Vor 150 Jahren entdeckten die K.u.k. Offiziere und Forscher Julius Payer und Carl Weyprecht das Franz-Josef-Land

josef

Administrator
Mitarbeiter
#1
Wie vor 150 Jahren das Franz-Josef-Land entdeckt wurde
Die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition bedeutete neben der Entdeckung einer neuen Inselgruppe auch zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse
Blog
Erzählt die Historikerin Petra Svatek von der Bedeutung der österreichisch-ungarischen Reise in den hohen Norden.
Am 13. Juni 1872 verließ die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition unter der Leitung der beiden Offiziere und Forscher Julius Payer und Carl Weyprecht mit dem Schiff "Admiral Tegetthoff" Bremerhaven. Die Expedition hatte zum Ziel, auf dem Seeweg möglichst weit zum Nordpol vorzustoßen und eine Schiffspassage um den asiatischen Kontinent herum zu erkunden. Bereits Ende August jedoch wurde das Schiff im Packeis eingeschlossen und driftete in den folgenden Monaten auf einer Eisscholle nach Norden. Am 30. August 1873 sichtete die 24-köpfige Besatzung eine bisher unentdeckte Inselgruppe, der sie den Namen Franz-Josef-Land gaben. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften zeigt aus Anlass dieser 150-jährigen Entdeckung im Bibliothekssaal vom 24. Mai bis zum 14. Juli 2023 eine kleine Ausstellung, die sich mit der Expedition, mit dem Ersten Internationalen Polarjahr 1882/83 und mit den Auswirkungen der Forschungen auf die Umwelt auseinandersetzt.


Boots- und Anemometerhaus 1882/83 auf der Insel Jan Mayen.
Foto: ÖAW AW-IV: PO/Ark 71

Schlittenfahrten auf Franz-Josef-Land
Das neu entdeckte Franz-Josef-Land wurde schließlich im Frühjahr 1874 erkundet. Während dreier Schlittenreisen erreichte die Mannschaft bei Kap Fligely den nördlichsten Punkt Eurasiens und stellte die erste Karte von Franz-Josef-Land her. Die entdeckten Inseln, Gletscher, Berge und Buchten erhielten Namen nach österreichischen Regionen, Städten und berühmten Persönlichkeiten. Ein Gletscher wurde zum Beispiel nach dem Geographen Friedrich Simony benannt, eine Insel nach dem Mäzen Johann Nepomuk Graf Wilczek und ein Landstrich nach Kronprinz Rudolf. Obwohl die Expedition weniger eine reale Kolonialisierung als Ziel hatte, bedeutete diese Namensgebung zumindest eine symbolische Landnahme und einen Machtanspruch auf das neu entdeckte Gebiet. Da das Schiff der Expedition am Beginn des Sommers 1874 noch immer im Eis festsaß, beschloss die Besatzung, es aufzugeben. Nach einem Fußmarsch und der Rettung durch russische Fischerboote trafen die 23 verbliebenen Expeditionsteilnehmer am 25. September in Wien ein. Verstorben ist nur ein Mitglied der Mannschaft, der Maschinist Otto Krisch, an den Folgen einer Tuberkulose.


Schlittenexpedition auf Kronprinz-Rudolf-Land 1874.
Foto: ÖAW AW-IV: PO/Ark 62

Erstes Internationales Polarjahr
Nach der Rückkehr führte das Engagement von Carl Weyprecht zur Ausrichtung des Ersten Internationalen Polarjahres 1882/83, was schließlich eine systematische Erforschung der Polarregionen einleitete. Österreich-Ungarn betrieb in diesem Jahr eine Forschungsstation auf der Insel Jan Mayen. Die 14-köpfige Mannschaft errichtete eine Forschungsstation, die für die kommenden 13 Monate als Basis für astronomische, meteorologische, zoologische, botanische, hydrologische, erdmagnetische und geologische Forschungen diente. Zudem fertigte man die erste Spezialkarte nördlich des Polarkreises an. Dabei hatte es die Mannschaft alles andere als leicht: Sie kämpfte mit einem wankenden Vermessungstisch infolge starker Winde und mit enormer Luftfeuchtigkeit, die dazu führte, dass das Papier aufgeweicht und die darauf eingetragenen Vermessungsergebnisse verzerrt wurden.


