Objekt „Blitz“ beim Eisenacher Haus am Ellenbogen in der Rhön

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Das Objekt „Blitz“ war eine von mehreren Abhörstationen des „Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS) , vulgo „Stasi“, der ehemaligen DDR .

Der Standort der „ELOKA-Anlage Blitz“ (Anlage zur „elektronischen Kampfführung“) war am 813 m hohen Ellenbogen bei Erbenhausen in der Rhön, direkt beim „Eisenacher Haus“.

Anlässlich des Administratorentreffens 2013 besuchten @Varga, @Edgar und ich am Abend des 25.10.2013 einen interessanten Vortrag der „ BStU-Außenstelle Suhl“ direkt am Ort des damaligen „Geschehens“ im Berghotel „Eisenacher Haus“.

Hier das Programm:
25.10.13 – Vortrag & Gespräch: Objekt Blitz, die Stasi-Lauscher vom Eisenacher Haus

Am Freitag, dem 25. Oktober 2013, findet von 19.00 – 21.00 Uhr eine interessante Veranstaltung im Eisenacher Haus zu den ehemaligen Stasi-Aktivitäten auf dem Ellenbogen statt.

Mehr als zwei Jahrzehnte betrieb die Stasi einen Lauschposten im Eisenacher Haus auf dem Ellenbogen in der Rhön. Von hier aus führte die ostdeutsche Geheimpolizei ihren “Elektronischen Kampf” und schöpfte großflächig Informationen aus den Telefon- und Funkverbindungen der Bundesrepublik ab. Dabei belauschte die Stasi eifrig bundesdeutsche Institutionen, Ministerien, Parteien, Sicherheitsbehörden, die NATO-Verbände in Hessen und Bayern, aber auch Privatpersonen.

Referent: Sascha Münzel, BStU *
Moderation: Monika Aschenbach, BStU *
* BStU: Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

Der Vortrag am “authentischen Ort” möchte u.a. folgende Fragen klären:
•Wann und wie begann die Tätigkeit der Stasi-Lauscher im Eisenacher Haus?
•Wie war der Dienstalltag im Objekt “Blitz” geregelt?
•Wie wurden die abgehörten Informationen gewonnen und ausgewertet?
•Was geschah mit den Hinterlassenschaften der Lauschtätigkeit?
Der Eintritt ist frei.
Zeit
Freitag, 25. Oktober 2013, 19.00 – 21.00 Uhr
Ort
Berghotel “Eisenacher Haus”
Tagungsraum
Frankenheimer Straße 38
98634 Erbenhausen


Veranstalter
BStU, Außenstelle Suhl
Weidbergstraße 34
98527 Suhl
Telefon: (0 36 81) 4 56-0
Fax: (0 36 81) 4 56-45 19
E-Mail: astsuhl@bstu.bund.de


Mitveranstalter
Berghotel “Eisenacher Haus”
Frankenheimer Straße 38
98634 Erbenhausen
Quellenangabe: Text und Foto von BStU - Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen

Nachstehend eine Kurzzusammenfassung des Vortrages von Sascha Münzel:
Das Geheimnis des "ELOKA"
Die Stasi und ihr "elektronischer Kampf" im ehemaligen DDR-Bezirk Suhl
Im ehemaligen DDR-Bezirk Suhl waren die Lauscher des MfS besonders aktiv und betrieben ein engmaschiges Netz an Abhörstationen, Peilpunkten sowie Sende- und Empfangsanlagen. Denn der Bezirk Suhl bot mit seiner etwa 400 km langen Grenze zur Bundesrepublik und seiner Mittelgebirgslage beste Voraussetzungen für den "elektronischen Kampf" ("ELOKA") gegen den westdeutschen Klassenfeind. Verantwortlich für die "Funkaufklärung", "Funkabwehr", "Funkkontrolle" und "Funkgegenwirkung" war die Hauptabteilung III des MfS.


Im "ELOKA" sollten zum einen Informationen aus dem "Operationsgebiet" abgeschöpft werden. Auf der anderen Seite wurden aber auch die "Funkkontrolle" und die "Funkabwehr" im eigenen Land sichergestellt. Folglich übernahm die Stasi somit die Oberaufsicht über alle militärischen und zivilen Nachrichtensektoren. Einen historisch-wertvollen Bestand stellen die Hinterlassenschaften der Stasi-Lauscher im Bezirk Suhl dar. Diese werden im Archiv der Außenstelle Suhl des BStU aufbewahrt: Es handelt sich dabei um Hunderte von Akteneinheiten, Tausende von sach- und personenbezogenen Erfassungen sowie mehr als 48.000 "Zielkontrollaufträge".

