Porta Decumana und Zenturioquartier in der Wiener Innenstadt ausgegraben

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Römisches Tor bei Bauarbeiten freigelegt

Bei Grabungsarbeiten nach einem Gasgebrechen sind in der Innenstadt Reste eines römischen Tors freigelegt worden. Es handelt sich offenbar um das Fundament der Porta Decumana des Legionslagers Vindobona.

Im römischen Legionslager Vindobona - sowie auch in vergleichbaren Anlagen - endete die Via Decumana in einem Stadttor, der Porta Decumana. Es lag im Bereich Graben bzw. Tuchlauben. Dass davon Reste im Erdreich schlummern, war zu vermuten. Als nun nach dem Gasgebrechen die Straße aufgegraben wurde, bot sich tatsächlich ein Blick in die Vergangenheit - konkret auf Fundamentsteine des Torbogens.

Flanierhindernis für Touristen
Für Passanten gestaltete sich das Geschehen eher wenig spektakulär. Die von der Naglergasse bis in die Bognergasse reichende Künette stellte für die meisten wohl lediglich ein Flanierhindernis an einem hochfrequentierten City-Hotspot dar. Die darin verborgene kleine Sensation war nur für Experten erkennbar, also etwa für Constance Litschauer und Martin Mosser von der Stadtarchäologie.


APA/Stadtarchäologie Wien/ Constance Litschauer

Wie die Archäologen erläuterten, dürften die Steinquader erstmals nach rund hundert Jahren wieder das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben. Zu jener Zeit wurden daran vorbeiführende Leitungen eingebaut. Die Bedeutung des Fundes wurde aber offenbar nicht erkannt, da die Reste des Südtores damals vermutlich auch beschädigt wurden.

Genaue Lokalisierung des Südtors nun möglich
Nun konnten die Fachleute das historische Gestein - rechtzeitig vor dem erneuten Verschwinden - identifizieren. Dank der Zufallsentdeckung kann die südwestliche Haupteinfahrt ins Kastell nun ziemlich genau verortet werden. Wenige Meter entfernt wurde ein weiterer Quader freigelegt, der die Fahrbahnmitte bzw. die Teilung des Tores markiert haben könnte. Auch Schotterreste wurden gesichtet. Der Fahrbahnbelag der technisch weit entwickelten Römer war laut den Archäologen hochwertiger als jener später im Mittelalter.
Die Straße, also die Via Decumana, führte direkt von der Vorstadt ins Lager. Die Reste von der Umgebungssiedlung sind auf dem benachbarten Michaelerplatz zu sehen. Spaziert man von dort über den Kohlmarkt (wie dieser Decumana-Abschnitt heute heißt) Richtung Graben, wandelt man somit auf historischen Spuren. Man geht direkt auf jenen Platz zu, an dem einst die Eingangspforte ins Lager Vindobona stand.


Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Stadtarchäologie

Reste bald wieder unter dem Pflaster
Vor den an beiden Seiten angrenzenden Mauern befand sich übrigens der in solchen Fällen übliche Graben mit diversen Verteidigungseinbauten. Er blieb als Straßenname enthalten. Das Tor selbst bestand bis ins 12. Jahrhundert, als auf den Fundamenten des römischen Vermächtnisses neu aufgebaut wurde. Anstatt der Porta Decumana wurde das sogenannte Peiler- oder Bairertor errichtet, das bis 1731 dort stand.
Die nun ausgegrabenen Reste werden bald wieder zur Gänze unter dem Pflaster verschwinden, weitere archäologische Grabungen wird es dort nicht geben. Dafür hofft man andernorts auf Entdeckungen. Auch die benachbarte Rotenturmstraße folgt nämlich der alten Lagergrenze. Dort finden derzeit ebenfalls Bauarbeiten statt.
Bilder aus dem Artikel:


