Russland: Erste Einheit mit Hyperschall-Raketen vom Typ "Avangard" einsatzbereit

josef

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#1
Russische Hyperschall-Rakete Avangard offiziell in Betrieb
Präsident Putin bezeichnete neues System als "praktisch unbesiegbar", 20-fache Schallgeschwindigkeit, 4000 Kilometer Reichweite

Eine undatierte Fotoaufnahme des russischen Verteidigungsministerium zeigt den Start einer Langstreckenrakete.
Foto: AP

Moskau – Die russische Armee hat die erste Einheit mit Hyperschall-Raketen vom Typ Avangard in Betrieb genommen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Präsident Wladimir Putin darüber informiert, dass das Raketenregiment seit Freitag 10.00 Uhr (Ortszeit) funktionsfähig sei, teilte das Ministerium mit.

Im Dezember 2018 wurde angekündigt, die erste Einheit mit diesen Waffen werde bei Orenburg im Ural eingesetzt. Putin bezeichnete die Avangard-Raketen im Juni 2018 als "absolute Waffe". Die Interkontinental-Raketen mit einer Reichweite von 4000 Kilometern wurden im Dezember 2018 erstmals getestet. Die Fluggeschwindigkeit wurde von der Regierung in Moskau mit Mach 20 angegeben, der 20-fachen Schallgeschwindigkeit. Sogar eine Geschwindigkeit von Mach 27 soll möglich sein – das wären mehr als 33.000 Kilometer pro Stunde.

"Praktisch unbesiegbar"
Da das Ziel und die Flughöhe noch im Flug geändert werden können, bezeichnete Putin den Raketentyp als "praktisch unbesiegbar". Er glaube nicht, dass irgendein Land in den kommenden Jahre über eine solche Waffe verfügen werde, ergänzte Putin. "Wir haben sie bereits."
Nach russischen Angaben können die Avangard-Raketen jeden derzeit bestehenden Raketenschild durchbrechen. Im kommenden Jahr sollen die russischen Streitkräfte mit einem weiteren Waffentyp ausgerüstet werden, der von Putin als "unbesiegbar" bezeichnet wurde. Es handelt sich um die Interkontinental-Rakete Sarmat in ihrer fünften Baureihe.
(APA, 27.12.2019)
Russische Hyperschall-Rakete Avangard offiziell in Betrieb - derStandard.at
 

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#3
Enorm schnell und manövrierbar: Warum Hyperschallwaffen gefährlich sind
Weltweit läuft ein Wettbewerb um zielgenaue, schnelle und schwierig abzuwehrende Waffen
Fünfmal so schnell wie der Schall sollen sie ihr Ziel treffen, vergleichsweise leicht zu manövrieren sein und eine geringe Flughöhe aufweisen: Hyperschallwaffen gelten aktuell in der Militärforschung als eine der vielversprechendsten Waffen. Anders als reguläre Raketen sind sie schwieriger für Radars auszumachen. Wie Dirk Zimper vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gegenüber "Heise" erklärt, liege die Abwehrzeit normalerweise bei 20 Minuten – Hyperschallwaffen verringern sie auf etwa zwei, drei Minuten.

Entsprechend stiegen europäische Staaten vermehrt in den Wettlauf um die neue Technologie ein – etwa mit dem geplanten EU-Projekt Twister, das zwei unterschiedliche Hyperschallraketentypen vorsieht. Auch wurde das Budget für den Sektor "Space and Defense" auf 16,2 Milliarden Euro erhöht. Und auch Deutschland investiert vermehrt in die Militärforschung.

Aktiv vorangetrieben
Russland und China setzen oder werden in Zukunft immer mehr auf Hyperschalltechnologie setzen. In beiden Ländern wird die Forschung an solchen Waffen aktiv vorangetrieben. Das russische Awangard-System schlug bei einem Test Ende vergangenen Jahres mit einer Geschwindigkeit, die 20-mal so hoch war wie jene von Schall, auf der Halbinsel Kamtschatka zielgenau ein.

