Sauberer fliegen
Was es heißt, ein Flugzeug mit Wasserstoff zu betanken
Klimaneutrale Luftfahrt verlangt nicht nur neue Flugzeuge. Auch Abläufe auf Flughäfen müssen neu gedacht werden, damit künftig grüner abgehoben werden kann
Die Vision des Flugverkehrs mit geringerem ökologischem Fußabdruck ist Gegenstand vieler Forschungen. Neben angepassten Treibstoffen und Flugzeugen gibt es viele Prozesse, die auf eine grünere Zukunft des Fliegens abgestimmt werden müssen.
AFP/MOHD RASFAN
Im Bereich grüner Technologien gehört Mailand-Malpensa zu den innovativsten Flughäfen Europas. Mehrere Projekte befassen sich hier mit der Frage, wie ein großer, überregionaler Logistik-Hub die Umstellung auf klimaneutrale Antriebsformen managen kann. Die Elektrifizierung der Bodenlogistik gehört hier ebenso dazu wie die Inbetriebnahme von Wasserstofftankstellen für den Lkw-Betrieb im Cargoumfeld, samt einer großen lokalen Elektrolyseanlage für die Gewinnung des Energieträgers.
Hier wird auch eine Technologie erprobt, deren breite Anwendbarkeit noch viel weiter in der Zukunft liegt. Im bis 2027 laufenden EU-Projekt ALRIGH2T untersucht ein großes europäisches Konsortium mit 21 Partnern aus sieben Ländern, wie sich die Betankung von Flugzeugen mit flüssigem Wasserstoff technologisch und ökonomisch umsetzen und in die Flughafenlogistik integrieren lässt.
Wenn Tanken komplizierter wird
Wasserstoffflugzeuge selbst sind erst in einem frühen experimentellen Stadium mit kleinen Testflugzeugen – noch weit weg von der Einsetzbarkeit im internationalen Passagier- und Cargobetrieb. Doch wenn ein so komplexes Unterfangen wie die Umstellung des Flugbetriebs auf einen neuen Treibstoff umgesetzt werden soll, muss frühzeitig an vielen Aspekten gearbeitet werden. Um das Jahr 2050, für das die EU eine klimaneutrale Luftfahrt vorsieht, sollten dann die Puzzleteile einer wasserstoffbetriebenen Luftfahrt ineinandergreifen.
Michele De Gennaro, Leiter der Competence Unit Electric Vehicle Technologies am Austrian Institute of Technology (AIT), ist mit seinem Team von Wien aus an dem Projekt beteiligt. Die Forschenden hier simulieren etwa die Physik der Tankprozesse, um eine Basis für Optimierungen zu legen, die Sicherheit zu erhöhen und Verluste bei den Tankinhalten zu minimieren. "Der Umgang mit flüssigem Wasserstoff ist definitiv komplizierter als jener mit konventionellem Treibstoff", stellt De Gennaro klar. "Unsere Aufgabe ist es, ein exaktes digitales Abbild, einen digitalen Zwilling, des Tankprozesses zu entwickeln."
Um auf klimafreundlichere Antriebsstoffe im Flugverkehr umzusteigen, muss auch die Infrastruktur am Boden auf diese Neuerung ausgelegt werden.
REUTERS/Francis Mascarenhas
Wasserstoff braucht viel Platz
Wasserstoff hat den großen Vorteil, dass er pro Masseeinheit eine viel höhere Energiedichte aufweist als fossile Treibstoffe – eine Eigenschaft, die ihn zum guten Kandidaten für den Einsatz in Flugzeugen macht. Doch der Nachteil ist, dass das Element extrem leicht ist und ein hohes Volumen, also viel Raum, benötigt. "Im Automobilbereich ist es ausreichend, das Gas in Druckbehälter zu pressen, um das benötigte Volumen zu verkleinern. Nicht aber für den Energiebedarf von Flugzeugen", erklärt De Gennaro. "Hier muss man einen Schritt weiter gehen und das Gas verflüssigen. Dafür sind Temperaturen von minus 253 Grad Celsius nötig. Jeder Flüssiggastank gehört also zu den kältesten Orten in unserem Sonnensystem."
Tank, Pumpen, Rohre und Arbeitsabläufe müssen auf die Eigenschaften des neuen Treibstoffs abgestimmt sein. Und der Prozess muss schnell gehen. Denn trotz der extrem gut isolierten und vorgekühlten Tanks entsteht ein sogenannter Boil-off, ein Teil des Wasserstoffs verdampft also. "Typischerweise kann man von einem Verlust durch Boil-off von drei Prozent pro 24 Stunden ausgehen", schildert der Luftfahrtexperte. "Der Wasserstoff wird also am besten direkt am Flughafen erzeugt, gekühlt und möglichst schnell in Flugzeuge getankt, die bald abheben und den Tankinhalt verbrauchen."
