Revolution 1848

Geist

Worte im Dunkel
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#1
Hier gibt es eine Karte, in der die Orte der Barrikaden der Revolution von 1848 eingezeichnet sind, tw. mit erklärenden Texten.

1848 - Die vergessene Revolution - Map

Und ein Artikel dazu (Quelle: Die 160 Barrikaden der Revolution - science.ORF.at)

Die 160 Barrikaden der Revolution

Im heurigen Gedenkjahr geht ein Jubiläum fast unter: 1848, das Jahr, in dem es Österreich einmal mit einer Revolution versuchte. Eine neue Ausstellung geht ihren Spuren nach – und zeigt etwa auf einem Onlineplan die 160 Revolutionsbarrikaden in der Wiener Innenstadt.


„Die Revolution von 1848 ist in unserem historischen Gedächtnis kaum oder nur mehr peripher vorhanden, obwohl sie den Beginn unserer demokratischen Gesellschaft darstellt“, sagt die Kuratorin Michaela Maier vom Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung gegenüber science.ORF.at. „Die vergessene Revolution“ heißt dementsprechend die Ausstellung, die Montagabend passenderweise um 18.48 Uhr im Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse eröffnet werden soll.

Mit Smartphone auf Barrikadenspaziergang
Von Paris ausgehend sprang der Revolutionsfunke vor 170 Jahren auf fast ganz Europa über – auch auf Wien. Neue soziale, liberale und nationale Ideen sorgten für das Feuer, das Metternich und den Kaiser – zumindest kurzfristig - vertrieb. Die Revolutionäre errichteten dabei im Mai 160 Barrikaden in der Innenstadt, dann nochmals im Oktober.


VGA/Sammlung Steiner/AKOÖ
Eduard Ritter: „1. Barrikade, Märzstrasse am 26. Mai 1848“, Lithografie

Für die Ausstellung wurde ein historischer Barrikadenplan in die Gegenwart transferiert. „Wir haben einige dieser Orte, wo sich Barrikaden befanden, aufgesucht und erneut fotografiert“, erklärt der Kunsthistoriker und wissenschaftliche Mitarbeiter Georg Vasold. „Wer heute einen ‚Barrikadenspaziergang‘ macht, kann mit einem Smartphone einen vor Ort befindlichen QR-Code einlesen und sieht zuerst den stadttopografischen Zustand von 1848 und dann den aktuellen Istzustand – denn das Bild am Smartphone wechselt.“

Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 3.9., 13:55 Uhr.
Die historischen Darstellungen seien sehr aufschlussreich, sagt Kuratorin Maier: „Nahezu auf jeder sind Frauen abgebildet, Bürgerinnen, aber auch Arbeiterinnen. Sie versorgen die Demonstranten oder aber kämpfen mit Schaufeln und Gewehren.“ Zu sehen sind Teile davon auch in einer Onlinevariante.


VGA/Sammlung Steiner/AKOÖ
Anton Zampis/Johann Nestroy: Aus der Serie „Kleine Episoden aus dem großen Drama: Wien im Belagerungszustand“

Auch Nestroy dabei
Der Barrikadenplan stammt aus der Sammlung Herbert Steiners, des 2001 verstorbenen Gründers des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Erstmals wird in der Ausstellung eine Auswahl dieses Bestandes öffentlich präsentiert.

Er beinhaltet auch viele Karikaturen – etwa Metternich mit langer Nase – sowie Bilder des weitgehend vergessenen Malers Anton Zampis. In der Ausstellung werden auch ein paar Blätter von Zampis gezeigt, für die Johann Nestroy passende Dialoge geschrieben hat. „Von dieser Zusammenarbeit wussten nur ein paar Nestroy-Forscher, den Kunsthistorikern blieb das bisher verborgen. Insofern liefert die Ausstellung auch eine kunsthistorische Neuigkeit“, so Vasold.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
 

josef

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#2
Die "vergessene Revolution" von 1848 und die Folgen

Die Revolution im Oktober 1848 war eine Mischung aus Reformideen des liberalen Bürgertums und spontaner Wut eines entrechteten Subproletariats
Am Ende stand Wien in Flammen
Nach einwöchiger Belagerung und Beschießung rückten im Oktober 1848 kaiserliche Truppen in die Stadt ein und erstickten die Revolution in Blut. Es gab rund 2.000 Tote, darunter viele Frauen und Kinder. Die zeitgenössischen Zeichner stellten die Vorgänge durchaus realistisch dar: die lodernden Vorstädte, die wüsten Plünderungen, Vergewaltigungen, Morde durch die "Kolonialtruppen" (kroatische Grenzsoldaten), die der Feldherr des Kaisers, Fürst Windischgraetz, gegen die Wiener eingesetzt hatte.

