Dampflöcher waren für den Feuchtigkeitsgehalt der Kellerluft ungemein wichtig.
Um sich Vorstellungen über die Dimensionen der Keller machen zu können, zitiere ich zwei Beispiele: Der Kellerplan des "Liebl"-Hauses führt in der Planlegende "Gesamtlänge des Kellers: 816 Meter" an, am Plan eines Kellers in der Lehengasse wird die Kellerlänge mit 460 m angegeben.
In frühen Zeiten wurden Keller auch gemauert, vor allem die eher seicht liegenden Keller, deren Basen nur wenige Meter unter den Straßen liegen. Schon in der Zeit der Romanik (12. Jhdt.) war eine Gussbauweise entwickelt worden, wie sie bei dem Bau von Krypten (Unterkirchen) oder z.B. auch beim Bau des Dormitoriums im Stift Zwettl verwendet wurden. Im Zuge einer Kellerführung werden Sie, lieber Gast, durch einen gemauerten Keller geführt. Zwischen dessen First und dem Hauptplatz liegen nur 80 cm Erdreich. Der Keller ist 600 Jahre alt!
Da nur ein Teil der Keller 1943/44 vermessen wurde, sind die gesamten Längsdimensionen unbekannt. Schätzungen sprechen von 16 bis 25 km, die allerdings nicht nur die Keller der ehemals befestigten Stadt, sondern auch die der ehemaligen Gemeinden Altstadt Retz, Ober- und Unternalb einschließen. Nur die Keller der Weinbauern (Hauer) sind heute noch in Betrieb. Die Keller sind im Grundbuch nicht erfasst, daher sind Eigentumsverhältnisse äußerst schwierig zu klären.
Maria Theresia, Tochter Kaiser Karl VI., übernahm nach dessen Tod die Regierung in Österreich (1740). Sie hob nach einem Streit zwischen der Stadt und der Altstadt (alte Bauernsiedlung) alle Privilegien durch ein Patent auf. "Es wird verordnet, daß der fraye Handel mit allen gattungen ... Landesprodukten, denen Gütter Besitzern, Weinholden und dem Bauernstande auf das gantze Jahr verstattet, und das disfällige schädliche Privativum des Burges Standes in diesem Land, wo noch einiges besteht, gänzlich aufgehoben werden solle. "
Die Politik des Österreichischen Reformabsolutismus setzte ganz auf liberale Marktwirtschaft. Es entstanden Kellergassen in den Dörfern, die gerade für die weitere Umgebung von Retz, dem nördlichen Niederösterreich, so charakteristisch sind. So wurden zum Beispiel zwischen 1750 und 1800 alleine nur in Ober- und Mitterretzbach (3 km nördlich von Retz) 13 neue Keller gebaut und zwischen 1800 und 1840 nochmals 12 Keller. Besonders schöne, ausgedehnte Kellergassen in der Umgebung von Retz gibt es in Haugsdorf, Jetzelsdorf, Mailberg, Pillersdorf und Hadres.
Der Weinhandel konzentrierte sich in der späteren Folge auf konzessionierte Weinhändler, die nicht nur in der Stadt, sondern auch in den umliegenden Dörfern saßen.
Der Absatz des Weines bis zum Ersten Weltkrieg war nach dem Norden des Landes orientiert. In Mähren, Böhmen, Sachsen, Schlesien waren die Konsumenten daheim. Bis Galizien wurde regelmäßig Retzer Wein geliefert. Retz war durch Jahrhunderte eine Metropole für den Weinhandel. Die Retzer Kelleranlage ist weltweit wohl eine Einmaligkeit. Es sind nicht nur die Dimensionen die beeindrucken. Vor allem besticht der lose Sand, aus dem die Keller gegraben wurden. Stabilität ist den Sandkellern durch den Grundwasserfluss vom Waldviertel gegeben. Der Tourismusverein veranstaltet regelmäßig Führungen durch die Keller von Retz.
