Hat vielleicht jemand einen Plan in dem die damaligen (1938-1955) vorhandenen Objektnummern vermerkt sind?
Im Zuge meiner Nachforschung stieß ich auf folgenden Artikel:
Eine fast vergessene Geschichte. Die deutschen Rüstungsbetriebe der Ostmarkwerke im Wiener Arsenal. Aufbau – Kriegsbedeutung – Zwangsarbeit – Widerstand
Ein Spaziergang auf dem Areal der ehemaligen
Bundesversuchs- und Forschungsanstaltenim Wiener Arsenal, auf dem gegenwärtig Forschungseinrichtungen der Technischen Universität Wien wie auch ein modernes Heizkraftwerk der
Wiener Energiebetriebe sich im Aufbau befinden, versetzt den/die Beobachter/in zurück in die Anfangsjahre des österreichischen Wiederaufbaus. Auf dem sich in unmittelbarer Nähe befindenden militärisch genutzten Gelände des österreichischen Bundesheeres scheint die Zeit hingegen still zu stehen. Lediglich die beiden vor einigen Jahren renovierten von der meist befahrendsten Autobahn Europas direkt ins Auge stechenden Hochbauten konterkarieren das widersprüchliche Bild von Aufbau und Verfall auf dem Areal. Doch gerade diese beiden Hochhäuser sowie einige im Umkreis liegende Gebäude des riesig anmutenden Areals erinnern an ein dunkles Kapitel der österreichischen Vergangenheit, das vielen Menschen bislang verborgen geblieben ist.
Die folgenden Ausführungen beruhen auf Forschungsergebnissen, die im Zuge eines Dissertationsprojektes über Geschichte und Gegenwart des in Folge der Revolutionsgeschehnisse 1848 in Wien erbauten Militärkomplexes erzielt wurden. Sehr rasch wurde klar, dass für die Zeitspanne von 1938 bis 1945 eine massive Forschungslücke bestand.1
Entscheidend für die Entwicklung der Rüstungsbetriebe im Arsenal war der zwangsweise Einsatz von ArbeiterInnen unterschiedlicher Herkunft. Die Einteilung der zur Zwangsarbeit herangezogenen Gruppen gliederte sich entlang nationaler, religiöser und ethnischer Kriterien sowie willkürlich diskriminierender arbeitsrechtlicher Sonderbestimmungen. Daraus resultierten auch unterschiedliche Lebens- und Arbeitsverhältnisse von ZwangsarbeiterInnen, die aufgrund des ihnen zugeschriebenen Status streng hierarchisiert waren. Es lassen sich demnach vier Hauptgruppen der Zwangsarbeit unterscheiden.2Wurden zu Beginn des Krieges noch vermehrt zivile Arbeitskräfte im befreundeten Ausland angeworben und später auch zwangsrekrutiert, spielten mit Fortdauer des Weltkrieges vermehrt Kriegsgefangene aus eroberten und annektierten Gebieten, deren Herkunft zugleich im Wesentlichen die militärischen Entwicklungen widerspiegelte, eine immer wichtigere Rolle für die Auffüllung des schwindenden Arbeitskräftepotentials des Deutschen Reiches. Darüber hinaus stellten KZ-Häftlinge und gegen Ende des Krieges deportierte ungarische Jüdinnen und Juden weitere Zwangsarbeitergruppen dar, die mangelnde Rekrutierungserfolge ausgleichen sollten. Jede dieser Gruppen trug ebenso maßgeblich zum Auf- und Ausbau des für die österreichische Nachkriegsentwicklung so wichtigen wirtschaftlichen Industriepotentials bei wie zum wirtschaftlichen Erfolg zahlreicher Rüstungs- und Industriebetriebe.
