USA - Boom beim Eisenbahn-Güterverkehr

josef

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Bahntransporte steigen sukzessive

In den 1970er Jahren hat die Eisenbahn in den USA als so gut wie tot gegolten. 40 Jahre später zeigt sich einmal mehr: Totgesagte leben länger. Die Welle des Frackingbooms der vergangenen Jahre schob die Güterbahngesellschaften als Transporteure des Rohöls sukzessive in die gewinnbringende Zone. Daneben setzen auch immer mehr Frächter auf den Zug. Der Erfolg könnte den Eisenbahnen aber zugleich zur Achillesferse werden.

Schwarzes Gold rollt durch die USA
Die US-Eisenbahnen sind zurück. Die großen Güterbahngesellschaften können sich zurzeit über eine stetig wachsende Auftragslage freuen. Ging vor vier Jahrzehnten noch die Angst von einem Ende der Zugverkehrs um, ist von dieser Furcht heute nichts mehr zu bemerken. Vielmehr stellt sich langsam die Frage, ob die Eisenbahnen der steigenden Nachfrage überhaupt noch gerecht werden können.

Als einer der ersten scheint wieder einmal Warren Buffet die Renaissance des Zugverkehrs erkannt zu haben. Im Februar 2010 übernahm Buffets Investmentfirma Berkshire Hathaway die Burlington Northern and Santa Fe Railway (BNSF). Der Investor kaufte damit für 27 Milliarden Dollar die zweitgrößte Eisenbahnlinie der USA. Buffet sprach damals von einer „All-in-Wette“ auf die amerikanische Wirtschaft, und es hat den Anschein, als ob das „Orakel von Omaha“ wieder einmal richtig lag.

Seit 2011 übersteigen das erste Mal seit 70 Jahren bei allen großen Eisenbahnlinien der USA die Einnahmen die Kapitalkosten, also jene Beträge, die die Unternehmen an Rendite und Zinsen bezahlen müssen. Während der Personenverkehr auf der Fernstrecke trotz Milliardeninvestitionen der Obama-Regierung nach wie vor nicht in Fahrt kommt, herrscht beim Güterverkehr schon beinahe Goldgräberstimmung.

Talsohle in den 70er Jahren
Dabei stand es um den Güterverkehr in den 1970er Jahren – also jener Zeit, als der Personenverkehr verstaatlicht wurde – auch alles andere als rosig. Ohne staatliche Hilfspakete und einem umfassenden Deregulierungsgesetz – der Stagger-Act – von 1980, wären die großen Güterbahnlinien heute möglicherweise Geschichte.

Um die Eisenbahnlinien war es damals dermaßen schlecht bestellt, dass viele dem Stagger-Act bestenfalls noch zutrauten, den sicheren Niedergang etwas aufzuhalten. „Jeder sah darin einen letzten Versuch, den endgültigen Bankrott der Industrie zu verhindern“, so BNSF-Vorstandsvorsitzender Matt Rose gegenüber der „Financial Times“ („FT“).

Fracking als Glücksfall
Und doch nahmen die US-Eisenbahnen in den vergangenen Jahren eine derart positive Entwicklung, dass Rose heute von einer „Aufwärtsspirale“ der Bahnindustrie sprechen kann. So erfreulich dieser Trend für die Eisenbahngesellschaften ist, so sehr verdanken ihn die Unternehmen in erster Linie äußeren Umständen. Denn hauptverantwortlich für den aktuellen Schienenboom ist jene Technologie, die in jüngster Zeit der gesamten US-Wirtschaft zu Höhenflügen verhilft: Fracking.

Mit der international umstrittenen Methode befördern die USA nicht nur Gas aus den Schieferschichten, sondern auch tonnenweise Öl. Allein in den US–Bundesstaaten North Dakota und Montana wurde die Tagesproduktion zwischen 2006 und 2012 von null auf rund 500.000 Barrel Öl gesteigert – Öl, das von den Förderstätten möglichst günstig abtransportiert werden muss.

