Klimaschädliche Kondensstreifen könnten sich bis 2050 verdreifachen

josef

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#1
So klimaschädlich sind Kondensstreifen


foto: apa
Zwei Kondensstreifen und ein Flugzeug, sowie Cirruswolken dahinter. Die Eiskristalle in den Kondensstreifen sind auch noch lange nach dem Verschwinden der Streifen klimawirksam.


CO2-Emissionen beim Fliegen sind weniger klimawirksam als die Kondensstreifen, deren Effekte sich bis 2050 verdreifachen könnten

Das Fliegen zählt zu jenen Aktivitäten, die unseren ökologischen Fußabdruck besonders stark vergrößern. Entsprechend hat sich die Diskussion um die klimaschädlichen Auswirkungen dieser Art des Reisens – Stichwort "Flugscham" – in den letzten Jahren und Monaten intensiviert.

In Österreich zog zuletzt die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb in einem Interview in der "Kronen-Zeitung" einen Vergleich, den viele als unpassend empfanden. Man solle sich gut überlegen, ob bestimmte Flüge wirklich notwendig seien: "Denn so wie wir unsere Eltern gefragt haben: Wie war das im Nationalsozialismus? Was hast du gewusst? Was hast du getan? Genauso werden uns einmal unsere Kinder und Enkel fragen: Wie war das beim Klima? Was hast du gewusst?"

Kompensation für das CO2
Dieses Wissen stellt etwa die Non-Profit-Organisation Atmosfair bereit, die CO2-Kompensationszahlungen für Flüge abwickelt. Bei einem Flug von Wien nach New York und retour beispielsweise fallen je nach Flugzeugtyp klimawirksame CO2-Emissionen von bis zu 3,5 Tonnen an. Die Kompensation dafür beträgt 81 Euro, die in Klimaschutzprojekte gesteckt werden.

Von den 3,5 Tonnen klimawirksamer Emissionen entfällt, wenn man sich genauer informiert, freilich nur ein Drittel auf das CO2. Die restlichen zwei Drittel sind "Kondensstreifen und Ozonbildung". Führt Atmosfair hier nicht bewusst in die Irre?
Die Antwort lautet eindeutig nein. Denn tatsächlich hat die Cirruswolkenbildung durch Kondensstreifen, die Wärme nach unten reflektiert, seit Beginn der Luftfahrt insgesamt sehr viel stärker zur Erderwärmung beigetragen als alles Kohlendioxid, das durch die Verbrennung des Treibstoffes emittiert wurde.

Wachsendes Flugaufkommen
Wie sehr der Flugverkehr heute zur Erderwärmung beiträgt, ist nicht ganz klar. Genauere Daten hat man für 2005: Damals lagen die Gesamteffekte bei etwa fünf Prozent der weltweiten, vom Menschen verursachten Erderwärmung. In den vergangenen 14 Jahren hat der Flugverkehr stark zugenommen, und ein Ende des Wachstums ist trotz "Flugscham" nicht in Sicht: Laut Europäischem Luftfahrtumweltbericht ist die Zahl der Flüge in der EU seit 2014 um 20 Prozent gestiegen, bis 2040 wird eine Steigerung des Flugverkehrs bis 2040 um 42 Prozent vorhergesagt.

Die deutschen Forscherinnen Lisa Bock und Ulrike Burkhardt (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) haben nun für eine Studie im Fachblatt "Atmospheric Chemistry and Physics" Berechnungen angestellt, wie sehr die Klimabelastung durch Kondensstreifen bzw. durch die dadurch entstehenden Eiswolken bis zum Jahr 2050 im Vergleich zum Jahr 2006 steigen wird.


grafik: bock und burkhardt, atmospheric chemistry and physics 2019
Wie sich Kondensstreifen auf das Klima auswirken:
a) zeigt deren Klimawirkung bei heutigem Flugverkehrsaufkommen und heutigem Weltklima. b) illustriert die Belastung durch Kondensstreifen für den 2050 erwarteten Luftverkehr und heutigen klimatischen Bedingungen. c) zeigt das Gleiche wie b), allerdings bei dem für 2050 prognostiziertem Klima; d) zeigt c) abzüglich der dank besserer Technik halbierten Rußemissionen.

Sie kommen bei ihren Prognosen auf eine Vervierfachung des Flugaufkommens, die zu einer Verdreifachung der klimaschädlichen Belastung durch Kondensstreifen führen würde – aufgrund der bereits erfolgten und zu erwartenden Verringerungen bei den emittierten Rußpartikeln, die als Kristallisationskeime zur Eiskristallbildung und damit zu den Eiswolken beitragen.

Wirkung der Eiskristalle
Das Tückische an den Kondensstreifen liege darin, dass die Eiskristalle in Wolken weiter bestehen, auch wenn sich die sichtbaren Streifen längst aufgelöst haben, erklärt Burkhardt: "Es gibt viele Wolken, denen man es gar nicht mehr unbedingt ansieht, dass sie durch Kondensstreifen hervorgerufen worden sind."