Die Stadt wurde 1425 durch Hussiten (Taboriten) vollkommen eingeäschert. Die überbrachten Berichte sagen aus, dass die Hussiten die südliche Stadtmauer untergruben und so die Stadt eroberten. Das aber sagt uns, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits so ausgedehnte Kelleranlagen unter der Stadt gab, die bis in die Nähe der Stadtbefestigung reichten. Es muss somit damals schon einen weitreichenden Weinhandel gegeben haben.
Von Kaiser Friedrich III. hat die Stadt 1458 ein Privileg erhalten (Archiv der Stadt Retz), in dem es auszugsweise heißt: "Also was von Salcz Getrayd wein oder anderlay kaufmannschaft ... hin gen Recz ... gefurt wirdet das sollen die kaufmannschaft da niederlegen und verkauffen den Burgern .... oder andern die dann weiterhanndeln und wanndeln mugen nach Ihren notdurften .... " Somit war für die Stadt eine rechtliche Grundlage, eine privilegierte Basis auch für den Weinhandel gegeben.
Die Stadt, sie ist heute noch in der ursprünglichen Größe mit Stadtmauern erhalten, könnte damals etwa 500 bis 800 Einwohner gehabt haben, aber sicher weniger als 100 Bürger (Hausbesitzer). Und die hatten nunmehr das privilegierte Recht mit Wein zu handeln, den Wein zu kaufen und wieder zu verkaufen.
Aus der Erfahrung wussten die Retzer Bürger, dass gleichbleibende Temperatur im Keller den Wein zu jener Güte reifen ließ, die es gestattete, den Wein in die damalige weite Welt zu führen. Die Stadt Retz steht auf einer frühtertiären Meeresablagerung. Die Mächtigkeit des Sandes (Quarzsand) reicht bis 30 Meter. Die Anschwemmung stammt aus dem "Eggenburger Meer", das in der Frühperiode des Miozän (vor 20 bis 25 Millionen Jahren) sich über das südliche Europa bis zum Schwarzen Meer und zur Kaspischen See erstreckte. Die Ablagerung ist so fest, dass die Keller nur aus der Sandschicht herausgekratzt werden mussten. Der Sand lässt sich mit dem Finger abheben. Die Keller erreichten eine Tiefe bis zu 20 Metern. Viele der Keller wurden, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, mit Ziegeln ausgekleidet, das aber keineswegs aus Gründen der Festigkeit, sondern nur als Renommiergehabe. Man wollte zeigen, wie reich man als Retzer Weinhändler lebte. Viele der Keller unter der Stadt stehen heute noch im Originalzustand, so wie sie vor Jahrhunderten aus dem Sand gegraben wurden.
Im Zweiten Weltkrieg wollte die deutsche Wehrindustrie in diesen ausgedehnten Kelleranlagen die Produktion von Flugzeugteilen unterbringen. Da die Luftfeuchtigkeit hier ca. 87 % beträgt und bei der über das ganze Jahr gleichbleibenden Temperatur von etwa 8° Celsius geheizt hätte werden müssen, wurde das Projekt der kriegsbedingten Fabrikation fallengelassen. Erhalten blieben aus dieser Zeit Pläne von Kellern.
Anmerkung dazu: "Deckname Resi" und "Dokumentenverlagerung Retz"
Es scheint wohl, dass sehr bald Erfahrungen über die Belüftung der Keller vorgelegen waren. Denn die Belüftungsschächte (Dampflöcher) zu den Straßen, Gassen, Höfen und Gärten waren die einzige Orientierungshilfe für den Kellerbau in der Horizontalen, als auch in die Tiefe. Durchwegs sind die Dampflöcher so gesetzt, dass sie vom höchsten Punkt der Kellerröhre zur Oberfläche hinaufgebohrt wurden. Die Dampflöcher waren für den Feuchtigkeitsgehalt der Kellerluft ungemein wichtig.
Um sich Vorstellungen über die Dimensionen der Keller machen zu können, zitiere ich zwei Beispiele: Der Kellerplan des "Liebl"-Hauses führt in der Planlegende "Gesamtlänge des Kellers: 816 Meter" an, am Plan eines Kellers in der Lehengasse wird die Kellerlänge mit 460 m angegeben.
