K

kuchenvernichte

Nicht mehr aktiv
#62
Hallo zusammen,

Hat sich niemand vom Fach der Inschriften angenommen? Mich würde auch interessieren, ob sich um den Abriss eine denkmalgeschichtliche Diskussion entsponnen hat.
Ich forsche derzeit zu diesem Thema - weiß jemand mehr hierüber?

LG
 
#65
Inschriften

Hallo Zusammen,

bei einer Recherche nach Kellergwöble in Schwecht habe ich folgenden Zeitungsartikel gefunden

http://regionaut.meinbezirk.at/schwechat/chronik/nazi-keller-unter-brauereigelaende-d127918.html

Darin steht :

„Die Bauarbeiten verzögern sich jetzt ein wenig, werden aber nicht ganz ausgesetzt. Die Aufklärung ist uns wichtig, deshalb wird eine Historikerkommision die gefunden Inschriften auf ihre Herkunft prüfen.“, so Brau Union Pressesprecherin Veronika Fiereder zu den BEZIRKSBLÄTTERN.
Mal schauen was diese Kommision bzw. das Bundesdenkmalamt herusfindet.

LG
Aschi79
 

Stoffi

Well-Known Member
#66
das ist schon zu spät, entweder sie haben die Ziegel rausgenommen oder einfach zugeschüttet, ich vermute zweiteres...

lg stoffi
 
K

kuchenvernichte

Nicht mehr aktiv
#70
Hallo zusammen!
Danke für all die Antworten und Links! Eine hochinteressante Sache. Ich werde mich demnächst am Institut für Zeitgeschichte über den Stand der Untersuchung erkundigen und wen sie damals hingeschickt haben - das ist ja quasi ein Heimspiel für mich.
LG

Und a propos Gedenkkultur, hier ein Literaturhinweis für Interessierte:
Arnberger, Heinz (Hrsg.) / Kuretsidis-Haider, Claudia (Hrsg.): Gedenken und Mahnen in Niederösterreich, Mandelbaum Verlag, 2011.
 
#71
Ergebnis deiner Untersuchungen...

Hallo kuchenvernichte,

wäre lieb, wenn du das Ergebnis deiner Recherche hier bekannt geben würdest. Wäre sehr daran interessiert.

LG
Aschi79
 
#72
Antwort vom Bundesdenkmalamt

die Damen (und Herren) vom BDA waren damals mit Stöckelschuhen und ohne Taschenlampe vor Ort....
du hattest leider Recht. Hier die Antwort:

Sehr geehrter Herr Aschenbrenner!

Das Bundesdenkmalamt hat die für die Gedenkstätte Mauthausen zuständige Abteilung des Bundesministeriums für Inneres um Unterstützung ersucht. Gemeinsam mit einem Bauforscher, einem Zeithistoriker und einem Archivar wurde die Nutzungsgeschichte der Kelleranlagen der Brauerei bearbeitet. Ergebnis war, dass die Verwendung des Bereichs, in dem sich die Inschriften befanden, während des 2. Weltkrieges als Luftschutzraum gesichert ist. Ob er auch im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Zwangsarbeitern stand, kann mangels ausreichender materieller und archivalischer Belege nicht mehr festgestellt werden.
Mit freundlichen Grüßen
xxx

Name wurde entfernt.

LG
Aschi79
 
#73
Begehung durch das BDA, Inschriften

Bezüglich Denkmalamt und Schwechat:

Von sich aus hat das BDA zunächst gar nichts gemacht, als die alte Brauerei samt Keller abgerissen wurden. Es gab offenbar die Absprache, dass drei Bauten, die unter Schutz stehen, stehen bleiben müssen ("Altes Brauhaus", der Pavillion, und jenseits der Straße die Dieselkraftzentrale).

