Prag: Als nationales Kulturdenkmal klassifizierte Eisenbahnbrücke über die Moldau soll abgerissen werden

josef

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„WIE EIFFELTURM FÜR PARIS“
Zorn über geplanten Brückenabriss in Prag
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Die tschechische Hauptstadt Prag ist für ihre historische Altstadt weltbekannt. Millionen Touristinnen und Touristen wälzen sich jährlich über die Karlsbrücke. Nur ein Grund, wieso die nebenan liegenden Brücken besonders oft fotografiert werden – so auch die Eisenbahnbrücke. Die augenfällige Stahlgitterstruktur stammt aus der Monarchie – sie ist von historischer Bedeutung. Doch die Brücke soll abgerissen werden, der Aufschrei darüber ist enorm.
Online seit heute, 13.44 Uhr
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Die tschechische Eisenbahngesellschaft, die derzeit Schienenanlagen im ganzen Land erneuert, hält die Eisenbahnbrücke (die gängigste Bezeichnung lautet Zeleznicni most) für den erwarteten steigenden Bahnverkehr ungeeignet. Die Instandhaltung als viel befahrene Verkehrsader sei aufgrund der Korrosion zu aufwendig und kostspielig und deswegen unrealistisch, wird argumentiert. Eine moderne Konstruktion soll die Brücke ersetzen.

Der Vorstoß rief umgehend wütende Reaktionen hervor. Denkmalschützer, Architektinnen und die Stadtverwaltung stiegen auf die Barrikaden – gefordert wurde ein Weiterbetrieb des seit 2004 als nationales Kulturdenkmal klassifizierten Originals. Eine Petition, in der für den Erhalt des über 120 Jahre alten Bauwerks aus dem Jahr 1901 (damals hieß sie Kaiser-Franz-Josef-Eisenbahnbrücke) plädiert wird, erhielt nach der Veröffentlichung der Neubaupläne mehr als 6.000 Unterschriften.

Studie gibt Gegnern Auftrieb
Der Aufschrei rief auch Verkehrsminister Martin Kupka auf den Plan, wie etwa der „Guardian“ zuletzt berichtete – er berief eine Sondersitzung unter Teilnahme von Brückeningenieuren und der Bahnverwaltung ein, um eine Lösung zu finden. Während die Bahnverwaltung mit den anfallenden Kosten argumentierte, entgegneten Kritikerinnen und Kritiker, dass der baufällige Zustand der Brücke auf das Versäumnis zurückzuführen sei, der Instandsetzung Priorität einzuräumen.

IMAGO/pyty
Die Brücke ist seit 2004 ein nationales Kulturdenkmal – geht es nach der Tschechischen Eisenbahn, soll sie abgerissen werden

Eine von der Prager Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie kam dann aber zum Ergebnis, das den Kritikerinnen und Kritikern Aufwind gibt: Der Erhalt der Brücke sei „technisch machbar“, hieß es da – zudem verfüge das Bauwerk „über eine ausreichende strukturelle Kapazität, um den künftig erwarteten Zugsverkehr, einschließlich höherer Zugslasten und höherer Zugsfrequenzen, zu tragen“. Damit wurden die Behauptungen, die Brücke sei nicht mehr zu retten, widerlegt.

„Bedeutung für Prag wie Eiffelturm für Paris“
Der für Verkehrsinfrastruktur und Kulturdenkmäler der Stadt zuständige stellvertretende Bürgermeister Prags, Adam Scheinherr, bezeichnete den Erhalt des Bauwerks als Priorität: „Das Wichtigste an der Brücke ist, dass sie zum Panorama von Prag gehört. Die Prager können sich die Stadt nicht ohne sie vorstellen. Wenn man Filme sieht, die in Prag spielen, ist die Eisenbahnbrücke fast immer dabei.“

Der Vorsitzende des Clubs für die Erhaltung des alten Prag, Richard Biegel, sagte, die Pläne der Eisenbahnverwaltung würden einen „Mangel an Empathie“ erkennen lassen. „Sie (die Brücke, Anm.) ist Teil von etwas, das sinnbildlich für Prag ist“, wurde der Historiker zitiert. „Die Bedeutung der Brücke für Prag ist wie die des Eiffelturms für Paris. Sie ist auch wichtig als bestehendes Element der Zeit der industriellen Revolution in der Stadt.“

„Eine Schande“
Ähnlich sieht das Ian Firth, ein führender Bauingenieur, der sich auf Brückenkonstruktionen spezialisiert hat. Er war Koautor eines Berichts um die Jahrtausendwende: Darin wurde empfohlen, das Bauwerk entweder als Fußgänger- oder als eingleisige Bahnanlage beizubehalten, es aber möglicherweise um 50 Meter zu verschieben, um es neben einer neuen, unauffälligen Bahnbrücke zu platzieren.

„Sie waren nicht interessiert und hatten sich bereits entschieden“, so Firth. „Aber die bestehende Brücke wegzuschmeißen ist eine Schande, denn sie ist ein großartiges Bauwerk. Stellen Sie sich vor, wie groß der Aufschrei in der Welt wäre, wenn die Tower Bridge in London für untauglich erklärt worden wäre und die Verantwortlichen beschlossen hätten, sie abzureißen und etwas anderes zu bauen“, so Firth.
26.01.2023, sime, ORF.at

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