Vielfältige "Operative Zielkontrolle"
Die "Operative Zielkontrolle" war eines der wichtigsten Verfahren zur Informationsgewinnung der Stasi-Lauscher. Dabei wurden Fernschreib-, Datex-, Telex-, Fernsprech- und Funkfernspruchanschlüsse mit Hilfe von Rufnummernselektierungsanlagen automatisiert abgehört. Derartige Aufträge erteilten vor allem die HV A ("Auslandsaufklärung"), die HA I ("Sicherung der NVA und der Grenztruppen"), die HA II ("Spionageabwehr"), die HA XVIII ("Volkswirtschaft"), die HA XIX ("Verkehrswesen und Post"), die HA XX ("Jugend, Opposition, Sport, Medizin und Kultur"), die HA XXII ("Terrorabwehr") sowie die ZKG ("Ausreisen und Republikflucht"). Auch der sowjetische KGB und weitere osteuropäische "Bruderdienste" konnten "Zielkontrollaufträge" in Auftrag geben. Dabei variierten die Laufzeiten der "Operativen Zielkontrolle", die Wochen, Monate, oftmals aber auch Jahre betragen konnten.


Die Abhörpunkte wurden auf Erhebungen und Bergen mit hohen Antennenanlagen errichtet. Einer dieser Stützpunkte war das "Eisenacher Haus" auf dem Ellenbogen in der Rhön:
In den 1920er Jahren errichtete der Rhönclub das "Eisenacher Haus" als Wanderherberge auf 813 m Höhe. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lag das Gebäude mitten im Grenzgebiet und der FDGB sowie die DDR-Zollverwaltung nutzten es als Ferienheim. Etwa 1963 bezog für ein paar Jahre eine sowjetische Aufklärungseinheit aus Meiningen auf dem Ellenbogen Stellung, die in der Folge das Objekt aber wieder aufgab. Nach Jahren des Leerstandes, reifte ab 1967/68 bei der Stasi die Überlegung, dass "Eisenacher Haus" als Horchposten zu nutzen. Dabei wurde im Speziellen hervorgehoben, dass das Bergplateau teilweise bewaldet und somit von Bayern und Hessen schlecht einzusehen war. Die An- und Abfahrt zum Objekt "Blitz", so die MfS-interne Tarnbezeichnung, konnte also gedeckt erfolgen. Neben der günstigen Lage arbeitete das MfS weitere Merkmale des "Eisenacher Hauses" heraus: Der Bau war besonders massiv und günstig herzurichten. Für erste Instandsetzungsarbeiten am Objekt errechneten die Stasi-Buchhalter ein Kostenvolumen von 87.000 Mark.


Neben "Blitz" auf dem Ellenbogen verfügten die Mithörer aus der Suhler Bezirksverwaltung des Weiteren über das Objekt "Kristall" auf dem Schleifenberg bei Sonneberg. Doch damit nicht genug: Auch die Ostberliner Kollegen der HA III nutzten den Bezirk Suhl und betrieben teilweise halbstationäre Stützpunkte auf dem "Öchsen" bei Völkershausen, dem "Steinkopf" bei Oberzella, dem "Rockenstuhl" bei Geismar, dem "Suchenberg" bei Reinhards, dem "Großen Gleichberg" bei Römhild oder dem "Bleßberg" bei Mausendorf. Auch der sowjetische KGB, die DDR-Grenzaufklärung und die Militäraufklärung der NVA unterhielten Abhörobjekte im Thüringer Wald sowie in der Rhön.

Nach Inbetriebnahme 1968 des "Blitz" regelten diverse Anweisungen und Durchführungsbestimmungen den Dienstalltag: Das "Eisenacher Haus" wurde als eine Einrichtung der Grenztruppen der DDR legendiert, wobei die Tarnbezeichnung "Blitz" nur im MfS-internen Dienstverkehr benutzt werden durfte. Die im Objekt "Blitz" tätigen Stasi-Mitarbeiter hatten sich grundsätzlich als Angehörige der Grenztruppen auszugeben. Auch durften diese den Abhörposten nur in Uniformen der Grenztruppen betreten. Sollten sich diesbezüglich Schwierigkeiten mit den Grenzern oder der Volkspolizei ergeben, so hielten die Bestimmungen weiter fest, sollte auf das Grenzregiment in Dermbach verwiesen werden. Genau hier saß nämlich der zuständige Vertreter der HA I, die Stasi-Diensteinheit, die die NVA und die Grenztruppen der DDR "abzusichern" hatte.