Ende Nov. oder Anfang Dezember 2011 rief ich die Präsidentin des BDA, Dr. Barbara Neubauer, an und berichtete ihr von meinen Bedenken, dass ober- und unterirdische historisch bedeutsame Spuren, insbesondere die Inschriften, zerstört würden. Sie wies daraufhin das Landeskonservatorat NÖ an, die Sache mit den Inschriften zu überprüfen. Zuständig war dafür Frau Mag. Margit Kohlert vom BDA NÖ.

Aus einem Grund, der mir nicht ganz klar ist, fand die Begehung erst etliche Wochen später statt, ich glaube, im Februar. Anwesend war auch ein Mitarbeiter des Mauthausenarchivs im Innenministerium. Außerdem war der derzeitige Schwechater Braumeister Urban anwesend, der mir in einem Telefonat sagte, er wisse gar nicht, dass in Schwechat einst U-verlagerte Rüstungsbetriebe waren. ("Verwechseln Sie das nicht mit Redl-Zipf?") Leider ist durch die Fusion mit Brau-Union und Heineken das Bewusstsein für die Schwechater Firmengeschichte praktisch verloren gegangen.

Ob es zu einem anderen Termin eine eigene Begehung der Bereiche mit den Inschriften gab, an der Dr. Perz (Inst. f. Zeitgeschichte) teilnahm, weiß ich nicht sicher - ich vermute aber schon; er war jedenfalls in den Vorgang der Beurteilung der Inschriften eingebunden.

Später wurden, im Auftrag des BDA, noch Fotos der Inschriften angefertigt (durchgeführt von Leuten vom Mauthausen-Archiv des BMI). Wesentlich ausführlichere Fotodokumentationen wurden jedoch schon vorher "inoffiziell", also von Privatleuten durchgeführt. ("Inoffiziell" deshalb, weil die Brauerei zunächst keine Notwendigkeit für eine Dokumentation sah. Erst als über das BDA und durch einen Kurier-Artikel Anfang 2012 Druck gemacht wurde, gab es eine gewisse Kooperation.)

Da es schwer zu beurteilen ist, welcher Rüstungskonzern in welchem Bereich untergebracht war (es gab ja mehrere Kellersysteme und mindestens drei Konzerne im Schwechater Untergrund, von denen manche KZ-Häftlinge einsetzten, andere "nur" Zwangsarbeiter) - der großartige Lokalhistoriker A. Ezsöl hat hier Pionierarbeit geleistet - wurde vom BDA entschieden, dass die Inschriften zwar dokumentiert werden sollen, aber nicht "erhaltungswürdig" seien.

Eine Einschätzung, die ich übrigens in keiner Weise teile.

Der Mann von der Brauerei, der die Leute beim BDA-Lokalaugenschein führte, zeigte ihnen übrigens nur einen Teil der Keller. Sehr interessante und alte Bereiche, die brauereigeschichtlich interessant sein könnten, wurden nicht aufgesucht - vielleicht, weil er diese Bereiche selber nicht kannte, oder aber, weil man sich nur auf die Inschriften konzentrierte.

Insgesamt befürchte ich, dass das Bewusstsein für den Wert historischer Spuren sowohl der NS-Zeit, als auch der Industriegeschichte, bei vielen Menschen nicht gerade stark ausgeprägt ist.
 
#74
Schließung der Museen in Schwechat

Weiter vorne wurde von Aschi (@Kuchenvernichter) empfohlen, im "Neuen Museum Schwechat" nachzufragen.

Leider hat die Stadtgemeinde Schwechat die krasse Idee gehabt, das hochinteressante Museum aufzulassen und aus den Räumlichkeiten einen Veranstaltungsbereich zu machen. (Böse Zungen würden nun sagen, dass das weniger kostet und mehr Geld einbringt.) Die einstige wertvolle ständige Schausammlung wurde zunächst ersetzt (!) durch temporäre Ausstellungen, jetzt gibt es nur mehr irgendwelche Schauwanderwege durch Schwechat mit Broschüren, oder so ähnlich ("Kulturwanderweg Ideenreich Schwechat" heißt das Ding).