Bilder des Awangard-Gleiters wurden bisher nicht veröffentlicht – im Video ist eine Trägerrakete zu sehen
faz

Die Reichweite der Waffe wird mit 10.000 Kilometern beziffert. Tatsächlich dürften eher 6.000 Kilometer realistisch sein. Chinas Rakete soll 2.500 Kilometer fliegen können und fünf- bis zehnmal so schnell wie der Schall sein.

Abwehrmaßnahmen
Das größte Problem, das solche Waffen darstellen, ist der sehr kurze Zeitraum, in dem die Abwehr erfolgen muss. Kombiniert mit der hohen Manövrierbarkeit der Waffe ist es schwierig, sie abzufangen. Entsprechend warnen Experten vor den Gefahren und sehen einen dauerhaften Wettbewerb um Angriff- und Verteidigungssysteme, die aneinander angepasst werden müssen. Dabei müssten auch die Abwehrmaßnahmen auf Staustrahltriebwerke setzen, die in diesem Fall zum Einsatz kommen und enorm hohe Geschwindigkeiten ermöglichen.
(red, 5.3.2020)

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Enorm schnell und manövrierbar: Warum Hyperschallwaffen gefährlich sind - derStandard.at
 

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#4
Russland testet mehrere Hyperschall-Raketen
Kreml-Chef spricht von wichtigem Schritt zum Schutz der Sicherheit des Landes

Start einer Zirkon-Rakete von der Lenkwaffenfregatte Admiral Gorschkow, Weißes Meer, Juli 2019.
Foto: Reuters/Russian Defence Ministry/Handout

Diesmal wurde eine Raketensalve abgefeuert.
Foto: Reuters/Russian Defence Ministry/Handout

Moskau – Russland hat nach Angaben von Präsident Wladimir Putin erfolgreich mehrere Hyperschall-Raketen gleichzeitig getestet. Die Tests seien in der Nacht auf Freitag erfolgt und "erfolgreich und fehlerfrei" verlaufen, sagte Putin am Freitag in einer Fernsehansprache. Für Russland sei dies "ein großes Ereignis und ein wichtiger Schritt zur Stärkung der russischen Sicherheit und zur Verbesserung seiner Verteidigungskapazitäten", fügte er hinzu.

Putin hatte die Entwicklung der Hyperschall-Rakete Zirkon im Februar 2019 angekündigt. Seither nahm die russische Armee mehrere Tests mit der Rakete vor. Eine gleichzeitige Testung mehrerer Zirkon-Raketen hatte Russland bis jetzt aber nicht gemeldet.
Hyperschall-Raketen können mehr als die fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen und sind im Flug manövrierfähig. So sind sie für die herkömmliche Luftabwehr schwer auszumachen und abzufangen. Um die Entwicklung von Hyperschall-Raketen ist ein internationaler Wettlauf zwischen den USA, Russland und China entbrannt.
(red, APA, 24.12.2021)

Weiterlesen
Die USA sehen Chinas Hyperschalltest als Fanal des nächsten kalten Krieges

Russland testet mehrere Hyperschall-Raketen
 
#5
NATO: Hände weg von der Ukraine!!!!!
Oder wie würde die USA reagieren wenn Putin auf Kuba Raketenschutzschilder, schnelle Eingreiftruppen, S 300, S 400 oder vielleicht S 500 installieren würde....., ähnliche Situation hatten wir doch schon mal...
 

josef

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#6
ÜBER MACH 5
Hyperschallwaffen: Haben Russland und China die USA im Wettrennen um die neue Superwaffe abgehängt?
Die drei Länder führen in der Entwicklung einsatzfähiger Hyperschallwaffen. Der globale Rüstungswettlauf hat schon lange begonnen, doch welches Land bildet die Speerspitze?

Der jüngste Test der luftgestützten US-Hyperschallrakete "AGM-183A Air-launched Rapid Response Weapon" verlief erfolgreich.
Foto: U.S. Air Force/Giancarlo Casem/Handout via REUTERS

Hyperschallwaffen verbinden die Vorteile und gleichen die Unzulänglichkeiten der zwei Hauptkategorien von Raketen aus: Geschwindigkeit und Manövrierbarkeit. Sie sind schneller als Marschflugkörper (cruise missiles), und ihre Flugbahn ist anders als bei ballistischen Raketen (ballistic missiles) unvorhersehbar, da sie während des Fluges manövrierbar sind. Das macht sie äußerst schwer abzufangen.

