Schloss Hartheim OÖ.: Gedenken an die 30.000 Euthanasieopfer

josef

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#1


Gedenken an Nazi-Opfer in Schloss Hartheim
30.000 Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 in Schloss Hartheim in Alkoven (Bezirk Eferding) ermordet. Dieser Opfer des Nationalsozialismus wurde am Montagabend im Rahmen einer großen Feier gedacht.

Der jetzige Lern- und Gedenkort Hartheim war während des Nationalsozialismus eine von insgesamt sechs Euthanasieanstalten, die das Ziel hatten, von den Nazis als „unwert“ betrachtetes Leben zu vernichten. Von 1939 bis 1945 wurden in Hartheim 30.000 Menschen umgebracht.


ORF

Das gesicherte Leben in Frieden und Wohlstand weiter zu entwickeln und zu festigen, könne nur gelingen, wenn man sich der Geschichte in vollem Umfang bewusst sei – auch der dunklen Kapitel, so Landeshauptmann Thomas Stelzer.

Die Gedenkfeier in Hartheim sei ein Zeichen, dass man in Oberösterreich zu der Verantwortung, die aus der Geschichte erwachse, stehe, so Stelzer.

Publiziert am 02.10.2018
Gedenken an Nazi-Opfer in Schloss Hartheim
 

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#3
Hinter den Kulissen der NS-Tötungs-Industrie
Eine Publikation des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim und des Wiener Wiesenthal Instituts liefert Antworten auf die Fragen, wer die Täter waren, die zigtausende Morde in der NS-Tötungsanstalt zu verantworten haben, und warum mitgemacht haben.
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„Beyond Hartheim“ beleuchtet individuelle „Karrieren“ ebenso wie die Funktionsweise der Tötungs-Industrie. Die Autoren spüren zudem der Frage nach, welche Rolle das Personal aus der Euthanasieanstalt in Oberösterreich mit seinem grausamen Know-how in weiteren Bereichen der Holocaust-Logistik gespielt hat und zeigt personelle Verflechtungen mit anderen Tötungsanstalten auf. Diese Forschung sei auch 75 Jahre nach der NS-Zeit von großer Bedeutung, betonte Landeshauptmann Thomas Stelzer anlässlich der Präsentation der Publikation am Montag. „Beyond Hartheim“ leiste „einen Beitrag zur Beantwortung der schwierigen und unbequemen Frage“, wie normale Menschen zu Tätern werden konnten.

Vernichtung „lebensunwerten Lebens“
Führendes Personal der „Aktion Reinhard“, im Rahmen derer in Belzec, Treblinka und Sobibor zwischen 1,5 und zwei Millionen Juden und Roma ermordet wurden, kamen aus den Tötungsanstalten der „Aktion T4“, der rund 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen zum Opfer fielen, wie die Publikation zeigt. Die T4-Täter trugen mit ihrem Know-how in der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ maßgeblich zur Industrialisierung des Holocaust bei.
In einem Aufsatz widmet sich der Historiker Bertrand Perz u.a. der als „The Austrian Connection“ bekannten Seilschaft rund um den Polizeiführer Odilo Globocnik im Distrikt Lublin und Angelika Benz den „Trawniki-Männern“, osteuropäischen Helfern der SS-Schergen in Polen, die sich in den Dienst der Nazis gestellt hatten, um zu überleben.

Tötung fiel in die Zuständigkeit der Mediziner
In Hartheim wurden im Rahmen der Aktion T4 im Schnitt 20 bis 60 Menschen pro Tag getötet und verbrannt, binnen 16 Monaten belief sich die Zahl der Opfer auf 18.269 Personen. In der Euthanasieanstalt arbeiteten während der Zeit der Aktion T4 ungefähr 70 Personen, die meisten von ihnen wohnten auch im Schloss. Die Tötung fiel in die Zuständigkeit der Mediziner, der Gashahn der Gaskammer musste laut Vorschrift von einem Arzt bedient werden.

APA/Markus Rohrhofer
Bis zu 60 Menschen wurden pro Tag im Schloss Hartheim getötet

Geleitet wurde die Mordmaschinerie vom Linzer Psychiater Rudolf Lonauer, der auch ärztlicher Direktor der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart war, und seinem Stellvertreter Georg Renno. Ein arbeitsteiliges System organisierte die Morde straff – vom Entkleiden der Opfer über die Tötung, das Entfernen des Zahngoldes, in manchen Fällen Prosektur bis hin zur Verbrennung, war alles genau geplant. In den Benachrichtigungen an die Hinterbliebenen wurden meist natürliche Todesursachen und ein anderer Sterbeort eingetragen.