Die Revolution von 1848 war damit erledigt. Sie hatte mit brutalem Militäreinsatz durch Habsburg begonnen und endete mit einem solchen. Am 13. März 1848 demonstrierten tausende vor dem "Landhaus" in der Wiener Herrengasse. Erzherzog Albrecht ließ in die dicht gedrängte Menge feuern. Das erste Opfer war ein jüdischer Student aus Mähren namens Karl Heinrich Spitzer.

Es ging auch um die Emanzipation der Juden bei dieser Revolution, vor allem aber um die Emanzipation der Untertanen vom erdrückenden Feudalsystem und dem Metternich'schen Spitzel- und Unterdrückungssystem. Im Grunde waren es zwei Revolutionen: eine "bürgerliche", der es – wie überall in Europa – um bürgerliche Freiheiten, Volksvertretung, Verfassung, Presse-und Meinungsfreiheit ging. Und eine soziale, proletarische, die eine Änderung der katastrophalen Verhältnisse im Frühkapitalismus und während der frühen Industrialisierung wollte und gleich in einen Maschinensturm übergegangen war. Und um die Befreiung der Bauern von Zehent und Robot (Zwangsarbeit, Anm.), die auch nach Niederschlagung der Revolution blieben.

Gedenkprojekt 2018
1848 ist der Ausgangspunkt des Gedenkprojekts 2018 unter dem Vorsitz von Heinz Fischer, mit gutem Grund: "Republik, Demokratie und Verfassungsstaat sind ebenso direktes Erbe dieses Jahres wie Rede-, Versammlungs- und Medienfreiheit", sagt der Kurator der Ausstellung "1848 – Die vergessene Revolution", Wolfgang Maderthaner, Chef des Staatsarchivs. Allerdings: "Der sogenannte 'Völkerfrühling' der Revolution zeigte allerdings auch erste Momente eines fatalen Nationalismus."

Die Studenten, die die Träger der ersten Welle der Revolution waren, bei der das System Metternich gestürzt und das Kaiserhaus in die Defensive gedrängt wurde, trugen schwarz-rot-goldene Kokarden: Sie wollten eine Verfassung, aber auch eine "deutschnationale" Lösung für die Habsburger-Monarchie. Das ist der Grund, warum die FPÖ sich heute noch auf 1848 beruft. Aber auch die Ungarn, die Tschechen, die Italiener wollten nationale Selbstbestimmung.

Die Ausstellung im Palais Niederösterreich, vormals Landhaus, einfühlsam gestaltet von Hans Hoffer, musste mit relativ geringen Mitteln auskommen . Die meisten Exponate stammen aus der Sammlung von Herbert Steiner, Gründer des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Die "vergessene Revolution" war eine Mischung aus Reformideen des liberalen Bürgertums und spontaner Wut eines entrechteten Subproletariats. Im August schoss dann die bürgerliche Nationalgarde auf demonstrierende Arbeiter. Das kurzzeitige Bündnis unterschiedlicher Interessen war zu Ende, die kaiserliche Militärgewalt konnte beiden den Garaus machen. Dennoch war der politisch-soziale Wandel – Ende des absoluten Feudalsystems, Aufstieg des Bürgertums, Emanzipation der Arbeiter – schon vorgezeichnet.
(Hans Rauscher, 4.9.2018)
Die "vergessene Revolution" von 1848 und die Folgen - derStandard.at
 

josef

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#3
1848 - Das Jahr der Revolution
Die Helden der 1848er Revolution

Erste vorbereitende Sitzung des Reichstages in der Winterreitschule in der Wiener Hofburg im Juli 1848, Schwarz-Weiss-Negativ, 1848
© Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Das Jahr 1848 ist im österreichischen Bewusstsein vornehmlich über den Feldherrn der Gegenrevolution Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky verankert. Es gibt in Österreich kein wirkliches Gedenken an die Helden der 1848er Revolution: nicht an den erschossenen Robert Blum oder an den in Abwesenheit zum Tode verurteilten Hans Kudlich, nicht an die hingerichteten Revolutionäre Wenzel Messenhauser und Hermann Jellinek. In Erinnerung geblieben sind die Sieger, der blutjunge Kaiser Franz Joseph und seine Generäle Fürst Windischgraetz, Joseph Graf Jellacic und eben Radetzky.


