Haag-Meteorit
Schade, dass der Fund nicht zu den Experten des Naturhistorischen Museums in Wien kam...
Schade, dass der Fund nicht zu den Experten des Naturhistorischen Museums in Wien kam...
Ein Hammerstein für das Naturhistorische Museum
Ende Oktober 2024 landete ein Stein aus dem All auf dem Dach eines Hauses bei Haag, nun ist er im Naturhistorischen Museum Wien zu sehen. Im vergangenen April wurde die Hauptmasse des Meteoriten entdeckt
Michael Vosatka
10. Juni 2025, 10:30
Nach dem Meteoritenfall von Haag im vergangenen Herbst ist nun eines der Teilstücke im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) gelandet. Das 28,6 Gramm schwere Fragment, das in der Nacht des 24. Oktober auf dem Dach der Familie Westermayr in der Haager Katastralgemeinde Schudutz eingeschlagen ist, wird als neunter österreichischer Meteorit ab sofort in der Vitrine der hier gefallenen und gefundenen Steine aus dem All gezeigt. Es handelt sich um den ersten Hammerstein in Österreich – also einen Meteoriten, der ein menschengemachtes Objekt getroffen hat.

Der Hammerstein von Schudutz liegt nun in der Vitrine der österreichischen Meteorite imNaturhistorischen Museum Wien.
Foto: NHM Wien / Chloe Potter
Für die Familie war vor allem wichtig, dass der Meteorit in Österreich bleibt und für die Öffentlichkeit zugänglich ist, erzählt Markus Westermayr. Dass der in drei Teile fragmentierte Stein nun im NHM liegt, hat auch eine persönliche Komponente: Zum Programm der Schule der Kinder gehört traditionell auch eine Wien-Woche, bei der auch ein Museumsbesuch ansteht. Die Kinder der Familie können dabei also den Klassenkollegen "ihren" Meteoriten zeigen.
Rote Abriebspuren
Dass der Hammerstein von Schudutz nun gezeigt werden kann, ist nicht zuletzt der Initiative von Vera Hammer und Ludovic Ferrière zu verdanken. Die mittlerweile pensionierte Leiterin der Mineraliensammlung und der Meteoritenexperte und assoziierte Forscher des NHM sprachen bei einem Besuch im berechneten Streufeld Ende des Jahres gezielt die Bevölkerung an, um sie für mögliche Funde zu sensibilisieren. Darunter waren auch die Westermayrs, die bei dieser Gelegenheit von ihrem Fund berichteten. Ferrière identifizierte den Stein sofort als Meteorit und erkannte auch anhand von roten Abriebspuren, dass dieser auf dem Ziegeldach des Hauses eingeschlagen sein musste. Die Gespräche für den Erwerb des Meteoriten durch das NHM führte in der Folge die Kuratorin der Meteoritensammlung, Andrea Patzer, mit der Familie.
Später Fund
Insgesamt wurden bisher fünf Meteoritenfunde mit einer Gesamtmasse von rund 151 Gramm im Streufeld von Haag gemeldet. Vier davon wurden in den ersten Tagen des November 2024 geborgen, neben dem Westermayr-Exemplar Stücke mit 8,8, 3,5 und 45,38 Gramm. Zuletzt fand am 5. April ein österreichischer Sammler das mit 64,06 Gramm bisher größte Individual des Meteoriten. Benjamin Rudelstorfer hatte das Streufeld zuvor bereits fünfmal besucht, der sechste Tag brachte ihm jedoch auf einem Feld bei Haag den erhofften Fund. Das Feld war zuvor mit einer dichten Winterbegrünung bedeckt gewesen, doch nun lag es brach. Mit seinem Suchausflug kam der Enthusiast gerade rechtzeitig: Eine Woche später war die Fläche bereits umgeackert und damit potenzielle Funde wohl für immer unter der Erde verschwunden.
Für die Meteoritensuche ist ein gutes Auge nötig: So präsentierte sich die Hauptmasse des Haag-Meteoriten dem Finder Benjamin Rudelstorfer.
Benjamin Rudelstorfer
Viereinhalb Milliarden Jahre alt und weit gereist: Der Meteorit passt problemlos auf eine Handfläche und ist dennoch das größte entdeckte Bruchstück.
Benjamin Rudelstorfer
Rudelstorfer streicht die Besonderheit des Moments hervor, ein solches Objekt nach der weiten und viereinhalb Milliarden Jahre langen Reise aus dem Asteroidengürtel zur Erde als erster Mensch in der Hand halten zu können. Wenn man einen Meteoriten gefunden habe, sei es "so, als hätte der Meteorit dich gefunden", zitiert er einen Sammlerkollegen.
