Obergrafendorf - WNF Werk IV

josef

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#1
Durch die dankenswerte Zurverfügungstellung von altem Kartenmaterial durch @otto (Gerd) zum Thema "Quarz", siehe hier - Beitrag #566, kam mir wieder mal das WNF-Werk 4 in Obergrafendorf in den Sinn :)

Die WNF kauften Anfang 1941 eine stillgelegte Knopffabrik (ursprünglich Spinnerei) und bauten sie zur Herstellung von Tragflächenteilen für die Me 109 aus. Auch ein Reparaturbetrieb für Tragflächen von He 111 und Ju 88 wurde eingerichtet. Hier gibt es mehr darüber zu lesen.

Auf der historischen Karte ist die "Spinnfabrik", später Knopffabrik und ab 1941 WNF-Werk 4 mit Pfeil gekennzeichnet. Ebenfalls durch Pfeil markiert ist das Gelände von Schloss Fridau. Dorthin verlegte Ing. Friedrich Baron von Doblhoff seine Entwicklungsarbeiten am "Strahlschrauber WNF-342" nach der Bombardierung der Werksanlagen von Wiener Neustadt. Knapp vor Kriegsende verlegte er mit dem Fluggerät nach Zell am See, wo er sich den Amerikanern gefangen gab. Weiteres darüber kommt später...

1. Karte (Grundkarte aus Zeit vor 1898) mit Kennzeichnung vorhin beschriebener Objekte. (Quelle: U.S. Holocaust Memorial Museum, Washington DC, zur Verfügung gestellt von @otto)

2. Modellbild der alten Fabriksanlage des WNF-Werkes 4 (aus Haberfellner u. Schroeder; Wiener Neustädter Flugzeugwerke; S. 160)
 

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josef

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#2
Vor 12 Jahren suchte ich in Obergrafendorf „vor Ort“ nach Spuren des ehemaligen WNF-Werkes 4. Am ehemaligen Fabriksgelände befindet heute ein Siedlungsgebiet. Einzig der Werksbach und ein Kleinkraftwerk, untergebracht in einem umgebauten Gebäuderest von damals, sind noch vorhanden.

Wie mir ein Anwohner erzählte, mussten beim Bau der Siedlungshäuser umfangreiche Fundamentreste eines Barackenlagers der ehemaligen Beschäftigten (Zwangsarbeiter ?) der WNF entfernt werden.

Interessant ist auch der damalige umständliche An- und Abtransport von Material zum und vom WNF-Werk: Die Normalspurgüterwagen mussten vor ihrer Fahrt nach Obergrafendorf in St. Pölten – Alpenbahnhof auf Schmalspurrollwagen der „Mariazellerbahn“ (Spurweite 760 mm) „aufgebockt“ werden oder das Ladegut von den Normalspur- in Schmalspurwagen (oder umgekehrt – je nach Richtung) umgeladen werden! Der Transport der Güter zwischen Bahnhof und Werk IV erfolgte mit Pferde- und Ochsenfuhrwerken (Treibstoffmangel…)! Hier unter Beitrag #22 gibt es einen Bericht über ein nicht mehr zustande gekommenes Normalspurbahnprojekt zwischen der Westbahn bei Prinzersdorf über den Fliegerhorst Markersdorf nach Obergrafendorf.

Fotos von meinem Besuch 2002 in Obergrafendorf:
1. Werksmodell WNF-Werk 4 mit gekennzeichneten noch vorhandenen Bauresten.
2. Kleinwasserkraftwerk mit Auslaufkanal. Das Gebäude stammt teilweise noch von früher, ebenso die Betonüberdeckung des Wasserablaufes.
3. Betonierter Werkskanal als Zulauf zum Kleinkraftwerk.
4. Einlaufseite des Kleinkraftwerkes mit erhöhtem Zulauf auf Damm.
 