Hans Kudlich, Lithografie von Eduard Kaiser, 1848
© Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Nicht nur eine Revolution
1848 gab es in Österreich mehrere Revolutionen. Und ihre Ziele waren grundverschieden. Die Revolutionäre in Oberitalien wollten ein unabhängiges Italien, die Ungarn ein eigenes Königreich, es gab Revolutionen in Prag, in Krakau und natürlich in Wien. In den österreichischen Provinzstädten blieb der revolutionäre Eifer sehr bieder, auch wenn man in Linz "tun wollte, was die Wiener tun".
Es gab ein Bündel von unterschiedlichsten Interessen und Zielen: die bürgerliche Verfassungsbewegung, die Bauernrevolten, die Protestwelle der frühindustriellen Arbeiterschaft, die nationalen Befreiungsbewegungen, die Frauenemanzipation.
Die Ziele des liberalen Bürgertums waren die Freiheit der Meinung, die Versammlungsfreiheit, die Budgethoheit und die Unantastbarkeit des Eigentums. Die Bauern wollten die entschädigungslose Streichung ihrer Feudallasten. Die in prekären Verhältnissen lebenden Menschen wollten Beschäftigung, Erhöhung der Löhne, Arbeitszeitverkürzung und Senkung der drückenden indirekten Steuern.


Wiener Oktoberaufstand 1848, Dachbrand der Hofbibliothek und der Augustinerkirche am Josefsplatz, Kolorierte Lithografie, 1848
© Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv

Das Ende des Feudalzeitalters
Schließlich erreichten nur die Bauern, was sie wollten, nämlich die Aufhebung der Grunduntertänigkeit und damit des Feudalsystems, allerdings nur gegen entsprechende Ablösezahlungen. Die bürgerlichen Ziele, Gleichheit, Mitbestimmung, Wahlrecht, Lehr- und Lernfreiheit, Meinungsfreiheit, wurden zwar festgeschrieben, waren aber im Neoabsolutismus vorerst ausgesetzt und wurden erst viel später verwirklicht. Die Anliegen der Arbeiter, der Nationalitäten, der Frauen wurden hingegen weiter unterdrückt. Doch 1848 bedeutete das formelle Ende des Feudalzeitalters und den ersten Start des Parlamentarismus und der demokratischen Mitbestimmung.


"Im Namen der konstitutionellen Regierung still! Ich werde vorlesen." Eine revolutionäre Kaffeehausszene in Wien, Schwarz-Weiß-Negativ, 3. März 1848
© Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv
1848 : Republik Österreich
© Bundeskanzleramt Österreich 2017 Die Wiedergabe mit Quellenangabe ist vorbehaltlich anderslautender Bestimmungen gestattet.
 

josef

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#4
175 Jahre Märzrevolution: Des Kaisers loyale Revolutionäre
Im März 1848 ist in Wien losgebrochen, was in der Geschichtsschreibung als "bürgerliche Revolution" bezeichnet wird. Im Rückblick zeigt sich, dass sich vieles durchgesetzt hat und nachwirkt

13. März 1848 in der Wiener Herrengasse: Adolf Fischhof redet, Hans Kudlich wird durch einen Bajonettstich verletzt. Beide Ärzte prägen die Revolution – der eine wird verhaftet (und wieder freigelassen), der andere flieht in die USA.

Der 13. März 1848 war ein schöner Montag in der Wienerstadt. Es war auch der Geburtstag des zwar längst verstorbenen, aber immer noch populären Reform-Kaisers Joseph II. (13. März 1741 bis 20. Februar 1790). In Wien hat man Sinn für solche Symbolik. Viele Arbeiter machten blau, viele Bürger spürten den Geist der Veränderung – und lasen auf Seite eins der Wiener Zeitung von einem Beschluss der deutschen Bundesversammlung, dass "jedem deutschen Bundesstaate freigestellt (wird), die Censur aufzuheben und Preßfreiheit einzuführen". Das war eine der Forderungen, die in diesen Tagen auch in Wien kursierten. Sie war unter anderem in einer vom Advokaten Alexander Bach formulierten "Bürgerpetition" enthalten, die an diesem Montag im Haus der niederösterreichischen Stände verlesen werden sollte.