Ende Juni nahm sogar die Nato in ihrem neu verabschiedeten strategischen Konzept Bezug auf die russischen Hyperschallwaffen, als sie vor Russlands Modernisierung der Nuklearstreitkräfte und den neuartigen, zweifach verwendbaren Trägersystemen warnte. Moskaus Behauptung, die Kinschal-Rakete im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt zu haben, schürte weltweit Befürchtungen. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, hat das Pentagon sein Budget für das Hyperschallwaffenprogramm für 2023 um mehr als 20 Prozent auf 4,7 Milliarden Dollar erhöht. Kürzlich meldeten die USA nach mehreren Fehlschlägen, dass ein Test der luftgestützten Hyperschallrakete vom Typ "AGM-183A Rapid Response Weapon" (ARRW) des Herstellers Lockheed Martin erfolgreich verlaufen ist.



Im Vergleich zu den zwei Hauptkategorien von Raketen – ballistische Raketen einerseits und Marschflugkörper andererseits – kann ein Hyperschall-Gleitflugkörper (hypersonic glide vehicle, HGV), wie in dieser Abbildung dargestellt, seinen Einschlagpunkt und die damit verbundene Flugbahn während seiner gesamten Flugzeit verändern. Außerdem fliegen HGVs in niedrigerer Höhe als ballistische Flugkörper.
Foto: RAND Corporation

Die besten Luft- und Raumfahrtingenieure arbeiten im Bereich der Entwicklung von Hyperschallwaffen. DER STANDARD hat sich mit einem von ihnen, dem US-Amerikaner George Nacouzi, unterhalten.
Interview:


STANDARD: Wurden die USA als eine der drei führenden Nationen in der Entwicklung von Hyperschallwaffen schon von Russland und China abgehängt?
Nacouzi: Ja, es scheint so, als ob die USA ein wenig im Rückstand sind, wenn wir alles glauben, was China und Russland über ihre eigenen Programme sagen. Beide Länder geben an, dass sie über einsatzfähige Hyperschallraketen verfügen. Moskau soll sogar Hyperschall-Gleitflugkörper (hypersonic glide vehicles, HGV) mit großer Reichweite haben, was ich allerdings bezweifle. Im Vergleich zu den USA haben Russland und China die Entwicklung dieser Waffen in den letzten Jahren aktiv und mit viel finanziellen Mitteln vorangetrieben. Die von den USA entwickelten Hyperschallwaffen sollen in den nächsten Jahren einsatzfähig sein. Amerika hat hier ein wenig Nachholbedarf, was die Einsatzfähigkeit angeht, aber ich sehe das nicht als ein großes taktisches Problem an.
STANDARD: Warum nicht?
Nacouzi: Die USA haben, so wie Russland und China, eine Menge anderer sehr effektiver Waffen. Vom Standpunkt der strategischen Stabilität aus betrachtet – also was strategische Atomwaffen betrifft – habe ich überhaupt keine Bedenken. Kurzfristig ist das kein Thema. Die gesamte strategische Stabilität basiert schließlich auf Abschreckung. Es wird oft vergessen, dass die Entwicklung von Hyperschallwaffen eine sehr teure und komplexe Angelegenheit ist und viel Forschung sowie Tests erfordert. Von den angeblich eingesetzten Hyperschallwaffen weiß niemand genau, wie effektiv und zuverlässig sie sind. Man investiert also in mehr Präzision. Aber wenn man bereits tausende Raketen besitzt, braucht man keine besonders hohe Präzision. Man muss nur nah genug an das Ziel herankommen.
STANDARD: Bei der Ausstattung mit Windkanälen für Tests von Hyperschallwaffen soll China einen entscheidenden Vorsprung gegenüber den USA haben. Ist das so?
Nacouzi: Ja, da stimme ich zu. China hat in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in neue Infrastruktur für Hyperschallwaffentests getätigt. Die Infrastruktur in den USA ist etwas älter, aber es wurden einige Anstrengungen unternommen, um neue Hyperschall-Windkanäle zu entwickeln. Die University of Texas at San Antonio hat vor etwas mehr als einem Jahr einen "Mach 7 Ludwieg Tube" fertiggestellt. Windkanäle sind ziemlich teuer, weshalb man Zeit braucht für die Genehmigung, den Entwurf und den Bau.