Eine Rekonstruktion des Römertors
APA/Stadtarchäologie Wien/ 7Reasons


APA/Stadtarchäologie Wien/ Constance Litschauer


APA/Stadtarchäologie Wien/ Martin Mosser


APA/Stadtarchäologie Wien/ Martin Mosser


APA/Stadtarchäologie Wien/ Constance Litschauer

Quelle: Römisches Tor bei Bauarbeiten freigelegt
 

josef

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Überreste eines Zenturioquartiers entdeckt
Bei Grabungen in der Wiener Innenstadt ist diese Woche eine der Kommandozentralen des römischen Legionslagers gefunden worden. Damit sind die Stadtarchäologen der Rekonstruktion des römischen Lagers Vindobona wieder ein Stück näher.
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„So ein Einblick in eine Künette hier, das ist ein Zeitfenster, das sich aufmacht, und dann kommt diese Vergangenheit heraus“, zeigt sich Karin Fischer-Ausserer von den Funden in der Bognergasse gegenüber dem Lokal „Zum Schwarzen Kameel“ begeistert. Bei Grabungsarbeiten für den Ausbau der Fernkälte wurden vergangene Woche Überreste einer römischen Kommandozentrale gefunden.

Leben auf 200 Quadratmetern
Die Leiterin der Stadtarchäologie erklärt, dass sich aus solchen Funden viel über das römische Vindobona ableiten lässt: „Wie haben die Menschen vor 2.000 Jahren gelebt, welche Infrastruktur stand ihnen zur Verfügung, wie war der Alltag konzipiert, wie haben sie gewohnt.“

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Funde wie hier am Graben sind eher selten

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Auch Schmuck und Juwelen findet man in der Innenstadt kaum


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Hier befand sich das Lager der Soldaten


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Die römischen Soldaten lebten eher spartanisch


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Die zivilen Bewohner des römischen Vindobona lebten am heutigen Rennweg


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Mittlerweile kann man die Umrisse der ehemaligen Legionsstadt gut nachvollziehen


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Bereits seit 150 Jahre werden Funde in Wien dokumentiert


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Das Lager bestand bis etwa 500 nach Christus

Die jetzigen Funde gehörten ursprünglich zum Quartier des Zenturios, eines Soldaten, der eine hundert Mann starke Einheit kommandierte. „Der Zenturio hat ein größeres Gebäude gehabt, in dem er gelebt hat – circa 200 Quadratmeter groß. Er hat eben etwas luxuriöser gelebt als die übrigen Soldaten, die zu acht in kleinen Kammern gelebt haben“, erklärt Stadtarchäologe Martin Mosser.

Unternehmen arbeiten mit Archäologen zusammen
Zwischen 100 und 500 nach Christus befand sich an der Donau das römische Lager Vindobona. Mittlerweile ergibt sich ein deutliches Bild des Lagers, sagt Mosser. „Seit über 150 Jahren werden in Wien archäologische Befunde dokumentiert, und wir haben im Lauf der Jahrzehnte die Kasernen und Gebäude dieses Legionslagers aus der Römerzeit rekonstruieren können.“
Der Fund überraschte Mosser nicht. Dass es in dem Gebiet solche Überreste gibt, ist bekannt. Erst im Mai wurden Teile eines römischen Tors nicht weit von der jetzigen Fundstelle entdeckt. Auch die Unternehmen wissen über die Besonderheiten bei Bauarbeiten in der Innenstadt Bescheid, wie Lisa Grohs, Pressesprecherin von Wien Energie sagt: „In so einem historischen Minenfeld muss man sehr sorgfältig arbeiten. Wir arbeiten sehr eng mit der Stadtarchäologie zusammen.“

Stadtarchäologie Wien
So könnte das Soldatenlager in Vindobona ausgesehen haben

Kaum Schmuck in der Innenstadt
Die archäologischen Arbeiten verlaufen dann auch recht flott, die Funde werden dokumentiert und gesammelt, dann ist die Stadtarchäologie auch wieder weg. Der Wert ist für Leiterin Fischer-Ausserer aber immens: „Wenn man sich überlegt, dass vor 2.000 Jahren in Vindobona, dem römischen Wien, schon 35.000 Menschen gelebt haben – dann ist als Archäologe jede Information, die man bekommt, ein Geschenk.“
Auch wenn die Funde für den Laien wie gewöhnliche Ziegelsteine aussehen. Laut Mosser war das erst der zweite vergleichbare Fund: „Wir haben diese Kopfbauten noch nicht so oft gefunden in Wien.“ Schmuck und dergleichen findet man in der Innenstadt hingegen eher selten. Das zivile Lager befand sich am Rennweg. Keramikstücke und Tierknochen kämen aber auch im Legionslager immer wieder vor, genauso wie Waffenteile.
red, wien.ORF.at

Link:
Kultur: Überreste eines Zenturioquartiers entdeckt
 
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