Karte des Franz-Josef-Landes.
Foto: ÖAW R-II: PO/Ark 64

Die bedrohte Polarregion
Dieses Internationale Polarjahr und alle anderen Forschungen führten schließlich zu einer Bestandsaufnahme wirtschaftlich nutzbarer Ressourcen, welche eine Kolonisierung mit massiven Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung und die Landschaft zur Folge hatte. Die Arktis wird heute nicht nur durch den Abbau an fossilen Energieträgern und wichtigen Mineralen, sondern auch durch Plastikmüll, Abwässer, Schadstoffen in der Luft und nukleare Abfälle verseucht. Zudem ist nirgends auf der Welt der Klimawandel so sichtbar wie in der Arktis, wodurch dessen Erforschung für die gesamte Menschheit von großer Bedeutung ist. Denn nur so kann auf die rapiden Änderungen des menschengemachten Klimawandels auf globaler Ebene adäquat reagiert werden.
(Petra Svatek, 25.5.2023)

Petra Svatek ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Sammlung Woldan der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und setzt sich vor allem mit der Geschichte der
Geografie und Kartografie im politischen Kontext auseinander.
Wie vor 150 Jahren das Franz-Josef-Land entdeckt wurde
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#3
VERMESSUNG DES EISES
Die kuriose Irrfahrt der K.-u.-k.-Nordpolexpedition
Vor 150 Jahren wurde Franz-Josef-Land entdeckt. Eine neue Ausstellung erzählt von der strapaziösen Reise und zeigt geschichtsträchtige Originalobjekte
"Land, Land, endlich Land!", ging als Jubelruf in die Geschichte ein. Ausgestoßen hat ihn die Besatzung der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht, als sie die Inselgruppe Franz-Josef-Land entdeckte. Die Euphorie der Mannschaft wird nachvollziehbar, wenn man die abenteuerliche Expedition Revue passieren lässt. Möglich ist das in einer neuen Ausstellung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dabei bietet sich die seltene Gelegenheit, Einblick in eine der wohl kuriosesten Geschichten der Entdeckungsfahrten zu nehmen.


Franz-Josef-Land ist für die Öffentlichkeit nicht betretbar, selbst die Forschung erhält nur begrenzt Zugang zu dem Archipel, das von einer K.-u.-k.-Expedition entdeckt wurde.
Ekaterina ANISIMOVA / AFP

Eingeschlossen im Packeis
Am 13. Juni 1872 sticht das Schiff Admiral Tegetthoff mit 24 Mann Besatzung von Bremerhaven aus in See. Ziel der Reise ist neben der Erkundung des Nordpolarmeeres die Suche nach einer möglichen Nordostpassage. Doch äußerst ungünstige Wetter- und Eisverhältnisse durchkreuzen den Plan – wenige Wochen nach Abreise wird das Schiff im Packeis vor der Insel Nowaja Semlja eingeschlossen. Manövrierunfähig driftet es auf einer Eisscholle nach Norden.


Ein Gemälde zeigt das im Packeis festsitzende Expeditionsschiff Admiral Tegetthoff der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition.
ÖAW

Ein Jahr fristet die Besatzung in beengten Verhältnissen, begleitet vom beängstigenden Knacken des Holzes. Die Gefahr, vom sie umgebenden Eis erdrückt zu werden, besteht konstant. Auch die bald einsetzende Polarnacht lastete schwer auf den Männern, wie Payer festhält: "Der Lichtkreis einer Lampe ist für den Menschen dann die ganze Welt." Der Drift durch unbekannte Gewässer endet am 30. August 1873, als die Besatzung endlich Land sichtet.


Ein Blick auf die Inselkette Franz-Josef-Land, deren Sichtung so geschichtsträchtig bejubelt wurde. Obwohl sie verlockend nahe liegt, kann die Besatzung der Tegetthoff aufgrund der Eis- und Witterungsverhältnisse lange nicht von Bord gehen.
Ekaterina ANISIMOVA / AFP

840 Kilometer durch die Kälte
Die rettende Inselkette sollte für die Crew jedoch zum eisigen Gefängnis werden. Vor dem Archipel verbringen die Männer ihren zweiten Winter an Bord des Dreimasters. Im Frühling 1874 wird das neu entdeckte Land schließlich erkundet. Mit acht Schlittenhunden führen die Männer drei Schlittenreisen durch, legen dabei mehr als 840 Kilometer zurück und kartieren unter widrigen Bedingungen. Bei Kap Fligely erreichen sie den nördlichsten Punkt Eurasiens.

