Irgendwann Anfang April 1969
Vor 50 Jahren, im April 1969, musste ich meinen Grundwehrdienst beim ÖBH antreten. Dazu ein kurzer Bericht über die im „Langzeitgedächtnis“ hängengebliebenen Erinnerungen an den ersten Tag:
Meinem bei der Musterung 1968 geäußerten Wunsch, den Präsenzdienst bei den Luftstreitkräften, speziell bei der Flieger-Tel oder Radar-Truppe abzuleisten, wurde entsprochen! Möchte noch hinzufügen, damals gab es noch keinen Wehrersatzdienst in Form von Zivildienstleistung – Wehrdienstverweigerung ohne triftigen Gründen war strafbar! Wer z.B. ohne entsprechende Entschuldigung der Musterung fernblieb oder den angeordneten Einrückungstermin nicht folgte, wurde von der Militärstreife (D -> Feldjäger) „abgeholt“!
Der Einberufungsbefehl lautete demnach für mich
„Flugmelderegiment (Flum) - Ausbildungskompanie Radar-Bataillon (mot)" in der
Schwarzenbergkaserne Wals-Siezenheim.
Und so ging es am Morgen des Einrückungstermines mit dem Zug nach St. Pölten, wo auch schon mehrere Leidensgenossen am Bahnsteig zur Fahrt Richtung Westen warteten. Der von Wien kommende Zug nach Salzburg war hauptsächlich mit Rekruten besetzt und es ging in den Waggons dementsprechend zu…
Wobei aber der Lärmpegel in den Waggons vor Linz etwas sank, da die zur „Flieger-Truppe“ einberufenen Kameraden etwas „kleinlaut“ wurden, da sie ja in Linz den Zug verließen um zur Ausbildungskompanie nach Hörsching zu gelangen… Die leeren Plätze füllten sich bis Salzburg bei den folgenden Zwischenhalten in Wels, Attnang-Puchheim usw. wieder, da ja die verschiedenen Truppenkörper in der größten Kaserne Österreichs ebenfalls auf „Jungmänner-Nachschub“ warteten.
Je näher wir uns Salzburg näherten, umso ruhiger wurde es nun auch bei uns im Wagen, auch die größten Sprücheklopfer schalteten einen Gang zurück…
Am Salzburger Hauptbahnhof wurden wir gleich am Bahnsteig von der Militärstreife empfangen, die Papiere gesichtet und auf bereitstehende GMC-LKW’s „verfrachtet“. Die Fahrer erlaubten sich bei der Fahrt zur Kaserne bei der ersten rot zeigenden Ampel gleich einmal den ersten Spaß, in dem sie eine Vollbremsung hinlegten und wir „noch Zivilisten“ auf der Ladefläche mit den Koffern und Reisetaschen herumgewirbelt wurden...
Im Kasernengelände angekommen, begann nun ein „anderes, gewöhnungsbedürftiges Leben“ – normale Kommunikation mittels vernünftiger Sprache wurde durch ein vorerst ungewohntes „Geplärre“ abgelöst
! Von allen Seiten schrien irgendwelche „Vorgesetzte“ auf uns ein. So waren wir nach Meinung einiger der umherstehenden Uniformträger beim Verlassen des LKW’s, dem „Absitzen“, viel zu langsam, was sie uns durch lautes Herumgebrülle mitteilten!
Nach abermaliger Kontrolle der Einberufungsbefehle wurden wir am großen Exerzierplatz in Gruppen den Ausbildungskompanien der jeweiligen Waffengattungen zugeteilt. Es begann eine längere, uns sinnlos erscheinende, Warterei. Wir standen mit unserem Gepäck eine gefühlte Ewigkeit in der Wiese herum, als wieder ein mit ein paar „Keksen“ (-> sternförmige Dienstgradabzeichen) behafteter Soldat losbrüllte:
„Nehmans de Händ vom Orsch, sunst werns stinkad“ (-> nehmen sie die Hände vom Hintern, sonst beginnen sie zu stinken…) . Wir sahen uns gegenseitig an, es fühlte sich aber niemand direkt angesprochen. Da kam der Zugsführer, wie ich später anhand der „Kekse“ lernte, auf mich zu und plärrte weite,
„jo, se do moani“ (-> ja, sie da meine ich…)! Ich hatte unbewusst irgendwelcher Folgen eine Hand in der (noch zivilen) Hosentasche…
Zum Glück war der „Zugler“ später nicht als Ausbilder in meinem „Zug“, denn wenn jemand in irgendeiner Form auffiel, hatte er keine angenehme Zeit! Eine Grundregel, die wir sehr schnell begriffen war, nicht oder so wenig wie möglich bei den Ausbildern auffallen! Je später sie den Namen kannten und man als „anonymer Funker“ in der Masse mitschwamm, um so besser war es!