Die Studie ergab zudem, dass die meisten Kondensstreifen aus dem europäischen und US-amerikanischen Luftverkehr stammen – noch eine unbequeme Wahrheit mehr, die wir im Kopf haben sollten, wenn wir das nächste Mal eine Flugreise unternehmen und damit zur erderwärmenden Cirrusbildung beitragen.
(Klaus Taschwer, 29. 6. 2019)

Originalstudien Atmospheric Chemistry and Physics: "Contrail cirrus radiative forcing for future air traffic"

npj Climate and Atmospheric Science: "Mitigating the contrail cirrus climate impact by reducing aircraft soot number emissions"

Weiterlesen: Klimaforscherin zieht drastischen Vergleich zu Debatte übers Fliegen
So klimaschädlich sind Kondensstreifen - derStandard.at
 

josef

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#3
KONDENSSTREIFEN
KI soll den Klimaeffekt von Flügen senken
Eine Software soll es Fluglinien ermöglichen, besonders klimaschädliche Kondensstreifen zu vermeiden. Wächst die Flugbranche wie prognostiziert, wird ihre Auswirkung auf das Klima dennoch steigen

Angepasste Flugrouten sollen klimaschädliche Kondensstreifen verhindern.
AFP / Joe Klamar

Wo Flugzeuge meist unterwegs sind, auf 10.000 Meter Höhe, ist es kalt, um die minus 40 Grad hat es dort. Ist die Luftfeuchtigkeit hoch, bilden die ausgestoßenen Abgase viele winzige Eiskristalle: Cirren heißen die Kondensstreifen auch, die Flugzeuge hinter sich herziehen. Sie können über Stunden oder sogar Tage am Himmel bleiben – und könnten eine höhere Klimawirkung haben als die Verbrennung von Kerosin.

Das bedeutet auch: Selbst wenn ein Flugzeug komplett mit synthetischen Kraftstoffen oder Wasserstoff unterwegs ist, würde es die Erde weiter erhitzen, wenngleich die Zusammensetzung ihrer Kondensstreifen anders ist als jene von heute gängigen Flugzeugen. Grob funktioniert das so: Die dünnen Eiswolken halten die Wärmestrahlen zurück, die von der Erde zurück ins All reflektiert würden. Künstliche Intelligenz soll dieses Problem lösen. Dazu soll sie Flugrouten finden, die besonders klimaschädliche Kondensstreifen vermeiden.

Ein Team von Google Research, American Airlines und die Bill Gates-Initiative Breakthrough Energy arbeiten dazu an einer KI-basierten Software, die mittels Satellitenbildern und Daten zu Flugrouten eine Vorhersage für die Bildung von Kondensstreifen erstellt.



Über sechs Monate wurden die Vorhersagen, die sowohl durch die KI-basierte Software als auch durch Modelle von Breakthrough Energy erstellt wurden, auf 70 Testflügen von American Airlines geprüft. Laut Google konnten die Pilotinnen und Piloten über die Hälfte der Kondensstreifen verhindern, die sich auf deren regulären Flugrouten gebildet hätten.

"Die Vermeidung von Kondensstreifen hat das Potenzial, eine kosteneffiziente, skalierbare Lösung zur Verringerung der Klimaauswirkungen des Fliegens zu sein", kommentiert Google Research. "Jetzt haben wir den ersten Beweis dafür, dass dies auch in der Praxis möglich ist", so Marc Shapiro, der bei Breakthrough Energy den Bereich zu Kondensstreifen leitet.

Immer mehr Flüge
Wie groß das Problem ist, zeigt auch eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR): Bis 2050 könnte die Klimawirkung von Kondensstreifen dreimal größer sein als noch 2006. Der Grund: Der Flugverkehr nimmt rasant zu. So geht etwa der Luftfahrtkonzern Airbus davon aus, dass die Flugbranche über die kommenden zwanzig Jahre jährlich um 3,6 Prozent zulegen wird.

Die beiden Autorinnen der DLR-Studie, Ulrike Burkhardt und Lisa Bock, warnen jedoch davor, bloß auf die Anpassung von Flugrouten zu setzen, wenn durch die Umwege in den Flugrouten höhere CO2-Emissionen entstehen. Auch Google Research hatte zu ihrem Projekt bekanntgegeben: Weil auf den durchgeführten Testflügen teils längere Routen gewählt wurden, verbrannten die Flugzeuge rund zwei Prozent mehr Kerosin als sie für den ursprünglichen Weg gebraucht hätten. Google Research geht dennoch davon aus, dass die Vermeidung der Kondensstreifen effizient und mit Blick auf die Klimawirkung sinnvoll sein werde.

Burkhardt und Bock empfehlen hingegen vor allem Maßnahmen, die Rußpartikel minimieren. Denn je weniger Abgase ein Flugzeug ausstößt, desto weniger Eiskristalle bilden sich hinter den Flugzeugen, erklären sie. Damit zerfallen diese menschgemachten Wolken schneller. Der Einsatz von emissionsarmen Kraftstoffen könnte helfen. "Aber selbst wenn 90 Prozent der Abgase vermieden werden, wird das wahrscheinlich nicht einmal ausreichen, um den Klimaeffekt von Kondensstreifen auf das Level von 2006 zu limitieren", so Burkhardt. Das enorme Wachstum der Branche mache die Einsparungen zunichte.
(Alicia Prager, 15.08.2023)

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#5
Falls die DLR ein unseriöser Verein irgendwelcher grüner Schwurbler wäre, würdest Du Recht haben, aber das ist sie definitiv nicht. Ich hab mir während der Coronazeit, in der fast keine Flugbewegungen stattfanden, den Himmel öfter mal wegen Kondensstreifen angeschaut. Der Unterschied zu vorher und zu jetzt war extrem auffällig. Und die Auswirkungen hoher Cirrusbewölkung auf die Wärmeabstrahlung lässt sich mittels heutiger Satelliten und Meßsysteme ziemlich genau ermitteln.
DLR_next - Wie Kondensstreifen das Klima beeinflussen

Gruß
Albert
 
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