Während dieser Erkundungen fertigt die Mannschaft die erste Spezialkarte des Polarkreises im Maßstab 1:100.000 an. Diese Pionierarbeit leidet jedoch unter den herrschenden Wetterbedingungen. Qualitätsverluste der Karte ergeben sich, da die Expeditionsteilnehmer ab einer Höhe von 60 Metern mit derart starkem Wind zu kämpfen haben, dass der Messtisch konstant ins Wanken gerät und exakte Aufnahmen unmöglich sind. Hinzu kommt die Feuchtigkeit des Nebels, die das Papier angreift und die Aufzeichnungen verzerrt.


Die Erkundung und Kartierung des neu entdeckten Archipels Franz-Josef-Land im hohen Norden, dargestellt in einer Illustration aus dem Jahr 1880. Erschienen ist diese in der mexikanischen Wochenzeitung "El Mundo Ilustrado".
imago images/Jerónimo Alba

Der Proviant wird knapp
Ausgerüstet mit Dosenfleisch, Zwieback und Sauerkraut ist die Versorgung der Mannschaft vorerst gesichert. Die Besatzung zu verpflegen bringt den Koch dennoch nah an den Nervenzusammenbruch. Er verzweifelt angesichts des nicht auftauen wollenden Dosenfleischs, wie Payer notiert: "Stundenlang stehen die Büchsen mit Konservenfleisch im kochenden Wasser um aufzuthauen, was in der Regel nur mangelhaft gelingt." Den mitgebrachten Schinken vergleicht er mit dem nie auftauenden Boden der sibirischen Tundra.

Nach zwei Jahren an Bord gehen die Vorräte jedoch zur Neige, zudem verschlechtert sich der Gesundheitszustand einiger Besatzungsmitglieder. Am 16. März 1874 verstirbt der Maschinist Otto Krisch an einer bestehenden Tuberkuloseinfektion. Drei Tage später findet er auf der Wilczek-Insel seine letzte Ruhestätte – sie gilt als die nördlichste Grabstätte der Welt. Die widriger werdenden Umstände bewegen die Expeditionsleiter zu einer Entscheidung, die der verbliebenen Mannschaft das Leben retten wird – doch wiederum unter immensen Strapazen.


Am 16. März 1874 verstirbt der Maschinist Otto Krisch, er wird am 19. März auf der Wilczek-Insel beigesetzt. Er war das einzige Todesopfer der strapaziösen Expedition.
ÖAW

Aufbruch mit ernüchterndem Ausgang
Am 20. Mai 1874 verlassen die Männer das nach wie vor festsitzende Schiff und treten den Weg gen Süden an. Payer und Weyprecht wissen, dass sie die Gunst der Stunde und den Frühsommer nutzen müssen. Ein weiteres Jahr im Eis würden sie nicht überleben. Die drei Beiboote der Tegetthoff werden mit allen nötigen Utensilien beladen und für die Heimreise mit Kufen versehen. Sechs Wochen lang bahnt sich die Mannschaft ihren Weg durch eine unwirtliche und trostlose Landschaft.

Dann die schockierende Ernüchterung: Am Horizont taucht die Tegetthoff auf – die Männer sind im Kreis gelaufen. "Im Sommer geht die Sonne nicht unter, es gibt kaum markante Punkte in der Landschaft, die Orientierung ist extrem schwierig", erklärt Gerhard Holzer, einer der vier Kuratierenden. Was außerdem nicht zu vergessen sei: Mit dem rechten Bein mache man größere Schritte. Wird das nicht durch eine bewusste Richtungskorrektur ausgeglichen, gehe man eine Schleife.


Nach den Berichten der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition fertigte der k. u. k. Oberleutnant Franz Schett die erste gedruckte Karte des Franz-Josef-Lands an. Sie zeigt die Route der Mannschaft mit Datumsangaben und die neu entdeckten Inseln.
ÖAW

Es gibt kein Zurück
Nachdem das Expeditionsschiff wieder in Sicht ist, wollen einige Besatzungsmitglieder wieder an Bord gehen. Mit der Bibel in Händen und einer glühenden Rede auf den Lippen soll Weyprecht die Männer überzeugt haben, nochmals die Reise nach Süden zu wagen. Diesen schicksalhaften Moment hielt Payer im Gemälde "Nie zurück!" fest. Das Monumentalwerk, das rund 330 mal 460 Zentimeter misst, hängt heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.