Reichlich Alkohol und Ausflüge für die Täter
Die Arbeitsteiligkeit des Prozesses ermöglichte den Tätern die Rechtfertigung ihres Handelns. Diverse Vergünstigungen halfen beim Wegsehen: Alkohol wurde reichlich ausgeschenkt, gemeinsame Kinoabende und Ausflüge – in denselben Bussen, in denen die Opfer in die Tötungsanstalt gebracht wurden – standen am Programm. Gute Bezahlung und ein nennenswerter Frauenanteil – es gab auch Pärchen in der Belegschaft, sogar Ehen wurden geschlossen – taten ein Übriges. Rekrutiert wurden die unteren Ränge oft über das Arbeitsamt. Nur ein einziger Mitarbeiter weigerte sich mitzumachen, er wurde daraufhin zur Wehrmacht eingezogen.

„Ganz normale Frauen und Männer“
Während man in der Nachkriegszeit immer versucht habe, die Täter als abnorme Persönlichkeiten darzustellen, die mit der Gesellschaft nichts zu tun gehabt hätten, weiß man heute, dass es „ganz normale Frauen und Männer waren, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigt haben“, so Brigitte Kepplinger, Obfrau des Vereins Schloss Hartheim. „Es sind nicht die Persönlichkeitsstörungen, sondern die Verschiebungen der normativen Regeln, die Menschen zu Tätern machen.“ So habe es in der Nazidiktatur als legitim und wünschenswert gegolten, bestimmte Menschen zu töten.
20.01.2020, red, ooe.ORF.at/Agenturen

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Hinter den Kulissen der NS-Tötungs-Industrie
 

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#4
NS-„Euthanasie“: Daten sammeln für die Mordmaschinerie

Wer behindert oder geistig krank war, hatte im Nationalsozialismus keinen Platz. In der sogenannten Euthanasie wurden diese Menschen ermordet – u. a. in Schloss Hartheim (Bezirk Eferding). Auch Frauen spielten als Mittäterinnen im nationalsozialistischen Gesundheitswesen und den damit verbundenen Tötungsaktionen eine Rolle.

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Über 200.000 behinderte und kranke Menschen fielen den „Euthanasie“-Mordaktionen der Nazis zum Opfer. Die Haupttäter waren Männer. Unterstützung erhielten sie von Frauen auf den unteren Hierarchieebenen des Gesundheitswesens.

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Im Frühjahr 1940 hört die 39-jährige Linzerin Elisabeth Lego, dass die Leitung des Gaus Oberdonau Personal sucht. Als sie sich erkundigt, wird ihr eine Anstellung in einer „geheimen Reichssache“ angeboten. Dienstort: Schloss Hartheim in Alkoven. In einer Zeugenvernehmung gibt sie 1964 am Landesgericht Linz zu Protokoll: „Unmittelbar vor meiner Vereidigung wurde mir erklärt, dass dort unheilbar Geisteskranke und Nervenkranke vergast werden.“ Sie legt den Diensteid ab und arbeitet bis 1942 im Büro der Tötungsanstalt Hartheim.

Expertise von Krankenpflegerinnen gefragt
Dort wurden während der NS-Zeit etwa 30.000 Menschen ermordet: Einerseits Menschen, die die Nazis aufgrund von Behinderungen oder psychischer Erkrankungen als „lebensunwert“ ansahen, andererseits KZ-Häftlinge, die krank oder nicht mehr arbeitsfähig waren. Im Büro der Tötungsanstalt waren die meisten Angestellten Frauen. Die Historikerin und Soziologin Brigitte Kepplinger, Obfrau des Vereins Schloss Hartheim, forscht seit Jahrzehnten zur Geschichte Hartheims. Die Arbeitsaufgaben im Büro des Jahres 1940, erklärt Kepplinger, war die Erstellung von Dokumenten „mit einer falschen Todesursache, einem falschen Todesdatum und -ort. Die Dokumente mussten den Angehörigen zugeschickt werden. Es war eine anspruchsvolle und auch wichtige Arbeit, denn mit dem Funktionieren der Täuschung stand und fiel eigentlich das Programm.“ Die Mordaktion „T4“, die 1940 begann, unterlag strenger Geheimhaltung.

Alex Limberger/ORF
In der ehemaligen Tötungsanstalt Hartheim befindet sich heute ein Lern- und Gedenkort.