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josef

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#4
LS-Stollen

Zitat Cacher:
Leider konnte ich bis jetzt nichts über das Erbauungsjahr und den damaligen Zweck des Bunkers herausfinden.
Anscheinend kennt der Knabe nicht den Unterschied zwischen "Stollen" und "Bunker"...:) aber man kann helfen:

Was ich 2002 auch noch nicht eindeutig wusste, ist jetzt klar:
Der Stollen wurde zum LS der im WNF-Werk 4 beschäftigten Arbeitnehmer errichtet. Um zur im Hang östlich des Werkes befindlichen Stollenanlage zu kommen, wurde damals ein eigener Steg über die Pielach gebaut.

lg
josef
 
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Bunker Ratte

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#5
Hallo Forenmitglieder,
aufgrund der Erkenntnisse hier im Forum (ein Danke an Josef) machte ich einen Ausflug nach Obergrafendorf um noch Überreste des Ehemaligen Werks zu finden. Nur leider vergeblich. Einzig allein der Werkskanal neben der Fabrikstrasse besteht noch. Bei einem Spaziergang in der Gegend entdeckte ich noch den hier schon beschriebenen LS-Stollen der zum Schutz der Arbeiter im Werk 4 diente. Meine Kamera hatte ich zum Glück mit und konnte ein paar Bilder festhalten:)bin sehr Überrascht über die gute Erhaltenheit dieses LS-Stollens! Bild2.jpg
 

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J

Julie-Bertl

Nicht mehr aktiv
#8
Super michi, du findest alles, und auch ohne den, na du weisst schon wen ich meine.....gratuliere
 

Xandl78

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#9
Wie bezeichnet man die Röhre richtig: LS Bunker oder Stollen? Es sind Betonfertigteilsegmente (nur Halbschalen?) die in der Erde vergraben und überschüttet wurden. Interessant ist die Ausbildung im Kreuzungsbereich. Das ergibt eine Verschneidung wie sie bei Gewölben üblich ist. Auch als Fertigteile ausgeführt?
Zumindest viele Fragezeichen wen man es nur auf Fotos sieht. Lg Kurt
 

Geist

Worte im Dunkel
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#10
Wie bezeichnet man die Röhre richtig: LS Bunker oder Stollen? Es sind Betonfertigteilsegmente (nur Halbschalen?) die in der Erde vergraben und überschüttet wurden. Interessant ist die Ausbildung im Kreuzungsbereich. Das ergibt eine Verschneidung wie sie bei Gewölben üblich ist. Auch als Fertigteile ausgeführt?
Zumindest viele Fragezeichen wen man es nur auf Fotos sieht. Lg Kurt
http://www.geheimprojekte.at/seite_abkuerzungen.html#schutzbauten
 

josef

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#15
Artikel aus den NÖN, Ausgab Pielachtal, von Lukas Kalteis. Erstellt am 30. Juni 2021

TOR ZU DUNKLER GESCHICHTE
Lost Place: Düstere Stollen unter Fridau
Ein steinerner Zeuge in Fridau erinnert an die schwersten Jahre der Region. Die NÖN begab sich auf Spurensuche.


Der Stollen führt tief in den Hang und bot den Arbeitern der Flugzeug-Fabrik Schutz vor Luftangriffen.
Foto NÖN

Die Jagd nach Lost Places, wie aufgegebene und in Vergessenheit geratene Militär- oder Industrie-Bauten oft bezeichnet werden, lockt Menschen an, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen wollen und dabei das Sonderbare und das Schaurige suchen. Obwohl täglich hunderte Menschen daran vorbeifahren, befindet sich solch ein unbekannter, vergessener Ort direkt neben der Pielachtaler Hauptstraße unweit des ebenfalls verfallenen evangelischen Friedhofs in Fridau.

Geschützt vom Dickicht der Bäume befindet sich im steilen Hang eine verwachsene Stollenanlage, deren Verwendung auf den ersten Blick nicht einfach zu erklären ist. Gehörte sie gar zum Schloss und ist sie einer dieser geheimnisvollen Tunnel, die in Sagen vorkommen, die aber noch niemand gefunden hat? Doch weit gefehlt.