Weiterhin war geregelt, dass alle Fahrzeuge, die dienstlich in das Objekt einfuhren, mit Kennzeichen der Grenztruppen der DDR ausgestattet sein mussten. Zudem hatten sich die auf dem Ellenbogen befindlichen Kampfmittel, also Maschinenpistolen, leichte sowie schwere Maschinengewehre, Panzerfäuste und Granaten, stets in einem einsatzbereiten Zustand zu befinden.

Misstrauen gegen alles und jeden war ein Wesenzug der ostdeutschen Geheimpolizei. Diesbezüglich kamen auch IM zur Absicherung des brisanten Objekts "Blitz" zum Einsatz. Im September 1970 berichtete z.B. IM "Rhönsegler" seinem Führungsoffizier: "Ergänzend zu meinem gegebene Hinweis, dass es Diskussionen unter der Bevölkerung von Oberweid gibt, dass im "Eisenacher Haus" die Funkabwehr sei und – wenn ich in diesem Zusammenhang danach befragt werde – ob sich irgendwelche Personen geäußert hätten, so kann ich dazu sagen, dass dies von mir und auch anderen Jugendlichen Vermutungen sind."

Bemerkenswerterweise zeigte man sich auch den sowjetischen Freunden gegenüber misstrauisch. In einem Schreiben des Leiters der HA III an die Bezirksverwaltung des MfS in Suhl vom 17. September 1982 stellte dieser noch einmal unmissverständlich klar: "In zunehmendem Maße wenden sich Angehörige der sowjetischen Streitkräfte direkt auf den Stützpunkten der Linie III an unsere Mitarbeiter und bitten darum, sie bei der Durchführung ihrer Aufgaben […] zu unterstützen oder suchen den Kontakt zur Aufnahme von ausbaufähigen, freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Stützpunkten (entsprechend der von uns verwendeten Legende sind wir Mitarbeiter der NVA oder der Grenztruppen) und ihren Einheiten. […] Für die Entscheidung zur Unterstützung der Anliegen der sowjetischen Freunde ist in Erfahrung zu bringen - der Name des Kommandeurs und die Dienststellung […], - Einheitsbezeichnungen und Standort (oftmals reichen auch die Kfz-Kennzeichnen aus), - konkretes Anliegen der Unterstützung."

Den "Gegner" komplett im Visier
Aus den erhalten gebliebenen Stasi-Unterlagen wird deutlich, über welche bundesdeutschen Behörden, Institutionen und Einrichtungen das Objekt "Blitz" Informationen zu liefern hatte.


Zu beschaffen seien:
◾Informationen über das Grenzüberwachungssystem des Bundesgrenzschutzes (BGS), des Grenzzolldienstes (GZD) sowie der Bayrischen Grenzpolizei (BGP);


◾Informationen über alle vom "Gegner" im Grenzgebiet der DDR festgestellten Vorkommnisse;

◾Informationen über Einheiten und Angehörige der Bundeswehr sowie der NATO-Verbände in Westdeutschland, dabei vor allem Angaben über Manöver, Alarmierungssysteme, Bewegungen, Objekte, Bewaffnung und Zusammenwirken;

◾Informationen über die Polizei der Länder und Städte;

◾Informationen über westdeutsche Staatsschutzorgane;

◾Informationen politischen, ökonomischen und publizistischen Charakters;

◾Informationen über die Potenzen der elektronischen Kriegsführung;

◾Informationen aus dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung, Übertragung, Speicherung und Steuerungsprozesse.

Auch die US-Army stand über Jahre hinweg im Fokus der Lauscher auf dem Ellenbogen. So notierte z.B. ein Stasi-Auswerter im März 1986: "Des Weiteren konnte herausgearbeitet werden, dass im Basisband 368 Khz der Kanal 12 als Standkanal der US-Streitkräfte belegt ist. Hierbei handelt es sich um mehrere Leitstellen der US-Heeresfliegerkräfte mit Standorten: Fulda, Bad Hersfeld, Heidelberg. Die aufgezeichneten Aussendungen beinhalten im Wesentlichen die Durchgabe von Flugdaten sowie Starts und Landungen von Flugzeugen dieser Kräfte."

