josef

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Originaltext von S. Selle, Teil 1 von 2

Habe nun die wichtigsten 11 Seiten zu Trasdorf aus dem "Selle-Ordner"
Chronik des Tullnerfeldes 1938-45 (aus 1987) eingescannt!

Dieses Manuskript diente auch als Grundlage zu den 4 Beiträgen im "Moosbierbaumer Dorfblattl" => siehe Bericht #152-155.

Teil 1, Seiten 1 - 6:
 

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josef

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Persönliche Kommentare zu den Seiten 1 - 11

Rasch erstellte persönliche Anmerkungen zu den Seiten 1 -11:

Zu Seite 1: “Mun-Sichtungsstelle Sitzenberg-Reidling” (Name des zuständigen Bahnhofes) in Trasdorf ab ca. Mitte 1940 in Betrieb.

Zu Seite 3: “A4 Heimatlager Isabella” ab Frühjahr 1943 in Bau.

Text von Selle:
Im Zuge der zentralen Planung, zwecks Errichtung von Raketen-Nachschublager fiel die Wahl für den südlichen Bereich BALKAN- u. ITALIENFRONT auf das Tullnerfeld, da die notwendigen Gleisanschlüsse … So began im Frühjahr 1943 eine rege Bautätigkeit auf dem angrenzenden Gelände der Mun-Sichtungsstelle…
- Das A4 gelangte erst 1944 einigermaßen zur Einsatzreife!
- Die alliierte Landung in Sizilien begann ab 10.07.1943, am ital. Festland ab September 1943!

Meiner Meinung nach steht die Errichtung von “Isabella”, wie auch der beiden anderen Heimatlager auf österr. Boden (Groß Mittel und St. Egyden), in Zusammenhang mit der geplanten A4-Fertigung im Rax-Werk Wiener Neustadt! => Schaffung von Lagerplätzen für ca. 1.000 Stk. A4 in der Umgebung…


Zu Seite 4: Text von Selle:
Durch die Anlage eines Rundkurses war die Anlage mit mehreren Garnituren gleichzeitig befahrbar. Um ein Umkippen der Apparate in den Kurven zu verhindern, wurde mittels einer maßstab- u. gewichtsgleichen Attrappe der Neigungswinkel dieser Kurven durch Probefahrten vorher ermittelt.
- Könnte sich dabei um das von dem Kriegsgefangenen im US-Aufklärungsbericht erwähnten “1:1 Holzmodell einer Rakete” handeln…

Weiter Seite 4 : Während der Bauphase absolvierte Selle einen “Ausbildungslehrgang für A4-Geräte” in Peenemünde.
Am 2. Tag seiner Anwesenheit (17. Auf 18.08.1943) erfolgte der 1. Großangriff der RAF auf Peenemünde.

Zu Seite 5: Text von Selle:
Am 3. Tag nach unserer Ankunft wurde sodann unsere kleine Gruppe von 4 W-Offz und 6 UOffz 1. FwkD dem Leiter des HAP (Heeresartilleriepark) PETNEMÜNDE Gen. DORNBERGER und den Chefkonstrukteur Wernher v. Braun vorgestellt und mit Sondereid per Handschlag auf unsere neue Funktion vereidigt.
Schon etwas sonderbar, dass sich Dornberger und v. Braun persönlich beim zukünftigen Personal eines Lagers persönlich vorstellten, per Handschlag eine Vereidigung vornahmen (auch v. Braun als Chefkonstrukteur…?) und dies einen Tag nach einem RAF-Großangriff mit 700 Toten… usw. ???

Zu Seite 7: Text von Selle:
Bereits vor Ankunft des für das A4 ausgesuchte Personal vom HZA wien-Arsenal trafen auf der Diensstelle die Personalunterlagen über das Nachrichten Abwehrdezernat win. Nach Studium dieser Unterlagen war man nun über das Vorleben, Beruf u. charakterlichen Eigenschaften bereits soweit informiert um eine individuelle Einstellung jedem Einzelnen gewährleisten zu können…
Frage: Hatte Selle als Oberfeuerwerker (-> Oberfeldwebel) Zugang zu abwehrdienstlichen Unterlagen?

Zu Seite 10:
Entladung der “Nutzlastspitzen” Text von Selle:
Bei Entladung der ersten Garnituren dieser Elefanten, so ihr damaliger Deck- (Code) Name gab es infolge der noch fehlenden Eisenbahn-Pionierkräne (10 to) kurzfristig Schwierigkeiten…
Da ja die Raketenspitzen -> Nutzlastspitzen getrennt von den Raketenkörpern gelagert und transportiert wurden, ist jedenfalls die Lagerung dieser mit Sprengstoff gefüllten Teile nicht auszuschließen!

