Kurz hinter der Grenze in Slowenien bei Radovljica (Radmannsdorf)...

josef

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Wo die Nazis in Slowenien Geiseln hielten

In einem Schloss in Begunje wurden Slowenen gefangen gehalten und ermordet. Nun ist es ein Museum – das in Österreich kaum jemand kennt
Er ist einer der am schönsten gelegenen Orte in Slowenien. Unter dem schneereichen Triglav, in der Nähe der geschichtsträchtigen Gebäude der Kleinstadt Radovljica mit dem sehenswerten Imkermuseum und auch nicht weit entfernt von Bled und seinem See liegt Begunje in der Region Gorenjska. Wer nichtsahnend auf das Schlossgebäude zugeht, kommt durch einen Ort mit einem Bächlein, das neben den Häusern vorbei und durch ein Mühlrad läuft. Alles wirkt, als wäre es von einem der Votivbilder abgemalt, die hier in der Barockzeit an den Bienenhäusern zu sehen waren.

Heute ist in dem Schlossgebäude in Begunje eine psychiatrische Klinik untergebracht. Patientinnen in Trainingsanzügen sitzen oder liegen mitunter im Garten in der Sonne, und man kann angesichts des Bergpanoramas und der landschaftlichen Schönheit nur hoffen, dass sie sich erholen. Manche sind auch unter dem Pavillon des berühmtesten slowenischen Architekten Jože Plečnik, der auf einer Anhöhe errichtet wurde, bei der Gruppentherapie zu sehen.

Symbol für den Widerstand
Doch wer durch den Schlosspark geht, kommt unversehens an der Gedenkstätte für die Opfer der Gestapo vorbei. Auf den Grabsteinplatten ist zu lesen, dass es sich zumeist um sehr junge slowenische Männer handelte, die hier ermordet wurden. In der Mitte der rund angelegten Gedenkstätte steht eine Frauenfigur – genannt Talka – in aufrechter Haltung. Mit hinter dem Rücken gefesselten Händen in weißem Marmor ist sie auch Symbol für den Widerstand und nicht nur eine Erinnerung an das Grauen.


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Die Frauenfigur Talka und die Grabsteine.

In einem Nebentrakt des Schlosses befinden sich jene Bunker, in denen die Opfer des NS-Regimes gefangen waren – heute das Geiselmuseum. In den ehemaligen Zellen haben die Ausstellungsmacher eine sehr einfache, aber wirksame Idee umgesetzt und die in die Wände geritzten Botschaften, Zeichen und Zeichnungen der ehemaligen Gefangenen mit fluoreszierendem Stoff sichtbar gemacht. Weil sich in den Räumen sonst rein gar nichts befindet, wirken die Hinterlassenschaften an der Wand stark, vermitteln eindringlich die Gedanken und Gefühle der Opfer.


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Eine der in die Wände geritzten Botschaften.

"Ich denke an dich, Lieber", steht hier etwa. Oder "Wenn das Herz in der Krankheit verfangen ist, wenn du in der großen Reihe stehst, wenn die letzte Hoffnung verloren geht, gib niemals auf!". An anderer Stelle ist zu lesen: "Frau, verzweifle nicht, es wird der Tag der Freude und der Freiheit kommen." Diese Worte ritzte ein Gefangener noch im Jänner 1945 in die Wand.

"Bekanntmachungen" zur Einschüchterung
Im Gang vor den Zellen sind in deutscher und in slowenischer Sprache die "Bekanntmachungen" der Gestapo-Hinrichtungen zu sehen, die damals ausgehängt wurden, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Wenn ein Nazi von Partisanen getötet wurde, wurden als Racheaktion zehn Geiseln in dem Gefängnis getötet.


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Eine "Bekanntmachung".

Ein Name taucht hier besonders oft auf: Franz Kutschera. Der SS-Brigadeführer kam aus dem niederösterreichischen Ort Oberwaltersdorf und war de facto Gauleiter von Kärnten. Von 1935 bis zum März 1938 war er Anführer der 90. SS-Standarte "Kärnten", die nach seinem Tod in Polen 1944 "Franz Kutschera" genannt wurde. Kutschera war für seinen Fanatismus und seine Grausamkeit bekannt. Er errichtete im Juli 1941 ein "Sondergericht" in der Kapelle des Schlosses, wo die Todesurteile beschlossen wurden.

Neben dem als Katzenstein-Schloss bekannten Gebäude hatten die NS-Besatzer bereits 1941 Bunker errichtet, in denen die Opfer des Regimes warten mussten, bis sie in die Konzentrationslager Dachau und Mauthausen deportiert wurden. Mehr als 5.000 wurden in die Vernichtungslager gebracht. Insgesamt waren hier 11.477 Personen eingekerkert, die meisten kamen direkt aus der Region, manche waren aktiv im Widerstand gegen die Nazis, viele wurden aber als Geiseln festgehalten. Es wurde behauptet, sie seien "kommunistische Banditen". 80 Prozent von ihnen waren unter 40 Jahre alt, die Hälfte sogar unter 30.

Massenerschießungen durch die Gestapo
Um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen, führte die Gestapo neben dem Schloss auch Massenerschießungen durch – 897 Menschen wurden so ermordet, die meisten im Jahr 1942. Die Geiseln mussten stundenlang Appell stehen, wurden verhört und gefoltert und kaum ernährt. Manche mussten zusehen, wie andere erschossen wurden. Am 4. Mai 1945 befreiten die Partisanen die mehr als 600 Häftlinge, die noch in den Bunkern ausharrten. In jugoslawischer Zeit wurde das Schloss dann wieder zu einer Frauenhaftanstalt, was es bereits in österreichisch-ungarischer Zeit war. Ab 1952 war hier dann die psychiatrische Klinik untergebracht.


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Das Schloss von außen.

Für das bessere Verständnis des Nachbarlandes Sloweniens und für das eigene historische Bewusstsein wäre Begunje ein sehr lehrreicher Ort, den österreichische Schulklassen besuchen könnten. Denn in Begunje kann man studieren, wie die Nazis das Slowenische im öffentlichen Leben verboten, die Familien- und Ortsnamen eindeutschten und das slowenische Schriftgut zu vernichten versuchten. Politisches Ziel war, die slowenische Intelligenz zu deportieren und durch "Umsiedlungsstäbe" ethnisch homogene Gebiete zu schaffen. Gerade in dieser von Nazideutschland okkupierten Region waren viele Österreicher für die Verbrechen verantwortlich, etwa Gauleiter Friedrich Rainer und die Brüder Kurt und Paul Messinger.
(Adelheid Wölfl aus Begunje, 12.3.2019)
Wo die Nazis in Slowenien Geiseln hielten - derStandard.at
 
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