Mit Kinschal-Hyperschallraketen ausgestattete MiG-31K-Kampfjets während einer Übung der strategischen Abschreckungskräfte in Russland.
Foto: EPA/RUSSIAN DEFENCE MINISTRY PRESS SERVICE / HANDOUT

STANDARD: Wie schätzen Sie die Kinschal-Hyperschallraketen ein, die von Russland im Ukraine-Krieg eingesetzt werden und ein Raketenarsenal zerstört haben sollen?
Nacouzi: Die Kinschal gehört nicht zu den neuen Hyperschallwaffen, wenn wir die übliche Kategorisierung heranziehen. Es handelt sich weder um einen Hyperschall-Gleitflugkörper (hypersonic glide vehicle), noch um einen Hyperschall-Marschflugkörper (hypersonic cruise missile). Im Grunde genommen hat man eine kleine ballistische Rakete, die Iskander, genommen und sie so modifiziert, dass sie luftgestützt ist. Die Kinschal soll eine Reichweite von bis zu 2.000 Kilometer erzielen können und einen manövrierfähigen Gefechtskopf haben, der mit einem Inertialsensor und einem optischen Sensor ausgestattet ist. Das macht sie zu einer präzisen und wirksamen Waffe. Ich warne davor, sie zu unterschätzen. Die Kinschal kann viel Schaden anrichten, und man kann sich schwer dagegen verteidigen. Wobei das im Grunde für jede ballistische Rakete gilt.
STANDARD: Inwiefern?
Nacouzi: Ich erlebe es oft, dass Leute plötzlich Angst bekommen, wenn sie das Wort Hyperschall nur hören. Meistens ist ihre erste Reaktion dann: "Oh, die haben solche Waffen, und wir können uns nicht einmal dagegen verteidigen." Dabei scheinen sie zu vergessen, dass es bereits jetzt viele Raketen und Waffen gibt, gegen die wir uns nicht verteidigen können. Das trifft auf so gut wie jede ballistische Rakete zu. Wir verfügen nur über begrenzte Fähigkeiten, Raketen – und das ausschließlich in geringer Zahl – abzuwehren. Normalerweise kann jedes Abwehrsystem durch eine höhere Anzahl von Raketen überwältigt werden. Sobald viele Raketen abgefeuert werden, ist das Verteidigungssystem schlichtweg überfordert. Die Raketenabwehr der USA ist ein sehr, sehr begrenztes Abwehrsystem. Es kann vielleicht ein paar Dutzend Raketen aus Russland aufhalten. Aber wir können mit Sicherheit nicht hunderte oder tausende Raketen aufhalten.
STANDARD: Wie groß ist Russlands Arsenal an Hyperschallwaffen?
Nacouzi: Das weiß ich nicht. Es gibt nur Schätzungen. Wenn man ein Urteil fällen müsste, würde ich sagen, dass Moskau nicht viele davon hat, denn sie scheinen sie nicht oft zu verwenden. Und jedes Mal, wenn sie eine einsetzen, hängen sie es an die große Glocke, nach dem Motto: "Wir haben diese Hochpräzisionswaffe." Es gibt Schätzungen, dass Russland bereits mehr als die Hälfte seines Bestands an Präzisionsraketen aufgebraucht hat.
STANDARD: Berichten zufolge bezieht Moskau zahlreiche Komponenten für die eigene Rüstungsindustrie aus dem Ausland. Kann es überhaupt noch Hyperschallwaffen produzieren, wenn man die Sanktionen bedenkt?
Nacouzi: Die Sanktionen wirken sich meiner Meinung nach definitiv auf Russlands Rüstungsindustrie aus. Offenbar ist Moskau auf den Import vieler wesentlicher Komponenten angewiesen: Halbleiter, Sensoren und Navigationssysteme zum Beispiel. Was die Elektronik betrifft, ist der Westen tendenziell fortschrittlicher. Solange die bereits verhängten Sanktionen weiter aufrechterhalten oder gar verschärft werden, wird Moskau es schwer haben, einige seiner modernen Waffen zu produzieren. Falls sie versuchen, Komponenten aus China zu beziehen, müssten sie die Hyperschallwaffen bis zu einem gewissen Grad umkonstruieren. Russland wird also mehr Zeit aufwenden müssen, um nachzurüsten.
(Kiyoko Metzler, 27.7.2022)