Konkrete Abläufe simulieren
Die extremen Temperaturen im Tank bringen ihre eigenen Regeln mit. "Im Bereich der kryogenen Temperaturen gelten andere physikalische Gesetze. Die Materialien verhalten sich anders. Viele Werkstoffe werden extrem spröde und schwierig zu handhaben", veranschaulicht De Gennaro. Die digitalen Modelle zeigen das Verhalten des flüssigen Wasserstoffs in diesem Umfeld, indem etwa Strömungsdynamik und das Verhalten der Materie über mehrere physikalische Phasen – flüssig und gasförmig – simuliert wird. "Wir untersuchen, wie sich die Flüssigkeit im Tank mit dem Flugzeug bewegt, welche Betankungsgeschwindigkeit die geringsten Verluste verursacht oder wie der verdampfende Wasserstoff aus dem Tank entweicht", gibt der AIT-Experte Beispiele.
Kondensstreifen entstehen aus den Abgasen von Flugzeugen, die das Klima belasten.
IMAGO/Arnulf Hettrich
Am Flughafen Mailand-Malpensa ist schließlich der Bau einer Demonstrationsanlage geplant, die die Betankung unter realistischen Bedingungen nachstellt – im verkleinerten Maßstab mit einem Tank, der etwa 50 Kilogramm Wasserstoff aufnehmen kann. Zum Vergleich: Eine Passagiermaschine würde einen Tank für etwa zwei bis vier Tonnen Wasserstoff benötigen. Die Experten nennen eine bodengebundene Testanlage dieser Art, die Flugzeugsysteme erprobt, Iron Bird.
Praxistests mit dem Eisenvogel
Der Mailänder "Eisenvogel" wird dazu dienen, Komponenten auf ihre Tauglichkeit und Sicherheit hin zu erproben und Personal zu schulen. Gleichzeitig wird er aber auch helfen, die Simulationsmodelle der Wiener Forschenden, die auf experimentellen Daten basieren, auf ihre Realitätsnähe zu testen, erläutert De Gennaro. "Das Kalibrieren der digitalen Modelle an einer kleinformatigen Anlage ist eine wichtige Voraussetzung für das Ausrollen der Technologie im großen Maßstab."
Die Veränderungen, die ein dekarbonisierter Flugbetrieb mit sich bringen wird, sind erstaunlich weitreichend. Wasserstoffbetriebene Flugzeuge werden etwa eine andere Gestalt haben, gibt der Experte ein Beispiel. Weil der flüssige Wasserstoff runde oder ovale Tanks benötigt, die nicht in den Tragflächen unterzubringen sind, wird der Rumpf länger. Die Form der Flügel wird schlanker und die Spannbreite größer. Fest steht, dass die benötigten Technologien Hand in Hand entwickelt werden müssen. De Gennaro: "Die Entwicklung eines neuartigen Flugzeugtyps ist extrem teuer und nur dann sinnvoll, wenn Abnehmer vorhanden sind. Diese wird es aber erst dann geben, wenn Flughäfen in der Lage sind, die neue Technologie zu unterstützen."
(Alois Pumhösel, 7.6.2025)
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AFP/MOHD RASFAN
Im Bereich grüner Technologien gehört Mailand-Malpensa zu den innovativsten Flughäfen Europas. Mehrere Projekte befassen sich hier mit der Frage, wie ein großer, überregionaler Logistik-Hub die Umstellung auf klimaneutrale Antriebsformen managen kann. Die Elektrifizierung der Bodenlogistik gehört hier ebenso dazu wie die Inbetriebnahme von Wasserstofftankstellen für den Lkw-Betrieb im Cargoumfeld, samt einer großen lokalen Elektrolyseanlage für die Gewinnung des Energieträgers.
Hier wird auch eine Technologie erprobt, deren breite Anwendbarkeit noch viel weiter in der Zukunft liegt. Im bis 2027 laufenden EU-Projekt ALRIGH2T untersucht ein großes europäisches Konsortium mit 21 Partnern aus sieben Ländern, wie sich die Betankung von Flugzeugen mit flüssigem Wasserstoff technologisch und ökonomisch umsetzen und in die Flughafenlogistik integrieren lässt.
Wenn Tanken komplizierter wird
Wasserstoffflugzeuge selbst sind erst in einem frühen experimentellen Stadium mit kleinen Testflugzeugen – noch weit weg von der Einsetzbarkeit im internationalen Passagier- und Cargobetrieb. Doch wenn ein so komplexes Unterfangen wie die Umstellung des Flugbetriebs auf einen neuen Treibstoff umgesetzt werden soll, muss frühzeitig an vielen Aspekten gearbeitet werden. Um das Jahr 2050, für das die EU eine klimaneutrale Luftfahrt vorsieht, sollten dann die Puzzleteile einer wasserstoffbetriebenen Luftfahrt ineinandergreifen.
Michele De Gennaro, Leiter der Competence Unit Electric Vehicle Technologies am Austrian Institute of Technology (AIT), ist mit seinem Team von Wien aus an dem Projekt beteiligt. Die Forschenden hier simulieren etwa die Physik der Tankprozesse, um eine Basis für Optimierungen zu legen, die Sicherheit zu erhöhen und Verluste bei den Tankinhalten zu minimieren. "Der Umgang mit flüssigem Wasserstoff ist definitiv komplizierter als jener mit konventionellem Treibstoff", stellt De Gennaro klar. "Unsere Aufgabe ist es, ein exaktes digitales Abbild, einen digitalen Zwilling, des Tankprozesses zu entwickeln."