Die Gründung der Ostmarkwerke Wien
Am 17. Oktober 1938 gründete das Deutsche Reich im Wiener Arsenal ein neues Rüstungsunternehmen unter dem Namen
Ostmarkwerke GmbH Wien, das aus der ehemaligen österreichischen
Staatsfabrik, die in der Ersten Republik gemäß des Friedensvertrages von Saint-Germain als einzige Erzeugungsstätte mit der Produktion von Kriegsmaterial betraut war, hervorging.3 Sämtliche Gesellschaftsanteile wurden mit 30. November 1938 an den Deutschen Wehrmachtsfiskus übertragen, wobei die reichseigenen Betriebsanlagen an das neue Unternehmen verpachtet wurden. Als Verpächterin fungierte die
Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH (kurz
Montan),4 der als direkt dem
Heereswaffenamt der Deutschen Wehrmacht unterstellte Privatgesellschaft bereits eine große Zahl an Rüstungsbetrieben zur treuhändischen Verwaltung überantwortet worden waren. Das als ‚Montan-Schema‘ bekannte, komplexe Vertragssystem zwischen Betrieben der Privatindustrie und dem Deutschen Reich gründete auf einer Idee des Abteilungschefs in der
Zentralstelle Heereswaffenamt des Oberkommandos der Wehrmacht, Ministerialrat Martin Johann (Max) Zeidelhack, der zugleich auch als Geschäftsführer der
Montanfungierte.5 Hauptgrund für die Errichtung dieser verworrenen Firmenkonstruktionen war vordringlich der Versuch, die massiven deutschen Wiederaufrüstungsbestrebungen zu verschleiern, die durch den Versailler Vertrag von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges beschränkt worden waren.
Das Hauptbetätigungsfeld der
Ostmarkwerke Wien bestand in der Erzeugung, Reparatur und dem Umbau von Geschützen, Lafetten, Pistolen und Gewehren. Im ersten Rumpfgeschäftsjahr zwischen Oktober 1938 und März 1939 wurden zunächst noch die von der österreichischen
Staatsfabrik übernommenen, ausstehenden Aufträge abgearbeitet und die innerbetriebliche Organisation sowie das Rechnungswesen nach deutschem Vorbild und neuen kaufmännischen Grundsätzen restrukturiert. Zugleich übernahm der bisherige Direktor der
Havelwerke Berlin, Alfred Eckert, die Unternehmensleitung von Oberstleutnant Gustav Orgonas, der als ehemaliger Mitarbeiter der
Staatsfabrik eine geordnete Unternehmensüberführung gewährleisten sollte. Orgonas konnte die neuen deutschen Eigentümer mit seiner Arbeit jedoch nicht überzeugen. Der Ausnutzungsgrad der
Ostmarkwerke in dieser betrieblichen Übergangsphase betrug lediglich 57 Prozent, wobei der ArbeiterInnen- und Angestelltenstand zunächst unverändert auf einem hohen Niveau bestehen blieb. Die dadurch bedingte Unproduktivität führte zu umfangreichen Entlassungen, die zugleich als innerbetriebliche „Säuberungsmaßnahmen“ durch „Ausschaltung der ungeeigneten Gefolgschaftsmitglieder“6 genutzt wurden.
Erste Steigerungen in der Produktion waren jedoch nicht nur umfassenden Rationalisierungsmaßnahmen geschuldet, sondern begründeten sich zudem auf dem allgemeinen Anstieg der Rüstungstätigkeit in ‚geschützter Lage‘. Da dem vormaligen österreichischen Staatsgebiet zu Kriegsbeginn noch kaum Gefahr durch alliierte Luftangriffe drohte, boten sich günstige Standortvorteile für Errichtung und Verlagerung kriegswichtiger Rüstungsbetriebe des Deutschen Reiches. Das erste volle Geschäftsjahr 1939/40 stand dabei ganz im Zeichen des Ausbaus der Betriebsanlagen, insbesondere der Fertigungsstätten für die Produktion von Fliegerabwehrkanonen (Flak) und Lafetten. Zugleich wurden erste Vorbereitungsarbeiten für Umbauarbeiten von erbeuteten Geschützen aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich in Angriff genommen. Diese Ausweitung der Fertigung von Kriegsmaterial bedurfte zusätzlicher Arbeitskräfte. Halbierte sich deren Zahl zunächst noch im Juli/August 1939 aufgrund der anvisierten Kündigungen von über 1.000 Personen auf knapp 600, so waren die Beschäftigtenzahlen nach dem Überfall auf Polen im Herbst 1939 bis zur Produktionsausweitung im Juli 1940 wieder kontinuierlich im Ansteigen begriffen.7 Die hohen Produktionsziffern bei der in den
Ostmarkwerken Wien erzeugten 2cm Fliegerabwehrkanone 38 verhalfen dem Unternehmen im Jahr 1940 zur Erlangung des „Gaudiploms für hervorragende Leistungen“ weshalb ab diesem Zeitpunkt auch das „Gütesiegel eines nationalsozialistischen Musterbetriebes“ geführt werden durfte.8
Im Geschäftsjahr 1940/41 wurde das Unternehmen durch die Angliederung eines zweiten Rüstungsbetriebes erweitert indem die ehemalige tschechoslowakische Telegrafenwerkstätte in Kbely bei Prag dem Unternehmen angeschlossen und als Zweigniederlassung unter dem Firmennamen
Ostmarkwerke GmbH Wien, Werk Praggegründet wurde.9 Aufbau und Verwaltung waren dem Wiener Mutterunternehmen angepasst, lediglich die wirtschaftliche und bilanzmäßige Selbstständigkeit blieb gewahrt, wobei die Werksbilanzen am Jahresende gemeinsam als Gesamtbilanz ausgewiesen werden sollten.10 Das im Jahr 1923 vom tschechoslowakischen Staat gegründete und von der tschechoslowakischen Militärverwaltung monopolhaft geführte Unternehmen in Kbely beschäftigte sich vorwiegend mit der Erzeugung, Reparatur und Entwicklung von elektrischen Apparaten und optischen Geräten. Nach zweijährigem Filialbetrieb wurden die Werke in Prag auf Befehl des deutschen Staatsministers für Böhmen und Mähren, Karl Hermann Frank, vom Wiener Mutterunternehmen getrennt und als eigenständige Gesellschaft neu gegründet.