George Nacouzi ist leitender Ingenieur der Rand Corporation, einer gemeinnützigen Forschungsorganisation, die unter anderem strategische Analysen für das US-Verteidigungsministerium erstellt. Davor arbeitete er als leitender Systemingenieur bei TRW und Northrop Grumman, wo er Weltraum- und Raketenabwehrsysteme analysierte. Er promovierte in Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik an der University of California in Irvine.

Die Forschungsschwerpunkte des US-Raumfahrtingenieurs George Nacouzi umfassen Hyperschallwaffen, ballistische Raketen und Raketenabwehrsysteme.
Hyperschallwaffen: Haben Russland und China die USA im Wettrennen um die neue Superwaffe abgehängt?

Siehe auch:
Auch die US-Airforce testete erfolgrech eine Hyperschallwaffe
 
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#7
Militärtechnik
Kinschal-Katastrophe: Russlands Hyperschallrakete ist völlig nutzlos
Sieben von acht gestarteten "unverwundbaren" Wunderwaffen wurden abgefangen. Kein Wunder, erfüllt die Kinschal doch nicht einmal die Minimalanforderungen an ein solches Waffensystem

Eine russische MiG-31 mit einer Kinschal.
via REUTERS/Russian Defence Mini

Bei einem der größten Raketenangriffe auf die Ukraine hat Russland große Mengen gewöhnlicher Marschflugkörper wie die Kalibr oder Drohnen wie die Geran-2 eingesetzt, die russische Variante der iranischen Shahed 136. Die russischen Streitkräfte feuerten aber auch Hyperschallraketen in einer ungewöhnlich hohen Zahl ab. Laut Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums wurden aber sieben von acht gestarteten X-47M2 Kinschal im Flug abgefangen.

Ebenso wurde eine schiffsgestützte Hyperschallrakete 3M22 Zirkon von der ukrainischen Flugabwehr zerstört. Wie ist das möglich, wo doch gerade die Zirkon und die Kinschal als Superwaffen gelten? Keine der beiden Raketen sollte je von einem westlichen Abwehrsystem überhaupt erfasst werden können, so lautet zumindest die russische Propagandaerzählung.

Zirkon und Kinschal
Mit der Realität haben die Propaganda-Behauptungen wenig zu tun. Die Hyperschallraketen Zirkon und Kinschal ("Dolch") sind zwei der sechs von Wladimir Putin im März 2018 vorgestellten Superwaffen. Den meisten davon ist gemein, dass sie nicht funktionieren wie vorgesehen, die Entwicklung selbst von Pannen geplagt ist oder die Systeme nie über ein frühes Erprobungsstadium herausgekommen sind.

Der fliegende Atomreaktor Burewestnik wäre dafür ein Beispiel. Außer Pannen, Abstürzen und einem massiven Strahlungsunfall im Jahr 2019 ist von der Superwaffe nichts zu sehen. Ebenso wie beim Nukleartorpedo Poseidon. Die technische Machbarkeit steht massiv im Zweifel, ebenso die tatsächliche Wirksamkeit einer solchen Waffe. Im russischen Staatsfernsehen klingt das natürlich anders: Der Supertorpedo werde die Britischen Inseln einfach im Meer versenken, heißt es dort.