An der Spitze der Anstalt standen Männer: Leiter war der Arzt Rudolf Lonauer, sein Stellvertreter Georg Renno. Etwa die Hälfte der Angestellten im Betrieb Hartheim waren Frauen, sagt Kepplinger: „Das Pflegepersonal bestand nahezu ausschließlich aus Frauen, wobei der Begriff ‚Pflegepersonal‘ irreführend ist. Hier wurde niemand gepflegt. Man versicherte sich nur der Expertise dieser Frauen, denn sie waren Krankenpflegerinnen aus Heil- und Pflegeanstalten, die mit den Patientinnen und Patienten umgehen konnten.“ Sie mussten sie beispielsweise aus anderen Anstalten abholen und auf der Fahrt beruhigen.

Flächendeckendes Netzwerk
Zwei Jahre vor der Einrichtung der Gaskammer in Hartheim wurde eine wesentliche Voraussetzung für die Tötungsaktion geschaffen: Nach dem sogenannten Anschluss 1938 wurde das Gesundheitswesen vollkommen neu aufgestellt und so ein Netzwerk zum Sammeln von Daten geschaffen. In den neuen Gesundheitsämtern fällten Männer die Entscheidungen, an der vordersten Front waren aber Frauen tätig, erklärt der Historiker Josef Goldberger, der das NS-Gesundheitswesen im Reichsgau Oberdonau erforscht hat: „Das war eine klassische Teilung, der Amtsarzt, der Chef, war ein Mann und die Gesundheitsfürsorgerinnen, die ihm zugetragen haben, waren ausschließlich Frauen. Sie waren die Außenposten der Gesundheitsämter.“

Die Aufgabe der Gesundheitsfürsorgerinnen war es, in jeden Haushalt zu gehen und den Gesundheitszustand der Familien und ihrer Mitglieder in sogenannten Sippentafeln und Erbkarteien zu dokumentieren. „Das war das entscheidende Instrument um körperlich und geistig Kranke, aber auch Menschen, die wir heute als sozial oder politisch unangepasst oder randständig bezeichnen würden, von der Volksgemeinschaft auszuschließen“, sagt Goldberger: „Man plante die totale erbbiologische Bestandsaufnahme der Bevölkerung.“ Alles, was man für erbbiologisch relevant hielt, wurde dokumentiert: Bestimmte Krankheiten, Taubheit, Blindheit, psychische Erkrankungen, Alkoholismus etc. Der Historiker dazu: „Jedem sozialen Anderssein wurde Vererbbarkeit unterstellt. Und wer erbkrank war, war langfristig von der Fortpflanzung auszuschließen.“ Etwa durch Zwangssterilisationen oder Eheverbote.

Die „Meldepflicht für missgestaltete Neugeborene“ sorgte dafür, dass auch Hebammen in den Dienst der NS-Eugenik gestellt wurden. Die Geburt behinderter Kinder mussten sie an das Gesundheitsamt melden, erklärt Goldberger: „Für jede Meldung bekamen sie zwei Reichsmark. Der Amtsarzt leitete diese Meldungen an die Kanzlei des Führers in Berlin weiter, wo die sogenannte Kindereuthanasie organisiert wurde.“ Die Kinder wurden ermordet. Die traditionellerweise weiblichen Gesundheitsberufe standen in einem direkten Zusammenhang mit den Mordaktionen. „Die Kindereuthanasie war gewissermaßen der Vorläufer und das Erprobungsfeld der Erwachseneneuthanasie“, sagt Goldberger.

Das Morden in Niedernhart
„Kindereuthanasie“ mit einer eigens dafür vorgesehenen Abteilung wurde in Hartheim nicht durchgeführt, Kinder wurden trotzdem ermordet – nicht nur in Hartheim, sondern auch in der fünfzehn Kilometer entfernten Linzer Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart, der späteren Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg, die seit 2016 Neuromed Campus heißt. Dort liegen noch immer teilweise unerforschte Akten aus der NS-Zeit, in die das Team des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim vor kurzem Einblick erhalten hat, sagt Markus Rachbauer, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des Lern- und Gedenkortes, der im Rahmen einer Dissertation zur Geschichte Niedernharts forscht. Rachbauer fand am Neuromed Campus beispielsweise das Aufnahmebuch einer sogenannten Hilfsschule aus der NS-Zeit: „In Niedernhart gab es eine eigene Hilfsschule, in die man Kinder einlieferte, die nicht der Norm entsprachen. Aufgrund dieses Buches lassen sich auch Überweisungen zur Anstalt Am Spiegelgrund in Wien oder in Tötungsabteilungen in Niedernhart nachweisen.“ Am Spiegelgrund befand sich eine sogenannte Kinderfachabteilung, in der Kinder im Rahmen der „Kindereuthanasie“ ermordet wurden.