Um auf klimafreundlichere Antriebsstoffe im Flugverkehr umzusteigen, muss auch die Infrastruktur am Boden auf diese Neuerung ausgelegt werden.
REUTERS/Francis Mascarenhas
Wasserstoff braucht viel Platz
Wasserstoff hat den großen Vorteil, dass er pro Masseeinheit eine viel höhere Energiedichte aufweist als fossile Treibstoffe – eine Eigenschaft, die ihn zum guten Kandidaten für den Einsatz in Flugzeugen macht. Doch der Nachteil ist, dass das Element extrem leicht ist und ein hohes Volumen, also viel Raum, benötigt. "Im Automobilbereich ist es ausreichend, das Gas in Druckbehälter zu pressen, um das benötigte Volumen zu verkleinern. Nicht aber für den Energiebedarf von Flugzeugen", erklärt De Gennaro. "Hier muss man einen Schritt weiter gehen und das Gas verflüssigen. Dafür sind Temperaturen von minus 253 Grad Celsius nötig. Jeder Flüssiggastank gehört also zu den kältesten Orten in unserem Sonnensystem."
Tank, Pumpen, Rohre und Arbeitsabläufe müssen auf die Eigenschaften des neuen Treibstoffs abgestimmt sein. Und der Prozess muss schnell gehen. Denn trotz der extrem gut isolierten und vorgekühlten Tanks entsteht ein sogenannter Boil-off, ein Teil des Wasserstoffs verdampft also. "Typischerweise kann man von einem Verlust durch Boil-off von drei Prozent pro 24 Stunden ausgehen", schildert der Luftfahrtexperte. "Der Wasserstoff wird also am besten direkt am Flughafen erzeugt, gekühlt und möglichst schnell in Flugzeuge getankt, die bald abheben und den Tankinhalt verbrauchen."
Konkrete Abläufe simulieren
Die extremen Temperaturen im Tank bringen ihre eigenen Regeln mit. "Im Bereich der kryogenen Temperaturen gelten andere physikalische Gesetze. Die Materialien verhalten sich anders. Viele Werkstoffe werden extrem spröde und schwierig zu handhaben", veranschaulicht De Gennaro. Die digitalen Modelle zeigen das Verhalten des flüssigen Wasserstoffs in diesem Umfeld, indem etwa Strömungsdynamik und das Verhalten der Materie über mehrere physikalische Phasen – flüssig und gasförmig – simuliert wird. "Wir untersuchen, wie sich die Flüssigkeit im Tank mit dem Flugzeug bewegt, welche Betankungsgeschwindigkeit die geringsten Verluste verursacht oder wie der verdampfende Wasserstoff aus dem Tank entweicht", gibt der AIT-Experte Beispiele.

Kondensstreifen entstehen aus den Abgasen von Flugzeugen, die das Klima belasten.
IMAGO/Arnulf Hettrich
Am Flughafen Mailand-Malpensa ist schließlich der Bau einer Demonstrationsanlage geplant, die die Betankung unter realistischen Bedingungen nachstellt – im verkleinerten Maßstab mit einem Tank, der etwa 50 Kilogramm Wasserstoff aufnehmen kann. Zum Vergleich: Eine Passagiermaschine würde einen Tank für etwa zwei bis vier Tonnen Wasserstoff benötigen. Die Experten nennen eine bodengebundene Testanlage dieser Art, die Flugzeugsysteme erprobt, Iron Bird.
Praxistests mit dem Eisenvogel
Der Mailänder "Eisenvogel" wird dazu dienen, Komponenten auf ihre Tauglichkeit und Sicherheit hin zu erproben und Personal zu schulen. Gleichzeitig wird er aber auch helfen, die Simulationsmodelle der Wiener Forschenden, die auf experimentellen Daten basieren, auf ihre Realitätsnähe zu testen, erläutert De Gennaro. "Das Kalibrieren der digitalen Modelle an einer kleinformatigen Anlage ist eine wichtige Voraussetzung für das Ausrollen der Technologie im großen Maßstab."
Die Veränderungen, die ein dekarbonisierter Flugbetrieb mit sich bringen wird, sind erstaunlich weitreichend. Wasserstoffbetriebene Flugzeuge werden etwa eine andere Gestalt haben, gibt der Experte ein Beispiel. Weil der flüssige Wasserstoff runde oder ovale Tanks benötigt, die nicht in den Tragflächen unterzubringen sind, wird der Rumpf länger. Die Form der Flügel wird schlanker und die Spannbreite größer. Fest steht, dass die benötigten Technologien Hand in Hand entwickelt werden müssen. De Gennaro: "Die Entwicklung eines neuartigen Flugzeugtyps ist extrem teuer und nur dann sinnvoll, wenn Abnehmer vorhanden sind. Diese wird es aber erst dann geben, wenn Flughäfen in der Lage sind, die neue Technologie zu unterstützen."
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