Weiter Seite 11:
Zur Räumung 1945: Text von Selle:
Im Morgengrauen des 5. Feber 1945 verließ der letzte mit A4 beladene Zug das Lager. Es war ein dramatischer Kampf mit der Zeit, gegen Kälte, Schneestürmen u. Erschöpfung der Männer. Stumm u. verbissen gab ein jeder sein Besters. Jedermann wußte um den Zeitwettlauf, den nur die rechtzeitige Räumung konnte die Gefahr für die Bevölkerung des gesamten Tullnerfeldes bannen, man stele sich die Verwüstungen vor, ware der Abtransport nicht geglückt, welche Wirkung eine halbe Million Kilogramm reiner Sprengstoff auszulösen vermögen, es ware ein Hiroshima (1. Atombombe) geworden. Diese Möglichkeit der Zerstörung auch nachträglich mitzuteilen habe ich al seine Pflicht betrachtet. …
Dazu gibt es mehrere Aspekte zu berücksichtigen:

Die dramatische Schilderung des zeitlichen Räumvorganges muss man getrennt betrachten:

1. Räumung des “Gefahrengutes”:

1.1. Gelagerte Sprengstoffe und Munition der Mun-Sichtungsstelle
1.2. Gelagerte “Nutzlastspitzen” für A4

- Was war zum Jahreswechsel 1944/45 überhaupt noch gelagert?
- Eine Räumung von Munition und Sprengstoffen geht den Umständen entsprechend rasch von statten => von der Menge abhängig -> Nutzlast der vorhandenen Transportmittel bzw. Einhaltung diverser Vorschriften

2. Räumung der A4-Raketenrümpfe:

Die Dauer der Räumung A4 => Beginn des Jahres 1945 bis -> letzter Zug 05.05.1945 wurde ja durch die (mögliche…) Lagerung einer größeren Anzahl von Raketenrümpfen als ursprünglich angenommen, hier schon behandelt. Stellt aber keine direkte Gefahr dar! => ohne Sprengstoff und Treibstoff! Hier zählte nur der mögliche materielle Verlust!

Der Durchbruch zu einer konkreten Aussage, dass bei “Isabella” tatsächlich A4 (Raketenrümpfe) gelagert wurden, ist für mich bis jetzt noch nicht gelungen!


Lg
josef
 
H

hebbel

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Kurzdurchgang: :D

1. BALKAN- u. ITALIENFRONT
Es gibt zumindest keinen einzigen bekannten Schuß in diese Richtung.
Das die Lokation als Zwischenlager für die geplante Produktion in den Rax-Werken vorgesehen war, kann man schon als plausibel bezeichnen.

2. "Umkippen der Apparate" /Holzmodell
Weshalb eine Kurvenneigung, wenn man keine "Geschwindigkeiten" fahren will?

3. Handschlagvereidigung
Hatte ja schon @Henry "bemängelt" und ist, ich kann es nicht anders sagen, großer Quatsch. Das soll wohl ein besonderes Vertrauensverhältnis darstellen? Ist es aber nicht. Soviel Vertrauen gibt es da nicht. Darauf lässt sich niemand ein. Man unterschreibt eine Wisch und erhält eine hochnotpeinliche Belehrung. Der "Wisch" ist das Faustpfand, rechtsverbindlich selbstverständlich, um belangt zu werden.

4. Zugang zu abwehrdienstlichen Unterlagen
Natürlich nicht. Es steht ernstlich zu vermuten, daß er nicht einmal ein Kurzexposé der Vitae seiner künftigen MA erhalten hat.

Viele Grüße
Dieter
 

SuR

... wie immer keine Zeit ...
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Lieber Josef,

besser spät als nie ...

Vielen Dank für das Einscannen der Seiten. :bravo:

Ich finde das ein hochinteressantes Dokument. Natürlich konnte Herr Sele nicht alle Einzelheiten des "großen" Bildes kennen, aber seine Schilderung überzeugt mich vom Grundsatz her sehr.
In dem Dokument stecken eine Vielzahl kleiner, aber wichtiger Informationen. Die Auswertung wird wahrscheinlich ein "Riesen-Puzzle", dürfte der Mühe aber wert sein.

Vorschlag meinerseits: Einscannen aller Seiten -> OCR -> Veröffentlichung hier im Forum (wenn sinnvoll und notwendig, auch in einem eingeschränkten Bereich) -> Analyse -> Veröffentlichung. Was meinst Du?


Ich möchte in jedem Falle dafür plädieren, dass das Original einem "gescheiten" Archiv übergeben wird! Das Bundesarchiv z. B. nimmt die Sachen sicher sehr gerne in seine Obhut.
Denn diese Seiten sind es allemal wert, der Nachwelt erhalten zu bleiben!
 