Carl Weyprecht überzeugt die erschöpfte Mannschaft, ihr Expeditionsschiff aufzugeben und abermals den Weg nach Süden anzutreten. Diesen Moment hat Julius Payer in dem Gemälde "Nie zurück!" festgehalten. Das 1892 entstandene Werk sollte Payers berühmtestes Gemälde werden.
Austrian Archives (AA) / brandstaetter images / picturedesk.com

Die Ansprache Weyprechts verfehlt ihre Wirkung nicht, die Mannschaft bricht erneut auf. Diesmal steht das Unterfangen unter einem besseren Stern: Gut drei Monate später erreichen die Expeditionsteilnehmer die Insel Nowaja Semlja. Russische Transchoner nehmen die Männer an Bord und bringen sie zum norwegischen Hafen Vardø.

Abschiedsbrief als Erinnerung
Unsicher, ob sie je wieder in die Heimat zurückkommen würden, verfasst Weyprecht eine Botschaft für die Nachwelt. Es sollte zumindest dieses Schriftstück übrig bleiben und Zeugnis von der Expedition und der Anstrengung der Männer ablegen. In wenigen Zeilen schildert er die Odyssee der Gruppe und bittet in einem Absatz darum, die Nachricht an die "österreichische Admiralität oder das nächste österreichische Konsulat" weiterzuleiten. Diese Bitte wird auf Englisch, Serbokroatisch und Norwegisch wiederholt.


Eine untypische Flaschenpost: Die Nachricht an die Nachwelt wurde 1874 von Carl Weyprecht auf der Inselgruppe Franz-Josef-Land verfasst und 1978 auf der Insel Lamont von einem russischen Forscher entdeckt.
ÖAW

Obgleich von einer Flaschenpost die Rede ist, "handelt es sich mehr um eine Döschenpost", sagt Holzer. Das Schreiben wurde in ein ausgehöhltes Tischbein gesteckt, dieses wiederum in Butterpapier und ein Glasgefäß, verlötet wurde alles mit Blei. Weyprecht fixierte dieses Behältnis auf einer kleinen Steinpyramide auf der Franz-Josef-Land-Insel Lamont. Mehr als 100 Jahre schlummerte die Nachricht, bis der russische Forschende Wladimir Serow sie im August 1978 entdeckte. Zwei Jahre später kam sie nach Wien, wo sie noch heute an der ÖAW aufbewahrt wird.

Rückkehr als Superstars
Um das Schicksal der Nordpolfahrer wusste während ihrer zweijährigen Abwesenheit niemand. Zwar war es zu dieser Zeit normal, dass Expeditionen lange unterwegs waren und es kein Lebenszeichen gab. Monatelang nichts von Forschungsreisenden zu hören sei nicht ungewöhnlich gewesen. "Man hatte einen längeren Atem als heute, aber dennoch war man bereits in Sorge um die Gruppe", sagt Kuratorin Sibylle Wentker. Die Mannschaft der Admiral Tegetthoff galt als verschollen.

Niemand wusste, ob man Weyprecht, Payer und Konsorten je wieder zu Gesicht bekommen würde. So wurden die Mannschaft im September 1874 auch unter frenetischem Jubel begeisterter Massen am Wiener Nordbahnhof begrüßt. Ihr Ruf war ihnen vorausgeeilt, auch hatten die Forscher bei ihrer Ankunft in Wien bereits eine Tour der Empfänge und Bankette durch Europa hinter sich. Ihre Rückkehr wurde von einem unvorstellbaren Medienrummel begleitet, die Männer wurden wie Superstars gefeiert.


Am 25. September 1874 trifft die weitgereiste Besatzung der Tegetthoff am Nordbahnhof in Wien ein und wird von tausenden Menschen begeistert begrüßt.
IMAGO/piemags

1.000 Gulden für die Expedition
Finanziert wurde die Nordpolexpedition übrigens von dem betuchten Polarforscher und Mäzen Johann Nepomuk Graf Wilczek. Eine Anfrage zur Förderung wurde auch an die Akademie der Wissenschaften gestellt, die hitzig über die Finanzierung diskutierte. "Reine Entdeckungsreisen wollte man nicht fördern, gleichzeitig wollte man die Forschenden nicht ganz im Stich lassen", erklärt Wentker.

Letztlich stellte die Akademie die symbolische Summe von 1.000 Gulden bereit. An der Aufarbeitung der Ergebnisse und Dokumente beteiligte sie sich in der Folge mit großem Engagement. Wer übrigens annimmt, dass die abenteuerliche Expedition allen Teilnehmenden die Lust an der Erforschung der Polarregion verdorben hatte, irrt.