Der wertvolle Bestand des einstigen Museums liegt in einem Depot und ist nicht zugänglich, wie mir mitgeteilt wurde.

Was die Aufarbeitung der Zeitgeschichte (NS-Zeit) betrifft, hat zwar der großartige Lokalhistoriker A. Ezsöl Pionierarbeit geleistet. Die Stadtgemeinde Schwechat jedoch zeigte (außer einer kleinen Gedenktafel) für das Thema, soweit ich es beurteilen kann, wenig Interesse. Das zeigt sich auch daran, dass in der offiziellen Geschichte auf der Webseite der Stadt Schwechat die NS-Zeit nicht existiert. Auf das Jahr 1938 folgt direkt das Jahr 1954!!!

http://www.schwechat.gv.at/fs1/cs1/home/geschichte/geschichte

Anscheinend argumentierte man, da Schwechat damals nach Wien eingemeindet wurde, hätte es sozusagen keine NS-Geschichte von Schwechat gegeben. Ein origineller Ansatz. Demnach hätte auch Österreich nichts mit der NS-Zeit zu tun, da es ja "damals nicht existiert hat". Eine interessante Methode der Verdrängung dunkler Zeiten mit KZ-Lagern und Rüstungsbetrieben. - Wobei mir von Seiten der Gemeinde Schwechat mitgeteilt wurde, es handle sich bloß um ein Versehen, der Text sei eilig erstellt worden, und man werde das korrigieren.

Außer dem nun nicht mehr vorhandenen "Museum Schwechat" scheint es auch ein "Brauereimuseum Schwechat" gegeben zu haben. Genaues konnte ich nicht in Erfahrung bringen, angeblich wurden Exponate davon nach Wieselburg verlagert - bin aber nicht sicher, ob das korrekt ist.

Ein sehr mageres "Pseudomuseum" gibts im Keller vom Neuen Brauhaus, wo in einem Veranstaltungssaal an den Wänden, teilweise verdeckt, alte Pläne und Abbildungen hängen, ein wenig lieblos und vernachlässigt. Siehe:
http://www.brauhaus-schwechat.at/ueber-uns/geschichte.html

Eine Sammlung des aufgelassenen "Brauereimuseums Liesing" sei, laut unten stehender ots-Aussendung, 2006 teilweise ins "Brauereimuseum Schwechat" verlagert worden.
http://www.ots.at/presseaussendung/...ger-abschied-vom-ehemaligen-brauerei-gelaende
Von solchen Exponaten war jedenfalls in dem "Pseudomuseum" im Veranstaltungssaal nichts zu sehen. Die Brau-Union verlagert die Objekte scheinbar recht häufig. :schlecht:
 
#75
Aufarbeitung der NS-Zeit

...vielleicht sollte ich der Fairness halber noch anfügen, dass das Buch "Schwechat von der Stadterhebung bis heute" mit Augenzeugenberichten, zusammengestellt von der Leiterin des Schwechater Stadtarchivs, im Prinzip schon einiges zur Kriegszeit berichtet. Auch Heinkel und die Flughafen-KZ´s kommen kurz vor (z.B. Seite 43 und 54).

Aber mein Eindruck bleibt: Auch hier, im Kapitel "Die Brauerei als Identitätsstifter", Seite 81, folgt auf das Jahr 1935 unmittelbar das Kriegsende. Von den Rüstungsbetrieben an den drei Kellerstandorten, von den KZ-Außenlagern in Schwechat selbst (also nicht jene beim Flughafen/Fliegerhorst), usw. wird anlässlich der Brauerei nicht gesprochen, zwischen 1935 und 1945 gibt´s ein seltsames Loch.