H

henesy

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Lager Isabella

hallo, ich bin neu hier und zu diesem Thema habe ich vor einigen Jahren Original Unterlagen inclusive Skizzen zu sehen bekommen, lt. dieser Unterlagen wurde das Lager als Zwischenlager benutzt für den Einsatz im Osten, dazu kam es ja nicht mehr aufgrund der Kriegslage und massiver Luftangriffe, in den Unterlagen wird auch beschrieben das es einen Volltreffern auf den Wachbunker gab, die anderen Mannschaften wurden bei Luftalarm in den nahen Hügeln in Lehmhöhlen untergebracht, lg Henesey
 

josef

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Hallo Johannes,
ein herzliches Willkommen im Forum und :danke für den ersten Beitrag!
...habe ich vor einigen Jahren Original Unterlagen inclusive Skizzen zu sehen bekommen
Nehme an, es handelt sich dabei um die legendären Unterlagen von S.Selle... die in diesem Thread schon ausführlich behandelt wurden :D Lt. meinem letzten Ermittlungsstand hat S.Selle vor Jahren die Mappe "Chronik des Tullnerfeldes 1938-1945..." (aus 1978) an Honoratioren im Bezirk Tulln und an Kameraden beim BH verteilt...! Will aber die ganze Diskussion darüber nicht zum x-ten male aufkochen! Lies die Seiten dieses Threads genau durch...

"Echte" Original-Unterlagen zu "Isabella" wären ja der Hammer! Leider dürften die nicht mehr vorhanden sein oder liegen ganz woanders :schlecht:

lg
josef
 

josef

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Luftbildserie v. 05.09.1944

Nachstehend 4 Lubi mit relativ guter Auflösung v. 05.09.44 (von O nach W):

Bildquelle: "National Collection of Aerial Photography"-GB
 

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josef

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Statusbericht bisherige Erkenntnisse zu "Isabella"

Das hier dürften die detailierten Beschreibungen der Einrichtungen gewesen sein, die in Isabella eingesetzt wurden...
:danke Florian!
Wäre möglich, Sprengköpfe des A4 könnten wirklich als einziger Teil der Gesamtrakete das Lager "Isabella" in Trasdorf "gesehen" haben!

Eines ist jetzt soweit klar, für die 3 "Heimatlager" in Österreich war Baubeginn mit der Entscheidung der A4-Fertigung im Rax-Werk Wiener Neustadt. Nur wurden die Lager auf Grund der relativ einfachen Bauweise rasch fertig während die Vorbereitung zum Produktionsstart in WN viel länger dauerte (Fertigstellung "Serbenhalle" usw.) bzw. bald wieder (wie bekannt) ganz eingestellt wurde! Daraus resultierend gab es auch nie eine Belegung der 3 fertiggestellten Lager mit Raketen (ohne Gefechtskopf)!

Gewisse Hinweise gibt es nun, dass es zur "Befüllung" von Sprengköpfen für das A4 bei "Isabella" kam, inklusive Lagerung und Auslieferung...
Verfolge derzeit eine Spur, wird aber wegen fehlender Bestätigung mittels Dokumenten auch nur eine Vermutung bleiben, dauert aber noch, muss noch weitere Erkundigungen einholen :D

Hoffe, im Frühjahr einen Bericht mit der chronologischen Abfolge der Geschehnisse erstellen zu können :D

lg
josef
 
Unter den A4-Datenblättern aus dem Deutschen Museum finden sich auch einige zum Thema "Elefant" (=Sprengkopf A4) und "Transport".

Das hier dürften die detailierten Beschreibungen der Einrichtungen gewesen sein, die in Isabella eingesetzt wurden:

http://www.digipeer.de/index.php?sf=0&al="A+4"+"Transport"
Na, habt ihr diese Seiten auch schon gefunden ! Das ist das beste was das DM in den letzten 50 Jahren zustande gebracht hat . Allerdings mussten auch erst die Technischen Möglichkeiten entwickelt werden !

Gruß Henry
 
Tut mir leid, die haben mich selbst damit überrascht ! Offizieller Start war ja erst neulich und dann haben die einfach ne große Menge an Zeichnungen hochgeladen. Ich verfolge das ja schon eine weile und die Zeichnungen sind tatsächlich schon lange gescannt. Die wollten erst nur nichts rausrücken. Leider sind es bei weitem nicht alle Zeichnungen und es gibt unheimlich viele Fehler. Es ist für einen Laien sehr schwer die Zeichnungen abzugrenzen. Wer nicht die Baureihen und die Struktur der Zeichnungsnummernvergabe kennt , tut sich schwer. Ich habe erst kürzlich nach dem Zwischenverteilerkasten Zeichnungsnummer 6003-4 gesucht und nicht gefunden. Der Schaltplan wer es weis ist die Nummer 6302. In der Gerätebeschreibung ABB 15 das Teil 3. Der Zwischenverteiler ist in der Letzten Bauart des A4 unter das Mittelteil Montiert worden, daher fehlen bei allen mir bekannten Schubgerüste die Halterungen. Da kannst du echt suchen ! Die Gerätebeschreibung ist ja vom 1.2.45 die Bauabweichungsänderung muss aber ein früheres Datum haben, weil die Seriengeräte 1945 ohne diese Halterung sind. Oder anders gesagt stelle ich gerade fest das die Gerätebeschreibung bereits bei seiner Erscheinung veraltet war und alles andere als korrekt !
Oder die aus der Serie genommenen Versuchsgeräte sind anders Aufgebaut als die Seriengeräte und man hat das in der Gerätebeschreibung nicht berücksichtigt.

Gruß Henry
 
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