Mit seinem Fund wandte er sich an den deutschen Experten Dieter Heinlein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der verschiedene Untersuchungen veranlasste. Die Hauptmasse weist eine fast vollständige Schmelzkruste auf. Obwohl der Stein mehr als fünf Monate der Witterung ausgesetzt war, wirkt die Kruste noch erstaunlich frisch, in der Matrix sind aber Spuren von Rost zu erkennen. Bei den Münchner Mineralientagen, genau zum ersten Jahrestag des Haag-Falles, wird die Main Mass neben dem kleinsten, jedoch schönsten Individual und einer Scheibe des Erstfundes bei einem von Heinlein organisierten Stand erstmals öffentlich zu sehen sein.
Die Hauptmasse Haags ist beinahe vollständig bekrustet und lässt nur stellenweise einen Blick auf die Matrix zu.
Benjamin Rudelstorfer
Im Vergleich dazu: die mit 45,38 Gramm zweitgrößte Masse, die kurz nach dem Fall gefunden wurde und daher frisch ist.
Privat
Name noch provisorisch
Noch ist der Name Haag für den Meteoriten ein Provisorium: Im April beantragte Patzer den Namen beim Nomenklatur-Komitee der Meteoritical Society. Sobald Haag im Meteoritical Bulletin eingetragen wurde, sollen die vorliegenden Ergebnisse verschiedener Untersuchungen von zehn Institutionen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich (vertreten durch das NHM und die Universität Wien) im Journal Meteoritics & Planetary Science eingereicht werden. Die Studien wurden unter der Leitung von Addi Bischoff von der Universität Münster durchgeführt. Bereits nach den ersten Funden Anfang November erhielt Bischoff das 8,8-Gramm-Exemplar zur Untersuchung.
Eine Chondre des Haag-Meteoriten mit Balkenolivin.
Addi Bischoff / Institut für Planetologie / Universität Münster
Bischoff zufolge ist Haag stark fragmentiert. Dies deutet darauf hin, dass der Mutterkörper des Meteoriten eine komplexe Geschichte von Kollisionen erfahren hat. Klassifiziert wurde Haag als Vertreter der Klasse LL4-6. Es handelt sich also um einen Meteoriten aus der großen Gruppe der gewöhnlichen Chondrite, wobei LL bedeutet, dass der Metallanteil relativ gering ist. Der Haag-Meteorit ist eine Brekzie – er enthält verschiedene Komponenten der petrologischen Typen 4 bis 6, die unterschiedlichen Bedingungen der Metamorphisierung ausgesetzt waren.
Diese Vergrößerung zeigt metamorphe Strukturen des Meteoriten.
Addi Bischoff / Institut für Planetologie / Universität Münster
Zweiter Europäer
Bisher waren nur 94 verschiedene Meteoriten mit dieser Klassifizierung in der Datenbank des Meteoritical Bulletin. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um Funde aus der Antarktis (16) und den Wüsten Nordafrikas und Arabiens (74). Beim Fall beobachtet wurden nur Vishnupur im Jahr 1906 in Westbengalen und vermutlich der polnische Meteorit Leoncin. Dieser soll im Jahr 2012 ein Blechdach beschädigt haben, wurde aber erst 2017 der Wissenschaft zugänglich und nur als möglicher Fall eingestuft. Haag ist damit erst der zweite europäische LL4-6-Meteorit. (Michael Vosatka, 10.6.2025)
Dass der Hammerstein von Schudutz nun gezeigt werden kann, ist nicht zuletzt der Initiative von Vera Hammer und Ludovic Ferrière zu verdanken. Die mittlerweile pensionierte Leiterin der Mineraliensammlung und der Meteoritenexperte und assoziierte Forscher des NHM sprachen bei einem Besuch im berechneten Streufeld Ende des Jahres gezielt die Bevölkerung an, um sie für mögliche Funde zu sensibilisieren. Darunter waren auch die Westermayrs, die bei dieser Gelegenheit von ihrem Fund berichteten. Ferrière identifizierte den Stein sofort als Meteorit und erkannte auch anhand von roten Abriebspuren, dass dieser auf dem Ziegeldach des Hauses eingeschlagen sein musste. Die Gespräche für den Erwerb des Meteoriten durch das NHM führte in der Folge die Kuratorin der Meteoritensammlung, Andrea Patzer, mit der Familie.
Später Fund
Insgesamt wurden bisher fünf Meteoritenfunde mit einer Gesamtmasse von rund 151 Gramm im Streufeld von Haag gemeldet. Vier davon wurden in den ersten Tagen des November 2024 geborgen, neben dem Westermayr-Exemplar Stücke mit 8,8, 3,5 und 45,38 Gramm. Zuletzt fand am 5. April ein österreichischer Sammler das mit 64,06 Gramm bisher größte Individual des Meteoriten. Benjamin Rudelstorfer hatte das Streufeld zuvor bereits fünfmal besucht, der sechste Tag brachte ihm jedoch auf einem Feld bei Haag den erhofften Fund. Das Feld war zuvor mit einer dichten Winterbegrünung bedeckt gewesen, doch nun lag es brach. Mit seinem Suchausflug kam der Enthusiast gerade rechtzeitig: Eine Woche später war die Fläche bereits umgeackert und damit potenzielle Funde wohl für immer unter der Erde verschwunden.