In frühen Zeiten wurden Keller auch gemauert, vor allem die eher seicht liegenden Keller, deren Basen nur wenige Meter unter den Straßen liegen. Schon in der Zeit der Romanik (12. Jhdt.) war eine Gussbauweise entwickelt worden, wie sie bei dem Bau von Krypten (Unterkirchen) oder z.B. auch beim Bau des Dormitoriums im Stift Zwettl verwendet wurden. Im Zuge einer Kellerführung werden Sie, lieber Gast, durch einen gemauerten Keller geführt. Zwischen dessen First und dem Hauptplatz liegen nur 80 cm Erdreich. Der Keller ist 600 Jahre alt!
Da nur ein Teil der Keller 1943/44 vermessen wurde, sind die gesamten Längsdimensionen unbekannt. Schätzungen sprechen von 16 bis 25 km, die allerdings nicht nur die Keller der ehemals befestigten Stadt, sondern auch die der ehemaligen Gemeinden Altstadt Retz, Ober- und Unternalb einschließen. Nur die Keller der Weinbauern (Hauer) sind heute noch in Betrieb. Die Keller sind im Grundbuch nicht erfasst, daher sind Eigentumsverhältnisse äußerst schwierig zu klären.
Maria Theresia, Tochter Kaiser Karl VI., übernahm nach dessen Tod die Regierung in Österreich (1740). Sie hob nach einem Streit zwischen der Stadt und der Altstadt (alte Bauernsiedlung) alle Privilegien durch ein Patent auf. "Es wird verordnet, daß der fraye Handel mit allen gattungen ... Landesprodukten, denen Gütter Besitzern, Weinholden und dem Bauernstande auf das gantze Jahr verstattet, und das disfällige schädliche Privativum des Burges Standes in diesem Land, wo noch einiges besteht, gänzlich aufgehoben werden solle. "
Die Politik des Österreichischen Reformabsolutismus setzte ganz auf liberale Marktwirtschaft. Es entstanden Kellergassen in den Dörfern, die gerade für die weitere Umgebung von Retz, dem nördlichen Niederösterreich, so charakteristisch sind. So wurden zum Beispiel zwischen 1750 und 1800 alleine nur in Ober- und Mitterretzbach (3 km nördlich von Retz) 13 neue Keller gebaut und zwischen 1800 und 1840 nochmals 12 Keller. Besonders schöne, ausgedehnte Kellergassen in der Umgebung von Retz gibt es in Haugsdorf, Jetzelsdorf, Mailberg, Pillersdorf und Hadres.
Der Weinhandel konzentrierte sich in der späteren Folge auf konzessionierte Weinhändler, die nicht nur in der Stadt, sondern auch in den umliegenden Dörfern saßen.
Der Absatz des Weines bis zum Ersten Weltkrieg war nach dem Norden des Landes orientiert. In Mähren, Böhmen, Sachsen, Schlesien waren die Konsumenten daheim. Bis Galizien wurde regelmäßig Retzer Wein geliefert. Retz war durch Jahrhunderte eine Metropole für den Weinhandel. Die Retzer Kelleranlage ist weltweit wohl eine Einmaligkeit. Es sind nicht nur die Dimensionen die beeindrucken. Vor allem besticht der lose Sand, aus dem die Keller gegraben wurden. Stabilität ist den Sandkellern durch den Grundwasserfluss vom Waldviertel gegeben. Der Tourismusverein veranstaltet regelmäßig Führungen durch die Keller von Retz.
Nachfolgend einige Impressionen aus der „Retzer Kellerwelt“, die wir am 28.09.2016 im Rahmen einer Führung besichtigten:
Teil 1:
1. Plan der während des Krieges vermessenen Kellergänge. Der dunkle Bereich wird bei der Führung durchgangen.
2. Eingangsbereich in der Znaimer Straße.
3. Stiegenabgang in die Kellerröhren bei der Znaimer Straße.
4. „Böhmisches Kappengewölbe“ über einen Kreuzungspunkt von 4 Gängen.
5. Alte Baumpresse als ausstellungsstück.
6. Fasskeller mit parallel zum Längsgang liegenden Holzfässern.
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