Also zog es viele Wiener in die Herrengasse. Das große Tor zum Landhaus stand offen, eine Gruppe von Studenten stürmte hinein. Der junge Arzt Adolf Fischhof forderte in einer begeistert aufgenommenen Rede Dinge, die uns heute selbstverständlich erscheinen: neben der Pressefreiheit auch Lehr- und Lernfreiheit, Religionsfreiheit und Schwurgerichtsbarkeit. Bejubelt wurde auch die Forderung, die Staatsfinanzen offenzulegen und zu kontrollieren – alles, was die seit Jahrzehnten von Staatskanzler Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773–1859) geführte Regierung bisher abgelehnt hatte.

Landhaus-Besetzung
Gegen elf Uhr vormittags besetzten immer mehr Menschen das Landhaus, warfen Möbel auf die Straße und verbreiteten eine revolutionäre Stimmung. Das blieb auch in der nahen Hofburg nicht unbemerkt – dorthin hatte sich ein Demonstrationszug auf den Weg gemacht. Seit Tagen hatte die Regierung von Kaiser Ferdinand (man nannte ihn den "Gütigen") den Inhalt der Bürgerpetition gekannt, war am Sonntagabend auch bereit gewesen, ein wenig nachzugeben. Was aber nicht bekanntgegeben wurde, da die Regierung sich vor "demagogischen" Schritten hüten wollte. Schließlich hatte der Leiter der Polizei- und Zensurhofstelle, Josef von Sedlnitzky, stets gemeldet, dass die Polizei Herr der Lage sei. War sie aber nicht. Also sollte an jenem Mittag das Militär für Ordnung sorgen.

Stadtkommandant Erzherzog Albrecht ritt an der Spitze der in den Vorstädten stationierten Truppen in die Innenstadt. Es waren vor allem in Norditalien ausgehobene Soldaten, die nicht Deutsch verstanden und die Anliegen der aufgebrachten Bürger und Arbeiter nicht verstehen konnten. Als der Erzherzog von einem Stein getroffen wurde, den einer der Demonstranten geworfen hatte, ließ er schießen. Es gab die ersten Toten.

Angst vor der eigenen Courage
In der Hofburg: Angst. Draußen: Verwirrung und Unsicherheit. War man zu weit gegangen? Oder konnte man die bürgerlichen Freiheiten jetzt einfach in die Hand nehmen? Und: Würde man die einmal begonnene Revolution selbst in den Griff bekommen, bevor sich vielleicht wütende Arbeiter gegen die Fabrikanten und das Bürgertum stellen würden? Denn das hatte derweil vor den Stadtmauern begonnen: Dort war die blanke Not zu spüren – die bürgerliche Revolution war eben durchaus auch eine proletarische.

Das lag daran, dass es in der Zeit, die fortan "Vormärz" genannt werden sollte, an allem mangelte – nicht nur an bürgerlichen Freiheiten, sondern auch an Geld und nicht zuletzt an Essen. Die Jahre 1846 und 1847 waren europaweit durch eine große Hungersnot geprägt. Witterungsbedingte "Missernten" und die seit 1844 grassierende Kartoffelfäule dezimierten die Vorräte an Grundnahrungsmitteln. Die Teuerung machte es besonders unausgebildeten Handwerkern und Hilfsarbeitern unmöglich, ausreichend Nahrung zu kaufen – gleichzeitig schwanden angesichts der durch technischen Fortschritt möglichen Rationalisierung im Arbeitsprozess die Verdienstmöglichkeiten.

Kommunistische Aufstände
Ein deutscher Journalist ließ am 21. Februar 1848 in London – fernab der Zensur im deutschsprachigen Raum – ein "Manifest der Kommunistischen Partei" drucken. Sein Name: Karl Marx. Sein Aufruf: "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" Am 23. Februar, noch hatte der Text keine Leser auf dem Kontinent erreicht, brach in Frankreich die Revolution aus. Dort wurde der "Bürgerkönig" Louis-Philippe abgesetzt und die Zweite Republik ausgerufen.

Die Nachrichten davon erreichten reformorientierte Bürger in den deutschen Landen – zu denen sich auch Teile der Habsburgermonarchie zählten. Und sie erreichten nationalistisch gesinnte Bewohner in den anderen Teilen der Monarchie. Aufstände überall.