Revolution der Forschung


Eine der Vitrinen in der Ausstellung zeigt Bilder und das originale Reisetagebuch von Graf Jozef Pálffy (1853–1920). Es entstand während der österreichischen Expedition zur Vulkaninsel Jan Mayen (1882–1883). Die Forschungsreise wurde im Rahmen des von Carl Weyprecht initiierten Internationalen Polarjahrs (1882–1883) veranstaltet.
ÖAW

Die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition ebnete durch die Initiative von Carl Weyprecht den Weg für die vernetzte Polarforschung. Das Internationale Polarjahr – ein länderübergreifendes Programm zur Erforschung der Polarregionen – fand in der Saison 1882 und 1883 erstmals statt. Es beendete eine Episode des Wettlaufs und der konkurrierenden Expeditionen und führte die Forschung ins Zeitalter internationaler Kooperationen.

Das Internationale Polarjahr läutet allerdings noch eine weitere Phase ein: Die Intensivierung kolonialer Bestrebungen und die zunehmende Beeinflussung der Arktis durch den Menschen. Was folgte, waren die Unterdrückung der indigenen Bevölkerung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die damit einhergehende Zerstörung der Umwelt. Auch auf diese Punkte legt die Ausstellung an der ÖAW einen Fokus.
(Marlene Erhart, 4.6.2023)

Die Ausstellung in der Bibliothek auf dem Campus der ÖAW, Bäckerstraße 13, 1010 Wien, läuft bis 14. Juli (Mo–Do 9–17 Uhr, Fr 9–13 Uhr) und kann auch online besucht werden: viewer.acdh.oeaw.ac.at

Weiterlesen
Die kuriose Irrfahrt der K.-u.-k.-Nordpolexpedition
 

josef

Administrator
Mitarbeiter
#4
Warum eine Insel im Eismeer Wr. Neustadt heißt
1708259693577.png

Mitten im russischen Polarmeer liegt die Insel „Ostrow Winer-Njoischtadt“. Ihren Namen verdankt sie dem k.u.k.-Entdecker Julius Payer. Vor 150 Jahren benannte der Böhme den Landfleck aus persönlicher Verbundenheit nach Wiener Neustadt, die Insel heißt bis heute so.
Online seit heute, 8.23 Uhr
Teilen
Mit 237 Quadratkilometern ist die Wiener-Neustadt-Insel eine der kleineren Inseln des Franz-Josef-Archipels. Auf ihr erhebt sich der höchste Berg, Peak Parnass, mit 620 Metern. Die Insel ist fast zur Gänze vergletschert. Bewohnbar ist sie nur für Eisbären.

Dieser Anblick aus Eis und Schnee eröffnete sich auch Julius Payer, als er im Frühjahr 1874 die Wiener-Neustadt-Insel erstmals betrat und kartografierte. Payer, Kommandant zu Land, war für die Entdeckungsexpeditionen zuständig. Gemeinsam mit dem Kommandanten zur See, Carl Weyprecht, leitete Payer die k.u.k.-Nordpolexpedition.


ORF
Julius Payer (1841-1915), Entdecker und Polarforscher

Eingeschlossen im Packeis
Ziel dieser Mission war es, eine eisfreie Route durch das Polarmeer bis nach Asien zu finden, die dazumal sagenumwobene Nordostpassage. „Es gab damals die Meinung von vielen Wissenschaftlern, allen voran vom deutschen Geographen August Petermann, dass möglicherweise durch den warmen Golfstrom dieser Nordpolarbereich eisfrei wäre“, erklärt Petra Svatek, Wissenschaftshistorikerin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
,
Doch die Unternehmung ging schief, das Forschungsschiff Admiral Tegethoff blieb bereits im August 1872, gut zwei Monate nach Expeditionsbeginn, im Packeis stecken. Die Tegethoff fror ein und driftete entlang der Meeresströmung langsam Richtung Norden. Für die Besatzung sollten es zwei lange Jahre im ewigen Eis werden.

Fotostrecke
ORF
1996 produzierte der ORF die Dokumentation „Arktis Nordost“, in der die Expedition nachgestellt wurde
ORF
ORF
ORF
Zeichnung von Julius Payer über das Leben im Eis

„Land, Land, endlich Land!“
„Auch im Sommer kamen die Temperaturen nicht über null Grad“, sagt Svatek. Dazu wurden Nebel, Wind, Dunkelheit und einseitige Ernährung für die Mannschaft zur Zerreißprobe. Schließlich, am 30. August 1873, als auch im Sommer das Packeis nicht aufgetaut war, erklang schließlich der Ruf: „Land, Land, endlich Land!“. Kaiser-Franz-Josef-Land war entdeckt.