Alex Limberger/ORF
Auf dem Gelände des heutigen Neuromed Campus der Johannes Kepler Universität Linz befindet sich seit dem 19. Jahrhundert eine Psychiatrie. Während der NS-Zeit wurden hier hunderte Menschen ermordet.

Mit Beginn der NS-Zeit wurden auch Kleinkinder in die Anstalt Niedernhart eingewiesen, was vorher vermutlich nicht der Fall war. „Ab 1940 starben hier Kleinkinder mit Diagnosen, die auf geistige Beeinträchtigungen hinweisen. Das ist schon recht auffällig“, sagt Rachbauer.
Nicht alle etwa 1.500 Menschen, die während der NS-Zeit in Niedernhart gestorben sind, sind NS-Opfer, manche sind auch eines natürlichen Todes gestorben. Das im Einzelfall zu beurteilen, ist nicht immer möglich, erklärt Rachbauer: „Wenn jemand in Niedernhart ermordet wurde, wurde das nicht dokumentiert. Man findet keine Aufzeichnungen darüber.“ Es gibt zwar Todesurkunden, aber in denen ist immer eine natürliche Todesursache angegeben. Außerdem gibt Rachbauer zu bedenken: „Der Übergang zwischen natürlichem Tod und Mord ist fließend. Es hat Personen gegeben, die waren krank oder in einem sehr schlechten körperlichen Zustand und man hat ihnen dann eine Überdosis Schlafmittel gegeben.“

Das Personal von Niedernhart
Personell war Niedernhart eng mit Hartheim verbunden, denn Hartheims Leiter Rudolf Lonauer leitete gleichzeitig die Anstalt Niederhart. Viele der Angestellten arbeiteten in beiden Einrichtungen, erklärt Historikerin Kepplinger: „Auch hier bestand die Hälfte des Personals aus Frauen, beim Pflegepersonal waren es circa zwei Drittel.“ Während der „Aktion T4“ diente Niedernhart als sogenannte Zwischenastalt: „Überall im Deutschen Reich hat man im Vorfeld der Tötungsanstalten Heil- und Pflegeanstalten zu sogenannten Zwischenanstalten erklärt. Dort wurden Menschen, die zur Tötung bestimmt waren, untergebracht, bis in den Tötungsanstalten wieder die notwendigen Kapazitäten vorhanden waren.“ Im August 1941 musste die „Aktion T4“ abgebrochen werden, weil der Protest von Geistlichen und Angehörigen von Opfern zu groß wurde. Gemordet wurde daraufhin bis Kriegsende dezentral in den lokalen Heil- und Pflegeanstalten. Mehrere hundert Menschen wurden so auch direkt in Niedernhart getötet.

Während Frauen Vorarbeit leisteten, wurde das Töten selbst in der Regel von Männern erledigt. In der Tötungsabteilung von Niedernhart arbeiteten neben den Ärzten Lonauer und Renno nur männliche Pfleger. Nur von einer Frau ist belegt, dass sie sich an den Morden beteiligte. In Niedernhart war die Beteiligung von Frauen auch deshalb niedrig, weil in der Pflege viele geistliche Schwestern arbeiteten, sagt Kepplinger: „Das waren die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul – und von dieser Seite konnte die Anstaltsleitung keine Unterstützung bei Tötungen erwarten.“ Rachbauer ergänzt: „Es gibt auch eine Zeugenaussage aus der Nachkriegszeit von einer geistlichen Schwester, die von Lonauer aufgefordert wurde, größere Dosen Schlafmittel zu verabreichen. Das hat sie verweigert, ohne Konsequenzen.“ Generell seien für die NS-Zeit keine Fälle belegt, wo Menschen für die Verweigerung zu töten hart bestraft worden wären, sagt der Politikwissenschaftler.