Wobei der Wiener Aufstand ein besonderes Feindbild hatte: Metternich. Der sollte abtreten, bis 21 Uhr – so lautete die Forderung am 13. März. Und bei Hofe war man sich darüber im Klaren: Hier musste man nachgeben. Wie man überhaupt den Revolutionären nachzugeben bereit war, um den eigenen Kopf und die Macht des Kaiserhauses zu sichern. Erzherzogin Sophie, Mutter des damals noch keine 18 Jahre alten Erzherzogs Franz (der nach Niederschlagung der Revolution bis 1916 als Kaiser Franz Joseph bekannt wurde), drängte besonders auf Erfüllung der Forderungen – sie sah richtigerweise Chancen für eine spätere Machtübernahme ihres Sohnes.

Ordnung muss sein
Aber noch war es lange nicht so weit. Noch schreibt man den 13. März. Bürger bewaffnen sich. Sebastian Jenull, der Rektor der Universität, kommt am Nachmittag in vollem Talar in die Hofburg und verlangt erfolgreich die Bewaffnung der Studenten. Polizei und Militär hatten ja versagt, jetzt wollten die Bürger mit ihrer Nationalgarde und Studenten mit der Akademischen Legion selbst für Ordnung sorgen. Eine Ordnung, die den Besitz schützen, Plünderungen und Ausschreitungen in den Vorstädten hintanhalten sollte. Dort herrschten inzwischen chaotische Zustände – während Metternich endlich die ersehnte (und an den Kaiser adressierte) Rücktrittserklärung verlas. Die anwesende Delegation der Revolutionäre soll recht perplex über den eigenen Erfolg gewesen sein. Eine Nacht lang herrschte Chaos. 35 Tote waren an den ersten beiden Tagen der Revolution in Wien zu beklagen – heute ist der Achtundvierzigerplatz im 14. Bezirk nach diesen "Märzgefallenen" benannt.

Die erste revolutionäre Welle ebbte rasch ab – nicht zuletzt, weil zwar ein demokratischer, nicht aber ein republikanischer Funke nach Wien übergesprungen war. Man wünschte sich eine verantwortliche Regierung – nur: Wem sollte diese eigentlich verantwortlich sein, wenn der eigentliche Souverän der Kaiser war? Dem Kaiserhaus waren die meisten Revolutionäre loyal verbunden. Noch im Oktober 1848, kurz vor der endgültigen Niederschlagung des Wiener Aufstands, beharrte Wenzel Georg Messenhauser, der Kommandant der hiesigen Nationalgarde, darauf, dass er keine Rebellion gegen den Kaiser dulde.

Revolutionstourist Marx
Mit der Demokratie war es auch so eine Sache: Das Volk musste erst um sein Selbstverständnis ringen. Ein allgemeines gleiches Wahlrecht war nicht bei allen Trägern der Revolution erwünscht (es kam erst 1919 in der Republik) – und ob Volk gleichzeitig auch Nation bedeute, war ebenfalls umstritten. Die Wiener Märzrevolution wurde von großen Teilen des deutschsprachigen Bürgertums auch als großdeutscher Aufbruch verstanden – nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Teilen des nach den Napoleonischen Kriegen geschaffenen Deutschen Bunds. Das revolutionäre Paulskirchenparlament in Frankfurt wählte dann Erzherzog Johann zum Reichsverweser.

Karl Marx kam am 27. August nach Wien, wo gerade Arbeiterunruhen und Proteste gegen Entlassungen Todesopfer gefordert hatten. Drei Tage später hielt er einen Vortrag über die internationale Arbeiterschaft im Saal "Zum Sträußl" des Theaters in der Josefstadt, und am 2. September sprach er zur Rolle der Lohnarbeit im kapitalistischen System. Er erzeugte viel Eindruck, aber wenig Wirkung.

Grundentlastung für Bauern
Etwa gleichzeitig beschloss der Reichstag das vom schlesischen Bauernsohn Hans Kudlich vorgeschlagene Grundentlastungspatent. Als eine der wenigen Errungenschaften der Revolution blieb die Bauernbefreiung unmittelbar nach deren Niederschlagung wirksam. Andere 1848 angestoßene Reformen kamen teils erst nach Jahrzehnten zur vollen Wirkung. Kudlich musste, wie viele andere Revolutionäre, die die Restauration des Absolutismus überlebt hatten, in die USA fliehen. Dort spielten viele "Forty-Eighters" weiter eine bedeutende Rolle: Sie trugen wesentlich zur Abschaffung der Sklaverei bei.
(Conrad Seidl, 25.2.2023)
175 Jahre Märzrevolution: Des Kaisers loyale Revolutionäre
 