Doch es dauerte einen weiteren Herbst und Winter bis Julius Payer das neuentdeckte Land endlich per Hundeschlitten erkunden konnte. In umfassender Genauigkeit fertigte er erste Karten an und vergab Namen an die Kaps, Gletscher und Erhebungen, die er sah. Die Insel mit dem höchsten Berg nannte er Wiener-Neustadt-Insel.

Fotostrecke
ORF
Die Wiener-Neustadt-Insel beherbergt die mit 620 Metern höchste Erhebung des Archipels
ORF
Sie liegt zentral in der Mitte der Inselgruppe, die bis heute Kaiser-Franz-Josef-Land heißt

ORF
In einer Fußnote seiner Memoiren erklärt Payer, warum er diese zentrale Insel nach Wiener Neustadt benannte

ORF/Tobias Mayr
Diese von Payer gezeichnete Karte zeigt den Umfang der Erkundung, die Payer im Frühjahr 1874 durchführte

ORF

Hinweis in der Fußnote
Den Grund dahinter erläuterte Payer später in einer knappen Fußnote seiner Memoiren, die sich heute im Bestand der Österreichischen Akademie der Wissenschaften befindet. „Der Militär-Akademie von Wiener Neustadt verdanke ich meine Ausbildung“ schreibt Payer. „Er hatte eine enge Verbindung zu Wiener Neustadt“, erklärt Svatek. Zunächst habe er an der Militärakademie gelernt, später sei er sogar einige Jahre als Lektor für Geschichte und Geographie tätig gewesen, erklärt die Wissenschaftshistorikerin.

Einen weiteren Wiener-Neustadt-Bezug weist auch der nördlichste Punkt des Archipels auf, den Payer Kap Fligely nannte. Der österreichische Kartograph August von Fligely (1810-1879) war ebenfalls Zögling der Militärakademie Wiener Neustadt gewesen und wurde später Payers Vorgesetzter am Militär-Geographischen Institut in Wien. „Zu seinen Ehren hat Julius Payer dann dieses Kap nach seinem Chef benannt“, erklärt Svatek.

1708259978558.png
Ca. 4.000 Kilometer liegen zwischen Wiener Neustadt und der Wiener-Neustadt-Insel

Name wurde nie geändert
Seit 1926 gehört der gesamte Archipel zu Russland, jahrelang war er Sperrgebiet und Militärstützpunkt. Heute kann man das Land nur mit Sondergenehmigung betreten. Warum Russland die Insel nie umbenannt hat, darüber könne man nur Mutmaßungen anstellen, meint Svatek: „Ich denke, dass sie einfach für Russland nicht so eine große Bedeutung hat, weil man aufgrund dieser widrigen Witterungsverhältnisse dort wirklich nicht irgendwelche dauerhaften Kolonien gründen kann“, glaubt die Wissenschaftshistorikerin.

Wikimedia Commons/Nikolay Gernet CC BY-SA 4.0
Die Wiener-Neustadt-Insel mit Peak Parnass (620 Meter) heute

Im Frühsommer 1874 leuchtete schließlich auch Payer ein, dass er sich den widrigen Lebensbedingungen der Inselgruppe geschlagen geben muss. Die Crew ließ das festgefrorene Schiff zurück und zog mit Booten und Schlitten solange nach Süden, bis sie das eisfreie Meer erreichte. Russische Fischerboote nahmen die Besatzung schließlich an Bord.

Am 25. September 1874 erreichten 23 Besatzungsmitglieder schließlich Wien, nur einer überlebte die zwei Jahre im Eis nicht. „Der Empfang war triumphal“, meint Svatek, auch wenn die Nordostpassage nicht gefunden wurde. „Aber man wusste nun, dass es tatsächlich keinen eisfreien Weg in so hohen Breiten gibt, die Expedition war auch irgendwie ein Erfolg.“ Bis heute erinnert daran unter anderem der niederösterreichische Name einer russischen Insel im Nordpolarmeer.
18.07.2024, Tobias Mayr, noe.ORF.at
Warum eine Insel im Eismeer Wr. Neustadt heißt
 
Oben