Kurzer Erlebnisbericht über die "Autoszene" in den von den US-Truppen besetzten Wiener Bezirken

josef

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#1
Die Autoszene bis 1955: Klein-Amerika in Wien
Bei all den Härten der Nachkriegszeit, für heranwachsende Menschen gab es auch aufregende Aspekte. So das Leben im amerikanischen Sektor in Wien. Persönliche Erlebnisse
Als im Mai 1955 Österreich seine volle Souveränität zurückerhielt, waren meine Freunde und ich nur bescheiden begeistert. Es bedeutete nämlich, natürlich, auch den Abzug der Besatzungsmächte. Unser Klein-Amerika, die Bezirke 7, 8, 9 sowie 17, 18 und 19, war uns bis dahin fast zehn Jahre lang als ein kleiner Hauch der bewunderten großen amerikanischen Welt erschienen.

Während der Besatzungszeit, da spielte der Sender Blue Danube am Schreiberweg Benny Goodman, Gene Krupa, Harry James oder die String of Pearls von Glenn Miller. Die "Amis" ersetzten ihren militärischen Fuhrpark durch Limousinen von Ford, Dodge und Chevrolet, sogar Einheimische trauten sich wieder, ihre versteckten Privatautos aus den Garagen zu holen, einen Steyr 220 Sechszylinder mit Gläserkarosserie etwa.


Jeeps mit Besatzung vor dem Hauptquartier der US-Militärpolizei im Jahr 1945.
Foto: Picturedesk/Imago/Votova

Mit Kaugummi im Mund versuchten wir, auf Englisch den amerikanischen Slang zu kopieren, das verlieh bescheidene Überlegenheit gegenüber Engländern, Franzosen und Russen. Damals herrschte bereits Kalter Krieg, auch das Sicherheitsgefühl gegenüber den Russen dominierte.

Rundfahrt
Aber begleiten Sie uns doch auf eine kleine Rundfahrt durch Little America, um zu sehen, was sich damals auf den Straßen bewegte. Mein Zeitreisefahrzeug: ein Klassiker von 1940, Mercedes 170 V, 38 PS. Startpunkt vor der Nationalbank, dem US-Hauptquartier. Jeden Freitag Punkt 16 Uhr: Einholung der Flagge. Eine Ehrenkompanie, die Plastikhelme glänzen in der Sonne, marschiert mit klingendem Spiel vor das Gebäude. Befehlshaber Mark Clark oder sein Nachfolger rauscht im schwarzen Packard ab, die Soldaten parken ihre CCKW-2,5-t-Lkws – festes Fahrerhaus, nicht mehr feldmäßige Adjustierung mit Stoff – am Rooseveltplatz hinter der Votivkirche.

Ab geht es mit unserem Mercedes, erste Station Währinger Straße, Palais Clam-Gallas, Klassizismusbau von 1834, US-Offiziersklub. Auf der Wiese vor dem Gebäude ein Sammelsurium verschiedener Fahr zeuge: US-Limousinen mit weißem Stern auf den Türen, Beutefahrzeuge von Mercedes, Opel, BMW etc., dazwischen geländegängige Dodge-Kommandomodelle.


1955: Abschied mit Handschlag am Auflösungstag der Interalliierten Militärpatrouille.
Foto: Picturedesk/ÖNB

Nächster Aufenthalt: Nussdorfer Straße vor dem Yank-Kino (heute ein Supermarkt), Unterhaltungsplatz der Mannschaften, vor der Türe Jeeps oder Dodge-Dreivierteltonner-Laster. Die Weiterfahrt geht Richtung Döbling, hier gibt’s eine Überraschung: Zahlreiche heimische Taxis sind zu sehen, meist Steyr 30 S Typ 45, eine Konstruktion von Ferdinand Porsche. Dazwischen tauchen die ersten Fiat 1400 aus der Lizenzfertigung mit Steyr auf, angetrieben vom hauseigenen Zweilitermotor.

Das "Viking Field" – US-Football-Paradies auf dem Vienna-Areal Hohe Warte – sowie den Kleinflugplatz an der Nußdorfer Lände lassen wir links liegen. Kurios allerdings: Es bestanden konkrete Pläne, auf der Krottenbachstraße eine Landepiste für Großflugzeuge ("Rosinenbomber") zu bauen. Auch die Residenz des US-Oberbefehlshabers in der beschlagnahmten Villa des Industriellen Partik in Gersthof bleibt von unserem Besuch verschont, der Besitzer umrundete inzwischen mit seinem geretteten Opel-Steyr aus dem Jahr 1933 den Attersee.


Beliebt waren die von den US-Besatzern initiierten Seifenkistenrennen (Bild von 1953).
Foto: Picturedesk / Erich Lessing

Perfekte PR der Amerikaner in Richtung Jugend sind die Seifenkistenrennen, beliebte Schauplätze die abschüssige Hasenauer- und die Peter-Jordan-Straße. Elektroantrieb in der Nachkriegszeit: Die O-Bus-Linie Währinger Straße – Salmannsdorf, die von 1946 bis 1953 problemlos verkehrte.

Unser Mercedes führt uns nun gen Zweierlinie, vorbei an der katholischen US-Garnisonskirche in der Alser Straße. Der Straßenverkehr nimmt zu, Steyr-380 -Diesel-Lkw aus der Nachkriegsproduktion trifft auf den in Kanada produzierten Chevrolet-C60-L-Militärlaster, der in großen Stückzahlen an Österreich verschenkt wurde. Nicht zu übersehen sind die kleinen Steyr-55-Babys, damals als Fahrschulfahrzeug besonders beliebt.


US-amerikanische Chevrolets der Militärpolizei in Reih und Glied im Jahr 1952.
Foto: Picturedesk/ÖNB/Hilscher

Wir passieren das Palais Auersperg mit dem Hauptstützpunkt der berühmten "Vier im Jeep". In der US-Zone haben sie keine Rechte, hier kontrollierten grimmig blickende Militärpolizisten in Jeeps das Verhalten ihrer Landsleute. Dann ab zum Messepalast in die USFA-Halle (United States Forces in Austria), das erste Basketball eldorado in Wien. Zuerst durften wir nur zusehen, später begannen die Amerikaner, auch uns Österreicher in die Geheimnisse der Ballkunst einzuweihen. Wichtig der Auftritt: grauer Trainingsanzug, Converse-Schuhe, Bürstenhaarschnitt. Nun zurück zum Startpunkt Nationalbank, Ende der Rundfahrt.

Ein Trost blieb uns Ami-Fans nach 1955: Das Bundesheer konnte weiter ein wenig Amerikaner spielen – es bekam die Ausrüstung von zwei US-Divisionen geschenkt. (Peter Urbanek, 9.9.2021)
Die Autoszene bis 1955: Klein-Amerika in Wien
 
#3
Ich kannte Leute in Oesterreich die diese Zeit miterlebt hatten, und auch nach 1955 immer wieder von einem gewissen Anteil US-Fahrzeugen in Osterreich berichtet hatten. Offenbar brache die US-Besatzung auch mit sich, dass ein gewisser Marktanteil ihrer Fahrzeugindustrie mitkam, - fuer Diejenigen die es sich leisten konnten. Nach und nach schienen US-Fahrzeuge aus dem Strassenbild Oesterreichs zu verschwinden und es dominierte Deutschland und Frankreich, und so ab den 80ern die Japaner.
 
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