Die russischen Hyperschallraketen sind zumindest einsatzbereit, auch wenn selbst Militäranalysten überrascht sind, wie schlecht die einst gefürchteten Waffen tatsächlich abschneiden. Nun tobt die Propagandaschlacht zwischen West und Ost spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, und wechselseitig werden den Waffensystemen des Gegners teils vernichtende Zeugnisse ausgestellt. Aber selbst Experten aus China äußern mittlerweile Bedenken, ob Hyperschallraketen überhaupt irgendeinen Nutzen haben


Ein Pionier der Ukrainischen Notfalldienste bei der Bergung eines nicht explodierten Gefechtskopfs einer Kinschal.
via REUTERS/STATE EMERGENCY SERV

Das könnte vor allem daran liegen, dass es sich bei der russischen Kinschal nicht einmal um eine echte Hyperschallwaffe handelt. Das Konzept einer solchen Rakete sieht vor, dass sie von einem Bomber gestartet wird. Dort steigt sie in den Weltraum auf und gibt ein Re-Entry-Vehicle frei, das den Gefechtskopf enthält. Dabei kann es sich um einen Gleiter oder um eine weitere Rakete handeln. Diese Endstufe der Kinschal manövriert sich selbst mit einer Geschwindigkeit von Mach 10 ins Ziel und bringt dort den konventionellen 500-Kilo-Gefechtskopf zur Detonation. Im Anflug ans Ziel schlägt sie dabei, zumindest in der Theorie, Haken und wechselt die Richtung, was Abwehrversuche nutzlos machen soll.

Doch die russische Rakete kann offenbar nichts davon wirklich, weshalb sie auch von ukrainischen Patriot-Stellungen regelmäßig abgefangen wird. Tatsächlich dürfte es sich bei der vermeintlichen russischen Superwaffe um die luftgestartete Variante der ballistischen Kurzstreckenrakete Iskander handeln. Dabei handelt es sich um ein Design aus den 80er-Jahren ohne nennenswerte Steuerungsmöglichkeiten im Zielanflug.

"Sie sagten, die Patriot sei eine veraltete amerikanische Waffe, und die russischen Waffen seien die besten der Welt", sagte der ukrainische Luftwaffensprecher Juri Ihnat, als 2023 der erste erfolgreiche Abschuss einer Kinschal berichtet wurde. Und: Die Fähigkeiten der Kinschal seien maßlos übertrieben gewesen. Der erfolgreiche Abschuss sei ein "Schlag ins Gesicht für Russland".

Selbst bei der Reichweite haben die russischen Streitkräfte getrickst. Diese wurde von russischen Quellen mit 3000 Kilometern angegeben, was durchaus beeindruckend klingt. Jedoch wurde dabei die Reichweite des Bombers (Tu-22M3 oder MiG-31K), der die Waffe trägt, einfach addiert. Tatsächlich dürfte die Reichweite der Kinschal eher bei maximal 480 Kilometern liegen.

Keine echte Hyperschallwaffe
Dass es sich bei der Kinschal um keine echte Hyperschallwaffe handelt, ist im Westen also schon länger klar. Angesichts der Enttäuschung ist mittlerweile auch in China ein Debatte ausgebrochen, ob die Entwicklung derartiger Waffen überhaupt Vorteile bringt. Zuerst war Chinas Interesse groß, schließlich soll dessen Eigenentwicklung namens Dongfeng ebenfalls eine unaufhaltsame, superschnelle Rakete sein. "Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass das, was die USA und die Ukraine in dieser Angelegenheit sagen, wahr ist", schrieb der chinesische Verteidigungsanalyst Yin Jie in der Militärzeitschrift Ordnance Industry Science and Technology aus Shaanxi.

Und: Die Kinschal werde wohl keinen nennenswerten Einfluss auf den Ukrainekrieg haben. Mehr noch, die Kinschal sei ein "kurzfristiges und überstürztes Projekt" gewesen, das unter dem Druck des Westens um Jahre verfrüht gestartet werden musste.

Yin wies darauf hin, dass Russland den Abschuss von Kinschals durch seine Mig-31-Maschinen eingestellt hat und stattdessen Su-34-Kampfjets einsetzt, die sicher von außerhalb der Reichweite der ukrainischen Verteidigungsanlagen feuern. Der Analyst schrieb jedoch, dass sich die Su-34 als zu träge erwies, um die Kinschal mit optimaler Geschwindigkeit abzufeuern. Die Su-34 sei ohnehin schon langsamer als die Mig-31 und werde durch die 4,3 Tonnen schwere Kinschal zusätzlich belastet, wie Business Insider berichtet. Außerdem sei das russische Satellitensystem Glonass einfach zu ungenau, um eine Kinschal präzise zu lenken.