#5
Grundentlastung für Bauern
Diese Grundentlastung hat am Semmering dazu geführt, dass die Bauern 1/3 des Grundes vom Eigentümer (Fürst Liechtenstein) erwerben konnten.
Die Bauern erwarben meistens Felder und Wiesen, sehr selten Waldanteile.
Im Zuge des Semmering-Booms waren wiederum diese Bauern diejenigen, welche viel Grund und Boden an die Neuansiedler verkauften, damit diese ihre Luxusvillen/Häuser/Hotels an den schönsten Plätzen bauen konnten.
d.h. die Wertsteigerungen müssen gewaltig gewesen sein.
 

josef

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#6
Kärnten und die Revolution 1848
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Heuer jährt sich das Revolutionsjahr 1848 zum 175. Mal. Die Revolution markiert auch für Kärnten den Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit. Mit der Einführung von Wahlen, der Geburt des modernen Journalismus und sozialen Umwälzungen, wurde die Gesellschaft nachhaltig verändert.
Online seit heute, 6.33 Uhr
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Wilhelm Wadl, der Direktor des Geschichtsvereins Kärnten: „Kärnten hat den Sprung vom Mittelalter in die Neuzeit eigentlich erst in diesem Jahr vollzogen. 80 Prozent der Menschen wurden aus Untertanen zu Staatsbürgern.“ Das erste Mal fanden Wahlen auf allen Ebenen, von der Gemeinde bis zum Reichsparlament in Frankfurt statt. Zudem wurde der moderne Journalismus 1848 geboren, erstmals konnten Zeitungen frei berichten. Vorher seien es nur Amtszeitungen mit völlig veralteten Berichten gewesen, sagte der Experte.

„Blutige Konflikte“
Doch bei diesen Errungenschaften gab es auch teilweise blutige Konflikte. „Es herrschte enorme Aufregung und manches war durchaus auch gewalttätig, auch wenn es in Kärnten Einzelerscheinungen waren“, so Wadl. Besonders in Erinnerung bleibt ein Aufstand, der durch die Erhöhung des Rindfleischpreises ausgelöst wurde. „Eine riesige Menschenmenge versammelte sich vor dem damaligen Kreisamt und alle Fenster am Amtsgebäude wurden eingeschlagen“, erinnerte Wadl. Die Nationalgarde schritt damals nicht ein, weil einige der ärmeren Gardisten selber unter den Aufrührern waren und sich an dem Krawall beteiligten.

Die Revolution fand nicht nur in Kärnten statt, sondern auch im gesamten Kaiserreich und darüber hinaus. Kärnten wurde abschnittsweise zum Kriegsschauplatz. An der Grenze bei Pontebba wurde sogar kurzzeitig geschossen und es kam zu nationalen Unruhen in Kärnten, so Wadl: „Man wandte sich gegen die wallischen Maurer und Ziegelei-Arbeiter und so weiter und sah in ihnen eben Verräter.“

Rotwild wurde ausgerottet
Mit dem Ende der Grundherrschaft ging auch das feudale Vorrecht an der Jagd verloren. Das Jagdrecht ging somit an die Grundstückseigentümer über. „So haben in diesem Jahr die alten Feudalherren und die Bauern auf Teufel komm raus geschossen. Es wurde gewildert wie nie zuvor“, so der Direktor des Geschichtsvereins Kärnten. Das führte in einigen Landesteilen wie in den Karawanken dazu, dass es zur völligen Ausrottung des Rotwildes in diesem Jahr kam.

Nach den blutigen Auseinandersetzungen wurden in den Städten aus Angst vor weiteren Revolutionen Festungen errichtet. In Wien war das Arsenal ein Riesenkomplex. Die Klagenfurter Festung in Waidmannsdorf sei verglichen damit ein kleines Häusl gewesen, sagte Wadl.

Bundesland Kärnten dank Revolution
Die Revolution von 1848 führte zu einer totalen Umgestaltung der Gesellschaft. Gemeinden wurden geschaffen, Bauern wurden als Bürgermeister gewählt und Aufgaben, die bisher die Grundherrschaft erledigt hatte, musste nun der Staat übernehmen. „Daher wurden Bezirksgerichte geschaffen, Bezirkshauptmannschaften, Finanzämter und die ganze Struktur der Gesellschaft hat sich komplett verändert“, so Wadl. Eine weitere Errungenschaft der Revolution war die Wiederherstellung Kärntens als eigenständiges Land. „Dass es Kärnten heute als Bundesland gibt, verdanken wir der Revolution 1848“, betonte Wadl.
03.07.2023, red, kaernten.ORF.at
Kärnten und die Revolution 1848
 
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