AM VERSANDEN
Mega-Wüstenstadt The Line gerät offenbar zunehmend in Turbulenzen
Der saudische Kronprinz hat Probleme mit der Finanzierung seines Siedlungsprojekts. Unterdessen reißt die Kritik von außen nicht ab
Bisher wurden vor allem Konzepte der Stadt gezeigt, die von Anfang an sehr ambitioniert ausgesehen haben.
Neom
Es klang von Anfang an wie ein verrücktes und unverantwortliches Vorhaben: Im Rahmen des Siedlungsprojekts Neom hat Saudi-Arabien den Bau einer linienförmigen Stadt beschlossen, die sich wie zwei langgezogene Wolkenkratzer durch die Wüste ziehen soll. Extrem lang. 170 Kilometer sollte sich der Bau ursprünglich in die Länge ziehen, 500 Meter hoch sein, aber nur 200 Meter breit. Bis vor kurzem sah es auch tatsächlich so aus, als würde das Projekt nach Plan laufen.
Einnahmen zu gering
Weit gefehlt. Bereits im April berichtete Bloomberg unter Berufung auf einen anonymen Insider, dass sich The Line nicht so einfach und daher auch nicht so schnell realisieren lasse, wie die Bauherren sich das vorgestellt haben. Ursprünglich war geplant, dass schon 2030 etwa 1,5 Millionen Menschen in der Stadt leben sollen. Diese Prognose wurde jedoch deutlich nach unten korrigiert: 2030 werden voraussichtlich weniger als 300.000 Einwohner in der Metropole wohnen und von den 170 Kilometern überhaupt nur 2,4 Kilometer fertiggestellt sein.
Das größte Problem, das angesichts der Ausmaße einleuchtend scheint, aber durch die Fassade reicher Ölgiganten in den Hintergrund gedrängt worden ist: Der Bau verschlingt Unmengen an Geld. Wie Business Insider nun berichtet, bleibt die Finanzierung sogar unsicher, obwohl ein zweiter Aktienverkauf von Saudi Aramco mehr als elf Milliarden Dollar einbrachte. Der größte Ölkonzern der Welt ist ein staatliches Unternehmen Saudi-Arabiens und spielt eine zentrale Rolle für Neom, wozu auch The Line gehört.
Die Finanzierung bleibt also eine gigantische Herausforderung. The Line soll eine völlig neue Stadtstruktur darstellen, die ohne Autos und Straßen auskommen will. Die Realisierung solcher völlig neuer Konzepte erfordert nicht nur immense finanzielle Ressourcen, sondern auch technologische und planerische Innovationen, die bisher in dieser Form ungetestet sind. Selbst wenn 1,5 Billionen US-Dollar für Neom veranschlagt sind: Saudi-Arabien benötigt vermutlich weit mehr Mittel, um solche futuristischen Städte und Infrastrukturen zu realisieren, die als Kernstück der "Vision 2030" des Kronprinzen gelten.
"Völlig lächerlich": Scharfe Kritik an The Line
Die im Bau befindliche Linienstadt wird zudem von verschiedenen Experten, darunter auch Andreas Krieg, Nahostexperte am King's College London, stark kritisiert. Krieg beschreibt The Line als "völlig lächerlich" und bemängelt die fehlende Zweckmäßigkeit des Projekts. Seiner Meinung nach stünden die enormen Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum praktischen Nutzen.
Die Kritik fokussiert sich auf die ökologischen und sozialen Implikationen des Baus. Die riesigen Strukturen könnten das lokale Ökosystem erheblich stören und die Tierwelt gefährden. Zudem werden die Lebensqualität und die Alltagstauglichkeit des dortigen Lebensraums stark infrage gestellt. Krieg und andere Kritiker betrachten The Line daher als ein überambitioniertes Projekt, das mehr durch seine architektonische Einzigartigkeit als durch tatsächliche Funktionalität oder gesellschaftlichen Mehrwert überzeugt.
Lange vor den Bedenken von Krieg äußerte sich sogar Peter Cook, einer der Architekten, der an The Line mitgewirkt hat, skeptisch über die Durchführbarkeit des Projekts. Laut dem Architects' Journal beschrieb Cook die lineare Wüstenstadt als eine "groteske Absurdität" und kommentierte, dass das vorgeschlagene Projekt mit einer Höhe von 500 Metern "dumm und unvernünftig" sei. Er gab zu bedenken, dass es zwar möglich sei, einen Teil des Projekts zu realisieren, es aber unwahrscheinlich sei, dass die gesamte Struktur wie geplant fertiggestellt werden könne. Wie sich herausstellt, dürfte Cook wohl recht behalten.