Dabei gibt es bei Hyperschallwaffen, egal welcher Herkunft, noch ein ganz generelles Problem: die Naturgesetze. Der Luftwiderstand, der auf die Wiedereintrittsfahrzeuge wirkt, ist enorm, was deren Beweglichkeit stark einschränkt. Noch dazu entsteht beim Wiedereintritt eine enorme Hitze von rund 2000 Grad Celsius an der Oberfläche der Waffe. Eine solche Hitzesignatur ist von Abwehrsystemen wiederum gut zu erkennen. Dazu kommt, dass Hyperschallwaffen nicht unbedingt schneller am Ziel ankommen als ballistische Raketen – eben weil sie die meiste Zeit in der bremsenden Atmosphäre verbringen.


Bei den russischen Angriffen vom 17. November blieben Teile einer Zirkon-Schiffsrakete auf dem Dach eines fünfstöckigen Wohnhauses in Kiew liegen.
AFP/SERGEI SUPINSKY

Ähnlich ist es bei der Zirkon. Diese Schiffsrakete bleibt in der Atmosphäre. Die Idee: Durch die Geschwindigkeit von Mach 8 bildet sich vor ihr während des Fluges eine Plasmawolke, die Radarwellen absorbiert. Das Problem bei diesem Ansatz: Dadurch werden auch die Sensoren der Zirkon selbst blockiert. Daher ist davon auszugehen, dass die Zirkon tatsächlich "nur" Mach 4,5 schnell ist, was außerhalb der Definition einer "Hyperschallrakete" liegt. Diese muss nämlich mindestens Mach 5 schnell sein. Alles darunter wird als Überschall bezeichnet. Zum Vergleich: Eine MIM-104A, die Abfangrakete des Patriot-Systems, erreicht Mach 3,5.

Moskau gibt Wissenschaftern die Schuld
In Moskau will man von all den Mängeln der eigenen Superwaffen nichts wissen. Vielmehr macht man die Entwickler der Kinschal für die Fehlschläge verantwortlich: Diese hätten die Geheimnisse der Superrakete verraten, so die Kurzfassung. So wurden die Physiker Alexander Schiplijuk, Anatoli Maslow und Waleri Sweginzew des Hochverrats angeklagt.

Am 3. September verurteilte ein Moskauer Gericht Schiplijuk, den ehemaligen Direktor des Instituts für theoretische und angewandte Mechanik (Itam) in Sibirien, zu 15 Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis. In der Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde er für schuldig befunden, auf einer wissenschaftlichen Konferenz in China im Jahr 2017 "geheime Informationen" weitergegeben zu haben. Schiplijuk behauptet, dass die von ihm präsentierten Daten bereits öffentlich zugänglich gewesen seien. Sein Kollege, der 78-jährige Maslow, ein Experte für Überschallflugphysik, argumentierte ähnlich. Er wurde im Mai zu einer Gefängnisstrafe von 14 Jahren verurteilt. Er soll "geheime Informationen" während Überseereisen verraten haben.

Alexander Kuranow, ein Ingenieur, der in der späten Sowjetära ein Programm für Hyperschallflugzeuge leitete, wurde im April nach mehr als zwei Jahren Untersuchungshaft wegen Hochverrats zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, wie France 24 berichtet. Seit 2018 wurden laut der BBC insgesamt elf Spezialisten für Überschalltechnologie in Russland verhaftet.

Die unerbittliche Verfolgung von Wissenschaftern spiegle "das Verhalten eines zunehmend paranoiden und isolierten Regimes wider", beobachtete Stephen Hall, ein Russland-Kenner an der Universität Bath in Großbritannien. Das soll wohl das Durchsickern sensibler Informationen verhindern. Selbst wenn diese Informationen bedeuten, dass die Kinschal eigentlich nicht das ist, was der Kreml behauptet.
(Peter Zellinger, 20.11.2024)
Kinschal-Katastrophe: Russlands Hyperschallrakete ist völlig nutzlos
 
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