Die U-Verlagerungen (im Brauereibereich) der Flugmotorenwerke Ostmark und der Steyr-Flugmotorenwerke kommen, soweit ich es sehen konnte (es gibt kein Stichwortverzeichnis), im Buch nicht vor, ebenso nicht das KZ am einstigen und jetzigen Sportplatz.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#76
Ansicht der Brauerei Schwechat

Fand gerade eine Farblithografie von den "Obertageanlagen" der Brauerei Schwechat aus der Zwischenkriegszeit:

Bildquelle: J.Jetschgo, F.Lacina, M.Pammer, R. Sandgruber; "Österreichische Industriegeschichte 1848- 1955"; Ueberreuter Wien 2004
 

Anhänge

#77
Farblithographie

@ Josef: Vielen Dank, eine schöne und vor allem interessante Darstellung, die ich nicht kannte!:danke

Wobei ich es für möglich halte (ich kann mich natürlich auch irren), dass sich die Buchautoren, von denen die Darstellung stammt, bei der Datierung geirrt haben, was die Zwischenkriegszeit betrifft.

Links vorne ist, soweit ich es erkenne, der große Getreidespeicher zu sehen. Diverse Quellen, u.a. auch "geheimprojekte", wo sich Markus auf "Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz" bezieht, sagen übereinstimmend, dass dieser riesige Speicher 1940/41 gebaut wurde. Ich würde also annehmen, dass die interessante Darstellung frühenstens den Stand von 1940/41 zeigt.
Siehe z.B. http://www.geheimprojekte.at/t_santa.html

Ein ebenfalls interessanter Aspekt der Abbildung betrifft die Gebäude links ganz im Hintergrund (diverse längliche Baracken). In einem Gespräch mit dem Lokalhistoriker A. Ezsöl hörte ich von Indizien, dass es außer dem KZ-Außenlager beim Sportplatz (bei der Bahn, am Ende der Schmidgasse) möglicherweise ein zweites KZ-Lager oder Zwangsarbeiterlager gab, und zwar etwa dort, wo in der Abbildung die Baracken zu sehen sind. Ist aber glaube ich noch nicht abgesichert, da weder die Brauerei, noch die Stadtgemeinde nach Kriegsende diese Phase der Geschichte aufarbeiten und dokumentieren wollten.

Dieses Barackenlager links ganz hinten existierte offenbar noch längere Zeit nach Kriegsende, wie auf einem Foto zu sehen ist, das mir mal gezeigt wurde.

Stehengeblieben ist nach dem Abriss 2012, aufgrund Denkmalschutz, nur der hübsche Pavillion vorne in der Bildmitte (rechts vom 1941-Getreidespeicher), das "Alte Brauhaus" ganz vorne ganz rechts, mit dem runden Toreingang, und die "Dieselkraftzentrale", die ich nicht sicher identifizieren kann. Möglicherweise schräg links hinter dem Getreidespeicher bei den Gleisen, obwohl ich sie eigentlich im Bereich der (einstigen) Gleise weiter links vermutet hätte.

Weiter hinten im Bereich der Gleisanlagen steht heute die "neue Brauerei" samt riesiger Dosenabfüllanlage.
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#78
Brauerei-Bild aus ca. 1941

...Wobei ich es für möglich halte (ich kann mich natürlich auch irren), dass sich die Buchautoren, von denen die Darstellung stammt, bei der Datierung geirrt haben, was die Zwischenkriegszeit betrifft.

Links vorne ist, soweit ich es erkenne, der große Getreidespeicher zu sehen. Diverse Quellen, u.a. auch "geheimprojekte", wo sich Markus auf "Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz" bezieht, sagen übereinstimmend, dass dieser riesige Speicher 1940/41 gebaut wurde. Ich würde also annehmen, dass die interessante Darstellung frühenstens den Stand von 1940/41 zeigt.
Das stimmt! Danke für den Hinweis, habe am Abend nicht mehr weiter recherchiert und nur den Bildtext übernommen.

Sowohl Weihsmann, in "Bauen unterm Hakenkreuz" (S. 1057) als auch Stadler, in "Das industrielle Erbe Niederösterreichs" (S. 722) datieren den Silobau mit 1939-41 (Stadler) bzw. 1940-41 (Weihsmann)!

:danke auch für die übrigen Infos!

lg
josef
 
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