Wenn Gewalt geboten erscheint
Die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden oder zu töten, sei auch per se keine Frage des Geschlechts, sondern eine der Situation, sagt die Soziologin Kepplinger: „Wenn ich in einer Situation bin, in der Gewalt geboten ist, erwünscht ist, belohnt wird, dann werde ich, wenn es mir selbst auch geboten erscheint, Gewalt anwenden. Und hier sind Frauen genauso anfällig oder nicht anfällig wie Männer.“ Bei vielen Aufgaben, die die Frauen hatten, wäre Gewalt aber kontraproduktiv gewesen, so Kepplinger: „Im Umgang mit den Tötungskandidatinnen und -kandidaten hätte man durch Gewalt nur Unruhe provoziert.“ Auch die weiblichen Stereotype des Helfens und des „Fürsorgens“ waren für den Tötungsapparat notwendig.
Frauen hatten auch die Funktion, den Anschein der Normalität zu wahren. So wie die Büroangestellte Elisabeth Lego, die wissentlich falsche „natürliche“ Todesursachen in die Dokumente eintrug. Möglicherweise schien auch ihr diese Aufgabe in der Situation geboten. 1964 gibt sie vor dem Landesgericht Linz zu Protokoll, dass sie die Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart schon vor ihrer Tätigkeit in Hartheim gekannt hat, weil ihre Tante nach einem Nervenzusammenbruch jahrelang dort gelebt hat: „Meine Besuche bei meiner Tante in Niedernhart waren mir Anlass, mir über Geisteskranke Gedanken zu machen und zwar in der Richtung, dass ein Geisteskranker für die Angehörigen etwas ganz Furchtbares ist.“ Sie wisse aber nicht, heißt es im Protokoll, ob diese „Erkenntnis“ mitbestimmend dafür war, sich zur Mitarbeit in Hartheim bereit zu erklären.

10.07.2020, Katharina Gruber, ORF-Wissenschaftsredaktion

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#5
Tag der offenen Tür im Schloss Hartheim
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Seit 20 Jahren wird in Schloss Hartheim in Alkoven (Bezirk Eferding) an die Gräueltaten der Nationalsozialisten erinnert. Aus diesem Anlass lädt der Lern- und Gedenkort am Freitag zu einem Tag der offenen Tür. Unter anderem werden Führungen in sonst nicht zugängliche Bereiche des Schlosses angeboten.
Online seit heute, 5.27 Uhr
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Eines der bedeutendsten Renaissanceschlösser Oberösterreichs, Schloss Hartheim in Alkoven (Bezirk Eferding), steht als Synonym für die Gräueltaten der Nationalsozialisten an behinderten und (psychisch) kranken Menschen. Als „unwertes Leben“ eingestuft, ermordeten die Nationalsozialisten dort rund 30.000 Menschen. Vor 20 Jahren wurde aus dieser „Tötungsanstalt“ nicht nur eine Gedenkstätte sondern auch ein Lernort.

Verschränkung von Geschichte und Gegenwart
Schloss Hartheim sei „eine wichtige Institution, um das finsterste Kapitel unserer Geschichte nicht zu überdecken und präsent zu halten“, betont Landeshauptmann Thomas Stelzer. Das ganz Besondere sei, dass man die thematische Auseinandersetzung in Bezug zur heutigen Zeit setze.
Die Obfrau des Vereins Schloss Hartheim, Brigitte Kepplinger, hebt das „Alleinstellungsmerkmal von Verschränkung von Geschichte und Gegenwart“ hervor. „Dies beinhaltet eine kritische Diskussion von Entwicklungen, die auch aktuell den Wert des Lebens in Frage stellen.“

Berührender Einblick in die Geschichte
1898 war in Hartheim ein Pflegeheim für geistig und mehrfach behinderte Menschen eingerichtet worden, in dem bis 1938 humanitäre Arbeit geleistet wurde. Unter den Nationalsozialisten aufgelöst, entstand ab 1940 dort eine „Tötungsanstalt“ im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms. Nach dem Krieg diente das Schloss als Wohngebäude, bevor 1969 die erste Gedenkstätte für die Opfergruppe der Euthanasieaktion „T4“ in Deutschland und Österreich entstand.

1995 wurde der Verein Schloss Hartheim zu „Errichtung und Betrieb der Gedenkstätte“ gegründet, 1997 startete das Land die Sanierung des Schlosses und die Neugestaltung einer Gedenkstätte, verbunden mit einer Dauerausstellung zum Thema „Wert des Lebens“. 2003 fand die Eröffnung statt.

Finanzierung durch Bund und Land Oberösterreich
Der Betrieb des Lern- und Gedenkortes wird durch eine gemeinnützige Stiftung des Landes sowie aus Kulturfördermitteln des Landes finanziert. Forschungs- und pädagogische Projekte werden auch aus Mitteln des Nationalfonds, des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung gefördert.
15.06.2023, red, ooe.ORF.at/Agenturen

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