Zwangsarbeit und Widerstand
Die Rüstungsbetriebe im Wiener Arsenal weiteten angesichts der steigenden Bedrohung durch alliierte Luftangriffe auf das Deutsche Reich im Geschäftsjahr 1942/43 ihre Produktion der 2cm Vierlings-Flak aus. Alleine jene im Arsenal produzierten Kanonen dieses Typus machten rund fünf Prozent des gesamten Bestandes der Deutschen Wehrmacht aus.11
Die für die weiteren Produktionsausweitungen dringend benötigten Arbeitskräfte wurden ab November 1942 im Zuge der ‚Saukel-Aktion‘, benannt nach dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, zugewiesen. Die Mehrzahl waren Arbeitskräfte aus den annektierten Gebieten oder ZwangsarbeiterInnen. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion betrug die Zahl der im Arsenal beschäftigten sowjetischen Kriegsgefangenen Anfang April 1942 etwa 200 Personen. Bis Mai 1943 erfuhr das sowjetische Kriegsgefangenenkontingent eine stete Zunahme. Erst von Juni 1943 bis Kriegsende ging die Zahl der in den Ostmarkwerken eingesetzten sowjetischen Kriegsgefangenen zurück und erreichte im Jahr 1944 einen Tiefststand von etwa 140 Personen.
Die Zahl italienischer Kriegsgefangener, die nach der Kriegserklärung Italiens an das Deutsche Reich ab Oktober 1943 in Gefangenschaft gerieten, blieb konstant bei 140 bis 160 Personen. Besonders hervorzuheben ist jedoch die Zahl der sogenannten ‚Ostarbeiter‘, die sich von 100 bis 200 (Mai 1942) auf rund 350 (September 1942) erhöhte, ehe sie gegen Ende des Krieges einen Höchststand von rund 820 Personen erreichte. Weitere zur Zwangsarbeit eingesetzte Nationalitäten waren Polen und Polinnen, TschechInnen, Franzosen/Französinnen und WeißrussInnen, deren Zahl zwischen 400 und 500 Personen schwankte. Nach der Okkupation Ungarns durch die Wehrmacht im März 1944 wurden Zehntausende ungarische Jüdinnen und Juden deportiert. Am Weg nach Auschwitz wurden Transporte nordöstlich von Wien am Bahnhof Gänserndorf angehalten, die jüdischen Gefangenen gemustert und jene, die als arbeitsfähig befunden wurden, in das Durchgangslager in Strasshof an der Nordbahn gebracht.12 Neben ihrem Einsatz in der Landwirtschaft waren Hunderte ungarische Jüdinnen und Juden – zumeist Frauen und Kinder – bei der Kanonenproduktion in den
Ostmarkwerken im Arsenal unter katastrophalen Bedingungen eingesetzt.
