Noch immer Rätsel um die 150 Jahre alte Tastaturbelegung von Schreibmaschinen und Computertastaturen

josef

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#1
TECHNISCHES MYSTERIUM
QWERTZ: Das 150 Jahre alte Rätsel auf unserer Computertastatur
Die Tastaturbelegung einer im 19. Jahrhundert patentierten Schreibmaschine setzt bis heute Standards. Wie sie zustande kam, ist nicht geklärt

Ob alte Schreibmaschine oder neuer Laptop: Die deutsche Tastatur beginnt mit der Buchstabenreihe QWERTZ. Der Ursprung dieser Abfolge reicht ins 19. Jahrhundert zurück.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Der US-amerikanische Buchdrucker Christopher Latham Sholes konnte nicht ahnen, wie nachhaltig seine Erfindung sein würde. 1868 reichte er gemeinsam mit seinen Kollegen Carlos Glidden und Samuel W. Soulé ein Patent für einen "typewriter" ein, der Maßstäbe setzen sollte. Es handelte sich dabei zwar längst nicht um die erste funktionierende Schreibmaschine. Die Weiterentwicklungen von Sholes' Erfindung sollten aber bald in Serienproduktion gehen und unter dem Namen "Remington" enorme Verbreitung finden. Ein Markenzeichen dieser Maschinen begleitet uns bis heute: die eigentümliche Tastaturbelegung.

Sholes Buchstabenreihe war nicht alphabetisch gehalten, sondern begann (nach mehrmaligen Änderungen) mit den Buchstaben Q, W, E, R, T und Y. QWERTY ist bis heute der Standard auf englischsprachigen Tastaturen. Im deutschsprachigen Raum hat sich die leicht abgewandelte Variante QWERTZ etabliert, in französischsprachigen Ländern die Variante AZERTY. Wie und warum Sholes zu seiner Entscheidung kam, die unseren Alltag bis heute unauffällig, aber unablässig prägt, ist nicht geklärt.

Verklemmungen verhindern?
Der Erfinder und seine Kompagnons haben leider keinerlei brauchbare Hinweise darauf hinterlassen – und dadurch einen Grundstein für jahrzehntelanges Rätselraten gelegt. "Es scheint keinen offensichtlichen Grund für die Platzierung der Buchstaben im QWERTY-Layout zu geben, und es bestehen immer noch Zweifel über ihren Ursprung", schrieb Jan Noyes von der Loughborough University of Technology 1983 im "International Journal of Man-Machine Studies". Der Befund hat sich bis heute kaum geändert.

Die bekannteste Erklärung für das Rätsel lautet, dass die Anordnung der Buchstaben aus einer technischen Überlegung resultierte: Sholes' Maschine arbeitete wie spätere Schreibmaschinen mit Hebeln, über die die Buchstaben auf ein Farbband gehämmert wurden. Um zu verhindern, dass sich die Gestänge beim schnellen Schreiben ineinander verhaken und blockieren, könnte Sholes auf Abstand gesetzt haben: Buchstaben, die besonders häufig kombiniert werden, sollten möglichst auseinanderliegen, um das Risiko einer Verklemmung zu verringern.

Zweifel angebracht
So plausibel das auch klingt, ganz eindeutig ist die Sache nicht: Zwar trifft das auf viele Kombinationen zu, doch es gibt auffällige Gegenbeispiele. So befinden sich etwa die (im Englischen wie im Deutschen) oft gemeinsam verwendeten Buchstaben E und R direkt nebeneinander. Statistische Analysen untermauern, dass die QWERTY-Belegung in dieser Hinsicht kein Optimum ist. Und das Problem der verklemmten Hebel war auch keineswegs vollständig behoben, weder in den Remington-Nachfolgemodellen noch in späteren Schreibmaschinen, wie vermutlich die meisten vor den 1990er-Jahren Geborenen aus leidvoller Erfahrung bestätigen können.

Die ebenfalls weit verbreitete Theorie, Sholes hätte durch eine "unlogische" Reihenfolge das Schreibtempo absichtlich verlangsamen wollen, um mechanischen Problemen vorzubeugen, darf wohl verworfen werden. Schnelleres Schreiben war von Anfang an einer der großen Vorzüge der Schreibmaschine, und frühe Nutzer schwärmten von der Zeitersparnis, die das Gerät nach einiger Übung mit sich brachte. Ein Design, das eines der wichtigsten Verkaufsargumente zunichtemacht, war wohl kaum im Sinne des Erfinders.

Ein Trick für den Verkauf?
Umgekehrt wurde spekuliert, dass Sholes' Entscheidung eben genau das gewesen sein könnte: ein Verkaufsargument. Aus den Buchstaben der ersten Zeile allein lässt sich nämlich das Wort "typewriter" schreiben. Dieser "Showcharakter" der Tastaturbelegung hätte es ungeübtem Verkaufspersonal erleichtert, potenziellen Kunden schnell ein Wort vorzutippen, ohne lange auf der Tastatur suchen zu müssen, so die Theorie. Belege dafür gibt es nicht.

Das gilt auch für die vor einigen Jahren geäußerte Vermutung, die Tastaturbelegung könnte speziell auf eine Verwendung in Telegrafenstuben abgestimmt sein. Ein japanisches Forschungsteam mutmaßte, die Buchstabenreihung sei womöglich für die Nutzung durch Telegrafenbeamte optimiert worden, um die codierten Nachrichten schneller in Buchstabentext zu übertragen. Das sei zwar denkbar, aber alles andere als bewiesen, schreibt der Technikjournalist Benj Edwards, der dem Thema kürzlich auf "How-To-Geek" einen ausführlichen Beitrag gewidmet hat.

Erfolgreich etabliert
Vieles spricht jedenfalls dafür, dass Sholes und seine Mitstreiter erst nach und nach von einer alphabetischen Tastaturbelegung abkamen und der Schreibkomfort eine Rolle in ihren Überlegungen gespielt hat. Ob das Endergebnis ihrer Tastatur-Experimente aber eher von technischen Vorteilen, von persönlichen Vorlieben oder von ganz anderen Überlegungen herrührte, wird leider auch in den Patentschriften nicht erwähnt.

Fest steht, dass es seither schon viele Versuche gegeben hat, die QWERTY-Tastaturbelegung umfassend zu reformieren – bis auf geringfügige Anpassungen erfolglos, wie der Blick auf unsere Computertastaturen zeigt. Der Grund dafür dürfte weniger rätselhaft sein als die Genese der Tastenreihenfolge: Die Macht der Gewohnheit ist als Erfolgsfaktor nicht zu unterschätzen. Und wer möchte schon ein neues Zehnfingersystem lernen?
(David Rennert, 31.3.2022)
QWERTZ: Das 150 Jahre alte Rätsel auf unserer Computertastatur
 
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