Was wusste der Westen?
Hatten die NATO oder die bundesrepublikanischen Sicherheitsbehörden fundierte Informationen darüber, was sich im "Eisenacher Haus" befand? Aus abgehörten Funkmeldungen wurde den Lauschern vom Ellenbogen bewusst, dass vor allem die jeweiligen Bauarbeiten – oftmals unter Hinzunahme eines Krans – von Westdeutschland eifrig beobachtet wurden. Der "Gegner", so das MfS, sprach diesbezüglich von der "Radaranlage Ellenbogen". Natürlich schrillten sofort die Alarmsirenen in Ostberlin und in Suhl.
Die Paranoia der Stasi erreichte diesbezüglich einen Höhepunkt, als bekannt wurde, dass ein Bauarbeiter 1984 die DDR "ungesetzlich" verlassen hatte. Die Stasi schlussfolgerte, dass der geflohene Bauarbeiter dem "Gegner" Informationen zum Objekt "Blitz" geliefert haben musste.


Im Zuge der Friedlichen Revolution 1989/90 gingen auch im Objekt "Blitz" die Lichter aus. Zuvor waren couragierte Bürgerinnen und Bürger aus dem Umland erschienen und hatten Kerzen vor dem Tor abgestellt und sich in der Folge auch Zugang verschafft. Die bürokratischen Hinterlassenschaften der Datensammelwut konnten zum größten Teil gesichert werden. Am 13. Januar 1990 zogen die Abhörer aus. Die operative Technik wurde demontiert, zum Teil zerstört oder der Post und der NVA übergeben. Der Rhönclub erhielt sein einstiges Domizil nicht zurück und so wurde das "Eisenacher Haus" der Gemeinde Erbenhausen zugesprochen. Bereits im November 1990 eröffnete hier eine Gaststätte.

Bis zum heutigen Tag wird das "Eisenacher Haus" – einst ein brisantes Objekt im "Kalten Krieg" – als Ausflugsort, Lokal und Hotel genutzt.
Sascha Münzel
Quelle: BStU - Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen

Bildergalerie – Teil 1: ELOKA im Bezirk Suhl
Bildquelle 1.-6 BStU, MfS, BV Suhl, Abt. III

1. Erste Erkundungen der Stasi auf dem Ellenbogen (ca. 1967).
2. Das "Eisenacher Haus" einst eine Wanderherberge auf 813 m Höhe (ca. 1967). Das "Eisenacher Haus" mit Objektumzäunung; im Hintergrund sich im Bau befindliche Garagen (nach 1968).
3. Das "Eisenacher Haus" mit bereits an der Fassade angebrachter Sicherheitsanlage (nach 1968).
4. Die drei großen Lauschanlagen am Objekt "Blitz" (nach 1975).
5. Die drei großen Lauschanlagen und daneben das Objekt "Blitz" (nach 1975).
6. Bauarbeiten am Objekt "Blitz" (nach 1980).
 

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Objekt „Blitz“ - Teil 2

Bilder - Teil 2:
Bildquelle 7.-9. BStU, MfS, BV Suhl, Abt. III

7. Detailansicht zweier "Beehive"-Anlagen. "Bee-hive", also Bienenkorb, war der NATO-Code für derartige Sende- und Empfangseinrichtungen (nach 1980).
8. Lageplan vom Objekt "Blitz", noch ohne den später errichteten Erweiterungsbau. Oben links sind die drei großen Lauschanlagen verzeichnet. (nach 1980).
9. Zielk- bzw. Abhörkontrollauftrag zur Telefonüberwachung des Bundeskriminalamts in Meckenheim - Quelle: BStU, MfS, BV Suhl, Abt. III, ZKA, Nr. 33684
10. Werner und Edgar vor der Kutscherklause in Bad Liebenstein. Edgar genießt noch schnell ein paar Züge am Glimmstengel vor der Abfahrt in die Rhön…
11. Im übervollen Saal des Eisenacher Hauses, in der Mitte sitzend der Vortragende Sascha Münzel.
 

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