„Der 14-jährige György Weisz musste mit anderen Kindern im Alter von 12 bis 16 Jahren 50 Kilogramm schwere Kanonenteile vom Erdgeschoss in den fünften Stock bringen, wo sie zusammengebaut wurden. Neben seiner Mutter und seiner Tante musste auch seine 70-jährige Großmutter schwer arbeiten. Dennoch betrachteten die Internierten ihre Arbeitsbedingungen als relativ gut, weil sie die große Maschinenhalle vor Kälte schützte. Die Beziehungen unter den Arbeitern – neben Juden waren französische, italienische, belgische und russische (meist ukrainische) Kriegsgefangene sowie Österreicher eingesetzt – waren gut [...]. Die 300 bis 400 Arbeiter der Wiener Ostmark-Werke waren in einer großen Halle mit Stockbetten untergebracht, die im Winter spärlich, aber doch beheizt wurde.“13
Die Belegschaftszahlen konnten durch die im Archiv recherchierten und in einem Zeitzeugengespräch konkretisierten Angaben bestätigt werden. Die Daten zeigen, dass sich Anfang Juli 1944 unter den insgesamt rund 1.200 ausländischen Arbeitskräften 226 arbeitende Jüdinnen und Juden befanden. Darüber hinaus erfasste die Statistik 33 nichtarbeitende – im Sinne von sich nicht in einer arbeitsfähigen körperlichen Verfassung befindenden – Jüdinnen und Juden, fünf Kleinkinder zwischen null und vier Jahren und 30 jüdische Kinder im Alter zwischen vier und zwölf Jahren.14 Auch ein Schreiben der
Ostmark Werke GmbH Wien an die
Verwertungsstelle für Montanindustrie vom 20. September 1944 belegt diese Zahlen: „Vor einiger Zeit wurden uns ungarische Juden zum Arbeitseinsatz zugewiesen. Die Juden sind von uns im Gebäude 114, welches ursprünglich für die Fertigung MK 108 vorgesehen war, untergebracht. Es handelt sich dabei um 236 arbeitende Juden und um 68 nicht arbeitende Familienangehörige.“15
Für die Gesamtzahlen der im Rüstungsbetrieb eingesetzten Kriegsgefangenen ergibt sich folgendes Bild: Während die personelle Stärke des
Reichsarbeitsdienstes (RAD) bis auf wenige Ausnahmen (zumeist gesetzliche Feiertage) für den Untersuchungszeitraum konstant bei 40–50 Personen lag, schwankten sowohl die Zahlen als auch die Herkunft der Kriegsgefangenen enorm. Der Gesamtstand ausländischer Arbeitskräfte in den Wiener Ostmarkwerken belief sich auf rund 1.200 bis 1.400 Personen, ehe im November 1944 ein Maximum von rund 1.800 Personen erreicht wurde. Die quantitativen Veränderungen der Beschäftigtenzahlen lassen demnach Rückschlüsse auf unmittelbare Kriegsereignisse zu und unterstreichen somit die direkten Auswirkungen der Kriegsfront auf das Hinterland.
Auch der – quantitativ als bescheiden zu bezeichnende, aber in seiner Bedeutung nicht gering zu schätzende – kommunistische Widerstand in den Industriebetrieben des Arsenals darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Im März 1939 wurde in den
Wiener Ostmarkwerken durch die Gestapo eine Widerstandszelle ausgehoben, die illegale Flugblätter der antifaschistischen Volksfront verbreitet hatte.16 Im Herbst 1943 wurde den in den Werken beschäftigten Hauptangeklagten Johann Böhm, Leopold Harwarth und Franz Hölscher die Bildung einer kommunistischen Widerstandszelle zur Last gelegt. Böhm und Harwarth waren zudem auch gewerkschaftlich in der
Deutschen Arbeitsfront (DAF) als Zellenobmann beziehungsweise als Angehöriger des Betriebsstoßtrupps organisiert.17 Angeworben wurden beide von Leopold Müller, der bereits bei der illegalen Flugblätteraktion 1939 im Kreis der Verdächtigen gestanden war. Als Leiter der illegalen kommunistischen Zelle in den
Wiener Ostmarkwerken baute Johann Böhm ab 1941 ein enges Kontaktnetzwerk zu anderen Industriebetrieben wie etwa den
Österreichischen Saurerwerken AG (Kontaktperson Franz Baumgartner) auf und übernahm später auch die Leitung der Widerstandsgruppe in Himberg.18 Sowohl Harwarth als auch Böhm wurden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt und Anfang des Jahres 1944 hingerichtet. Der dritte Angeklagte Franz Hölscher wurde ebenfalls wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt, das Urteil jedoch im Herbst 1944 zu einer zwölfjährigen Zuchthausstrafe umgewandelt. Im Jahr 1947 wurde Hölscher schließlich für tot erklärt, sein Schicksal ist unbekannt.
Heute erinnert im Wiener Arsenal kaum mehr etwas an diese dunkle Vergangenheit des Gebäudekomplexes, lediglich die beiden Hochbauten sind Zeugen dieser finsteren Epoche der österreichischen Geschichte.
Philipp Greilinger
Politikwissenschaftler, Post-Doc am
Institut für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien, Dissertation zum Wiener Arsenal in Geschichte und Gegenwart