„Die Stollen dienten während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzräume für die Arbeiter der ehemaligen Fabrik, die sich auf der anderen Seite der Pielach befand und an die heute nur noch der Straßenname ‚Fabrikgasse‘ erinnert“, erklärt Alt-Bürgermeister Karl Vogl und lüftet damit das Geheimnis.

Noch vor Kriegsbeginn übernahmen die Wiener Neustädter Flugzeugwerke (WNF) die damals stillgelegte Knopf-Fabrik, in der dann während des Kriegs Flugzeuge repariert und Teile für Messerschmitt-Jagdflugzeuge hergestellt wurden. Die über 7.000 Quadratmeter große Rüstungsfabrik beschäftigte zu Spitzenzeiten über 800 Mitarbeiter.

Stollen schützte die Arbeiter der Fabrik
Obwohl Ober-Grafendorf im Vergleich zu St. Pölten vom Bombenhagel relativ verschont blieb, war die tödliche Gefahr aus der Luft allgegenwärtig.
Sobald das ohrenbetäubende Geräusch des Fliegeralarms schrillte, flüchtete die Werksbelegschaft über einen Holzsteg in den Luftschutzstollen und musste dort ausharren, bis sich das Dröhnen der Bombermaschinen und das Donnern der Fliegerabwehrkanonen wieder verzogen.
Anders als klassische Bunker wurde der Stollen nicht mit Erdreich überdeckt, sondern tief in den Hang gegraben. Damit bot die Stollenanlage mit mehren Gängen noch besseren Schutz vor Bombenangriffen.

Nach Kriegsende 1945 übernahm die sowjetische Besatzungsmacht die Kontrolle über die Fabrik und gliederte sie als Verwalter des sowjetischen Eigentums in Österreich, kurz USIA genannt, der Voith-Fabrik in St. Pölten an.
Nach dem Staatsvertrag und dem Abzug der sowjetischen Besatzer übernahm die Voith das Gelände als neuer Eigentümer, gab die Fabrik allerdings bald wieder auf.


Aufnahme des Innenhofes der USIA-Fabrik, circa aus dem Jahr 1945 unter sowjetischer Verwaltung.
Foto Topothek/Rammel

Danach kaufte die Gemeinde das Gelände und ließ das Fabriksgebäude in den 1980er-Jahren schleifen.
„Wo einst die Fabrik stand, befindet sich heute ein Wohnviertel. Das war das erste große Projekt während meiner Amtszeit“, blickt Karl Vogl zurück.
Der Stollen geriet damit nach und nach in Vergessenheit und war nur bei Kindern und Jugendlichen ein beliebter Treffpunkt.


Luftaufnahme des Fabriksgeländes aus den 1970er-Jahren. Circa zehn Jahre später entstanden daraus Baugründe.
Foto Topothek/Gemeinde

„Als Kind und Jugendlicher habe ich dort so viel Zeit verbracht, dass ich den Weg aus dem Stollen heute noch blind finden würde. Nur 1986 diskutierten wir im Gemeinderat eine mögliche Wiederinbetriebnahme nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, da die Bevölkerung sehr verunsichert war,“ erinnert sich Karl Vogl.

„Alle Versuche, Besucher abzuhalten, scheiterten"
Der Stollen befindet sich im Wald der Tacolis, die den Eingang bereits mehrmals vergitterten und vermauerten.
„Alle Versuche, Besucher abzuhalten, scheiterten. Die Mauern wurden aufgebrochen und die Gitter zerschnitten. Seit der Zugang nicht mehr versperrt ist, gibt es interessanterweise kaum Probleme“, erzählt Gutsverwalter Ludovico Tacoli. In Internetforen wird der Stollen als „Lost Place“-Geheimtipp beschrieben und auch ein Geocaching-Punkt soll in den alten Gemäuern versteckt sein. Besucher sollten sich jedoch mit der Vergangenheit des Ortes auseinandersetzen und sich vor allem respektvoll verhalten.
Lost Place: Düstere Stollen unter Fridau
 
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