Nach der Warterei wurden wir am Nachmittag den 4 Zügen der Ausbildungskompanie zugeteilt und marschierten recht und schlecht zum Kompaniegebäude. Dort wurde je Zug ein Schlafsaal zugewiesen und jeder Rekrut bekam sein Bett (Stockbetten) und seinen Spind.
Betreffend Schlafsäle siehe auch
hier...
Auf jeder Gangseite im Saal gab es ein „Musterbett“ und ein Ausbilder erklärte den „Bettenbau“. Diese militärische „Kulthandlung“ beschäftigte uns bis in die Nachtstunden des ersten Kasernentages! Zwischendurch gab es natürlich auch ein Abendessen im Speisesaal, Gruppeneinteilung, Austret- und Antretübungen und das Ausfassen unserer ersten militärischen Kleidungsstücke in Form des Sport- (Trainings-) Anzuges und des Nachthemdes.
Da wir damals eine Woche das Kasernengelände nicht verlassen durften und danach auch beim „Ausgang“ für die ersten 6 Monate Uniformpflicht herrschte, kam die nicht benötigte Zivilkleidung mit den Koffern oder Reisetaschen in eigene Räumlichkeiten außerhalb des Schlafsaales.
Da man ja nach 50 Jahren die vielen kleinen Details nicht mehr so in Erinnerung hat, wage ich trotzdem zu sagen, dass es in den Nachmittags- und Abendstunden des ersten „Soldaten-Tages“ ziemlich stressig und chaotisch zugegangen sein muss! Neben den mehrmaligen Versuchen und Bemühungen den genau vorgegebenen Bettenbau zu erlernen um den überkritischen Vorstellungen der brüllenden Vorgesetzten zu entsprechen, wurde uns beigebracht, alle erforderlichen „Bewegungsabläufe“ im Laufschritt zu absolvieren!
Dies wurde zwischendurch beim Aufruf zum Empfang der ersten Kleidungsstücke in der „Fetzenkammer“ (-> Kleiderkammer) und beim Austreten zum Marsch in den Speisesaal unter lautstarker Anweisung ausgiebig geübt!
Das „Austreten“ aus der Unterkunft erfolgte durch Aufruf des „Korporal vom Tag“ (KvT), der im Eingangsbereich des Gebäudes positioniert war und wiederum im Auftrag von Vorgesetzten (Zugs- oder Kompaniekommandanten) handelte. So waren der 1. und 2. Zug im Erdgeschoss in den Schlafsälen jeweils links und rechts des Einganges untergebracht und der 3. und 4. Zug im Obergeschoss. Zum Austreten wurden die Züge entweder einzeln oder die gegenüberliegend untergebrachten Mannschaften jeder Etage aufgerufen, die dann im Laufschritt links und rechts entlang der Gänge das Objekt "in Reihe" verlassen mussten bzw. die vom Obergeschoss links und rechts die Stiegen runter, um dann am Platz vor der Unterkunft zugweise anzutreten. Innerhalb eines Zuges gab es die „Gruppe“ als weitere Unterteilung. So bestand ein Ausbildungszug aus 4 Gruppen, die in 4 Reihen hintereinander (Glieder…) Aufstellung nahmen. Die Aufstellung der Soldaten innerhalb der Gruppe erfolgte nach Körpergröße, wobei der Größte immer rechts der erste Mann im Glied war bzw. ist.
Ich wurde dem 1. Zug, 1. Gruppe zugeteilt, was den Nachteil hatte, immer vorne zu stehen. Zum Glück gab es noch 2 größere Kameraden, so dass ich erst der 3. Mann im Glied war...
Diese Einteilung wurde ebenfalls noch am 1. Tag getroffen. Das Antreten und der Marsch zum Einnehmen des Abendessens usw. muss eher improvisiert gewesen sein, da wir ja noch keine „Exerziererfahrung“ hatten.
Jedenfalls dürfte dieser Tag nach anfänglich eher noch vergnüglichen Anfahrt am Abend doch mit einer gewissen Anspannung, Ermüdung und Irritationen geendet haben…
Die Krönung war dann die kollektive Anordnung mit den heereseigenen Nachthemden die Nachtruhe zu absolvieren
! Was meiner Erinnerung nach für die gesamte Zeit der Grundausbildung zu befolgen war, erst danach durften private Pyjamas getragen werden…
Soweit ein Bericht über die Erinnerungen an einen Apriltag 1969
lg
josef