Für die Meteoritensuche ist ein gutes Auge nötig: So präsentierte sich die Hauptmasse des Haag-Meteoriten dem Finder Benjamin Rudelstorfer.
Benjamin Rudelstorfer

Viereinhalb Milliarden Jahre alt und weit gereist: Der Meteorit passt problemlos auf eine Handfläche und ist dennoch das größte entdeckte Bruchstück.
Benjamin Rudelstorfer
Rudelstorfer streicht die Besonderheit des Moments hervor, ein solches Objekt nach der weiten und viereinhalb Milliarden Jahre langen Reise aus dem Asteroidengürtel zur Erde als erster Mensch in der Hand halten zu können. Wenn man einen Meteoriten gefunden habe, sei es "so, als hätte der Meteorit dich gefunden", zitiert er einen Sammlerkollegen.
Mit seinem Fund wandte er sich an den deutschen Experten Dieter Heinlein vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der verschiedene Untersuchungen veranlasste. Die Hauptmasse weist eine fast vollständige Schmelzkruste auf. Obwohl der Stein mehr als fünf Monate der Witterung ausgesetzt war, wirkt die Kruste noch erstaunlich frisch, in der Matrix sind aber Spuren von Rost zu erkennen. Bei den Münchner Mineralientagen, genau zum ersten Jahrestag des Haag-Falles, wird die Main Mass neben dem kleinsten, jedoch schönsten Individual und einer Scheibe des Erstfundes bei einem von Heinlein organisierten Stand erstmals öffentlich zu sehen sein.

Die Hauptmasse Haags ist beinahe vollständig bekrustet und lässt nur stellenweise einen Blick auf die Matrix zu.
Benjamin Rudelstorfer

Im Vergleich dazu: die mit 45,38 Gramm zweitgrößte Masse, die kurz nach dem Fall gefunden wurde und daher frisch ist.
Privat
Name noch provisorisch
Noch ist der Name Haag für den Meteoriten ein Provisorium: Im April beantragte Patzer den Namen beim Nomenklatur-Komitee der Meteoritical Society. Sobald Haag im Meteoritical Bulletin eingetragen wurde, sollen die vorliegenden Ergebnisse verschiedener Untersuchungen von zehn Institutionen aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Österreich (vertreten durch das NHM und die Universität Wien) im Journal Meteoritics & Planetary Science eingereicht werden. Die Studien wurden unter der Leitung von Addi Bischoff von der Universität Münster durchgeführt. Bereits nach den ersten Funden Anfang November erhielt Bischoff das 8,8-Gramm-Exemplar zur Untersuchung.

Eine Chondre des Haag-Meteoriten mit Balkenolivin.
Addi Bischoff / Institut für Planetologie / Universität Münster
Bischoff zufolge ist Haag stark fragmentiert. Dies deutet darauf hin, dass der Mutterkörper des Meteoriten eine komplexe Geschichte von Kollisionen erfahren hat. Klassifiziert wurde Haag als Vertreter der Klasse LL4-6. Es handelt sich also um einen Meteoriten aus der großen Gruppe der gewöhnlichen Chondrite, wobei LL bedeutet, dass der Metallanteil relativ gering ist. Der Haag-Meteorit ist eine Brekzie – er enthält verschiedene Komponenten der petrologischen Typen 4 bis 6, die unterschiedlichen Bedingungen der Metamorphisierung ausgesetzt waren.

Diese Vergrößerung zeigt metamorphe Strukturen des Meteoriten.
Addi Bischoff / Institut für Planetologie / Universität Münster
Zweiter Europäer
Bisher waren nur 94 verschiedene Meteoriten mit dieser Klassifizierung in der Datenbank des Meteoritical Bulletin. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um Funde aus der Antarktis (16) und den Wüsten Nordafrikas und Arabiens (74). Beim Fall beobachtet wurden nur Vishnupur im Jahr 1906 in Westbengalen und vermutlich der polnische Meteorit Leoncin. Dieser soll im Jahr 2012 ein Blechdach beschädigt haben, wurde aber erst 2017 der Wissenschaft zugänglich und nur als möglicher Fall eingestuft. Haag ist damit erst der zweite europäische LL4-6-Meteorit. (Michael Vosatka, 10.6.2025)