Ölindustrie braucht Eisenbahn
Im Großteil der Fälle geschieht das per Zug. Die sieben größten Eisenbahngesellschaften der USA – Class 1 Railroads genannt – brachten im vergangenen Jahr 400.000 Waggonladungen Rohöl auf die Schiene. 2008 waren es gerade einmal 9.500 gewesen. Für die Eisenbahngesellschaften brachten diese neuen Aufträge dermaßen große Gewinnzuwächse, dass sie sogar die - ebenfalls durch den Frackinghype - verursachten 15-prozentigen Einbrüche beim Kohletransport problemlos wegstecken konnten. Und das obwohl Kohle in den vergangenen Jahrzehnten das meisttransportierteste Einzelgut der US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften darstellte.

Der gesamte Frackingboom der USA wäre ohne die Eisenbahn nicht möglich gewesen, sagt Jack Koraleski, CEO der größten US-amerikanischen Güterbahnlinie Union Pacific. Die Bahn übernahm nicht nur den Transport des geförderten Rohöls, sondern brachte auch die Bohranlagen und den für das Fracking benötigten Sand zu den Förderstellen.

Tankzug verursachte Inferno
Zumindest der kanadische Ort Lac-Megantic musste dafür einen hohen Preis bezahlen. Vor einem Jahr lösten sich die Bremsen an einem abgestellten Tankzug. Nachdem der herrenlose, mit 72 Tankwaggons bestückte Zug elf Kilometer bergab gerollt war, entgleiste er in der Kleinstadt Lac-Meganitc. Die Explosion tötete 47 Menschen und legte einen ganzen Stadtteil in Schutt und Asche.
Zwar zogen die kanadischen und US-amerikanischen Behörden schnell erste Konsequenzen: Tankzüge dürfen nicht mehr unbeaufsichtigt gelassen werden und auch nicht mehr von einem Zugführer allein bedient werden. Doch an ein grundlegendes Problem wagten sich die verantwortlichen Stellen bisher nicht heran.

Bei dem Unglück in Lac-Megantic zeigte sich, dass der unter der Bezeichnung DoT Class 111 firmierende Tankwaggon weitaus weniger widerstandsfähig war als bisher angenommen. Doch gerade dieser Waggon ist als Standardmodell bei allen großen Bahnunternehmen im Einsatz. Sollten hier strengere Sicherheitsvorkehrungen erlassen werden, könnten auf Eisenbahnen beträchtliche Kosten zukommen.

Bahnnetz stößt an seine Grenzen
Daneben könnte der Renaissance der US-Bahnen noch ein weiterer Umstand zur Achillesferse werden. Je höher die Auslastung der Güterbahnnetze wurde, desto länger wurden die Transportzeiten. Denn steigende Treibstoffpreise ließen in den vergangenen Jahren Transportunternehmen auf langen Strecken vermehrt von der Straße auf die Schiene wechseln. So werden mittlerweile alle Arten von Verbrauchsgütern in Containern oder gleich in Lkw-Anhängern per Zug durch die USA transportiert. Einzig die Lieferung zum und vom Güterbahnhof übernehmen Lastwägen. Was auf dem Meer schon lange Usus ist, wird auch auf der Schiene vermehrt zur Normalität: Waren werden in Containern über weite Strecken transportiert.

Das lässt die Bahnunternehmen verständlicherweise jubeln, muss ihnen aber ebenso Kopfzerbrechen bereiten. Denn das Eisenbahnnetz droht schlichtweg zu überlasten. Laut „FT“ sank etwa die Durchschnittsgeschwindigkeit der BNSF-Züge innerhalb eines Jahres um zwölf Prozent. In einem Gewerbe, wo Zeit sprichwörtlich Geld ist, können solche Verzögerungen schnell zum Problem werden.

Fünf Milliarden Dollar (3,7 Mrd. Euro) will BNSF deshalb allein in diesem Jahr in den Ausbau seiner Bahnstrecken investieren und die Hauptstrecken durch Montana mit einem zweiten Gleis ausstatten – ein Projekt, das BNSF nur deshalb in Angriff nehmen kann, weil alle Beteiligten davon überzeugt sind, dass die Zukunft des Frachtverkehrs in den USA auf der Schiene liegt.
http://orf.at/stories/2239087/

Union Pacific: http://www.uprr.com/customers/index.shtml

BNSF Railway: http://www.bnsf.com/
 
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