(bbr, 19.6.2024)
Mega-Wüstenstadt The Line gerät offenbar zunehmend in Turbulenzen
Mega-Wüstenstadt The Line gerät offenbar zunehmend in Turbulenzen
Der saudische Kronprinz hat Probleme mit der Finanzierung seines Siedlungsprojekts. Unterdessen reißt die Kritik von außen nicht ab
Bisher wurden vor allem Konzepte der Stadt gezeigt, die von Anfang an sehr ambitioniert ausgesehen haben.
Neom
Es klang von Anfang an wie ein verrücktes und unverantwortliches Vorhaben: Im Rahmen des Siedlungsprojekts Neom hat Saudi-Arabien den Bau einer linienförmigen Stadt beschlossen, die sich wie zwei langgezogene Wolkenkratzer durch die Wüste ziehen soll. Extrem lang. 170 Kilometer sollte sich der Bau ursprünglich in die Länge ziehen, 500 Meter hoch sein, aber nur 200 Meter breit. Bis vor kurzem sah es auch tatsächlich so aus, als würde das Projekt nach Plan laufen.
Einnahmen zu gering
Weit gefehlt. Bereits im April berichtete Bloomberg unter Berufung auf einen anonymen Insider, dass sich The Line nicht so einfach und daher auch nicht so schnell realisieren lasse, wie die Bauherren sich das vorgestellt haben. Ursprünglich war geplant, dass schon 2030 etwa 1,5 Millionen Menschen in der Stadt leben sollen. Diese Prognose wurde jedoch deutlich nach unten korrigiert: 2030 werden voraussichtlich weniger als 300.000 Einwohner in der Metropole wohnen und von den 170 Kilometern überhaupt nur 2,4 Kilometer fertiggestellt sein.
Das größte Problem, das angesichts der Ausmaße einleuchtend scheint, aber durch die Fassade reicher Ölgiganten in den Hintergrund gedrängt worden ist: Der Bau verschlingt Unmengen an Geld. Wie Business Insider nun berichtet, bleibt die Finanzierung sogar unsicher, obwohl ein zweiter Aktienverkauf von Saudi Aramco mehr als elf Milliarden Dollar einbrachte. Der größte Ölkonzern der Welt ist ein staatliches Unternehmen Saudi-Arabiens und spielt eine zentrale Rolle für Neom, wozu auch The Line gehört.
Die Finanzierung bleibt also eine gigantische Herausforderung. The Line soll eine völlig neue Stadtstruktur darstellen, die ohne Autos und Straßen auskommen will. Die Realisierung solcher völlig neuer Konzepte erfordert nicht nur immense finanzielle Ressourcen, sondern auch technologische und planerische Innovationen, die bisher in dieser Form ungetestet sind. Selbst wenn 1,5 Billionen US-Dollar für Neom veranschlagt sind: Saudi-Arabien benötigt vermutlich weit mehr Mittel, um solche futuristischen Städte und Infrastrukturen zu realisieren, die als Kernstück der "Vision 2030" des Kronprinzen gelten.
"Völlig lächerlich": Scharfe Kritik an The Line
Die im Bau befindliche Linienstadt wird zudem von verschiedenen Experten, darunter auch Andreas Krieg, Nahostexperte am King's College London, stark kritisiert. Krieg beschreibt The Line als "völlig lächerlich" und bemängelt die fehlende Zweckmäßigkeit des Projekts. Seiner Meinung nach stünden die enormen Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum praktischen Nutzen.
Die Kritik fokussiert sich auf die ökologischen und sozialen Implikationen des Baus. Die riesigen Strukturen könnten das lokale Ökosystem erheblich stören und die Tierwelt gefährden. Zudem werden die Lebensqualität und die Alltagstauglichkeit des dortigen Lebensraums stark infrage gestellt. Krieg und andere Kritiker betrachten The Line daher als ein überambitioniertes Projekt, das mehr durch seine architektonische Einzigartigkeit als durch tatsächliche Funktionalität oder gesellschaftlichen Mehrwert überzeugt.
Lange vor den Bedenken von Krieg äußerte sich sogar Peter Cook, einer der Architekten, der an The Line mitgewirkt hat, skeptisch über die Durchführbarkeit des Projekts. Laut dem Architects' Journal beschrieb Cook die lineare Wüstenstadt als eine "groteske Absurdität" und kommentierte, dass das vorgeschlagene Projekt mit einer Höhe von 500 Metern "dumm und unvernünftig" sei. Er gab zu bedenken, dass es zwar möglich sei, einen Teil des Projekts zu realisieren, es aber unwahrscheinlich sei, dass die gesamte Struktur wie geplant fertiggestellt werden könne. Wie sich herausstellt, dürfte Cook wohl recht behalten.
(bbr, 19.6.2024)